wenn nicht anders angegeben ist Dr. Norbert Fink der Autor
Unter dem Sand
Nicht ganz überzeugt hat mich "Sous le sable" der neue Film von Ozon (der uns einst mit "Sitcom" gar köstlich amüsierte). : Jean (Bruno Cremer), ein Anwalt und Marie (Charlotte Rampling ), eine Englischprofessorin sind ein Ehepaar um die 50, fahren mit dem Auto zu ihrem Ferienhaus ans Meer. Sie gehen tags darauf baden und er sagt ihr, er gehe ins Wasser zum Schwimmen, sie döst auf dem Badetuch weiter ... Jean kommt aber nie wieder. Er wird von der Wasserrettung vergeblich gesucht, sie erstattet Vermisstenanzeige. Sie hatte Schulden und liebte teure Kleider; ihre Kreditkarte wurde gesperrt. Noch ehe seine (?) Leiche gefunden wird, legt sie sich einen neuen Lover zu, den sie aber als Niete beleidigt. Sie entdeckt, das Jean Antidepressiva zu sich nahm - machte er also Selbstmord? Seine Mutter in einem Altersheim vereint dies vehement, er sei wohl eher vor so einem langweiligen Weibe wie sie geflüchtet und habe irgendwo ein neues Leben begonnen. Sie verkennt zunehmend die Realitäten und handelt ökonomisch ungeschickt. Als später in einem Fischernetz eine bis zur Unkenntlichkeit zersetzte Leiche gefunden wurde (forensische Diagnose: aus Erschöpfung ertrunken), die auf seine Beschreibung passt, geht sie nur mit Widerwillen zur Identifikation und meint, die Uhr sei nicht die seine ...
Unfall, Selbstmord oder Flucht? Der Film verschont den Zuschauer vor einer simplen Lösung, so frohlocken alle Kritiker, aber jede dieser drei Lösungsmöglichkeiten hat wiederum Unstimmigkeiten. Im Schlussbild geht sie wieder an der Stelle von Jean´s Veschwinden auf einen Mann zu.
**1/2 weder ein neuer Einfall, noch filmisch besonders innovativ, gut gespielt, annehmbar.
DIE KLAVIERSPIELERIN
A/F 2001, Regie: Michael Haneke (nach dem Roman v.E. Jellinek)
Spätestens seit "Benny`s Video" oder "der siebente
Kontinent" ist Haneke berühmt für seinen eiskalten, dokumentarischen Stil
und der Darstellung von Gewalt; am unerträglichsten ist wohl "Funny Games".
Wie bei Seidl, doch stilistisch völlig anders, demaskiert er die
österreichische Seele als nach außen kühl und kunstbeflissen, innerlich
jedoch pervers und krank. In seinem neuen, preisgekrönten Film geht es um
eine Frau Professor des Konservatoriums, welche selbst unter der Fuchtel ihrer
Mutter (sie schläft mit ihr im Ehebett) ihre SchülerInnen bis aufs äußerste
fordert und peinigt. Hinter ihrer zynischen und eiskalten Fassade brodelt es
jedoch. Insgeheim geht sie in Sexshops Pornos schauen und schnuppert am Sperma,
welche masturbierende Kunden zuvor in den Müll geworfen haben, oder sie
beobachtet Liebespaare in Autos. Erst als ein Schüler sich in sie verliebt gibt
sie etwas nach, sie gibt ihm allerdings schriftlich Anweisungen. Letztere
gipfeln in masochistischen Phantasien, gefesselt und geschlagen zu werden. Einer
Schülerin, die sie bis aufs letzte schickaniert füllt sie Glasscherben in den
Mantelssack, um so ihre Karriere als Pianistin zu beenden. Doch nicht nur
andere, auch sich selbst verletzt sie. Als es dem jungen Schüler vor ihr ekelt,
eskaliert das Ganze...
Ein Film der sicher niemanden kalt lässt und zu
kontroversiellen Reaktionen provoziert. Unbestritten genial in der Hauptrolle:
Isabelle Huppert.****
DAS ZIMMER MEINES
SOHNES
Italien 2001, Regie: Nanni Moretti
Giovanni (Nanni Moretti) ist ein wenig brillanter Psychoanalytiker und führt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern im Teenager-Alter ein
relativ harmonisches Familienleben. Er ist, wie seine beiden Kinder sehr
sportlich und trinkt nur Wasser... Bis es zum dramatischen Punkt kommt,
erscheint das ganze recht banal. Als aber Andrea, der 17jährige Sohn, bei einem Tauchunfall ums Leben kommt, stürzt das ausbalancierte Gefüge der Familie in sich zusammen.
Nicht nur, dass er sich nicht mehr bei der Arbeit konzentrieren kann und die
Analyse seiner Patienten unterbrechen muss, die Trauerarbeit fällt ihnen
schwer, diese gelingt noch am ehesten, als sie eine Freundin ihres Sohnes
treffen und ihr beim Trampen helfen ...
Ich meine zwar, dass die oft so grandiosen Kritiken diesen Filme überbewerten sind, zumal er konventionell und geradlinig, ohne Schörksel etc. diese traurige Familiengeschichte erzählt. Dennoch: gerade in seiner Langsamkeit und Klarheit ein bewegender und sehr sehenswerter Film.***
LES GLANEURS ET LA GLANEUSE [Die Sammler und die Sammlerin]
Regie und Drehbuch: Agnès Varda. Mit: Bodan Litmanski, Agnès Varda,
François Wertheimer, u. a. Frankreich 2000, 82 Min.,
Die alternde Agnes Varda ist fasziniert von den neuen, kleinen, digitalen
Kameras. Man könne damit mit der einen Hand die andere filmen und sie macht
dies - in die Täler der Falten hinein. So gesehen präsentiert Varda ein
bisschen ein Amateurvideo, mit einigem Selbstbezug.
Es geht um SammlerInnen (und PflückerInnen), welche aus den unterschiedlichsten
Motiven, keineswegs nur, aber auch, aus Hunger und Armut, das einsammeln, was
andere liegen liessen, nicht ernteten oder weggeworfen haben.
Das französische Gesetz erlaubt es ausdrücklich bei Tag das nachzuernten, was
die großen Erntemaschinen nicht erfasst haben, Erntehelfer nicht gepflückt
haben. So liegen auf einem Kartoffelfeld 25 Tonnen ungenutzter oder wieder
aussortierter Ware !
Gemüse wird auf dem Wochenmarkt liegen gelassen, Weintrauben nicht gelesen, ja
sogar Austern können von der Brandung angeschwemmt werden.
Aus Sperrmüll machen einige Kunstwerke und manche echte Kunstwerke finden sich
tatsächlich im Sperrmüll. Juristen erklären die Gesetzeslage in Frankreich.
Jugendliche stehen vor Gericht, weil sie die Müllcontainer eines Supermarktes
nach abgelaufener Ware durchwühlen und dann Unordnung anrichten - der
Supermarkt ließ daraufhin Chlor in die Mülltonnen streuen.
Aber auch Besitzer von Luxusrestaurants gehören zu den Glaneurs, wenn sie
seltene Kräuter und Gewürze, Pilze und Beeren selber suchen, weil es sie nicht
auf dem Markt gibt (oder nicht in der Qualität).
So wird das Thema des Sammelns sehr umfassend und sehr interessant dargestellt.
Leider handelt es sich nur um einen Video-Transfer, und wahrscheinlich gewollt
ist da der Stil der kleinen Handkameras und des Amateurs eingeflossen.
interessante Dokumentation ***
Pequeno Dicionario
Amoroso (Kleines Wörterbuch der Liebe)
Sandra Werneck - Brasilien 1999 - portug. OmU
Äußerst vergnüglich, einfühlbar und ansteckend-positiv ist dieser genial
geschnittene Film der Brasilianerin Sandra Werneck.
Die Szenen werden zwar in alfabetische Reihenfolge (von A wie Amor bis Z wie
Zerar "bei Null anfangen") gebracht, der trotzdem linear
dahinfliessenden Handlung schadet das nicht. Es ist ein Liebesfilm. Ein Mann
lernt eine Frau kennen, sie geben sich die Handynummern, schüchternes Anrufen,
erstes Treffen, erster Sex, Heirat, Krise (sie redet zuviel), Trennung, Schmerz
....
Wer Brasilien kennt und liebt, wird "Saudade" nach der "Brasilidade"
bekommen, denn der Film versprüht brasilianischen Scharm und Liebesfreude und
zeigt eine energiegeladene Powerfrau und einen eher durchschnittlichen Mann,
beide aus der guten Mittelschicht. Kein Sozialgesülze von Strassenkindern oder
rechtlosen Landarbeitern, das schöne, ganz normale Brasilien.
**** wichtig zur Korrektur des Brasilienbildes,
positiv und realistisch
Die wunderbare Welt der Amelie
(Gebrüder Janet, Frankreich 2001)
Im Stile von "Delicatessen" machten die Gebrüder Janet wieder einen kurzweiligen
Film, die Länge von rund 2 Stunden merkt man ihm kaum an.
Die Handlung zu beschreiben, wäre Wahnwitz - ein Zufall jagt den nächsten und
Amilie hilft manchmal etwas nach.
Ihre Mutter wurde von einer herabstürzenden Selbstmörderin getötet, ihr Vater
ist ein beziehungsloser und gefühlskalter Pedant, dessen einziges Hobby die Gartenzwerge sind.
Amelie arbeitet in einem Café und glaubt in einem Sammler zerrissener Passfotos
die Liebe gefunden zu haben...
Weniger die mehr oder minder bizarren Geschichten einfacher Leute und deren Hoffnung auf etwas
Glück und Liebe machen die Qualität des Films aus - es ist sein rasanter, aber
doch leicht zu erfassender Stil, die präzise Tonspur - und das Gegenteil des US-Kinos: absolute
Unvorherhsehbarkeit, was wohl der nächste Gag sein wird. Nur mit so gut
gemachten Filmen kann Europa gegen Hollywood konkurrieren !
zurecht als innvoatives kino hochgelobt. ****
Der
Schuh des Manitu
So erging es der österr. Filmbewertungskommission
GFBK mit diesem Film: beim ersten Ansehen konnten sich die honorigen Mitglieder
nicht für den Film erwärmen und lehnten ein Prädikat ab.
Als dann der Verleih um Rekurs ansuchte, und offenbar ein Witzbold gute
Laune verbreitete, wurde auch die GFBK angesteckt und verlieh ihm das Minimalprädikat
"sehenswert".
Nun, ich konnte mich auch nicht anstecken lassen. Zwar habe auch ich
als kleiner Junge Karl May gelesen, aber den deutschen Winnetou Verfilmungen
nicht viel abgewinnen können.
Zwar sind einige Hinweise auf andere Filme noch recht witzig, es fehlt
mir aber einfach an Spannung und tieferem Sinn. Der Film scheint mittlerweile
ein echter Kultfilm zu werden und hat sensationelle Besucherzahlen. Wie
es denn auch sei, ich möchte niemandem, der noch leicht lachen kann,
den Spaß verderben, für mich war`aber zu einfach und wenig raffiniertes
Geblödel.
* wer leicht lacht ...
Los
amantes del circulo polar (Die Liebenden
vom Polarkreis)
Ohne jeden Zweifel ein innovativer und wunderschöner
Film! Ana und Otto (beides Namen, die sich von vorne gleich wie
von hinten lesen) haben sich schon als Kinder kennen und lieben gelernt.
De Name "Otto" kommt vom Großvater, ein deutscher Bomberpilot, der
Guernica bombardierte, abgeschossen wurde und an einem Baum mit dem Fallschirm
hängen blieb. Obwohl durch den Bombenangriff der Nazis und Francisten
ihre Familie ausgerottet wurde, rettete eine Frau ihm das Leben und Otto
schwor ihr zu helfen, so wurde die Familie gegründet.
Der Film zeigt immer aus der Sicht von Otto und / oder Ana die Liebesgeschichte,
(und manchmal sind die weibliche und männliche Sichtweise eine
andere !) die Trennung der Eltern führt sie zusammen und obwohl
sich eigentlich nur die jeweiligen Eltern lieben, lieben sich insgeheim
auch die Kinder. Papierflieger bringen Liebesgrüße und Ana heißt
Otto nicht feige zu sein und ruhig übers Fenster in ihr Zimmer einzusteigen.
Dennoch, einmal trennen auch sie sich.
Ana zieht es nach Lappland, in dem Häuschen genau verläuft
der Polarkreis. Und Otto wurde, wie sein Opa, Pilot und fliegt für
eine Express Post Linie. Als er ihre Koordinaten erfährt, beschließt
er sie zu besuchen...
Das Ende bleibt offen, bei genauer semiotischer Analyse jedoch tragisch.
Sind beide am Ende tot, beide verunfallt ? Hat er überlebt? Oder
ist alles nur ein Traum ? Jedenfalls, sie treffen sich nicht wieder.
Der Baske Julio Menem hat einen äußerst komplexen Film gemacht,
Vor- und Rückblenden, ihre Sicht, seine Sicht werden rasant durcheinander
geschnitten, dennoch wirkt das Ganze nie künstlich, sondern animiert
zum Mitdenken und durchaus auch Mitfühlen.
Eine melodramatische Liebesgeschichte in Cinemascope.
**** innovativ und doch bewegend. Am 7. und 8.11.01
im FKC !
Le Roi danse
(der König tanzt)
Eine ziemliche Enttäuschung war dieses Kostümspektakel. Schon
der Kommerzsender RTL als Co-Produzent verhieß nichts Gutes. Obwohl
ich eingefleischter Klassik-Fan bin, vermochte nicht einmal die Musik zu
faszinieren, auch sie war monoton und flach, immer im selben bompastischen
Sound.
Grundsätzlich wäre genug Stoff da gewesen: noch jugendlich
besteigt König Louis XIV von Frankreich den Thron und tanzt gerne,
will der Beste sein, ist es aber nicht. Er findet gefallen an Moliere,
der den Frömmlern den Kampf ansagt, doch seine leibhaftige Mutter
und einer seiner Minister intrigieren kräftig und unterstützen
den korrupten Klerus. Auch er muss Kompromisse eingehen, der Staatsräson
wegen.
Der ehrgeizige Musiker und Komponist des Hofes ist indes homoerotisch
in den König verliebt ....
Immer wieder hofft der Zuschauer, ein Dialog würde sich
noch entwickeln, eines der opulenten Details ausgekostet, leider.... alles
bleibt Maskerade und flach. Der Cinemascope-Schinken kommt nie aus dem
Genre des Kostümfilms heraus, auch die Schauspieler überzeugen
nicht. Schade.
# ein Schlummerkissen, höchstens
die Musik kann einen noch wachhalten.
Tillsammans
(Zusammen)
Selten ein so wahrhaftiger, differenzierter und dennoch heiterer Film
über die „Kommunen“ der 80er Jahre. Es war dort verpönt einen
Fernseher zu haben, Cola zu trinken oder Fleisch zu essen, hingegen durfte
jede mit jedem schlafen, wurde nächtelang über die Befreiung
der Frauen und Arbeiter diskutiert und Rotwein war auch erlaubt. Erste
Szene, mitten in der Nacht weckt einer alle anderen und verkündet
die Frohbotschaft, dass Franco, der spanische Diktator, endlich gestorben
sei. Eine Frau, die von ihrem Mann geschlagen wurde, ruft an und kommt
ihren beiden Kindern in die Kommune.
Schweden 2001, 106 Min Lukas Moodysson
Auch die bürgerliche Gegenseite ist nicht ganz sauber. Die begaffen
mit Feldstechern das revolutionäre Tun der Nachbarn, der Mann geht
in den Keller „basteln“ und geilt sich an Pornoheftchen auf, andere Bourgeoise
schlagen ihre Kinder und Frauen und enden dann vereinsamt und verelendet
im Suff.
Viel Spielraum widmet der Film den Kindern, die sich schon als „dumme
Faschisten!“beschimpfen
und „Pinochet erschießen“ spielen.Dennoch,
bürgerliche und revolutionäre 14jährige kommen sich auf
dem neutralen Terrain des handbemalten VW-Busses näher, und sei es
erst einmal, weil sie die gleichen dicken Brillen haben.
Wenn offene Beziehungen und freie Liebe sogar propagiert wurde, weh
tat es dennoch wenn die Geliebte immer wieder mit einem anderen ins Bett
hüpfte, und jene, die aus politischen Gründen Lesbin wurde, war
ganz schön geschockt, als sie „ihren“ Ex mit einem anderen Mann unter
der Decke fand...
Interessant ist die Rückschau allemal: so wurden eigentlich heute
alle feministischen Träume der damaligen Zeit praktisch erfüllt,
während die Befreiung der Arbeiter vom Joch der Kartelle und des Kapitals
weiter denn je Utopie sind, ja sogar sich deren Lage durch die Globalisierung
verschlechtert hat.
Ein kleines Happyend gibt’s auch (nicht dass die Frau an den Herd
zurückkehrte, aber der Mann könnte ja auch in die Kommune kommen
und Abwaschen lernen) und zeigt, dass die Gefühle manchmal stärker
sind ...
Die Kommunarden werden liebevoll aufs Korn genommen und das bürgerliche
Gegenmodell als ebenso untauglich gezeigt. Das Schlimmste jedenfalls, so
der Grundtenor des Films, sei die Einsamkeit und man muss halt einiges
in Kauf nehmen, will man zusammen wohnen.
****
intelligent, grandioser Schnitt, vielschichtig und heiter
Brot
und
Tulpen
Silvio Soldini,
Italien 2000
über diesen Film ist schon sehr viel geschrieben
worden und ich möchte nur meine ganz persönliche Meinung dazu
sagen: die beiden Hauptdarsteller (Bruno Ganz und Licia Maglietta) sind
großartig, der Film ist warmherzig und positiv, für mich war
der Stil aber etwas zu konventionell und die Kameraführung und das
Licht zu fernsehgerecht (ist ja auch eine RAI/TSI –Produktion). In
kleinen Dosen wird die gute alte Tradition des italienischen Films wiederbelebt,
etwa bei den schrägen Figuren, den markanten Gesichtern .... Die Story
beginnt ganz banal, kommt aber bald in Fahrt... eine schöne Liebesgeschichte
über Menschen, die schon in der Mitte des Lebens stehen.
**** warm und liebevoll
HARRYMEINT
ES GUT MIT DIR
HITCHCOCKS ERBEN LASSEN GRÜSSEN
Harry,
un amie qui vous veut du bien
Dominik Moll, F 2000, Cinemascope
Die Angaben im Programmfolder und der Homepage des Salzburger Programmkinos
„Das Kino“ täuschten. Weder war der Film 123 min lang, sondern nur
knapp 100 und die biedere Inhaltsangabe ließ eine seichte Familienkomödie
erwarten. Ob sich so etwas wirklich in „das Kino“verirrt ? Ich zögerte,
den Film anzusehen, habe es aber dennoch nicht bereut. Denn:
Es beginnt als harmloser Familienausflug im alten Kombi ohne
Klimaanlage. Die drei Mädchen quengeln und nerven. Fast könnte
man Mitleid mit den Familienvätern bekommen. In einer Autobahnraststätte
trifft Michel auf der Toilette Harry, an den er sich kaum noch erinnern
kann, dieser jedoch zitiert seine Gedichte aus der Studentenzeit. Harry
fährt einen noblen Benz und hat eine sympathische Mätresse bei
sich, lebt von der Verwaltung des ererbten Vermögens. Er bietet den
Kindern den Luxus von Ledersitzen und AC an und sie fahren so zu
Michel´sWochenendhaus,
das sich in permanenter Renovierung befindet. Im Selbstbau natürlich,
denn auch so verschafft man sich beim Schaufeln Bewegung. Eine Spur „Hinterholz“
also.
Sein Vater, ein Zahnarzt, hat ihm zur Überraschung das Badezimmer
professionell machen lassen, allerdings in unmöglicher Farbe: pink.
Harry rät ihm, sich mehr von den Eltern abzunabeln und schenkt ihm,
als sein Auto nicht mehr anspringt, gleich mal einen 4x4 Offroad-Luxuswagen.
Wohl ein etwas nicht ganz angemessenes Gegengeschenk für die Nächtigung
in einer halben Ruine. Von nun an geht das Intrigenspiel so richtig los,
mit gezielten Sticheleien gelingt es Harry stets Zwietracht zwischen allen
zu säen. Harry, bei dem Geld keine Rolle spielt, will Michel auch
dafür bezahlen, an den alten Studentengeschichten weiterzuschreiben,
vor allem an jener SF-Story von den Gibbonäffchen mit den ferngesteuerten
Propellerhelmen ... Harry schlägt vor, sich von allem, das Belastet,
sich zu trennen, egal ob damit ein schlechtes Auto oder alte Eltern gemeint
sind....
Bei der Beseitigung der Eltern hilft er aktiv mit und ... nur soviel
sei verraten ... es gibt 5 Morde und die Polizei kommt nie dazwischen .
Makabres Fazit: richtig Morden entspannt total ....!
Überraschend spannend, manchmal
lange Dialoge, sie aber nie banal sind,wird
der Film so richtig pechschwarz und ist weder Komödie, noch Tragödie
noch Krimi (dazu fehlt Motiv und die Polizei) und somit tatsächlich
irgendwie was Neues.***(+ 1/2)
Gran Paradiso
D 1999
– die Idee an sich wäre nicht schlecht: als der querschnittsgelähmte
Mark sich in suizidaler Absicht vom Dach eines Hauses stürzen will,
verspricht ihm seine Sozialarbeiterin ihn auf den Gran Paradiso zu bringen
– schwere Knackis aus dem Jugendstrafvollzug sind die Scherpas, geistig
und psychisch Behinderte die anderen Gefährten dieser anstrengenden
Reise auf fast 4000m. Leider wurde von allem viel zu dick aufgetragen,
alles in primitiven Hollywood-Stil erzählt und zu den manchmal imposanten
Cinemascope-Bildern spielt ein unerträglich süsslicher Musikteppich.
Nun, mit den üblichen Schwierigkeiten wird die Heldentat vollbracht,
neben der kitsch-goldenen Madonna auf dem Berggipfeln jubeln die Helden
und der Film ist aus. Andere Handlungsstränge, die mehrfach begonnen
wurden,werden nicht zu Ende gesponnen.
Immerhin, für Betroffene mag der Film ein Ansporn sein, nicht schon
bei kleinen Problemen aufzugeben. Cineastisch unakzeptabel.
Der einzige Stern gilt der Idee, für Toleranz an sozialen Randgruppen
zu werben.
* Der Kritiker der Neuen, Walter Gasperi, vermerkte sogar, dass nicht
einmal der im Film gezeigte Berg wirklich der Gran Paradiso war,
für so dumm werden die Zuschauer gehalten ....
Chocolat
Vianne, eine selbstbewusste Frau mit einer Tochter kauft in einer bigotten
Kleinstadt ein Geschäft und macht eine Chocolaterie daraus – die Eröffnung
findet in der Fastenzeit statt, die erste Provokation. Von der aphrodisischen
Wirkung wussten schon die Ureinwohners Mexikos (und die heutige Wissenschaft
bestätigt die glücklichmachende Wirkung des Kakaus) was natürlich
an Hexerei erinnert und die „Unmoral“ fördert. Dem Dorftyrannen, der
übrigens dem Pfarrer die Predigten schreibt, ist dieses köstliche
und schöne Geschäft ein Dorn im Aug´, weil Vianne Atheistin
ist und folglich des Teufels Werkzeug. Seine Vorfahren hatten schon siegreich
die Hugenotten vertrieben, da werden sie es mit so einem Schokoladenladen
wohl auch noch aufnehmen. Vianne ist zu allen freundlich und bietet die
Freundschaft an, hilft geschlagenen Frauen ... Als gar so eine Art Hippies
oder Schiffszigeuner anlegen und sie sich mit einem von denen einlässt,
eskaliert der Konflikt der intoleranten Spießer gegen die kulinarisch
Gewappneten und Lebensfrohen ....
Lasse Hallströms neuer Film, von der Hollywood Firma Miramax produziert,
aber in Frankreich und England aufgenommen, überrascht positiv.
Die wunderschönen Pralinen, die nach alten Inka-Rezepten hergestellte
heiße Schokolade und die weiteren Rezepte sind natürlich Pornografie
für Dicke. Der stimmig fotografierte Film hat sogar eine Aussage:
der Kampf gegen die Heuchler und Frömmler. Schlussendlich müssen
aber auch die eingestehen, dass ihr Fleisch schwach ist und die Schokolade
gut schmeckt.
Leider geht alles viel zu gut aus, nicht ein Happy-End, sondern gleich
mehrere; und dass ein beim Naschen entlarvter Bürgermeister die verklemmten
Spießer plötzlich alle zu lockeren
Lebemenschen werden lässt ist ziemlich unwahrscheinlich.
Der Film würde vier Sterne bekommen, wenn er nicht an der Grenze
zum Melodram balancieren würde und nicht selber in manchen Punkten
etwas zu moralisch wäre, was das Thema Liebe und Sex anbelangt, da
ist er ein echter prüder Amerikaner und kein lockerer Franzose. Dass
sich die Leute in der deutschen Synchronfassung mit französischen
Namen und „Mamman“ ansprechen könnte man gelten lassen, tauchten da
nicht in der französischen Stadt englischsprachige Pamphlete auf....
Sehr gut gefallen hat mir aber der Soundtrack, der von Gershwin über
Satie zum Zigeunerswing gelangt.
Die Amerikaner, in den letzten Zeit bei renommierten Festivals ziemlich
ausgebuht, scheinen nun es ab und zu mit Filmen im europäischen Stil,
mit einigen europäischen SchauspielerInnen und an europäischen
Drehorten, zu versuchen. So ist halt die Globalisierung, die Europäer
werden amerikanischer und die Amerikaner europäischer ?
empfehlenswert ***(+ 1/2)
O
Brother Where Art Thou ? (Eine Misssissippi-Odyssee)
Frei nach Homer´s
Odysse versuchten die Coen-Brüder wieder einen Kultfilm zu machen.
Drei entflohene Häftlinge und ein schwarzer Musiker, der eben dem
Teufel die Seele verkaufte, weil er damit nichts anzufangen wusste, irren
durch die Felder und Sümpfe Mississippis. Immer wenn das Ende endgültig
gekommen zu sein scheint, gibt es natürlich eine überraschende
Wendung zum Guten. Auf die Spitze getriebene Country-Schnulzen, alle Klischees
über die Yankees, den Ku-Klux-Klanund
den Populismus der Politiker sind in diesem vergnüglichen und in echtem
Cinemascope verfilmten Film vereint.
*** vergnüglich und unbeschwert.
Michael Haneke drehte eine Trilogie zum Thema Gewalt in Österreich: der 7. Kontinent, Bennys Video und Funny Games. Nun dreht er in Frankreich, in Produktion ist „die Klavierspielerin“ nach Jellinek und bereits auf dem Markt: Code Unbekannt.
Im Gegensatz zu seinen Vorgängerfilmen muss sich der Zuschauer
selbst die Geschichte zusammenreimen, was am Schluss durchaus gelingt.
Einzelne kurze Episoden, fast ohne Musik, mit viel Details im Bild. Eine
Schlüsselszene: ein weisser Bub demütigt in Paris eine rumänische
Bettlerin, in dem er ihr ein Abfallpapier in die Hand wirft. Ein Schwarzer
stellt ihn zur Rede und bittet ihn, sich bei ihr zu entschuldigen, es kommt
zu einem Handgemenge, die Polizei kommt und verhaftet den Schwarzen, schiebt
die Bettlerin (illegale Immigrantin) in Handschellen ab.... Szenen
aus dem gewalttätigen Alttag in einer Großstadt, Tristesse und
Auswanderung aus Rumänien, .... Anfang und Ende wird von gehörlosen
Kindern erzählt...
etwas Längen hat der Film schon, doch wird das Puzzel im Kopf
des Zusehers durchaus komplett....
*** sehenswert
Orfeo
Brasilien 1999, Carlos Digues
Das Remake des Klassikers von Marcel Camus aus dem Jahre 1959 ist durchaus
als gelungen zu bezeichnen. Wieder spielt sich eine Liebesgeschichte am
Rande des Carnavals von Rio de Janeiro (die Aufnahmen stammen vom Jahr
1998) ab, wieder ist sie in den Favelas von Rio angesiedelt, wo eine eigene
mafiöse Schutztruppe alle beherrscht. Doch alles ist viel realistischer,
weniger verklärt.
Orfeo ist ein großer Star, und kann alle Frauen haben, was er
auch genießt. Er bekommt aus dem entlegenen Bundesstaat Acre Besuch
von Euridike, die noch etwas scheu ist. Die beiden verlieben sich. Die
Polizei terrorisiert die Favela. Mehr Tote als im Original gibt es allerdings.
Zuerst wird ein Eindringling, der angeblich eine Frau vergewaltigt hat,
hingerichtet. Dann trifft Euridike ein Querschläger, letztlich muss
auch Orfeo daran glauben.
“A tristeza nao tem fim, a felzidiade sim“ – [die Traurigkeit kennt
kein Ende, das Glück schon] war das Motto von Vinicius de Morais,
das mit dem ersten Film und den ersten Bossa-Nova-Rhythmen um die Welt
ging, und die beiden Gesichter Rios zeigte, den dünnen Grat zwischen
Orgasmus und Tod, wie er auch in der lateinamerikanischen Literatur (Marquez,
Armado et al.) immer wieder zu finden ist. Bunt und schrill, aber
auch nachdenklich und dokumentarisch ist der Blick auf Rio. Der Film ist
jedenfalls tiefsinniger als sein Vorgänger („Tieta do Brasil“), den
wir schon zeigten.
**** gutes Remake
Quills
Philip Kaufmann, USA 2000
Quills bedeutet „Federkiele“ – und das war früher das Schreibwerkzeug.
Das Werk von Marquis de Sade ist bis heute nicht vollständig und unzensuriert
erhältlich, obwohl der Begriff „Sadismus“ in jeder Munde ist. Noch
unbekannter als seine erotischen Meisterwerke („Justine“) sind seine
philosophischen Werke, hier galt er als scharfer Freidenker, früher
Atheist und verspottete die weltliche und geistliche Obrigkeit. Neben „Sade“
ist „Quills“ nun ein Film über de Sade, der seine letzten Jahre in
der Gefangenschaft einer Irrenanstalt beschreibt.
Am Anfang eine wahrlich revolutionär moderne Psychiatrie: die
Patienten werden angehalten, ihre Phantasien in Form von Bildern, Texten
und Theaterstücken auszuleben. Marquis de Sade bewohnt eine luxuriöse
Zelle, mit Teppichen, Federbett, erstklassigem Essen und guten Weinen.
Er schreibt viel und die hübsche Margarita schmuggelt ihm die Manuskripte
heraus, es wird viel Geld gemacht. Die illegale Veröffentlichung
dieser Pornographie bringt den König derart in Wallung, dass
er einen (wahrlich sadistischen) Folter-Psychiater in diese Luxusklinik
beordet, um wieder Ordnung zu schaffen und das gotteslästerliche,
obrigkeitsfeindliche und obszöne Schaffen einzustellen. Am Anfang
ist auch ein Priester ein Freund des Marquis, doch auch er endet am Schluss
hinter Mauern. Margarita wird ermordet und stellt sich dann als Jungfrau
heraus,
Sade hat an ihr also nie seine Fantasien ausgelebt, obwohl sie vielleicht
durchaus Gefallen daran gefunden hätte. Der neue Chef lässt sich
nicht nur eine erheblich jüngere Frau von den Klosterfrauen aus dem
Kreis der Waisen zuteilen, er baut einen teuren Palast und hält die
Frau hinter Gold und Elfenbein wie eine Sklavin gefangen. Als Sade auch
dies in einer Theateraufführung zum Thema macht,
verliert er alle Privilegien und wird misshandelt, genauso wie seine
Gönner, vor allem ein fortschrittlicher Priester.
Auch die Frau des Bösewichts [Michael Cane] , eine Leseratte,
ist fasziniert von den Werken de Sades und findet im Architekten ein „Übungsobjekt“,
mit dem sie der Hölle entflieht. Inzwischen wird de Sade gefoltert,
ihm die Zunge abgeschnitten und nackt angekettet, doch er lässt das
Schreiben nicht, und wenn es mit dem Kot sein muss..
Zwar zeigt der Film nichts über das philosophische oder literarische
Werk de Sades, ist als Stück gegen Intoleranz und unmenschliche Methoden
in der Psychiatrie aber diskutabel, opulent fotografiert, spannend und
durchaus erotisch, natürlich unter Einhaltung der amerikanischen Sitten,
dass man mehr Gewalt und Folter als Sex zeigen darf. Immerhin, nicht Sade,
sondern seine Gegner sind die wahren "Sadisten". Eine Art "Einer flog über
das Kuckucksnest" mit einem echten Napoleon freilich.
****Für einen Amerikaner also überraschend
gut.
Der neue Film von Giuseppe Tornatore enttäuscht.
Die Geschichte ist ziemlich banal (die schöne Malena, Onaniefantasie
aller Jungen und Objekt der Begierde aller Männer, wird angeblich
Witwe, wird im zweiten Weltkrieg in die Prostitution getrieben. Nach dem
Krieg kehrt ihr für tot erklärte Mann doch heim, Happyend). Das
malerische Städtchen ist zwar schön in Cinemascope fotografiert,
doch herrscht immer dasselbe Licht vor, nie Regen oder Wolken. Die Zeit
des Faschismus wird indirekt verherrlicht (die Leute tragen schicke Mode,
fahren lässige Autos), als die amerikanischen Befreier kommen, sind
sie in Fetzen gehüllt; es fällt nur eine Bombe (=eh nix passiert).
Im Gegensatz zu seinen früheren Filmen (Cinema Paradiso, Legende
eines Ozeanpianisten) berührt der Film kaum (höchstens in einer
Szene, als Malena als blonde Hure verprügelt wird) und wirkt einfach
künstlich und geschönt, alle schick angezogen.
Die amerikanische Produktionsfirma Miramax hat wohl einen zu negativen
Einfluss auf Tornatore ausgeübt... (schreibt auch Celluloid).
Schade.
* kitschig, faschismusverherrlichend, banal, flach, nur leichte
Unterhaltung
Gelbe Kirschen
Das Thema ist nicht uninteressant. Ein junger Beamter der Fremdenpolizei
verliebt sich in eine "illegale" und schwarzarbeitende Tschechin.... Der
Film ist eher eine Liebesgeschichte denn ein politischer Film. Die Fremdenpolizei
ist nicht gerade freundlich und nett zu den AusländerInnen, aber auch
nicht generell brutal (vom Fall Omafuma ist nichts zu spüren).
Sein Schwager hat ihm den Job besorgt und ist sein Vorgesetzter, anfangs
glaubt er ihm das Märchen, sie sei eine Studentin, doch bald kommt
er zufällig selber drauf. Die Liebt siegt mit Happyend: der junge
Beamte flüchtet mit dem Kind der inzwischen Abgeschobenen in die Tschechei...
Sehenswert*** kommt im FKC am am
16. und 17.5.01
Merci pour le chocolat (Süßes Gift)
Ein typisch französischer Film von Claude Chabrol. Hervorragend
gespielt (Isabelle Huppert u.a.), immer spannend, aber der Film entlässt
den/die ZuseherIn etwas ratlos.
Madame Mika Muller, eine eigenwillig agierende Schokoladenfabrikantin
heiratet zum zweiten Mal denselben Mann, den Starpianisten Polonski. Ihr
Stiefsohn ist kein Erfolgstyp. Wurde er etwa bei der Geburt verwechselt?
Jedenfalls könnte die junge, hübsche und begabte Pianistin Jeanne,
Tochter einer Ärztin auch seine Tochter sein. Als eines Tages ihre
Mutter, ihr gesteht, ihr Vater sei nicht ihr Vater, sondern sie habe
sich von "unbekannt" eine Samenspende geben und künstlich befruchten
lassen, werden die alten Zweifel wieder wach: bei der Geburt sei dem Pianisten,
dessen Frau zeitgleich entbunden hatte, ein Mädchen statt des Jungen
als sein Kind gezeigt worden... sie hatten beide dieselben Initialen und
Blugruppe, so dass die letzten Zweifel nicht ausgeräumt werden konnten,
wer wessen Kind sei. Jeanne fährt daraufhin einfach zu Polonski, platzt
bei ihm hinein und freundet sich gleich mit ihm an.
Madame Muller hingegen, so fand der Freund Jeanne´s heraus, vergiftet
den Kakao ihrer Gäste wie ihres Sohnes des öfteren mit Benzodiazepin,
einem Schlafmittel. Vielleicht hat sie so auch die Mutter ihre Stiefsohnes
ermordet, jedenfalls ist sie nach einem Besuch bei ihr auf der Heimfahrt
auf der kurvigen Strecke in den Schweizer Berger tödlich verunglückt.
Wieder kocht sie selbst den Kakao und schickt Jeanne mit ihrem Sohn
ein Schlafmittel für ihrem Mann holen...
Offenbar gibt sie Gift nur jenen, die sie liebt (und deshalb nicht
ihrem Mann), doch auf die Dosis kommt es an ..
Virtuos **** kommt im FKC am 18.
u.19.7.01