Filmkritiken des FKC 2005
wenn nicht anders angegeben ist Dr. Norbert Fink
(NF) der Autor
WG = Prof. Walter Gasperi
Urs = Dr. Urs Vokinger
Weitere
Kritiken von Walter Gasperi finden sich
auch hier. (Kultur-Online
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Filmriss weiter klicken)
King Kong
USA 2005, 188 Min, Peter Jackson
Der teuerste Film aller Zeiten und wahrscheinlich auch tricktechnisch beste,
entpuppt sich als recht getreues Remake des legendären King Kong aus dem Jahre
1933. Zur Zeit der Depression in den USA, wo viele arbeitslos werden, will ein
Filmteam in eine noch unbekannte Südseeinsel, wo enorme Ungeheuer leben sollen,
um einen Film zu drehen und sich so vor dem finanziellen Desaster retten. Dort
angekommen entpuppt sich der sympathische Riesenaffe noch als das harmloseste
Biest: aggressive Dinosaurier, Riesenspinnen und enorme Fledermäuse attackieren
jeden Eindringling und lassen ihn zu einem Friedhof werden. Die als Zombies
dargestellten Einheimischen schützen sich mit einer Riesenmauer vor diesen
Ungeheuern und opfern King Kong Jungfrauen, um ihn milde zu stimmen. So ergeht
es dann auch Ann, doch King Kong verliebt sich in sie und schützt sie vor den
noch gefährlichen Raubtieren . Er wird betäubt und nach New York gebracht, wo er
bei der Premiere seiner Show ausbricht und - mit seiner Geliebten Ann Darrow
(Naomi Watts) (in dünnem Kleide im Winter!) auf das Empire State Building
klettert. Letztlich, so die Moral der Geschichte, erliegt er nicht dem
Kampffeuer der Flugzeuge, sondern der Schönheit einer Frau.
Die drei Stunden im Kino vergehen rasch, nur bei der Hinfahrt auf dem Schiff,
also bevor es so richtig mit der Action losgeht, erscheint er passagenweisel zu
langatmig. Schön, dass die Geschichte nicht in die heutige Zeit verlegt wurde
und so im Art-Deco-Stil wunderbar altmodisch erscheint, süss und sülzig ist
allerdings der monotone Musikteppich und manche Showeinlage hart an der
Kitschgrenze. Absolut faszinierend freilich ist die künstlich kreierte
Landschaft, die manchmal fast an Spitzweg erinnert, schöner und bedrohlicher
zugleich kann man sich den Urwald nicht ausmalen.
Mir persönlich erschien die Frau von 1933 (Fay Wray, s.-Foto)
allerdings
viel mehr sexy als die fast busenlose Naomi Watts, vielleicht ist das der Grund,
warum der 207 Mio. $ teure Film bei uns leider auch nicht der erhoffte
Megarenner ist, wie ich ihn allen krisengeschüttelten Kinos als
Weihnachtsgeschenk gegönnt hätte.
*** atemberaubende Tricktechnik und traumhafte
Landschaften sorgen für ein tolles Kinoerlebnis für die ganze Familie,
detailgetreues Remake des Klassikers aus dem Jahre 1933.
Caché
Michael Haneke, F, A, D, I 2005, 117 Min. frz. OmU
Der neue Haneke ist stilistisch die Fortführung seines Werkes: keine Musik und
Bilder, die man genau betrachten und analysieren muss, um mitzukommen.
George und Anne leben in gutbürgerlichen Verhältnissen: er moderiert eine
erfolgreiche Literatursendung im Fernsehen, sie ist Verlegerin, sie haben einen
12 jg Sohn. Deren Leben wird ordentlich gestört, als sie Videokasetten erhalten.
Zuerst wird nur klar, dass sie beobachtet werden, dann kommen bedrohliche
Zeichnungen hinzu. Doch die Polizei kann noch nichts unternehmen. Als auf einem
Video der Weg zu einem Mann gezeigt, der vor 50 Jahren sein algerischer
Stiefbruder hätte werden sollen, eskaliert der Konflikt und nimmt eine
ungeahnte Wendung.
Wieder erzählt er in erster Linie keine Geschichte, sondern schildert eine
Extremsituation in der eine Familie völlig zermürbt wird. Ganz klares Ende gibt
es nicht, doch wird klar, dass die Ursache lang zurückliegt.
**** Perfektes spannendes und intelligentes Kino, das
zurecht den europäischen Filmpreis errang.
Gewinner im Wettbewerb in Huelva:
Cidade Baixa
Sergio Machado, 100 Min, Brasil 2005
Karinna, ein leichtes Mädchen, Naldinho und Deco, ein Schwarzer und Weißer, die
sich seit Kindheit kennen und den Lebensunterhalt mit Transporten ihres kleines
Kahns verdienen, bilden eine turbulente Dreiecksgeschichte.
Karinna will nach Salvador, die beiden Männer, die sie dort hinbringen können,
wollen sie vögeln, sie will Geld dafür, sie vereinbaren den Preis. Auf dem Weg
dorthin werden sie in einen illegalen Hahnenkampf verstrickt, verlieren Geld,
geraten in eine Rauferei. Naldinho wird mit einem Messer schwer verletzt. Deco
und Karinna versuchen ihn zu retten,
mit Striptease und einem Apothekenraub wird das Geld für den Arzt
zusammengekratzt und die Bande der Drei gefestigt. Als Karinna in einem
Nachtclub zu arbeiten beginnt, beginnen die Eifersüchteleien, da sie es mal mit
Naldinho, mal mit Deco treibt und auch noch andere Kunden betreut. Der
Wendepunkt kommt, als sie schwanger wird, das Kind behalten will und sich für
den Weißen entscheidet, um mit ihm eine Familie zu gründen.
Unter "Cidade Baixa" ist die Unterstadt von Salvador gemeint (in der Oberstadt
befindet sich der historisch und touristisch bedeutsamere "Pelourinho"), keine
sehr feine Gegend. Kein geschöntes Brasilien, sondern wie zuletzt in "Cidade da
Deus" ein Blick auf eine mögliche Realität, wie man sich boxend, hurend oder mit
kleinen Gaunereien so durchschlägt.
*** brasilianische Freizügigkeit auf der einen,
der harte Überlebenskampf der einfachen Leute auf der anderen Seite, dürften
beim europäischen Publikum eher Verwirrung stiften.
P.S. So kann man sich täuschen - der Film war mit 3 Preisen inkl. des
Hauptpreises der große Gewinner in Huelva!
A History
of Violence
David Cronenberg, USA 2005
In präzisen Einstellungen und kultigen Bildern (vor allem die erste
Einstellung mit dem Traum seiner Tochter gibt den Schlüssel zur Lösung am Ende)
, gespickt mit hyperrealistischen Gewalt- und Sexszenen schildert Cronenberg das
Klima der allgegenwärtigen Angst in den USA. Selbst in einer kleinen Gemeinde
muss frau sich vor dem eigenen Gatten und dieser sich vor der Mafia fürchten.
Tom Stills betreibt ein Restaurant, als plötzlich zwei Gangster bei Ladenschluss
noch Service begehren, die Gäste anstänkern und zu schießen beginnen.
Blitzschnell reagiert Tom und schießt zurück. Lokale Fernsehsender machen ihn
zum Helden. Daraufhin tauchen echte Mafiosi auf und behaupten Tom sei Joey, ein
"Bruder" eines Paten. Nun beginnt eine Serie grausiger Morde und Tom erweist
sich immer als unbesiegbar - war er doch ein Profi, der sich hier in dem kleinen
Kaff zur Ruhe setzte? Als sein Sohn entführt wird, kehrt er freiwillig zu
seinem "Bruder" nach Philadelphia zurück und rächt sich blutig.
**** Sehr spannender, mythischer Film jedoch mit
wenig glaubhafter Story und dem typisch amerikanischen Superhelden, der
allerdings von seiner Vergangenheit eingeholt wurde.
(Historia da violenca, ges. engl.OF m. pt. Ut)
Don´t come
knocking
Wim Wenders, D/USA/F, 2005
Die Ingredienzien des Films sind vielversprechend: Wester-Ästhetik in
Cinemascope, der Kontrast von gestern und heute, die Suche nach inneren Werten,
etwas Heimat und einem zuhause.
Howard, ein alternder Westernheld, verlässt das Set eines Filmes vertragswidrig.
In seinem Wohnwagen drei Huren und jede Menge leerer Flaschen. Seine Flucht vor
der Arbeit und einem Versicherungsagenten führt in über seine Mutter, die
er schon lange nicht mehr gesehen hat zu einem Sohn, den er vor 30 Jahren
gezeugt haben soll und von dem er bisher nichts wusste.
Er beginnt ihn zu suchen und findet ihn auch, doch der will von so einem Vater
nichts wissen; da taucht auch noch eine Schwester dessen auf, die ihn
andererseits gerne als Vater hätte. Als er in Handschellen zur Arbeit gekarrt
wird, fahren ihm seine Kids doch nach.
Die an sich schöne Geschichte hat nur einen Hacken: sie ist bei aller Ästhetik
der Bilder und einem lässigen Soundttrack ziemlich langweilig, die Dialoge
wirken kopflastig der Film lässt einen merkwürdigerweise ziemlich kalt.
(Im Gegensatz zu einigen anderen Wenders Film erinnere ich mich nach 3 Wochen
kaum noch daran)
*** irrsinnig schöne Bilder und Musik,
dennoch nur wenig berührender Film
We feed
the world
Dok, Erwin Wagenhofer, A 2005, Videotransfer
Nachdem der FKC gerade die Filme von Erich Langjahr (Bauernkrieg,...) zeigt, lag
es an der Hand, auch neue Filme zum Thema Globalisierung der Landwirtschaft sich
anzusehen.
Weltweit sterben eine Milliarde Menschen am Hungertod. Mit
den Lebensmitteln, die wir derzeit produzieren, könnten 12 Milliarden Menschen
ernährt werden. Die Menge an Brot, die täglich in Wien weggeworfen wird,
entspricht dem Tagesbedarf an Brot einer Stadt wie Graz. Auf rund 350.000 Hektar
vor allem in Lateinamerika werden Sojabohnen für die österreichische
Viehwirtschaft angebaut, daneben hungert ein Viertel der einheimischen
Bevölkerung. Jede Europäerin und jeder Europäer essen jährlich zehn Kilogramm
künstlich bewässertes Treibhausgemüse aus Südspanien, wo deswegen die
Wasserreserven knapp werden. Und das Schweizer Brot besteht zu 3/4 aus Indischem
Mehl. Es
ist billiger als das eigene. Obwohl die Schweiz, das 2. reichste Land der Welt,
sich ein etwas teureres Brot leisten könnte, und in Indien viele verhungern.
In dem Film sehen wir, wie es weitergegangen ist, seit Langjahr seinen
"Bauernkrieg" drehte: alles wurde noch schlimmer: die EU will die Fischer auf
Kuttern, die beste Qualität produzieren ausrotten und nur noch industriellen
Fischfang zulassen (die Fische werden aus 500 m Tiefe gefangen, wenn sie
mit den Netzen nach oben gebracht werden, platzen ihnen die Augen, für
Fischstäbchen reicht die geschmacklose Sorte), Gemüse aus Südspanien
findet man sogar in Dakkar - billiger als die Produkte der ansässigen Bauern
- dank EU Subventionen.
Neu an diesem Film ist, dass die Konzernbosse nicht mehr im Geheimen gefilmt
werden müssen. Sie geben offen zu, dass die Qualität nicht mehr so ist früher
"nach einer Generation Hybridsorten oder gentechn. manipulierten Pflanzen werden
sich die Kinder nicht mehr erinnern, wie einst mal eine Tomate oder ein Apfel
schmeckte".
Offen gibt der Konzernchef von Nestlé, dem weltgrößten Nahrungsmittelkonzern zu,
dass er auch das Wasser zu einer Handelsware machen möchte. Nur wenn es kostet,
ist man sich des Wertes bewusst ...."
Österreich verbrennt Mais als "Biomasse" in Heizungen, statt diesen Mais den
Hühner zu futtern, wird Soja aus Brasilien importiert, zum Anbau genau dieses
Soja wird in Amazonien der Urwald gerodet .... Es geht überall nur um
Gewinnmaximierung, Geld regiert die Welt.
*** Schade, dass es nur ein Videotransfer
mit deutlichen Qualitätsabstrichen ist. Ansonsten ist an dem Doc nichts
auszusetzen: er deckt globale Zusammenhänge auf, zeigt die Massenproduktion
unserer geliebten Brathendl
und zeigt dem Konsumenten, wie man frische Fische erkennt (an den blutroten
Kiemen)
BIN-JIP
(Leere Häuser)
Korea/ JP 2004, 90 Min, Kim Ki-Duk, 35mm, von HD
übertragen
Tae-Suk fährt ein teueres BMW-Motorrad, bricht in Wohnungen ein, ohne etwas zu
stehlen. Er bewohnt sie nur, isst was aus dem Kühlschrank oder trinkt was aus
der Bar, räumt alles penibel auf und repariert manchmal sogar Kleinigkeiten.
Eines Tages findet er in einer leer geglaubten Wohnung das unglücklich
verheiratete Fotomodell Sun-hwa, eine Frau, die von ihrem Mann schlecht
behandelt und geschlagen wird. Sie zieht mit ihm mit und eine Liebesgeschichte,
aber auch eine Verfolgungsjagd gegen ihren Mann und die Polizei beginnt. So
richtig makaber wird die Geschichte, als sie in einer solchen Wohnung einen
toten Mann finden, ihn stilgerecht beerdigen, dann aber verhaftet werden.
Tae-suk kommt ins Gefängnis und wird oft geschlagen, weil er sich in der Zelle
kunstvoll versteckt.
In diesem Film wird kaum gesprochen, nicht einmal unter Folter. Er zeigt die
verletzte Psyche seiner Darsteller, die Sprachlosigkeit, aber auch die vielen
Bilder und Ikonen, mit denen man sich heute der Sprache statt ausdrückt.
Ein zwar nicht realistischer oder sozialkritischer Film im Sinne einer
dokumentarischen Erzählung, aber ein hochgradig kunstvoller und kunstfertig
gemachter Streifen voller wunderschön komponierter Bilder, Innenräume und
Seelenlandschaften.
**** wirklich innovativ und spannend
Die Höhle des gelben Hundes
D 2005, Byambasuraren Davaa, 90 Min, von HD übertragen
In dokumentarischer Präzision zeigt der absolut jugendfreie Film das Leben einer Familie in einer Yurte Mongoliens. Die sechsjährige Nansa findet in einer Höhle einen jungen Hund, mit dem sie sich rasch anfreundet, obwohl der Vater ihr dies aus Angst vor Wölfen verbietet. Erst als der Hund sie vor Geiern rettet, darf sie ihn behalten, Wunderschöne Landschaftbilder, aber eine sehr kindlich einfache Handlung vom einfachen Hirtendasein bzw. dem Abbau einer Yurte.
Technisch insoweit ein Meilenstein, als dass dem HDTV Material kaum noch ein Mangel gegenüber dem echten 35mm anzuerkennen ist.
** für ethnographisch Interessierte
Broken Flowers
Jim Jarmusch, USA 2005, 105 Min, OmU, 35mm
Don Johnston, ein alternder Don Juan und Winston, sein Nachbar und Hobbydetektiv, versuchen ein beunruhigendes Problem zu lösen: ein anonymer Brief auf rosa Papier und mit einer alten Schreibmaschine geschrieben behauptet er habe einen 19 jg Sohn, der ihn suchen wolle.
Nach einem von Winston minutiös ausgearbeiteten Plan reist Don nun durch das Land, trifft seine ehemaligen Gespielinen die für eine Vaterschaft in Frage kommen. Alle haben sich sehr verändert. Die Erste hat eine Tochter namens Lolita, und wird ihrem Namen mehr als gerecht, aber auch Mutter ist nicht ganz abgeneigt Don wieder zu treffen, eine zweite kommuniziert mit Tieren, eine Dritte ist recht spiessig geworden, was man von der Letzten nicht sagen kann, denn sie lässt ihn verprügeln ...
Das schöne an dem Film ist, dass es
keine Lösung gibt. Bill Murray spielt brillant. Das Thema ist die Reise eines
einsamen Mannes in seine sexuelle Vergangenheit.
Der Gewinner des Grand Prix von Cannes 2005 hat also wieder das Zeug zu einem
Kultfilm. Andererseits werden die wenigen guten US Filme ja wahnsinnig
überbewertet.
**** ein toller neuer Jarmusch und ein bisschen ein Kaurismäki...
Melinda und Melinda
Woody Allens neuester Film versucht eine Geschichte - in einer Geschichte zu
erzählen. Die Frage, die sich eine illustre Runde in einem New Yorker
Nobelrestaurant stellt lautet, ob die Geschichte er einsamen (weil nervigen)
Melinda nun tragisch oder lustig sein, kann man daraus eine Tragödie machen oder
besser doch eine Komödie?
Melinda platzt einfach in eine Wohnung von Bekannten herein, wo die Gastgeber
gerade ein Abendessen geben, die Diagnose lautet: Melinda braucht ein Mann und
fortan suchen sie einen Mann für sie, doch auch Melinda versucht sich als
Kupplerin, schließlich kommt es zu dem bei US-Filmen üblichen Happyend.
Allerdings bringt sie dabei das Leben und die Ehen der im Filmgeschäft tätigen
Protagonisten etwas durcheinander.
Allen wollte offenbar eine neue Komödie machen, doch für die Zuseher werden die
neueren Filme Allens immer mehr tragisch langweilig und geschwätzig. Von der
einstig brillanten Bildsprache wie in "Was Sie immer schon über Sex wissen
wollten..." entfernt sich der alternde Mann immer mehr.
# Woody Allens neuer Film "Melinda und Melinda"
ist zwar schön verschachtelt und entsprechend kompliziert, trotzdem überwiegt
aber sinnentleertes Geschwätz von reichen US-Großstadtneurotikern. (FKC-Prädikat:
1 Schlafkissen für geruhsamen Kinoschlaf)
Kontroll
Nimoród Antal, Ungarn 2003, 111 Min, dolby digital
Schon beim Buffet des ungarischen Kulturattachés bei der Diagonale zu Graz wurde
ich auf diesen außerordentlichen Film, der auch beim Publikum im Ausland ein
großer Erfolg ist, hingewiesen.
Der gänzlich in der U-Bahn von Budapest gedrehte Film hat natürlich nichts mit
einer Dokumentation zu tun; vor dem Film beteuert ein Vertreter der Budapester
Verkehrsbetriebe dass der Film reine Fiktion sei und sich kein Benutzer der
Budapester-U-Bahn vor den dargestellten Charakteren im Film fürchten müsse.
Es geht im Prinzip um eine völlig verlotterte Truppe von
Fahrscheinkontrolleuren, die selber mehr Schläge einstecken müssen als sie
selber verteilen. Manchmal wirken die renitenten Fahrgästen ohne Fahrschein,
seien es Sprayer, Punks, Hooligans, Betrunkene, Sandler, Giftler, Huren oder
japanische Touristen gefährlicher als die martialischen Typen der Kontrolle.
Selbstmörder (oder werden sie von einem Mörder vor die Züge gestossen ?)
machen den U-Bahnbeamten das Leben schwer und stören den Betrieb. "Gleislaufen"
ist eine Art "russisches Roulette" in den engen Tunnels und ein Kick für die
Kontrolleure.
Bulscú lebt nur noch unten in der U-Bahn, dort schläft und isst er auch, er
verliebt sich in eine Frau im Teddybärkostüm, die ebenfalls ständig ohne
Fahrschein unterwegs ist und in dieser Unterwelt zu leben scheint (aber die
Tochter eines trinkenden Fahrers), am Schluss gibt´s ein kleines Happyend.
***1/2 Zwar ist der argentinische Film "Moebius"
noch immer der beste und intelligenteste U-Bahnfilm, "Kontroll" ist aber
zweifellos innovativ, spannend, freakig und unterhaltend. Viel zur Qualität
trägt ein perfekter Rhythmus von ruhigen und sehr hektischen Szenen bei, auch
die Kameraarbeit und das Lichtdesign sind beachtenswert.
Narradores de
Javé
Eliane Caffé, Brasil 2004, dolby digital
Eliana Caffé, die mich mit ihrem existentialistischem Meisterwerk "Kenoma" (nie
in Europa verliehen worden)
begeisterte, war Anlass genug, auch ihr neues Werk, welches bei Trigon erschien,
anzusehen.
Es geht um ein Tal, dass nach einem Staudammbau überflutet werden soll, die
Bewohner dieses Javé-Tales
sollen vertrieben werden. Die Vermesser sind schon da ! Der meist
analphabetischen Dorfbevölkerung kommt zur Rettung die Idee, die alten
Geschichten und Sagen aufzuschreiben, um so aus dem Tal ein "Weltkulturerbe" zu
machen und so vor der Überflutung zu schützen.
Für diese literarisch-"wissenschaftliche" Aufgabe kommt nur ein Taugenichts in
Betracht: der ehemalige Postler. Er schrieb damals selbst viele Briefe mit
erfundenen Geschichten in alle Welt, um seinen Job im Postamt zu retten.
Denn wer, außer ihm, sollte Briefe bekommen, wenn niemand lesen und schreiben
kann.
So soll er nun bei allen Bewohnern Geschichten sammeln und aufschreiben, doch er
hört sie mehr oder minder aufmerksam an, und beginnt sie "auszuschmücken" wie er
es nennt, das Projekt scheitert an seiner überschäumenden Fantasie. Somit passt
das Ende wieder zu Eliane Caffé, die einen Hauch Existentialimus auch hier
einfliessen läßt ....
Zwar werden die blumigen Erzählungen immer wieder auch in kurzen Bilderfetzen
optisch umgesetzt und ein reines
Abfilmen schwätzender Köpfe verhindert, dennoch ist der Film viel zu brav
geraten, so brav, dass keine fromme Novizin davon rot werden würde... der
einzige Witz besteht in einigen feministischen Sagern gegen die "Gockeln" und
ein Blick auf globale Zusammenhänge fehlt völlig.
** gut gemeintes, braves Filmchen über die vermeintliche Macht alter
Geschichten, trotz versuchter visueller Umsetzung zu geschwätzig !
Kinsey
Bill Condon, USA 2004, Cinemascope
Vieles was wir heute empirisch über die Sexualität
wissen ist ein Verdienst des unermüdliches Sexualverhaltensforschers Alfred
Kinsey (1894 -1962). Der Film beleuchtet in erster Linie seine Person und sein
Privatleben, dabei kommt natürlich ein Exkurs auf seine wissenschaftliche
Karriere nicht zu kurz.
Kinseys Vater war ein bigotter Prediger und Tyrann; Kinsey studierte zuerst
Biologie und untersuchte zigtausende Fliegen. Seine ersten leidvollen
Erfahrungen mit seiner jungen Ehefrau in Sachen Sex (auch er braucht
professionelle Hilfe, damit es klappt) lassen ihn mit der gleichen
wissenschaftlichen Akribie und dem Hang zu 1000facher statistischer Absicherung
das Sexualverhalten der US-BürgerInnen untersuchen, wobei natürlich
Erstaunliches und für die damalige Zeit Schockierendes heraus kam. Rund 18.000
wurden mit seiner speziellen Befragungstechnik interviewt.
Kinsey selbst wurde also prüde erzogen, emanzipierte sich selbst und betrieb
offenbar auch einige makabre Selbstversuche, er machte allen klar, dass das, was
alle machen nicht kriminell sein kann und befreite die westliche Welt von
vielen Tabus, etwa dass Masturbation zur Hirnerweichung führe oder
Homosexualität oder Oralsex eine Krankheit seien. Wie zur erwarten war, schlugen
die puritanischen Frömmler zurück, verleumdeten ihn, beschuldigten ihn
unamerikanischer "kommunistischer" Umtriebe und letztlich entzog ihm die
Rockefeller Stiftung auch die finanzielle Unterstützung, völlig überarbeitet
starb er im Alter von 62 Jahren an Herzversagen.
Es ist ein Verdienst des Filmes, auf den Zusammenhang zwischen der politischen
Rechten in den USA, die religiöse Parolen mit Fakten verwechselt und der
Behinderung wissenschaftlicher Arbeit hinzuweisen - in anderen Bereichen ist das
ja heute noch so, Besetzung, Schnitt und Kamera sind durchaus stimmig,
auch der wissenschaftliche Diskurs zwischen Kinsey und den Psychoanalytikern um
den Unsinn des Freudschen Postulats vom "vaginalen" Orgasmus
wird angeschnitten. Kinsey ließ allerdings die Gefühle und die "Liebe"
außer Acht, ein Fehler den spätere Sexualforscher
jedoch korrigierten. Dies ging so weit, dass er selbst bisexuelle Eskapaden
auslebte oder seine Frau animierte,
auch mit anderen Männern zu schlafen, was natürlich zu heftigen emotionalen
Reaktionen führte.
*** recht informativer und gut gemachter Film
über den Pionier der empririschen Sexualforschung, Alfred Kinsey.
Wer sich am Original orientieren will, hier der Link zum Kinsey Institute, wo
ebenfalls FAQs über den Film beantwortet werden.
http://www.indiana.edu/~kinsey/
Hotel
Rwanda
Terry George, Südafrika/GB/I 2004. 121 Min
Schon die Belgische Kolonialmacht im
einstigen Kongo hatte die Tutsi-Minderheit in Führungspositionen versetzt, wohl
ahnend, dass im Falle einer Rebellion der Hass der Hutu sich auf die Tutsi als
Handlanger der Kolonialmacht verschieben würde. Dem normalen Volk war das
ziemlich egal und es gab durchaus Mischehen.
Das Hotel „Des Mille Collines“ gibt es wirklich (und es hat sogar inzwischen
eine Homepage http://www.millecollines.net/indexb.html). Es gehörte damals,
1994, der belgischen Fluglinie Sabena und war als führendes Hotel Ort für
Diplomaten, Reporter und einige wenige Reiche von den UN-Schutztruppen
geschützt.
Obwohl der Welt der Frieden zwischen Hutu und Tutsi verkündet wird, stehen die
Zeichen auf Sturm: die Maschine des Präsidenten mit ihm am Bord wird am
7.4.94 von den Hutu-Rebellen, welche über einen lokalen Radiosender aufgehetzt
werden, abgeschossen und das Codewort für das Abschlachten der „Kakerlaken“, wie
die Hutu die Tutsi nannten, ausgegeben.
Paul ist Manager dieses Hotels und verfügt über beste Kontakte, er ist Hutu,
aber seine Frau ist Tutsi und deshalb samt seinen Kindern auch bedroht.
Mit seltener Deutlichkeit wird die Kriegssituation gezeigt, vor allem die
Ohnmacht der wenigen UN-Truppen, die obwohl mehrmals angeschossen, nicht zurück
schießen durften. Als die ersehnten europ. Eingreiftruppen kommen, haben diese
freilich nur eine Aufgabe: die Evakuierung der Weissen bzw. europ. Staatsbürger,
danach ziehen sie ab, auch die UN-Truppen werden reduziert, statt erweitert und
so dem Abschlachten nichts entgegen gehalten (angeblich unterstützten die
Franzosen gar die Tutsi). Der Film hat zwei Helden, Paul, den Hotelmanager zum
einen, und den UN-Kommandanten vor Ort zum zweiten.
Paul ist eine Art „Schindler“, der rund 1600 Tutsi vor dem sicheren Tod
bewahrte, in dem er ihnen in seinem Hotel Unterschlupf gewährte und ihnen Visas
in Asylländer vermittelte.
Der Film ist freilich derart konventionell gemacht, dass er an ein Action-Kino
oder ein Melodram erinnert; dennoch: der 2-stündige Film ist nie langweilig und
hilft uns, auch diesen Völkermord in mahnender Erinnerung zu bewahren.
*** in Manier eines „Abenteuerfilmes“ bzw
"Schindlers Liste" gut, aber sehr konventionell gemachter Film über das Massaker
der Hutu an den Tutsi in Ruanda im Jahre 1994, dem rund 1 Million Menschen zum
Opfer fielen.
HABANA BLUES
Benito
Zambrano, E, F, CU 2004, 35mm (digitale Postproduktion)
Die Musikszene Havannas besteht keineswegs nur aus alten Männern, welche Son und
Bolero spielen (Typ “Buena Vista Social Club”). Zum Entsetzen der
Liebhaber des Mambo, Cha-cha-cha und Guajira, macht auch dort die Jugend "Lärm"
in Form von Rap und Techno, Metall etc. Sie schildern ihre lokalen Probleme in
dieser Musikform. Deshalb gibt’s in diesem Film, und davor sei deshalb gleich
gewarnt, weder Blues, Mambo, Son und was wir 50 jg. so an Kuba lieben, zu hören.
Eine Produzentin aus Spanien, die durchaus den schnellen Sex mit jungen Cubanos
liebt (wäre es ein Mann gewesen, hätte man ihn sicher als bösen Sexausbeuter
denunziert) sucht in Havanna neue musikalische Talente, sie scheint sie auch
gefunden zu haben, doch am Schluss nach langwierigen Probeaufnahmen entzweit sie
ihr kapitalistischer Knebelvertrag. Daneben spielt sich ein für Kuba typisches
Familiendrama ab, die Frau des jungen Stars will sich nicht nur wegen der
wiederholten Untreue des Gatten scheiden lassen, sondern per Boot die Flucht
nach Miami versuchen und hat schon alles arrangiert.
Die Musiker zerreißen letztlich den Vertrag, doch es gelingt dem einen, in einem restaurierten Theater ein Konzert zu geben, gleichzeitig verlassen sein Frau und sein Kind illegal das Land und die Produzentin begnügt sich mit dessen Freund und fliegt mit ihm nach Spanien.
Dritter Aufguss eines Musikfilms aus Kuba (nach Lagrimas Negras, Buena Vista Social Club, Habana Suite etc.) ohne neue Aspekte und nach dem üblichen Muster: die malerische, aber verfallende Altstadt Havannas, die vorrevolutionären Straßenkreuzer, lockerer Sex und den Rhythmus im Blut; die Unzufriedenheit mit den Begebenheiten (obwohl sie nicht zu hungern scheinen und alles was sie stört die Touristen anlockt), die viele Kubaner zu gefährlichen Fluchtversuchen treiben.
Erstaunlich, dass das das Kuban. Filminstitut ICAIC - eine Gründung Chés zur kulturellen Verteidigung der Revolution - nun mit dem kapitalistischen Erzfeind Warner Brothers (WB Sogefilm Espana) kooperiert und auf typisch südamerikanische Art die Probleme des Landes vermarktet.
** zwar ehrlicher Film mit den typischen Problemen junger Musiker Kubas, doch irreführend im Titel, gibt es weder Blues noch die traditionelle Musik Kubas zu hören und für den Kubakenner auch nichts Neues zu sehen. Mit "Blues" ist also der triste Gemütszustand mancher vom Ausland infizierten Popmusiker gemeint, die schnelles Geld machen möchten und sich für ein paar Dollars und eine Ausreisemöglichkeit buchstäblich von einem multinationalen Musikkonzern versklaven lassen. (gesehen in OF in Spanien)
MAR ADENTRO (Das Meer in mir)
Alejandro Amenábar
E/I 2004, 125“, dolby digital
Die wahre Geschichte um den Tetraplegiker Ramón Sampedro, der unbedingt das Recht zu Sterben durchsetzen wollte. Julia, eine attraktive Rechtsanwältin, selbst an multipler Sklerose erkrankt, recherchiert in diesem Fall und will ein Urteil des OGH erzwingen. Dieser raumt zwar ein, dass es ihm frei stűnde sich das Leben zu nehmen, falls er es ohne fremde Hilfe könnte. Es sei jedoch anderen Personen untersagt, aktive Sterbehilfe zu leisten.
Der von Javier Bardem großartig gespielte Tetraplegiker Ramón ist nicht nur ein feinsinniger Poet, sondern durchaus selbstbewusst und alles andere als depressiv. Als er im Fernsehen auftritt und ein ebenfalls gelähmter Pater ihm unzutreffend kontert und ihn uneingeladen besucht, wirft er ihn hinaus, weil er zuvor seiner Familie unterstellt hatte, ihm zuwenig Liebe zu schenken. Zwar streitet er oft mit seinem Bruder José, der unter keinen Umständen will, dass er in seinem Haus eines unnatürlichen Todes stirbt, doch die Familie kümmert sich sehr um ihn.
Selbst Frauen lieben und besuchen ihn, da ist zuerst die Rechtsanwältin Julia, die er begehrt und die in kleinen Dosen durchaus seine Liebe erwidert, bis sie selbst zusammenbricht und im Rollstuhl landet; sie veröffentlicht ein Buch über ihn und wollte ursprünglich gemeinsam mit ihm das Leben beenden, doch zu dieser Todesromanze kommt es nicht.
Da
ist auch noch Rosa, eine junge Frau, die in einer Fischfabrik arbeitet und am
Abend bei einem kleinen Radiosender Programm macht, sie liebt ihn ebenfalls,
will ihm anfangs Mut machen und ihm die schőnen Dinge des Lebens zeigen;
letztendlich ist sie es, die ihm seinen Wunsch erfüllt. Er nimmt seinen Freitod
auf Video auf und das Band
wird veröffentlicht und löst in Spanien heftige Diskussionen aus.
Ramón ist also kein armer Gelähmter, der isoliert und unbeachtet in
einer Pflegestation dahinvegetiert, sondern ein Intellektueller, der in der
Öffentlichkeit sich exponiert, viele Besuche empfängt, liebt und geliebt wird.
Deshalb ist seine Entscheidung für den Tod kein Resultat einer psychischen
Krise, sondern eine rationale Entscheidung, die respektiert werden will, auch
wenn es manchen aus ideologischen und religiösen Gründen nicht passt.
In Spanien hat diese Geschichte, die 20 Jahre später ans Licht kam, viele
Diskussionen ausgelőst. Rosa hatte sie nach Ende der Straffrist selbst
veröffentlicht.
Der
Film erhielt den Auslandsoscar und ist in Spanien bereits als DVD auf dem Markt.
**** berührender Film um einen Tetraplegiker, der offentlich um
das Recht auf aktive Sterbehilfe kampft und sich selbstbewusst der Diskussion
stellt.
Sophie Scholl
- die letzten Tage
Der neue Film über die studentische Widerstandsgruppe "Weisse
Rose" entstand nach der Entdeckung der Originalprotokolle und Julia Jentsch ist
seit der Auszeichnung dieses Filmes auf der Berlinale - Silberner Bär, + beste
Darstellerin zu Recht ein neuer Superstar.
Über das Thema gab es bereits zwei gute Filme, die der FKC damals zeigte
(Michael Verhoevens "die weiße Rose" und Percy Adlons "Sophie Scholl - fünf
letzte Tage", 1982), somit ist die grundsätzliche Handlung und das tragische
Ende den Cineasten und historisch gebildeten Menschen also bekannt.
Der Film beginnt spannend und mit massivem Musikeinsatz, als die Geschwister
Scholl bei einem befreundeten Künstler das folgenschwere Flugblatt
hektographieren. Sophie`s Geliebter ist in Stalingrad und hat sich drei Finger
abgefroren.
Sie glauben, dass nur eine sofortige Beendigung des Krieges noch weiteres
sinnloses Blutvergießen verhindern könnte.
Sie sehen zwar die Gefahr erwischt zu werden durchaus realistisch, denken aber
kaum, dass es dafür die Todesstrafe setzt.
Februar 1943, Sophie und ihr Bruder gehen auf die Münchner Uni und hinterlegen
die Flugblätter, nochmals gehen sie den 3. Stock hinauf und Sophie wirft die
Flugblätter von oben in die soeben einströmende Menge.
Sie werden vom Schulwart erwischt und abgeführt.
Zuerst leugnet Sophie alles und erfindet geschickte Ausreden, und fast wäre sie
damit wieder frei gekommen, doch sie bleibt doch in Haft, gesteht mehr und mehr,
ohne ihre Genossinnen zu verraten.
Sie spielt die Unpolitische. In der Zelle und beim "Empfang" im Gefängnis eine
Kommunistin, die ihr weitere Infos gibt.
Mit dem Vernehmungsbeamten Mohr gibt es eine spannende Auseinandersetzung über
die NS-Ideologie. Mohr würde sie vor der Todesstrafe bewahren, wenn sie weitere
"Mittäter" verraten würde. Auch liess sie Mohr nie foltern, im Gegensatz zu den
männlichen Beschuldigten.
Überraschend schnell kommt es zum Schauprozess, der von Präsidenten des
"Volksgerichtshofs" Freisler persönlich geführt wird. Alle werden zum Tode
verurteilt und sofort am Schaffott hingerichtet, obwohl üblicherweise 99 Tage
Frist sogar in NS-D eingeräumt wurden.
Später wurden die Fugblätter von den Engländern millionenfach über Deutschland
abgeworfen.
Obwohl man von Anfang an den Ausgang kennt, ist der Film vom Anfang bis zum Ende
spannend und erschütternd. Die schauspielerischen Leistungen der Julia Jentsch
sind herausragend und mit einem Bruno Ganz zu vergleichen.
Leider erwies es sich erst Jahrzehnte später, dass die Aktionen der Weissen Rose
einen Sinn ergab, ursprünglich erschien sie ja völlig sinnlos. Doch heute können
die Deutschen damit beweisen, dass doch nicht jeder Mitmachte und die
Nazi-Ideologie gut hiess.
**** herausragendes historisches Dokument
über Zivilcourage und für Meinungsfreiheit in der Diktatur.
DIE BESTEN JAHRE
- La meglio Gioventú -
von Marco Tullio Giordana
Italien, 2003, 35mm, OmU, 366 Min. in zwei Teilen
Der erste Teil begann im Jahr 1966, umfasste die
großen Themen der vergangenen vier Jahrzehnte: politisches wie die
Studentenrevolte in Mailand, die kommunistische Bewegung und ihr teilweises
Abgleiten zu den Roten Brigaden in den Terror, der Kampf der Justiz gegen die
Mafia, Korruption und Wirtschaftsliberalisierung, aber auch gesellschaftlich
wichtige Ereignisse wie das Hochwasser in Florenz 1966, die Psychiatriereform
(Vorbild Basaglia und der Kampf gegen die Elektroschock-Therapie) und das
mitreißenden Fußballspiel Italiens gegen Korea.
Erzählt aus dem Blickwinkel von 2 Brüdern der Familie Carati, wie sie
unterschiedlicher nicht sein könnten und dessen Freunden. Nicola ist Arzt und
Kämpfer für die Befreiung der Psychiatriepatienten, dessen Frau Giulia, begabte
Pianistin, wird politisch immer radikaler und endet bei den Roten Brigaden,
Matteo, schafft die Prüfung in Literatur nicht und meldet sich zum Militär, wird
danach Polizist, der auf die revoltierenden Stundenten einprügelt, als er einen
Demonstranten tötet, wird er nach Sizilien versetzt und eckt auch dort mit
seiner nordischen Korrektheit in der von der Mafia durchtränkten Polizei von
Palermo an.
Der Ehemann einer Schwester Nicolas ist ein hoher Beamter der Staatsbank Banco
di Italia und somit als Attentatsziel bestens geeignet. Lebenswege, die so
extrem diametral entgegen gesetzt sind, dass es unweigerlich zu einer
Katastrophe kommen muss. Ein anderer Verwandter verliert seinen Job bei Fiat und
ist Opfer einer Entlassungswelle.
Eine weitere Leitfigur (s. obiges Titelfoto) ist die gemeinsame psychisch kranke
Jugendfreundin Giorgia , die sie aus der geschlossenen Elektroschock-Abteilung
befreien und eigentlich mit auf Urlaub nehmen wollen, als sie doch zu schwierig
wird bringen sie Giorgia zu ihrem Vater zurück, doch der bzw. dessen Frau will
sie nicht. Als von der Polizei Gesuchte wird sie wieder in die geschlossene
Psychiatrie zurückgebracht. Gegen Ende des 1. Teiles wird sie völlig verwahrlost
und apathisch in einem Kellertrakt einer psychiatrischen Klinik aufgefunden und
befreit - gegen die Psychiater, der derartige Menschenrechtsverletzungen
duldeten, der Prozess eröffnet.
Giulia verlässt Nicola und arbeitet aktiv für die Roten Brigaden. Ihre Tochter
Sara fragt nach der Mutter.
Und das geschah im zweiten Teil:
Nicola ist mit seiner Tochter Sara alleine. Als Giulia ihre Tochter Sara sehen
will, wird sie von ihm verraten, verhaftet und in Hochsicherheitsgefängnis
gebracht. Er wollte damit vermeiden, dass sie einen Mord begeht.
Matteo ist wieder in Rom und auch Mirella, seine Liebe aus Sizilien, eine
Bibliothekarin ist ihm gefolgt, dennoch verhält er sich eigenartig und gibt sich
ihr gegenüber als „Nicola“ aus, als Mirella dies herausfindet, reagiert er
schroff. In der Silvesternacht fühlt er sich einsam und begeht Selbstmord, nicht
wissend, dass sie von ihm schwanger ist.
Der reiche Bruder, der Banker Carlo, lässt sich in der Toskana eine alte Villa
restaurieren, nach Drohungen durch die Roten Brigaden erhält er massiven
Personenschutz und es passiert ihm nichts.
Nicola entdeckt bei einer Fotoausstellung das Foto seines verstorbenen Bruders
Matteo und sucht die Fotografin, als der Richter Falcone in Palermo ermordet
wird, trifft er dort diese Fotografin, es ist Mirella. Ihr Sohn ähnelt dem Vater
und als die Oma in Sizilien eintrifft vertragen sich alle gut.
2000 - Die Enkel heiraten alle und auch Giulia ist wieder frei, wenn auch immer
noch sehr verschlossen, ihre Tochter ist erfolgreiche Restauratorin und heiratet
ebenfalls.
Letztlich finden auch Nicola und Mirella zusammen…. Happyend.
Der 2. Teil fällt leider deutlich ab, auch technisch merkt man ihm an den Farben
und an einigen digitalen Artefakten deutlicher an, dass es doch nur um eine
(sehr gute) FAZ Kopie handelt.
Hat der erste Teil viele Landschaften, historische Ereignisse und auch
Stimmungsbilder (mit der Musik von damals) vermittelt, so rutscht der 2. Teil
arg ins melodramatische, familiäre, ja fast in den Kitsch ab.
Noch stärker als im ersten Teil hat man den Eindruck, dass die Rechten wehleidig
als Opfer der Geschichte dargestellt werden, die Linken werden entweder
TerroristInnen oder passen sich auf das Bürgerlichste an … Diese politische
Aussage zugunsten der Rechten finde ich bedenklich, von den Machenschaften des
Herrn Berlusconi fällt kein Wort in diesem Film…
P.S. es ist nicht üblich, dass wir hier unsere von
uns selbst gezeigten Filme kritisieren, da wir diesen Film als erste in
Vorarlberg zeigten, machen wir es ausnahmsweise.
Aviator
Martin Scorsese, USA 2004, 170 Min
Da ich mich durchaus für die Geschichte der Luftfahrt interessiere und auch
gerne fliege, wollte ich mir diesen Film anschauen, leider sind zwischen einigen
Flugszenen, die das milchtrinkende Kindergesicht DiCaprios deutlicher zeigen als
Details der schönen Silbervögel, halbstündige und dazu noch völlig dümmliche
Dialoge zu ertragen. Auch wird nicht erklärt, wie er sich den ausufernden
Lebensstil eigentlich finanzierte, da ja die Geschäfte alle nicht so rosig
liefen.
Was übrig bleibt ist ein üppiger Ausstattungsfilm und eine permanente Modeschau
von damals, leider alles viel zu lang geraten und stinklangweilig. (Nobi)
Alles auf Zucker
Dani Levi, D,CH 2004
Die Brüder Zuckmeier sind seit Jahrzehnten verkracht. Jakob, Jaeckie wie ihn andere nennen, ist ein berühmter Billardspieler und Lebemann und lebt im ehemaligen Ostteil, sein Bruder Samuel, der etwas strenggläubige Jude, im Westteil Deutschlands. Die beiden Brüder wurden damals beim Mauerbau auseinandergerissen. Beide haben heute eine Familie und beide stehen bis zum Kopf in Schulden. Doch da stirbt ihre Mutter und die beiden erhoffen sich eine grosse Erbschaft, das lang ersehnte Geld zur Tilgung der Schulden. Die Mutter stellt aber in ihrem Testament eine Bedingung: Die beiden Söhne müssen sich versöhnen und sieben Tage nach jüdischem Gebrauch zusammen Totenwache abhalten; sonst fällt die Erbschaft an die Glaubensgemeinschaft. Nach einer turbulenten Woche scheinen sich die Brüder im Spital doch noch zu versöhnen. Nach einem Herzinfarkt und Kreislaufzusammenbruch scheint es die einzige Lösung zu sein, um das Geld zu bekommen und um die Gesundheit wahren zu können. Leider stellt sich dann heraus, dass Mutters Kontostand eine runde Null aufweisst. Optimistisch meint der Rabiner, der die Familie während diesen schweren Tage begleitet hat, das ihre Mutter wenigstens keine Schulden hinterlassen hatte.
Ein gelungener
Film von David Levi. Der Film wird mit viel Witz und Humor begleitet. Auch sind
die schauspielerischen Leistungen zu Loben, besonders die vom Hauptdarsteller
des Jakobs.
Ein toller Spielfilm der Sparte Unterhaltung
(sei hier nicht abwertend gemeint!) *** (Urs)
http://www.zucker-derfilm.de
Mathilde - eine grosse Liebe
Jean-Pierre Jeunet, F/USA 2004, ca 140 Min
Juenet, der uns schon mit "Delicatessen" und "die wunderbare Welt der Amelie"
verzückte, setzt stilistisch sein Werk konsequent fort: digital kunstvoll
bearbeitete Cinemascope-Bilder, ein irrer Handlungsstrang und jede Minute ein
neuer optischer Gag oder kleiner Witz im Bild.
Allerdings eignet sich die düstere Geschichte kaum zum Lachen: es geht um das
erbärmliche Leben der Soldaten in den Schützengräben des ersten Weltkrieges.
Viele von ihnen zerstümmeln sich selber, um von der Front abgezogen zu werden,
wer allerdings dabei erwischt wird, kommt vors Kriegsgericht. So auch Manech,
der Verlobte der an Kinderlähmung behinderten Mathilde. Sie will es einfach
nicht glauben, dass er von einem Flugzeug abgeschossen wurde, als er aus Strafe
zwischen den Fronten der "Bosch" und der Franzosen ausgesetzt wurde.
Sie engagiert einen Detektiv um zu ermitteln.
Anders eine andere Frau eines so getöteten Kameraden: sie geht als Edelnutte in
jene Bordelle, wo die hohen Militärs verkehren, und bringt diese ausgewählten
Freier um, sie endet am Fallbeil.
Der etwas zu lang geratene Streifen ist zwar extrem kunstvoll und bildgewaltig,
dürfte aber kaum so ein Hit werden wie Amelie, das Ende erscheint als Kompromiss
zwischen den US-Produzenten (WB) und der europäischen Tradition für beide Seiten
akzeptabel. Übrigens berichtet der "Standard"*, dass ihm eine europäische
Filmförderung verwehrt wurde, weil er zu amerikanisch sei. Audrey Toutou spielt
in der Hauptrolle wieder eine kecke und knabenhafte Schönheit und ist dabei um
ein Quäntchen freizügiger als zuvor.
***1/2 kunstvoller Beitrag über den Wahnsinn des
Krieges und die Macht des Glaubens, dass der als tot deklarierte Geliebte doch
noch lebt.
www.mathilde-derfilm.de/
* Zitat Standard 29.1.2005: "Mathilde
sprengt in mehrfacher Hinsicht die Ausmaße eines europäischen "High Concept
Films": 46 Millionen Euro Produktionskosten, computeranimierte
Historienpanoramen, eine Riege an französischen Stars, oft nur in Kleinstrollen,
und ein Gastauftritt Jodie Fosters. Aufgrund des Produktionsanteils von Warner
Bros. wurde die Identität des Films - an die die Frage nach EU-Förderungen
geknüpft ist - ironischerweise erst vor Gericht geklärt. Das Urteil: Mathilde
sei nicht französisch".
Just a kiss
Ken Loach, EU 2004, 104 Min
Glasgow, Irland. Es beginnt ganz konventionell: während Casim seine
Schwester davor beschützt fremde Jungs kennen zu lernen, baggert er unverfroren
ihre Musiklehrerin Roisin an, und die beiden treiben es miteinander. Doch die
leidenschaftliche Liebe erfährt schon beim ersten gemeinsamen Urlaub im sonnigen
Spanien die Bewährungsprobe: Casim erklärt Roisim, dass er in kürze die von
seinen Eltern vorgesehene pakistanische Frau heiraten muss. Aber auch Roisin,
die an einer katholischen Schule unterrichtet, bekommt Schwierigkeiten, braucht
sie nämlich den Sanktus eines Pfarrers, um eine fixe Anstellung zu bekommen, und
der verweigert es ihr, weil sie a) geschieden ist und b) in Sünde mit einem
Moslem lebt. Als sie der Direktor doch einstellt, wird sie zwangsversetzt. Doch
auch die ältere Schwester ihres Geliebten bedroht sie und führt ihr drastisch
vor Augen, wie sie eine glückliche pakistanische Familie zerstört.
Ken Loach´neuer Film ist ziemlich leichte Kost, wie gewohnt gut gemacht, mit
heiteren Passagen und mit einem Hollywood-kompatiblen Happy End
*** der um Toleranz gegenüber den Ausländern
bemühte Liebesfilm zeigt die Schwierigkeiten zwischen einem Pakistani 2.
Generation und einer Katholikin in Irland. Andererseits zeigt er aber, dass sich
jene nicht anpassen, sich an "unsere" Frauen heranmachen, es aber den
katholischen Männern verunmöglichen, mit "ihren" Frauen dasselbe zu machen....
http://www.just-a-kiss-der-film.de/
Alexander
Oliver Stone, USA 2004
Der 173 minütige "Sandalenfilm" fasziniert nicht wirklich, obwohl er einige
opulente Szenen, etwa den Haarem von Babylon oder die Schlachtszene gegen die
indischen Kampfelefanten hat, am ehesten beeindrucken noch die Szenen mit den
digitalen Reproduktionen der einstigen Prachtstädte. Oliver Stone (Midnight
Express 1977, Geboren am 4. Juli (1989) JFK Tatort Dallas (1991), Natural Born
Killers1994, Comandante [Fidel] 2003 ...) versuchte so nah wie möglich an die
historische Wahrheit heranzukommen, von der wir meist nur wissen "333 - bei
Issus Keilerei" . Es war also im 4. Jhdt vor Chr., dass ein gewisser Alexander
aus Makedonien mit allen Nachbarländern Krieg führte und die Grenzen des damals
bekannten Erdkreises überschritt - bis nach Indien. Vergleiche mit der Gegenwart
(Aggressionskriege der USA) erscheinen dennoch weit hergeholt, nochmehr die
Aufregung in den prüden USA über die homosexuellen Szenen.
Psychologisch interessant ist, dass Alexander der Grosse (356 - 323 v.),
Liebling seiner Mutter Olympia, die übrigens Zeus als seinen Vater ausgab,
seinen Vater Philipp II hasste und wahre - auch sexuelle - Liebe zu Männern, vor
allem Hephaistion, empfand. Frauen, obwohl in Haarems zu höchster Schönheit
gebracht - dienten nur der Erzeugung von Stammhaltern, was allerdings nicht
immer im gewünschten Tempo gelang. So gebar ihm Roxanne zwar den einzigen
legitimen Sohn, doch auch das Verhältnis zu ihr war gespannt, wie übrigens
zwischen allen Charakteren des Films.
Leider verraten auch die ausgiebigen Schlachtszenen nicht, wie damals die
Logistik ausgesehen haben mag, wenn 40.000 Mann in Wüstenregionen kämpften oder
sich 6 Monate lang von der Hauptstadt entfernten, wie wurde Wasser und Nahrung
herbeigeschafft, oder ist alle Geschichtsschreibung nur Übertreibung im
biblischen Ausmaß wie der Turmbau zu Babylon?
Seine siegreiche Kampftaktik wird zwar besprochen, rein
filmisch wird sie in den hektischen Kampfszenen kaum verdeutlicht.
Die Langatmigkeit des Films wird durch einen fast unerträglichen Musikteppich
von Vangelis noch unterstrichen.
* um historische Wahrheit bemühter Dreistünder,
der nicht wirklich fasziniert und nur einige brillante Szenen enthält.