Filmkritiken des FKC 2004
wenn nicht anders angegeben ist Dr. Norbert Fink
(NF) der Autor
WG = Prof. Walter Gasperi
Urs = Dr. Urs Vokinger
Weitere
Kritiken von Walter Gasperi finden sich
auch hier. (Kultur-Online
- auf
Filmriss weiter klicken)
C(r)ook
Pepe Danquart, A, D 2004
Crook' ist das englische Wort
für Gangster, 'cook' bedeutet Koch. Der Gangster und der Koch - der Titel sagt
schon Wesentliches über die Geschichte des Films.
Oskar, ein Mann in den "besten
Jahren", arbeitet seit über 20 Jahren für Konstantin, den mächtigen Paten von
Wien. Beruflich ein gefürchteter Gangster, ist Oskar privat ganz der feinsinnige
Gourmet. Um mit seiner großen Liebe Maria ein neues Leben zu beginnen, plant
Oskar den Ausstieg aus der Mafia, Maria, seine Geliebte, war seine
Gefängnispsychologin. Sie wird zwischenzeitlich in einem Bordell gefangen und
gequält. Oskar schlägt zurück, indem er den Widersacher in Brotteig hüllt und in
den Ofen steckt ... doch dann kommt die Polizei ... (dümmlich wie in allen
österr. Krimis)
* Zwar recht turbulent und mit
manchen schrillen Bildern, vermag die Mischung aus Satire, Komödie und Krimi
nicht recht zu überzeugen, wenngleich der Streifen recht unterhaltsam, aber eben
nicht mehr ist.
Die fetten Jahre sind
vorbei
Hans Weingartner, D/A 1004, 126 Min. (FAZ)
Jan (Daniel Brühl) und Peter kommen sich als junge Revolutionäre vor: sie
brechen in die Villen der Reichen ein, ohne etwas zu entwenden; sie machen nur
etwas Unordnung und hinterlassen die Warnung "die fetten Jahre sind vorbei!"
oder "Du bist zu reich - die Erziehungsberechtigten" , dennoch verbreiten sie
bei den Betroffenen Angst und Schrecken, habe sie doch meist geschickt die
Alarmanlage überlistet. Als die schöne Jule (Julia Jentsch), die nach einem
Autounfall 95.000 € Schulden hat, Jan überredet in die Villa jenes Mannes
einzubrechen, dem sie den S-Klasse-Mercedes kaputt gefahren hat und der sie nun
mit Klagen eindeckt, scheint anfangs alles glatt zu laufen. Als er dann
plötzlich auftaucht und es zum Handgemenge kommt, bleibt ihnen nichts anderes
übrig, als ihn als Geisel zu nehmen und mit ihm von Berlin auf eine einsame
Alphütte in Österreich zu fahren. Ganz langsam kommen sie sich näher und
entdecken, dass der entführte "damals" in den 68er Jahren ebenfalls ein junger
Revolutionär mit linken Ideen war. Besonders beeindruckend ist dabei die Szene,
wie er den an bürgerliche und treue Beziehungen glaubenden jungen "RevolutionärInnen"
erzählt, dass damals auch die "freie Liebe", der Umsturz der bürgerlichen
Scheinmoral, eine große Rolle spielte. Er spielt mit und verspricht nichts der
Polizei zu sagen, am Schluss kehren sie fast als Freunde zurück.
Dazwischen lagen lange Diskussionen, wie man die Ungerechtigkeiten auf der Welt
reduzieren könnte und welche Ideale man heute eigentlich noch haben kann.
Weitgehend spannend und flott gemacht, zeigt der Film die Lebensphilosophie
zweier Generationen. Eingewoben ist auch eine Liebesgeschichte (Jule wechselt
den Lover). Leider hat der Feldkircher Regisseur Weingartner seinen Erfolg von
"das weisse Rauschen" nicht dazu benutzt, hier echtes Filmmaterial zu benutzen
und so wird - eigentlich grundlos (da reine Fiktion) - das billigere HD-
Videoformat benutzt und auf Film umkopiert.
*** junge Revolutionäre entführen
ungewollt einen Reichen, der früher auch mal so war wie sie; dabei kommt es zu
tiefsinnigen Gesprächen über soziale Ungerechtigkeit und die Lage der Welt.
Die
Reise des jungen Ché
Ché´s Motorcicle Diaries / Diarios de Motociclista
Walter Salles, Brasilien/USA 2004
Der junge Medizinstudent Ernesto [Ché] Guevara und sein Freund Alberto Granado,
Biochemiker, brechen 1952 kurz vor Studienabschluss mit einem altersschwachen
Motorrad (eine 500er Norton -im Buch heisst sie "Poderosa II" - die Mächtige, im
Film [deutsche Synchr.] die "Allmächtige") auf eine 12.000 km Reise durch
Südamerika, beginnend in Buenos Aires geht es südlich nach Patogonien und bei
Bariloche hinüber nach Chile, dort der Westküste Südamerikas hinauf über Peru
bis nach Venezuela, dort trennen sich die beiden und Ché fliegt mit einer
Frachtmaschine nach Miami. Eigentlich ist das ganze eher eine
Lausbubengeschichte, denn die beiden haben kein Geld und geben mit ihren noch
gar nicht erworbenen Dr.-Titeln mächtig an und sich als Lepra-Experten aus, als
das eine Zeitung gar noch abdruckt, haben sie es Schwarz auf Weiss. Während
Alberto ein rechter Weiberheld ist und herrlich Mambo tanzen kann, hat Ché zwei
linke Beine und ist recht schüchtern. Überall betteln sie um Essen, Trinken und
Quartier und schaffen das Unmögliche tatsächlich.
Der Film vermittelt nicht nur prächtig die landschaftlichen Reize Südamerikas,
auch die Lebensfreunde und der Improvisationsgeist ihrer Menschen kommen gut
herüber. Gewissen Raum im Film hat auch die Leprastation im Amazonas Gebiet, wo
Ché sein medizinisches Fachwissen anbringen konnte und von den Nonnen nichts zu
Essen bekam, weil er nicht die Hl. Messe besuchte.
Zufällig hatte ich bei meiner letzten Südamerika-Reise
das Buch, welches die Basis für diesen Film darstellt, gelesen.
Umso überraschter war ich über die im allgemeinen kongeniale Umsetzung; der Film
wurde an Originalschauplätzen aufgenommen, das sind manchmal auch touristisch
sehr attraktive Punkte (wie Bariloche oder Patagonien in Argentinien,
Chuchicamata, die größte Kupfermine der Welt in Chile, die Atacama-Wüste, Machu
Piccu in Peru, die Amazonasgegend um Iquitos, Caracas ...), die so mancher
Südamerika Fan sicher schon besucht hat. Die Fotographie ist sicher einer der
starken Punkte dieses Filmes. Während das Buch kaum sozialkritische Episoden
enthält, wird im Film - vor allem was die Szene mit den Minenarbeitern in Chile
betrifft, etwas hineingedichtet: im Buch besuchten Ernsto und Alberto die Mine
als normale Touristenbesucher (auch ich konnte einmal nach Anmeldung und
längerem Warten die gratis-Tour durch die Mine machen...) im Film klagen sie die
Ausbeutung der Arbeiter an. Auch kommt im Film keine einzige Szene auf einer
Poizeistation vor, während sie es im Buch dort immer zuerst versuchen, eine
Unterkunft zu bekommen, genausowenig wie jene Textpassage, wo sie sich als
argentinische Steak-Brater (Asados) verdingen und dabei Wein abzweigen, der
ihnen dann prompt im kühlenden Fluss selber gestohlen wird. Jedenfalls
sind Buch und Film recht witzig.
**** Zwei junge Studenten fahren ohne Geld mit
einem Motorrad im Jahre 1952 durch Südamerika - die ganze Geschichte und dessen
Tagebuch wäre wohl in Vergessenheit geraten, wäre nicht der große Ché, der
später an der Seite Fidels die Kubanische Revolution anführte und dann in
Bolivien im Auftrag des CIA ermordet wurde, einer der beiden Protagonisten. Es
geht zu den schönsten Plätzen des Kontinents, darüberhinaus zeigt der Film
die fröhliche Lebensart der Latinos und in relativ kleinen Dosen auch die
sozialen Probleme. Im Erzählstil zwar recht konventionell, für
Lateinamerika-Kenner aber zweifellos ein wahrer Genuss !
(P.S. am Rande, es ist schwer zu sagen, aus welchem Land der Film kommt (Robert
Redford war ausführender Produzent, der Argentinier Daniel Burmann Co-Produzent,
der Brasilianer Walter Salles der Regisseur und die britische FILMFOUR die
Filmfirma, sogar die kubanische ICAIC hat mitgearbeitet. Der Cinematograph
schrieb deshalb als Herkunftsland Argentinien, die Filmdatabase USA, und Film.de
gar Brasilien...), darf der FKC ihn also doch spielen ?
Superzise me
Der New Yorker Filmemacher Morgan Spurlock ging im Stile
Michael-Moore´s der Frage nach, warum die US-Amerikaner immer dicker
werden. Er machte einen Selbstversuch und ernährte sich einen Monat lang
ausschließlich von Produkten der McDonalds Restaurants, dabei legte er sich
folgende Regeln auf: es müssen 3 Essen pro Tag eingenommen werden (egal ob er
Hunger hat oder nicht); wird er gefragt ob er die "Supersize" Größe wolle, sagt
er ja und er hat alles aufzuessen, auch die Bewegungsgewohnheiten wurden dem
Durchschnittsamerikaner angepasst und entsprechend reduziert. Vor Beginn ließ er
sich von 3 ÄrztInnen untersuchen und galt als idealgewichtig, gesund und fit.
Unter dieser "McDiät" änderte sich das sehr rasch: binnen eines Monates nahm er
11 Kilo zu, war nicht mehr fit, Libido und Potenz fast auf Null; das Schlimmste
waren jedoch die Leberwerte, welche die Ärzte in Schrecken versetzten. Sie waren
dramatischer als bei manchem Alkoholiker, obwohl er weder vorher noch während
dieser Zeit Alkohol trank, vielmehr waren stark zuckerhältige Soda - und
Cola-Getränke seine Flüssigkeitsbasis.
Selbst nach 6 Monaten Rückumstellung auf gesundes Essen, waren Gewicht und
Blutwerte noch immer nicht am Ausgangspunkt ! Damit waren die Folgen erheblich
dramatischer als von seinen Ärzten prognostiziert, die nur eine Erhöhung der
Trigliceride und Cholesterinwerte voraussagten. Dass es Herzrhythmusstörungen
und ein Vorstadium zur Leberzhyrrose schon nach so kurzer Zeit geben wird,
hätten sie nicht gedacht.
Der auf Video aufgenommene und dann gefazte Film vermittelt sehr viele Fakten
über Ernährung und Essen, wobei die Problematik bei uns in Europa sicher eine
andere ist (z.B. leichterer Zugang zu Alkohol und Bier/Wein als normales
Getränk zum Essen) Auch der Einfluss der großen Nahrungsmittelkonzerne und
ihrer Lobbys auf Schulküchen und Kantinen wird beleuchtet.
** 1/2 interessanter Dokumentarfilm über die
gravierenden gesundheitlichen Folgen von ausschließlicher Fast-Food-Ernährung
auf einen kerngesunden Mann. Für Europa nur bedingt umsetzbar. Aber immerhin
eine Warnung vor der Amerikanisierung unserer Esssitten.
OLGA (derzeit in den brasilianische Kinos), bald in Deutschland als:
Olga Benario – Ein Leben für die Revolution
Jayme Monjarbim, Brasilien 2004,
ca. 135 Min.
Olga Benario Prestes
wächst in begüterten Verhältnissen in Deutschland auf, auf der Seite der Linken
demonstriert sie 1928 gegen die aufkeimenden Nazis – und bekommt von diesen
Prügel. Bei einem Prozess kämpft sie mit Waffengewalt einen der kommunistischen
Subversion Beschuldigten frei. Sie zerwirft sich mit ihrer Mutter und geht nach
Moskau, um sich dort von der Internationale ausbilden zu lassen. Ihr erster
Auftrag ist es, Carlos Prestes, einen brasilianischen Kommunisten, der auf der
Todesliste des brasil. Präsidenten Vargas steht, als scheinbare Ehefrau auf
einem Luxusdampfer 1.Klasse von Frankreich nach Rio zu begleiten. Es fällt dem
deutschen Agenten Fischer auf, dass sich die beiden, als Raketen von Bord des
Schiffes das neue Jahr verkünden, sich nicht küssen. Fischer bringt ihnen einen
Sekt und fordert sie dazu auf; um nicht enttarnt zu werden, umarmen sie sich,
wobei Carlos sich in Olga verliebt. Langsam entwickelt sich – entgegen der Moral
und des politischen Auftrages kommunistischer Kämpfer doch eine Romanze zwischen
den beiden. In Brasilien angekommen, formieren sie einen kommunistischen Zirkel
und organisieren die KP, offenbar werden sie jedoch verraten. Nach der ersten
flammenden öffentlichen Rede schlägt die Diktatur von Vargas zurück und lässt
die Aufwiegler verhaften, foltern und verhören. Olga, inzwischen schwanger, soll
als Geschenk von Vargas an Hitler ausgeliefert werden. Es gelingt zwar der
Mutter von Carlos das Rote Kreuz und einige Öffentlichkeit einzuschalten, doch
unter dem Vorwand in ein Spital verlegt zu werden, kommt Olga auf die La Coruña,
ein spanisches Schiff geschmückt mit Naziflaggen. In Hamburg wird sie von der
Gestapo empfangen. Sie darf das Kind zur Welt bringen und 6 Monate behalten,
danach werden Mutter und Kind gewaltsam getrennt und Olga kommt ins KZ
Ravensbrück. Immerhin gelingt es der Mutter Carlos´und einer Genossins, das Kind
adoptieren zu dürfen und in Mexiko in Sicherheit zu bringen. Olgas einzige
Hoffnung im KZ ist ein Brief mit dem Foto ihres Sohnes, Carlos im Gefängnis in
Rio erfährt von seinem Glück Vater geworden zu sein, wird jedoch seine Tochter
nie sehen. Nach einer Zeit harter Arbeit in Ravensbrück wird Olga in das
Vernichtungslager Bernburg verlegt und 1942 vergast. 1954 nimmt sich Getulio
Vargas das Leben und Carlos kommt danach frei.
Man sieht es dem Streifen leider an, dass er vom weltgrößten Produzenten von
Telenovelas, Globo (in Zusammenarbeit mit der französischen Lumiere) produziert
wurde, es gibt kaum Außenaufnahmen und Totale, alles ist im Studio gemacht und
spielt sich vor Kulissen oder in Innenräumen ab, auch wird für europäische
Verhältnisse ziemlich auf die Tränendrüse gedrückt. Ein unbestreitbares
Verdienst ist es jedoch, den jungen und politisch nicht sehr informierten
Lateinamerikanern die Gräuel der deutschen KZ drastisch vor Augen zu führen.
Die Musik wandelt im ersten Teil die Internationale symphonisch ab.
*** ½ melodramatische und konventionell
gemachte Aufarbeitung einer wahren Geschichte zu Beginn des 2. Weltkrieges, der
die geheime Sympathie des damaligen brasilianischen Präsidenten Getulio Vargas
mit den Nazis aufdeckt. (Brasilien
schlug sich erst in den allerletzten Kriegstagen auf die Seite der USA und
vermietete die Atlantikinsel Fernando de Noronha als Militärbasis an die USA).
http://olgaofilme.globo.com/
HEREMAKONO - WARTEN AUF DAS GLÜCK
Dokumentarisch anmutender Spielfilm um das sehr
beschauliche Leben in einem Dorf am Rande mauretanischen Küste; selbst als das
Meer eine Leiche anschwemmt, kommt keine Spannung in diesem Dahinplätschern
schöner Bilder auf, die Gedanken der Bewohner kreisen um die Frage, ob es in
Europa wohl besser sei. Einige Unglaubwürdigkeiten (Wanderung in die Wüste mit
einer elektrischen Lampe mit langem Kabel; Probleme Licht in einer Wohnung zu
installieren) reduzieren die ohnehin banale Aussage. Der Film ist leider ein
typisches Beispiel einer von der EU finanzierten Filmprojektes, das nirgends
anecken wollte und deshalb selber keine Ecken und Kanten hat und einfach sehr
langweilig ist.
## (2 Schlafkissen für tiefen Kinoschlaf), banal
und langweilig.
La mala educación
Spanien 2003, Regie: Pedro Almodovar
Almodovar´s neuestes Werk ist ein Film-im-Film und deshalb mehrfach
verschachtelt. Ignacio, ein arbeitsloser Schauspieler sucht seinen Schulfreund
Enrique auf, um ihm ein Buch für einen Film vorzuschlagen: darin geht es um die
Erlebnisse in einem katholischen Internat in Spanien, wo er einst von Padre
Manolo missbraucht wurde. Dieser Padre ist inzwischen bei einem Verlag und sucht
junge Autoren. Als späte Rache beschliessen sie - z.T. als Transvestiten
verkleidet - den Padre zu erpressen, was dann tödlich endet.
Noch krasser als in den letzten Filmen besteht in diesem Streifen die Welt
Almodovars ausschliesslich aus Nicht-Heteros, auch Frauen kommen nur als
Leinwanddivas in Zitaten vor. Junkies und Transsexuelle, sowie alle Arten von
Schwulen (darunter fallen natürlich auch die Padres) sind hingegen sein Metier.
Die Szenen sind stimmig im poppigen Design der 80er Jahre, die Farben bunt, aber
doch leicht desaturiert und in Brauntönen gehalten, schließlich wollte er damit
eine "film noir" machen bzw an die Farben früherer Farbfilme erinnern.
Kommen wir aber zur Kernaussage des Filmes: die Anklage sexueller Übergriffe
durch Geistliche auf junge Knaben. Während der Film sonst bei schwulen Sexszenen
äußerst deutlich wird, sind die Erinnerungen an die pädophilen Padres relativ
vage und die Grenze, wo das Verbrechen anfängt im Bild unklar. Umso deutlicher
jedoch in einem Dialog,
als der Pater sich verteidigt, in dem er bekennt Ignacio "geliebt" zu haben -
die Antwort ist: " einen zehnjährigen Jungen kann man nicht lieben, ihn kann man
nur missbrauchen!" . Dennoch zeigten die Knaben schon damals ihre homoerotische
Orientierung (Szene, wo sie sich im Kino befummeln und der eine sich dann als "Hedonist"
bezeichnet), was den pädophilen Padres die Auswahl ihrer Opfer sicher
erleichterte.
*** Wilde Verschachtelungen und mehrere
Zeitebenen erschweren eine durchgehende Spannung oder Identifikation des
Zusehers mit einer der Figuren, formal jedoch zweifellos ein Meisterwerk,
dass in sehr komplexer Form das Tabuthema sexueller Übergriffe in Klosterschulen
thematisiert.
Der
Untergang
D 2004, 155 Min, dolby digital
Regie:
Oliver Hirschbiegel,
Buch: Bernd Eichinger
Mit Bruno Ganz (Hitler) , Alexandra Maria Lara (seine Sekretärin) u.v.a.m.
Durchaus eine positive Überraschung war der deutsche Film „der Untergang“ über
die letzten Tage im Führerbunker. Dabei handelt es sich keineswegs nur um ein
Kammerspiel im Bunker der Reichskanzlei, wie einige Kritiken suggerieren, der
Film ist durchaus auch mit Szenen von den Kämpfen um Berlin in den letzten Tagen
des 2. Weltkrieges 1945 „garniert“. Wenn Bruno Ganz als Adolf Hitler im Film zum
ersten Mal auftaucht, wie er 1942 eine Sekretärin für den Bunker sucht und dabei
gleich eine hübsche Münchnerin auswählt, erscheint er fast warm und herzlich, er
verzeiht der Kandidatin für diese Vertrauensposition sogar arge Tippfehler. Doch
das Bild ändert sich zunehmend, als die militärische Lage aussichtslos wird und
Hitler seinen Generälen befiehlt mit nicht mehr existierenden Armeen zum
Gegenschlag auszuholen oder er von 1000 „Strahlbombern“ (Düsenkampfflugzeugen)
träumt, die er in Prag versteckt habe. Dann wird er jähzornig und aufbrausend,
wittert Verrat und wähnt sich von Kretins umgeben. Wirklich grauslig wird es
aber, wenn die wahre Ideologie des Nationalsozialismus zum Vorschein kommt, wenn
Mitleid zum Verbrechen gegen das angebliche Naturgesetz wird, dass nur die
siegreiche Rasse ein Recht zum Überleben habe und das Deutsche Volk selber
schuld sei, wenn es untergehe, weil es zuwenig hart gekämpft habe.
Unter dem Bombenhagel und Beschuss der sowjetischen Artillerie behält Eva Braun
jedoch noch Partystimmung im Bunker, wie übrigens die Generäle im Umfeld des
Vegetariers und Antialkoholikers Hitlers fressen und saufen, was in den Bauch
hineingeht, während wenige Meter draußen Kinder im sinnlosen Straßenkampf gegen
die sowjetische Übermacht verheizt werden oder von Hitler persönlich dekoriert
werden, wenn sie überlebten. Schließlich bleibt nur noch der Selbstmord als
Ausweg, denn der Schwur auf den Führer verbietet jede Kapitulation vor dem
Feinde, die ganze Familie Goebbels kommt noch singend in den Führerbunker, die
Kinder werden vergiftet und dann richten sich die Goebbels selbst, Adolf
heiratet noch seine Eva, lässt sich noch eine Henkersmahlzeit kochen, gibt
seinem geliebten Hund eine Zynkalikapsel und vergiftet und erschießt sich
(sicher ist sicher), lässt sich sofort verbrennen; der Sekretärin, der Hitler
auch noch eine Todeskapsel schenkte, gelingt die Flucht nach dem Tode ihres
Führers. Erst Jahrzehnte später kommt sie zur Erkenntnis, dass Gleichaltrige
damals durchaus Widerstand leisteten, etwa die Sophie Scholl.
**** keine Sekunde langweilig und ein
grandioser Bruno Ganz in der Hauptrolle machen den Filmbesuch zu einem
beklemmenden Ereignis.
Zatoichi - der blinde Samurai
Takeshi Kitano,
Japan 2003, 166 Min, OmU
Einerseits
typisches Samurai - Genrekino, andererseits viele witzige Szenen. Vor allem die
kunstvoll choreogarfierten Fechtszenen lassen den tödlichen Kampfsport harmlos,
fast wie ein Computerspiel
erscheinen. Die Handlung ist einfach:
Japan im 19. Jahrhundert. Zatoichi (BEAT TAKESHI) ist ein blinder Wanderer, der
sich seinen Lebensunterhalt mit Glücksspiel und Massagen verdient. Doch hinter
der bescheidenen Fassade versteckt sich ein meisterhafter Schwertkämpfer, der
blitzschnell und mit unfassbarer Präzision zuschlägt.
Eine böse Bande, die Ginzo-Gang, terrorisiert im alten Japan ein Dorf,
fordert immer mehr Schutzgelder, sie kämpft ums Monopol und versucht eine
rivalisierende Bande auszurotten; ihr bester Kämpfer ist der "Fechtmeister"
Hattori und ebenfalls sympathisch geschildert. Der Held des Films, (durch Beat
Takeshi dargestellt) ist ein (angeblich) Blinder, der durchaus auch seine Laster
hat, so frönt er dem Glücksspiel, ist den Geishas nicht abgeneigt und hört durch
seine geschärften Sinne, wie die Würfel fallen, was ihn reich macht. Mit seinem
sagenhaften Blindenstock - in Wahrheit ein tödliches Schwert, trifft er
millimetergenau. Genregemäß kommt es zum Showdown zwischen Gut und Böse, dem
Blinden, dem Fechtmeister und dessen Boss. Jeder ahnt wie es ausgehen wird: der
ganz Böse wird vom Blinden geblendet, der Blinde sieht wieder und kriegt ein
paar Schrammen ab.
Letztlich bleibt unklar ob er sich nur blind stellte um seine restlichen Sinne
zu schärfen, denn er erklärt in der Schlußszene, dass er selbst mit offenen
eigentlich nichts sehe...
Sicherlich kein passender Film zum Thema "Menschen mit Behinderung" und auch
keine glaubwürdige Handlung, sondern ein Märchenfilm für Erwachsene, in dem sehr
viel Blut sprizt, aber eben so kunstvoll, dass es wieder witzig wird und so die
Gewalt ironisiert. Auch der Soundtrack ist phänomenal, vor allem wenn man ihn in
einem THX-zertifizierten Kino wie dem Leokino in Innsbruck hören kann.
Bemerkenswert ist, dass das vom Genre vorgegebene Gut-Böse Schema immer wieder
durchbrochen und relativiert wird, etwa wenn die beiden die Freier ausraubenden
Geishas (eine davon ist ein Transvestit) auf der "guten" Seite stehen...
*** fulminantes Genrekino mit genialer
Choreografie
Te doy mis ojos (Szenen einer Ehe)
Icair Bollain, Spanien 2003
Es geht um die Gewalt der Männer in der Ehe (Opfer Frau Pilar und Täter Mann Antonio natürlich).
Antonio versucht mit einer Therapie seiner Gewaltausbrüche Herr zu werden; seine Frau Pilar hofft auf eine
Besserung und kehrt daher wieder zu ihm zurück. Trotz dieser Therapie, welche Antonio erst zu spät ernst nimmt,
kommt es immer wieder zu Wutausbrüchen. Als Antonio Pilar in einem grossen Wutausbruch nackt auf den
Balkon ausschliesst kommt es zum finalen Bruch zwischen den beiden.
Die beiden Hauptdarstellern (Antonio und Pilar) spielen ihre Rolle sehr glaubhaft. ***+1/2
(Urs)
Bem Spanischen Filmpreis 2003 hat Te doy mis ojos gleich sieben Preise eingeheimst und war somit der absolute Abräumer.
Schultze Gets the blues
D 2003, Regie: Michael Schorr, 114 Min.
Irgendwo stilistisch zwischen Kaurismäki und Seidl angesiedelt ist dieser ruhige
Film; mit feinem Witz in Bild und Mimik, oft starrer Weitwinkelkamera und
brillant fotografiert (echter Film, kein Video!) zeigt Michael Schorr seinen
"Schultze", einen Ostdeutschen von seinem letzten Arbeitstag in einer Mine bis
hin zu seinem Tode.
Schultze, ein ausgewachsenes Mannsbild, lebt einsam und allein in einem Kaff,
seine Mutter ist im Altersheim. Seine einzige sinnvolle Beschäftigung bietet ihm
sein Akkordeon, im eingetragenen Musikverein "Harmonie" wird äußerst konservativ
die Volksmusik gepflegt - vom Chorgesang ("kein schöneres Land...") bis
hin zu Polka.
Schultze hingegen driftet ab, nicht zum echten Blues, wie der Titel suggeriert,
sondern zur Cajun-Musik aus den Sümpfen des Luisiana. Höhepunkt seiner Karriere
ist, dass er als "Delegierter" des Musikvereins zur Partnerstadt in den USA,
nach "New Bitterfeld", entsandt wird, wo er auf einem "Spaß-Fest" auftreten
soll. Dort angekommen, ist er aber von dieser müden Veranstaltung angewidert
("La Paloma blanca" wird vor ein paar Rentnern als deutsche Volksmusik zum
Besten gegeben) und treibt sich mit einem kleinen Kahn in den Sümpfen von
Luisana herum, er knüpft - wenn überhaupt - menschliche Kontakte nur zur
schwarzen Bevölkerung.
Die Stärke des Films ist, dass er seinen Stil konsequent durchzieht und in
dokumentarischer Genauigkeit Alltagsszenen einfängt, die Einsamkeit eines
älteren Mannes ist dabei das Grundthema. Wer sich musikalisch viel erwartet,
wird enttäuscht sein, man muss viel "Volksmusik" über sich ergehen lassen und
die Cajun-Musik ist oft nur angespielt. Teilweise Längen ergeben mit zunehmender
Zeit immer mehr ihren Sinn.
*** sehenswert, mit stillem Humor und einem
Schuss Melancholie
Elling - Nicht ohne meine Mutter
N 2004, Ewa Isaksen
Dass Frauen automatisch die besseren Regisseusen sind, widerlegt dieser Film
klar und deutlich. Er will krampfhaft am Erfolg des genialen Original-Elling
sich anklammern und hat deshalb auch denselben Darsteller für das Muttersöhnchen
Elling rekrutiert. Doch was im Original die glaubhafte Schilderung eines
schüchternen, sozial-depressiven Menschen ist, mutierte in diesem Streifen zu
einem aggressiven, unberechenbaren und der Trauer unfähigen Typen. Dabei ist
unklar, ob sich der Hass der Regisseurin gegen die bemutternde
Geschlechtsgenossin oder gegen den natürlichen Feind, den Mann, sich richtet.
Dennoch: so langweilig, dass man das Kino wieder gleich verlässt, ist der Film
doch wieder nicht; er ist handwerklich OK, aber eben sehr unglaubwürdig:
Ellings Mama kauft, ohne den Sohnemann zu fragen, Tickets nach Mallorca. Bereits
am Flughafen wird sie von einem General a.D. angebaggert; Elling, sonst sehr
schüchtern, verteidigt sie heldenhaft, ebenso verläuft der Check-In des
Erstfliegers. In Mallorca, Doppelbett mit Mama (Ödipus, komm raus!)
Hinterhofidylle statt Meerblick. Doch bei den Mültonnen in eben diesem Hinterhof
ist eine Katze, die Elling liebevoll füttert und verschmust. Als auch er von
einer drallen Frustrierten (eh klar, alle Männer saufen sich impotent)
einmal geküsst wird, kommt er fast in den 7. Himmel - doch in dem Moment stirbt
Mama...
Die Idee ist weder neu noch originell und aus manchen Szenen hätte man mehr
machen können, andererseits ist doch eine gewisse Hemmung zu verspüren, den
Ballermann so richtig zu zeigen, Elling ist da nicht der Richtige dafür...
** annehmbar, leichtes, harmloses Filmchen
Fahrenheit 9/11
USA 2004, Regie: Michael Moore
Jean-Luc Godard glaubt nicht, dass mit derartigen Filmen die Welt verändert
werden kann, vielmehr fürchtet er, dass damit Bush nur weiterhin im Zentrum des
Interesses bleibt. Andere Kritiker von Michael Moore glauben, er brauche Bush,
um ein Objekt zu haben, gegen das er lästern und mit dem er viel Geld verdienen
kann. In Cannes wurde dieser Film ausgezeichnet. Das waren Gründe genug
diesen Film anzusehen.
Vor den Credits wiederholt Moore nochmals, dass schon die Wahl von Bush nicht
mit rechten Dingen zustande gekommen sei, diesmal kurz aus der Sicht einiger
afroamerikanischen Abgeordneten, denen ein Einspruch verwehrt wurde.
Was dann zu sehen ist, ist für gebildete Europäer - so wie das Meiste von Moore
- eigentlich kaum was Neues.
Die Bush-Familie machte mit der Binladen - Familie aus Saudi Arabien seit langem
gute Öl-Geschäfte und selbst nach dem 11.9., als alle Flugzeuge am Boden bleiben
mussten, wurde eine Ausnahme gemacht: ausgerechnet die Familie der Binladens,
die sich gerade in den USA befand wurde ausgeflogen, und nicht etwa einvernommen
(wie Tausende andere).
Jeder weiss, dass Michael Moore seinen Präsidenten Bush nicht mag, er stellt ihn
also als faul und dumm
dar; dabei zeigt er auf, dass ihm seine Geschäfte wichtiger sind (und er daraus
mehr verdient, als er Gehalt bekommt) und er überall seine Günstlinge
beschäftigt und bevorzugt.
Im letzten Teil wird der ungerechtfertigte Überfall auf den Irak behandelt und
das Leid der Mütter gezeigt, deren Söhne in Bagdad gefallen sind. Der Krieg
gegen den Irak musste geführt werden, um von den wahren Urhebern der Anschläge
(Al -Khaida, einstige Freunde der USA im Kampf gegen die bösen Sowjets in
Afghanistan) abzulenken. In den heruntergekommensten Gegenden der USA, dort, wo
die Arbeitslosigkeit am größten ist, rekrutiert die Army neue Soldaten. M. Moore
versucht dies auch, bei den Reichen in Washington, kein Senator ist zu
überreden, seine Kinder in den Irakkrieg zu schicken. Natürlich nicht.
Ausgerechnet die Ärmsten sollen ihr Blut dafür opfern, um das System der Reichen
zu verteidigen.
Moore ist durch und durch amerikanischer Patriot und will ein besseres Amerika,
wirklich an den Grundfesten des Kapitalismus, der religiösen Bigotterie und der
Freiheit, viel Geld zu verdienen, rüttelt er aber nicht. Er zeigt zwar auf, dass
Krieg ein großes Geschäft ist und es vor allem ums Öl geht. Ist Bush doch nicht
so blöd und weiss, dass der Kapitalismus nur funktioniert, wenn es ständig ein
Wachstum gibt und dieses Wachstum nur mit Kriegen, Zerstörung und Wiederaufbau
zu bewerkstelligen ist? Wer Bush nicht mag wird diesen Film lieben, wer in
mag, wird ihn manipulativ und polemisch finden.
So einfach ist das. Wie das typisch amerikanische Feind-Freund Schema.
*** sehenswert (übrigens weitgehend Video-FAZ,
z.t. in erstaunlicher Qualität), überraschend ruhig und einheitlich geschnitten.
Regie: Fatih Akin, D 2004
Ein deutsch-türkischer Liebesfilm der etwas anderen Art.
Eigentlich sind sich die beiden ähnlicher als es anfangs scheint, er, Cahit, will sich das Leben nehmen, in dem er mit dem Auto gegen eine Wand fährt, sie, Sibel, schlitzt sich die Venen auf. Cahit ist 40, desilluisionierter Alkoholiker türkischer Abstammung, Sibel eine bildhübsche Türkin, die sich vom Terror der Familie befreien und auch Fun und Sex haben will, treffen sich nach ihren Suicidversuchen auf der Psychiatrie. Sie bittet ihn spontan, sie zum Schein zu heiraten. Nach längerem Hin- und Her willigt er ein, ein Onkel arrangiert die große Hochzeitsfeier, aber schon in der Hochzeitsnacht wirft er sie raus und sie geht fremd.... Sie kehrt aber zurück und macht mal die Wohnung sauber, arbeitet als Friseuse und kocht führ ihn, Eigenschaften, die er langsam zu schätzen lernt.
Somit kommen die beiden einander näher, ganz langsam. Als er von einem ihrer anderen Liebhaber beleidigt wird und er sie verteidigt, tötet er im Affekt diesen Mann und kommt ins Gefängnis; Sibel flüchtet daraufhin in die Türkei, wo sie in einem Luxus-Hotel ihrer Schwester jobt, doch das langweilige Arbeitsleben ist nichts für sie. Sie will wieder Drogen und Alkohol. Sie wird beim Abstieg in die Männerwelt Istanbuls zusammengeschlagen und vergewaltigt. Beide träumen voneinander und schreiben sich.
Als Cahit aus dem Gefängnis herauskommt, fliegt er nach Istanbul auf der Suche nach ihr; sie ist inzwischen jedoch verheiratet und hat eine Tochter; wieder treffen und lieben sie sich, ob sie aber mit ihm wirklich in seinen Geburtsort im innern der Türkei zieht, verrate ich hier nicht...
Zwar ist die Musik anfangs
gewöhnungsbedürftig, doch zunehmend gefällt sie.
Stilistisch teilt sich der Film in verschiedene Kapitel ein, die jeweils durch
eine Folkloremusikkappelle mit Blick auf den Bosporus abgeteilt werden. Er
zeigt das Leben der 2. und 3. Generation von Türken in Deutschland, die
Doppelmoral (Fassade von Ehre und intakter türkischer Familientradition vs.
„normales“ unmoralisches westliches Leben mit Drogen, Alkohol und schnellem Sex)
und deren Subkultur in einer Weise, die sich ein nicht türkischstämmiger
Regisseur nie zu machen gewagt hätte. Da wird schon recht schnell zugeschlagen,
wenn die „Ehre“ verletzt wird, obwohl sie sonst in der Ausdrucksweise nicht sehr
zimperlich sind. Auch die Gespräche der Frauen unter sich sind recht offen („Wie
leckt dich dein Mann ?“- Wie eine Katze! Du Glückliche, meiner wie eine Kuh und
muht noch dabei!) . Verständlich, dass dieser innovative Film den Goldenen Bären
von Berlin gewonnen hat !
**** Einige harte
Szenen, viel Alkohol und Drogen und ein wilder Musikmix von Techo bis World
machen den spannenden und berührenden Film zu einem echten Erlebnis !
Als Moses 16 wird, zerschlägt er sein
Sparschwein und geht zu den Freudenmädchen, die er seit langem im 2 Pariser
Arrissement von seinem Fenster aus betrachtet. Sein Vater ist Jude, seine Mutter
verschwunden.
Auf den Geschmack gekommen, setzt er seinem Vater schon mal Katzenfutter als
feine Pastete auf den Tisch oder klaut mal eine Konserve, um vom Haushaltsgeld
etwas abzuzweigen und die Hormone in Ordnung zu bringen.
Kurz nachdem Vater arbeitslos geworden ist, begeht dieser Selbstmord und Moses
ist auf sich allein gestellt. Ibrahim, ein Verkäufer mit einem kleinen Geschäft
in der Straße, genannt „der Araber“, ist seit langem sein Ratgeber (auch wenn
er ihn schon öfters bestohlen hat) und adoptiert ihn schließlich. Mit einem bar
bezahlten roten Simca Cabrio und nur mit Mühe bestandenem Führerschein machen
sich die beiden verschieden alten Männer per Auto auf den Weg in die Türkei,
Ibrahim will dort sterben, wo er aufgewachsen ist.
Ibrahim ist Vertreter eines toleranten, sofistischen Islam und zeigt ihm auch griechisch-orthodoxe Kirchen. Moses wird all sein Vermögen erben und das Geschäft im 2.Bezirk von Paris übernehmen.
Omar Sharif, der vor 40 Jahren mit seinen feuchten Augen als Doktor Schiwago die Frauenwelt in helles Verzücken versetzte, führt uns vor Augen, dass auch der Islam weltoffen und tolerant sein kann, auch Alkohol getrunken und Freudenmädchen genossen werden können. Sehr dominant im Film ist die Musik der späten 50 und 60er Jahre: Madison, Twist, Soul und Rock&Roll. Wer dies nicht mag, wird wenig gefallen am Film haben. Moses hört diese Musik (sein Vater dreht sie im natürlich ab) und versucht tolpatschig sie zu tanzen und an Gleichaltrige heranzukommen; seine Versuche auch ohne Geld bei Mädchen zu Sex zu kommen sind freilich vergeblich; vom bequemen, schnellen Sex mit Freudenmädchen ist er schon beeinflusst. Auch die professionellen Mädchen kommen gut weg im Film, sie sind lustig, freundlich und spenden Trost. Trotzdem ist der Film recht brav gemacht und in Wien jugendfrei ab 10 gewesen.
***1/2 für Toleranz, Nostalgie und Lebensfreude !
Deep Blue
Regie: Alastair Fothergill, Andy Byatt. GB
2003, Dokumentarrfilm
Normal ist es umgekehrt: ein Film kommt zuerst ins Kino, dann ins Fernsehen.
Nach dem Erfolg der Serie "Unser blauer Planet" bzw. des ORF-Universums, wurde
hier eine 360 min. Fernsehserie auf 90 min Film komprimiert; ähnlich wie in "Microkosmos"
und "Nomaden der Lüfte" wird allein auf die Kraft und den Effekt der
wunderschönen Bilder auf einer großen Kinoleinwand gesetzt; digital nachbearbeit
und geschönt sehen wir knallfarbige Korallanriffe, Delfine und Wale und es gibt
auch einen Ausflug in die tiefsten Tiefen des Meeres, ein noch weitgehend
unerforschtes "Land". Fast penetrant sind die episch breiten Musikeinlagen
von George Fenton. Der Kommentare sind zwar nicht zuviel, allerdings erfährt man
nie genau, wo die Bilder aufgenommen wurden und auch nicht, wie die Tiere und
Pflanzen denn heissen (wie wärs da mit deutsch und lateinischen Untertiteln und
der genauen botanischen Bezeichnung?), alles erscheint als heile Welt, bis auf
einen mahnenden Schlußsatz.
**
zweifellos spektakuläre Bilder, aber sonst nichts Neues
Todas las Azafatas van al
cielo
Alle Stewardessen kommen in den Himmel
Daniel Burmann, RA/E 2001 (Cinemascope, dolby digital, spanische OmU)
Eigentlich ist
dieser trigon-Film ein Musterbeispiel, wie der einst für kraftvolle politische
Filme aus der "Dritten Welt" engagierte Verleih ebenfalls immer mehr in die
leichte Unterhaltungsbranche absinkt und nun einen Film anbietet, der nett und
schön ist, aber nicht viel mehr.
Julian, ein Augenarzt, reist mit der Asche seiner Verblichenen nach Ushuaia, der
südlichsten Punkt Patagoniens, um diese im Beagle-Kanal gemäß ihrem letzten
Willen zu verstreuen. Teresa ist die Stewardess auf diesem Flug. Wegen
terroristischer Bedrohung bzw. eines Streikes ist der Flugverkehr in der
südlichsten Stadt der Welt für einige Zeit eingestellt. Ausgerechnet ein für die
Flugsicherheit Verantwortlicher produziert die Terroristenvideos und baut sich
aus geklauten Teilen selbst eine kleine Maschine. Die Flugzeugbesatzungen gehen
in die Nachtclubs, um sich mit sexuellen Späßen die Langeweile zu vertreiben,
die Liebesdienerinnen dort sind aber eher Gesprächstherapeutinnen denn
Sexarbeiterinnen, zumindest für Julian und Teresa. Die beiden Vereinsamten
lernen sich ausgerechnet dabei näher kennen, als beide sich mittels Tod durch
Erfrieren das Leben nehmen wollen. Dies sei der schönste Tod, verhieß zuvor im
TV ein Reporter. Als Teresa schwanger wird gerät sie in Panik und Julian
verunglückt auf den vereisten Strassen schwer, es dauert also noch etwas, bis
sie sich wieder finden und das unvermeidliche Happy End über den Film
hereinbricht.
Sicherlich, der Streifen ist schön fotografiert und witzig
geschnitten, einige landschaftliche Schönheiten Südpatagoniens werden gezeigt,
allerdings im Winterkleide, das diese Region 9 Monate im Jahr umhüllt, in den
kurzen Sommern gäbe es freilich noch Lupinien, Moose und Flechten zu sehen, wie
ich mich 1985 selbst dort überzeugen konnte. Auch ich bin damals wegen Streiks
ebenfalls nicht pünktlich weg gekommen.
*** leichte
Kost aus Argentinien, aber recht unterhaltsam
Luther
D/USA 2003, Regie: Eric Till
Der von US-amerikanischen Glaubensanhängern finanzierte und an
Originalschauplätzen in Deutschland sowie in der Tschechei gedrehte Film hat
seine Stärken in der Starbesetzung: von Altstars wie Sir Peter Ustinov, Bruno
Ganz (deren süffisantes Minenspiel besonders bemerkenswert ist) bis Alfred
Molina, über Jugend-Lieblinge wie Joseph Fiennes (als Luther) und Uwe
Ochsenknecht. Auch die Licht- und Kameraführung ist sehr gut gelungen und lehnt
sich an die Malerei des 17. Jhdts. An.
Inhaltlich ist der Film (schulmeisterlich) bemüht, alle wichtigen Eckdaten aus
dem Leben des großen Reformators einzubauen, leider merkt man, dass es
dramaturgisch schwer war, mit dem Zeitlimit von 2 Stunden auszukommen,
Nebenschauplätze wie das Elend der niedrigen Klassen, etwa am Beispiel einer
verwahrlosten Mutter mit einem behinderten Kind, werden nur angeritzt.
Luther gelobt sich Gott zu widmen, wenn er ein schweres Gewitter (2.7.1505 -
theatralische Anfangsszene) überlebt, er geht zum Bettelorden der Augustiner und
darf studieren, wird Dr. der Theologie und lehrt an der Universität, sein
weltlicher Fürst, Friedrich der Weise, schützt ihn vor der Inquisition. In Rom
will Papst Leo X den teuren Petersdom bauen und braucht dafür viel Geld; wer
spendet bekommt einen Ablass, das Ablasswesen treibt immer absurdere Blüten, die
Dominikaner verkünden jedoch eine reine "Drohbotschaft": wer nicht zahlt, dessen
verstorbene Angehörige schmoren 500 Jahre länger im Fegefeuer bzw. "Wenn das
Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt". Luther sieht in der
Bibel jedoch immer mehr den Aspekt der "Erlösung".
Er macht sich in Vorlesungen über diesen Ablasskult und Widersprüche Roms lustig und bekommt erste Schwierigkeiten, er verfasst viele Schriften und schlägt 1517 die berühmten 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittemberg; er weigert sich, sie vor dem Papst zu widerrufen, doch das Volk hat schon mit einem Massenaufstand gegen die römische Kirche begonnen. Friedrich entführt ihn und versteckt ihn auf der Wartburg, wo er mit der ersten deutschen Übersetzung der Bibel beginnt. Bisher konnten nur die des Lateinischen oder Griechischen Mächtigen diese lesen, dem "Pöbel" war es verwehrt.
In Worms soll ihm der Prozess gemacht, am 2. Tag verweigern
eine Reihe seiner Anhänger die Befehle Roms, es kommt in weiterer Folge zu
Tausenden Toten, als der Bauernaufstand blutig niedergeschlagen wird.
Zum endgültigen Bruch mit Rom kommt es, als er eine abtrünnige Nonne. Katharina
von Bora heiratet. Happyend dank weltlicher Hilfe. Wie immer in der Politik,
passte der Aufstand auch manchen weltlichen Fürsten ins Konzept. Nachspann: Mit
Luther begann die Religionsfreiheit und die Einigung der deutschen Sprache.
*** sehenswert; stilistisch sehr konservativ erzählt, gut gespielt und opulent fotografiert wird sehr brav das Leben Martin Luthers gezeigt.
Homepage des Films:
http://www.luther-der-film.de/seiten/index2.htm
für Historische Details:
www.luther.de
Lost
in Translation
Meint wohl
„bei der Übersetzung verloren gegangen“ und das scheint recht alltäglich
zu sein, wenn Yankees in Japan sich aufhalten.
Ist ein
Video von Lothar Riedl (A 2003) über das Leben des Mathematikers und Physikers
Christian Doppler, das sich zwar um genaue biografische Angaben und Kostümierung
bemüht, in der Ausführung aber amateurhaft und klischeehaft bleibt, gelungen
sind das Drehen an den Originalschauplätzen Salzburg, Prag, Wien und Venedig,
die Laienschauspieler artikulieren wenig präzise und Dopplers Frau ist nach 5
Kindern immer noch gleich jung und hübsch wie vor der Ehe, die Liebesgeschichte
verläuft ohne jedes Problem, beim ersten zarten Fragen sagt die Künftige entzückt
„ja“, doch im akademischen Leben gibt es Widersacher und Ungläubige, die
ihn verächtlich machen. Erst posthum kommt der Entdecker des Doppler-Effektes (die
Tonhöhe steigt, wenn sich ein Objekt rasch nähert) und der Differenzierung
von Doppelsternen durch Interferenz zu Ehren.
Doppler, der zuerst an einem Gymnasium in Prag unterrichtet und seine Schüler,
sich selbst und seine Frau überfordert, steigt sukzessive auf, wird zuerst nach
Chemnitz gerufen, dann nach Wien, wo er zum Vorstand des Physikal. Institut der
Philosph. Universität ernannt wird, doch infolge seiner schweren Krankheit
wieder abberufen wird, er stirbt auf der Kur in Venedig.
Der „Film“ (als DVD erwerbbar) lockte in Salzburg viele Interessierte ins
Kino, es war jedoch eine Frechhheit nicht zu deklarieren, dass es sich nur um
ein gebeamtes Video handelte und keinen echten Film handelte...
** für
wissenschaftshistorisch Interessierte sehenswert
Donau, Duna, Dunaj, Dunav, Dunarea
Österreich 2003,
89 Minuten, 35 mm/1 : 1,85/Dolby SRD, Regie:
Goran Rebic
Goran Rebic präsentiert ein kompaktes Meisterwerk, ein River-Movie sozusagen,
denn die Fahrt der Donau beginnt in Wien bei km 1890 und endet bei km 0, im
Donaudelta. Dazwischen liegen bekanntlich Ungarn, die vom Krieg heimgesuchten
Gebiete Ex-Yugsolaviens wie Vukovar, Bulgarien und Rumänien.
Auch die Handlung ist rasch erzählt: auf ein etwas heruntergekommenes
Hotel-Schiff unter deutscher Flagge , dem „Hotel Donau“ kommt ein 19 jg
Jugendlicher und ein Sarg. Der jugendliche Bruno behauptet der Sohn des Kapitäns
Franz (Otto Sanders) und der im Sarg liegenden ehem.
Rumänischen Olympia-Schwimmerin Mara zu sein, was dieser jedoch anfangs
ausdrücklich verneint. Weiters gesellen sich noch eine drogenabhängige Farbige
österr. Staatsbürgerschaft (Un-Dolmetscherin),
ein in der Donau aufgefischter Flüchtling, ein ehemaliger Yugoslave und
ein Musiker als Transsilvanien (rumänischer Zigeuner) dazu, welche dann gar
noch ein Neugeborenes hinterlassen. Nachdem der Sarg gemäss dem letzten Willen
der Gestorbenen am Eisernen Tor versenkt wird, stirbt auch der Kapitän
unvermittelt an einem Herzinfarkt, nicht ohne vorher noch Geburtsurkunden und
Trauscheine ausgestellt zu haben. Am Endpunkt angekommen wird der junge Mann als
Sohn der beiden Verblichenen aufgenommen, egal ob er es wirklich ist oder nicht.
Der Film ist wehmütig, es fließen einige Tränen, er zeigt in faszinierenden
und typischen Bildern ohne viel Worte zu verschwenden, die derzeitige Situation
in den unterschiedlichsten Ländern, die der bedeutendste Fluss Europa verbindet
und Grenzen noch immer trennt.
**** herausragendes Portrait aller Donauländer
(D ist durch das Schiff selbst repräsentiert), das mit wenigen,
treffenden Bildern und Anekdoten das jeweilige Land skizziert und durch eine
etwas sentimentale Rahmenhandlung verknüpft wird. Echter 35mm Film und
handwerklich sehr gut gemacht.