Fimkritken 2015 des Vorsitzenden des FKC Dornbirn

wenn nicht anders angegeben ist Dr. Norbert Fink der Autor

Kritiken von Walter Gasperi finden sich hier (Kultur-Online - auf Filmriss weiter klicken) oder bei Kulturzeitschrift.

bestmöglich: *****, **** = herausragend, ***= sehenswert, ** diskutabel, * mangelhaft, # langweilig, ## = 2 Schlafkissen für besonders langweilige Filme

Hinweis - hier kritisiere ich im allgemeinen aktuelle Filme, die ich irgendwo auf der Welt sehe, in der Regel nicht jene, die wir ins FKC- Programm aufnehmen oder selbst schon gezeigt haben.

Beachte auch unzählige weitere Kritiken in den Festivalberichten

Die Wolken von Sils Maria Vals Wild Tales = Relatos salvajes
Gruber geht Das ewige Leben Verstehen Sie die Béliers?
Still Alice Everything will be fine Papusza
Elser - er hätte die Welt verändert 10 Milliarden - Wie werden wir alle satt? Ocho Apellidos vascos (8 Namen für die Liebe)
Taxi Teheran Der Blunzenkönig Jack
Everest Der Marsianer Luis Trenker
Er ist wieder da Spectre  


Spectre
GB 2015, Regie: Sam Mendes,  150 Min
Die 24. Ausgabe der James Bond Reihe ist wieder ein typisches Agenten-Action-Spektakel geworden, dass an fotogenen Orten und mit viel Tricktechnik aufgenommen wurde. Es beginnt in Mexico City, wo gerade der Tag der Toten gefeiert wird. Bond mit Totenkopfmaske und einer schönen Frau an der Seite entfliehen den Massen und ziehen sich in ein Hotelzimmer zurück, doch Bond muss noch schnell etwas erledigen. Bei der Liquidierung eines Widersachers stürzt ein halbes Stadtviertel ein. Dabei war er gar nicht im Dienst und so droht ihm Ungemach. Noch schlimmer ist jedoch, dass alle 00-Agenten für obsolet erklärt werden, ein Mega-Rechenzentrum, das die Geheimdienstinfos von 9 Ländern zusammenführen soll, wird künftig mit Drohnen solche Aufträge ausführen. Doch der Hacken dabei ist, dass die böse Organisation Spectre ihr Sponsor ist und damit die Weltherrschaft übernehmen will. Der suspendierte Bond handelt nun gegen den Willen seiner eigenen Regierung, die ihn nicht mehr braucht, doch er hat nach wie vor Freunde, die ihn für wichtig erachten und ihm helfen. So sucht er in Rom, in der Wüste Afrikas und im österreichischen Bad Aussee die Spuren des Bösen, um schließlich in London die Inbetriebnahme des Mega-Rechenzetrums zu verhindern.
Daniel Craig wird immer besser und natürlich sind auch die Auftritte des zynischen Bösewichts, durch Christoph Walz dargestellt, ein Genuß. Im Prinzip warnt der Film vor der Übermacht der globalen virtuellen Überwachung und gipfelt in der Philosophie "ein Agent entscheidet über schießt oder doch nicht, während eine Drohne darüber nicht nachdenkt". So bleibt bei allem Geschiesse doch zum Schluß ein Quantum Menschlichkeit übrig. Was die schönen Bond-Girls anbetrifft: die gibt es nach wie vor, aber noch nie war Bond so zurückhaltend, man sieht ihn küssend und umarmend, aber nicht horizontal... 

*** typisch perfekt gemachter James-Bond Film, ein Muss für die ihn lieben!

Er ist wieder da

D 2015, 116 Min, DF; Regie: David Wnendt,
mit Oliver Masucci und Katja Riemann

Überraschend gut, ja als herausragend möchte ich die neue Hitler-Satire bewerten.
Das Geniale daran ist, dass jede Frage, die man sich als Zuseher unwillkürlich stellt, vom Film selbst beantwortet wird und jeder Satz und jede Einstellung scharfsinnig erscheint.
Noch vor den Kredits sehen wir den Führer bei einem Benimm-Coach, er beklagt sich, dass ihn die Leute nicht mehr ordentlich grüßen, er wird wohl damit leben müssen, aber zur Entschädigung wird ihm überall zugejubelt und viele wollen ein Selfie mit ihm machen. Populär ist er – und leider auch seine Ideen – also auch heute noch.
Adolf persönlich wacht 2014 vor dem Gelände des ehemaligen Führerbunkers unverletzt auf und tut sich mal schwer, sich zurechtzufinden. Ein gefeuerter Fernsehjournalist eines Privatsenders entdeckt ihn und sieht in seiner Vermarktung seine letzte Chance. Die Sendung wird ein riesiger Erfolg und Adolf zieht durchs Land, befragt höflich sein Volk, bemerkt, dass das Volk kaum fühlt in einer echten Demokratie sich zu befinden. Manche seiner Feststellungen sind durchaus wahr, etwa wenn er feststellt, dass im Privatfernsehen nur Mist läuft und man dieses wunderbare Medium doch propagandistisch besser nutzen sollte. Er besucht auch jene, die in seine Fußstapfen getreten sind, doch auch die Typen von der NPD gefallen ihm nicht, letztlich verprügeln sie ihn sogar. Am ehesten sympathisiert er noch ausgerechnet mit den Grünen, denn Umweltschutz sei auch Heimatschutz.
Letztlich muss jeder Zuschauer feststellen, dass dies wirklich der echte Adolf ist, zumindest in dem Sinne, dass in jedem von uns – mehr oder weniger viel – alltäglicher Faschismus steckt, selbst wenn man ihn ermorden würde, ist zumindest sein Geist immer noch da. Ganz krass etwa, wenn „sein Volk“ böse auf ihn reagiert, wenn er einen Hund erschießt, der ihn gebissen hat, aber beim Holocaust nur die Schultern zuckt.

***** David Wnendt, der schon „die Kriegerin“ und „Feuchtgebiete“ verfilmte, machte auch optisch einen abwechslungsreichen und kurzweiligen Film, der zu Recht nur mit Chaplins „der große Diktator“ verglichen werden kann.




Luis Trenker  - der Schmale Grat der Wahrheit

Wolfgang Murnberger ORF/BR 2015


Der Film ist viel zu schön für das Thema, die Menschen in feinstem Stoff, die Autos ohne jeden Spritzer und das zur Nazizeit und kurz danach; – sogar der US-Militärjeep, der auf Bergstraßen unterwegs ist, scheint sich wie in einem Werbefilm ohne jeden Dreck fortbewegen zu können; Feine Leute und Dinner, Champagner als normales Getränk;
 es besteht die Gefahr die Nazizeit zu beschönigen. Jedenfalls kann man über so ein schmutziges Thema keinen so strahlend-bunten schönen Film machen.Tobias Moretti fälscht in der Eingangsszene die Tagebücher der Eva Braun, erfindet vieles und das meiste lässt sich leicht als Erfindung entlarven, etwa Adolf H. sei wasserscheu gewesen und habe höchstens Fußbäder genommen. Seine kurze Affäre mit der Leni Riefensthal, beide Buhlen um die Gunst des Führers, doch da ist noch Göbbels als für den Film zuständigen Minister, dem manche Juden auf seiner Besetzungsliste nicht passen. Die Geschichte an sich scheint ja zu stimmen. Immerhin, Antisemit war Trenker keiner, auch wenn er mal der NSDAP beigetreten ist.
** eher ein glitzernder Kostümfilm denn eine korrekte Abhandlung über den schrecklichen Opportunisten Luis Trenker, der sich mit den Nazis, den Mussolini-Faschisten, aber auch den Hollywood-Bossen und den Juden arrangieren wollte. So kann man dieses Thema nicht verfilmen. Für Moretti-Fans wahrscheinlich ein Muss.

Der Marsianer-Rettet Mark Watney 3D

USA 2015, 144 Min. Regie: Ridley Scott, gesehen in DF und 3D

Ridley Scott ist ein blockbuster-Regisseur (Alien, Thelma & Luise, Blade Runner….) der sein Handwerk versteht. Wieder einmal versetzt er uns in die Zukunft der Raumfahrt, die uns zum Mars führt. Die gefürchteten Marsstürme zwingen eine NASA- Marsmission zum abrupten Abbruch, dabei wird ein tot geglaubter Astronaut zurückgelassen, der doch überlebt hat. Als ausgebildeter Biologe schafft er es , eine landwirtschaftliche Fläche im zurückgelassenen Mannschafts-Zelt zu errichten, die ihm eine gewisse Überlebenschance bis zur nächsten Marsmission gibt. Doch eines Tages reißt auch hier bei einem Sturm eine Plane. Inzwischen gelang es mit ihm Kontakt mit der Erde aufzunehmen, wo er bereits "beerdigt" wurde. Trotzt 13 Lichtminuten Verzögerung gelingt es ihm ein intelligentes Kommunikationssystem zu entwicklen. Warum die Chinesen dann plötzlich uneigennützig mit einer geheimen Rakete helfen bleibt etwas unklar, letztlich versucht die alte Mannschaft ihn wieder zurück zu holen, wobei es natürlich extrem spannend wird.

Die 3D-Technik ist nur in einigen Szenen aufregend, leider war der Film mit der 3D-Brille eindeutig zu dunkel.

*** spannender und handwerklich gut gemachter SF-Film, der nicht unbedingt vom 3D lebt, im Endeffekt jedoch nach typischem Hollywood-Strickmuster (ein Held, der gerettet werden muss..).


Everest 3D
GB/USA, 2015,  122 Min

Regie:  Baltasar Kormákur
Imax 3D –4K -  Dolby Atmos Immersive

Da der Film im grossen und ganzen auf historischen Tatsachen beruht, ergeht es dem Zuschauer wie bei andere historischen Ereignisse, man weiß oder ahnt wie es ausgeht, jedenfalls nicht für alle gut.
Im Mai 1996 wollen gleich mehrere Teams am selben Tag, nämlich am 10. den höchsten Gipfel der Welt stürmen und es wird ganz ordentlichStaus geben. Zwar vereinbaren die konkurrierenden Abenteuerveranstalter sich gegenseitig im Notfall zu helfen, doch ist kein Team bereit den Zeitplan zu ändern. Natürlich passiert dann Unvorhergesehenes, es gibt zu wenig Sauestoff und an  einer besonders gefährlichen Stellen fehlt
das Basisseil.Der Abstieg erfolgt dadurch für einige viel zu spät, das Wetter schlägt rasch um, Schneestürme und Lawinen geben das ihre dazu und so überleben einige dieses ehrgeizige Bergabenteuer nicht. Die ersten Dreiviertelstunden sind typische amerikanische Einführung, die Familiengeschichten und andere biografische Details, als dann der eigentliche Aufbruch vom 3. Hochlager beginnt, wird es schon spannend.
Trotzdem lebt der Film nur von den grandiosen, in aufwändiger Imax-3D-Technik gedrehten Aufnahmen. Eigenartig ist dabei, dass in so mancher Totale oder Luftaufnahme alles wie Spielzeug aussieht, während die Dialogszenen recht realistisch sind. Allein durch die 3D-Technik wird einem fast auch als Zuschauer schwindlig, wenn die Personen über eine Aluleiter über riesige Gletscherspalten gehen müssen, und das mit
Eishaken an den Schuhen, oder wenn wir von oben sehen, wie schmal der Pfad an der Felswand ist.
Technisch ist der Film auch ein kleiner Meilenstein, ist er doch (im Imax Kino) in Dolby Atmos Immersive verfügbar, wo unzählige Lautsprecher, sogar an der Decke für präzisen Raumton ebenfalls in allen drei Dimensionen sorgt. Erst seit einem Monat ist auch das Hohenemser Imax als drittes in Österreich mit dieser Technik ausgestattet. Allerdings üppige oben-unten Stereoeffekte konnte ich nicht ausmachen.
Gedreht wurde der Film in Nepal an den Ausläufern des Everest, in den italienischen Alpen sowie in den Cinecittà Studios in Rom und den Pinewood Studios in Großbritannien, nicht alle Aufnahmen sind also echt.
*** Insgesamt fasziniert der Film rein technisch mit atemberaubenden Bildern vom Mount Everest, rein dramaturgisch und inhaltlich fand ich ihn bei weitem nicht so aufregend, obwohl er zwar manchmal sentimental, aber doch nicht esoterisch wird.


Jack
Elisabeth Scharang, A 2015, ca. 100 Min mit Johannes Krisch und Corinna Harfouch u.a.

Der Fall Jack Unterweger – „Frauenmörder und Häfenliterat“ wird hier von Elisabeth Scharang, die ihn persönlich kannte, in Erinnerung gerufen. Trotz stakkatoartigem, schnellem Schnitt bewegt im ersten Drittel  der Film nur wenig. Erst als es zur erschütternden Szene der Begegnung mit seiner Mutter kommt, wird die Psyche Jacks sichtbarer. Eine Frau, die ihm ins Gefängnis Briefe schrieb, wird sofort nach der Entlassung seine Geliebte. Kern des Films ist der schöne Jack, männlich, tätowiert, gut gekleidet, von Frauen begehrt, der in der Schicki-Micki-Szene Wiens herumgereicht und bewundert wird. Warum, so fragt man sich unweigerlich, sollte Jack da weitermorden?  Zum Schluss wird er erneut verdächtig, in Österreich (darunter auch Dornbirn – es ist jedoch Lustenau gewesen), Tschechien und USA mehrere Prostituierte ermordet zu haben.

Mit den Fakten nimmt es der Film also nicht so genau, dazu sollte man sich besser auf Wikipedia informieren. Im Nachspann erfahren wir, dass er nach der erneuten Verurteilung, die nicht rechtskräftig ist, in der Zelle Selbstmord beging.
Der Film hinterlässt ein zwiespältiges Gefühl. Der Film deckt keine neuen Erkenntnisse auf, im Gegenteil, er verwischt das bisherige Wissen über den Fall eher und sympathisiert eher mit der Unschuldsvermutung, die übrigens für die letzten ihm zur Last gelegten Fälle noch immer gilt. **


Der Blunzenkönig
Regie: Leopold Bauer, A 2015,
Mit Karl Merkatz, Inge Maux , Andreas Lust, Jaschka Lämmert

Im österreichischen ländlichen Raum, in Ottenthal (Bezirk Mistelbach), spielt dieser melancholisch gestimmte Film. Leider erreicht er nicht die Qualitäten von Edgar Reitz´ Heimat-Filmen.
Herr König ist der Blunzenkönig, er ist berühmt für seine in Gugelhupfform präsentierte Blutwurst, sein Gasthaus ist nicht mehr auf dem heutigen Stand der EU-Hygienevorschriften. Als ein neuer unbestechlicher Lebensmittel-Inspektor kommt, ist es aus mit lustig. Sein Sohn Franzl schwängert bei einem Klassentreffen die Veganerin Charlotte. Zwar freut sich Franz König Senior, dass er Opa wird, aber bitte keine Veganerin in der Familie!
Immer wieder hat der Senior böse Träume vom Sterben, sieht schon sein eigenes Begräbnis und hört die Kirchenlieder; mit dem Dorfpfarrer und dem Weinlieferanten trinkt er ausgiebig, isst viel Fleisch und kann auch das Rauchen nicht lassen, was früher oder später gesundheitliche Folgen nach sich zieht.
Die einzige Überlebenschance für das Gasthaus ist eine Übernahme des Betriebes durch Franzl und Charlotte, die ein trendiges Veggy-Lokal daraus machen möchten. Franzl muss dafür allerdings seinen Traum von einer Weltreise an den Nagel hängen, er kann nur noch vor der Brasilianischen Flagge einen Joint rauchend davon träumen. Ob das der Senior und die Rampensau Mariandl überleben?

Die Stärken des Films sind die Schilderungen des ländlichen  Milieus, Karl Merkatz ist freilich weder der alte „Mundl“ wie in der Sackbauer-Saga, statt permanenter Sager haben wir einen nachdenklich grantelnden alten Mann, die Schwächen des Films sind der fehlende Schwung, außer ein paar plötzlicher Wutausbrüche fehlt es an Dramaturgie und man kann von vornherein erahnen, wie es enden wird. Die Musik komponierte der aus Vorarlberg stammende Marcus Nigsch, sie erinnert manchmal an Philipp Glass, manchmal wirkt sie aber pseudo-symphonisch, auf allzu krasse Volksmusikklänge wurde erfreulicherweise verzichtet.
** Während Franz Senior klar ein Fleischesser und die Mutter seines Enkels eindeutig Veganerin ist, ist der Film weder recht Fleisch noch Bio-Gemüse, es fehlt ihm einfach an Schwung.


Taxi Teheran
Jafar Panahi, Iran 2015, 82 Min, DF

Im Film fährt ein Taxi durch die Straßen Teherans und nimmt verschiedene Fahrgäste auf, um sie zu ihren Bestimmungsorten zu bringen. Wie einige von ihnen erkennen, sitzt der Regisseur Jafar Panahi am Steuer. Am Armaturenbrett hat er eine Kamera befestigt, die er auf die Fahrgäste richtet, während er sich mit ihnen unterhält. Der Film feierte am 6. Februar 2015 im Rahmen der 65. Berlinale seine Weltpremiere. Er gewann dort den Goldenen Bären und den FIPRESCI-Preis für den besten Film in der Sektion „Wettbewerb“. https://de.wikipedia.org/wiki/Taxi_Teheran
Nun, das Setting des Films ist einfach: in einem Taxi hat Panahi Kameras eingebaut, die anfangs auf die Straße gerichtet sind, danach aber meistens ihn selbst als Fahrer  und seine Kunden zeigen, die in äußerst heftige Debatten verstrickt sind. Bald wird er aber erkannt, und so treffen ihn nicht nur ein Händler von DVD-Raubkopien, sondern auch eine Rechtsanwältin und vor allem seine Nichte  Hana, die in der Schule eine "vorzeigbaren" Film machen sollen. Dabei wird klar, wie strikt die Regeln für das Filmemachen in der Iranischen Republik sind, was man filmen darf und was nicht und wie schwierig es ist eine Balance zwischen "Wahrheit" und "Schwarzmalerei" zu finden.
Die Diskussion im Taxi beginnt in dem ausgerechnet ein Taschendieb die Todesstrafe für Reifendiebe fordert und endet mit dem Einbruch in den Wagen, wo jemand die Speicherkarte mit den Aufnahmen für diesen Film stehlen will. Dazwischen passiert einiges, jedenfalls merken manche an der mangelnden Ort- und Straßenkenntnis dass er nicht wirklich ein Taxifahrer sein kann.
*** Irgendwie hat der mit Berufsverbot belegte Panahi das Beste aus der Situation gemacht und bewiesen, mit welch einfachen Mitteln man einen durchaus vorzeigbaren Film machen kann. Er gibt durchaus Einblicke in das Straßenleben Teherans, das als recht saubere und moderne Stadt erscheint und die Menschen recht diskussionsfreudig und die Frauen überraschend selbstbewusst sind.  


Ocho Apellidos vascos (8 Namen für die Liebe)

Emilio Martínez-Lázaro, E 2014, 98 Min, spanische OmU. verfügbar
Genauso wie man in Österreich Burgenländerwitze reißt und sich Vorarlberger und Wiener in der Mentalität nicht immer verstehen, ist es in Spanien, wo man gerne über die Basken (oder Galicier) im Norden Witze reißt, vor allem wenn man im südlichen Andalusien, in Sevilla, sitzt. In der spanischen Originalfassung hört man auch den Akzent (mit vielen X , z.B. Anxton) heraus. Bekanntlich hat das Baskenland eine eigene Sprache (euskadi / baskisch)
und die baskische Hauptstadt San Sebastian heißt dort Donostia (sie hat auch ein bedeutendes Filmfestival!). Man läßt nun die beiden Regionen mit den krassesten Klischees aufeinanderprallen und eine doppelte Liebesgeschichte daraus entwickeln. Da sind die andalusischen Klischees vom Flamenco und den scharfen Tänzern und Tänzerinnen, dort die Stereotypen übers Baskenland (ETA-Terroristen, Starrköpfigkeit, schlechtes Wetter).
Amaia, die selbstbewußte Baskin, wollte eigentlich in Sevilla ganz in Weiss heiraten, doch der Bräutigam lief ihr  davon. Sie betrinkt sich in einem Flamenco-Lokal und ärgert sich maßlos über die Baskenwitze, welche die Andalusier machen. Sie wird von Rafa aus dem Lokal geschmissen, doch die beiden Streithähne verbeissen sich so ineinander, dass sie die Nacht zusammen verbringen, allerdings wegen der starken Alkoholisierung nichts passiert. Amaia verschwindet, vergißt aber Handtasche mit Handy. Rafa, über beide Ohren verliebt,  fährt nun mit dem Bus ins verregnete Baskenland und sucht sie auf, lernt ein paar Brocken Baskisch und spielt sich als ETA-Sympathisant auf. Amaia will erstmals nichts mehr von ihm wissen und er landet nach einer Demo im Gefängnis. Als nun Amaias Vater, ein geradliniger Fischer, der aber die Andalusier nicht mag, auftaucht um bei der geplant gewesenen Hochzeit anwesend zu sein, bleibt ihr nichts anderes übrig als Rafa, der sich hier Anxton nennt, aus dem Gefägnis zu holen und den Bräutigam mit "acht baskischen Vornamen" spielen zu lassen, um die Schande zu vertuschen. Unterschlupf und Coaching gewährt ihm eine andere Mitreisende des Busses, die im Baskenland wohnt, aber auch aus dem Süden Spaniens kommt. Nicht nur, dass diese gleich mit ihrem Vater anbandelt, die Hochzeit muss stattfinden. Bei der Zeremonie in der Kirche sagt zwar Amalia überraschend "ja", da Rafa ihr Nein erwartet hat, sagt nun er Nein und fürs erste platzt die inszenierte Heirat der immer streitenden sich-doch-Liebenden.
Das nötige Happyend findet dann doch in Sevilla mit Kutsche und Flamenco statt.
**1/2 Nun,  ich bin an sich kein großer Freund von Liebesfilmen, aber irgendwie hat der warmherzige und alle Klischees verbratende Film bei mir funktioniert, natürlich sah ich gerne im Kino Orte, die ich auch schon besucht habe.
Dass sein Andalusischer "Schmäh" bei der schönen Baskin nicht funktioniert, spornt Rafa  zu Höchstleistungen in Sachen ethnischer Verwandlung an.
Für Spanien-Fans durchaus lustiger Film mit schönen Bildern aus Sevilla, Donostia und Argoitia - drei Goyas für die Schauspieler  Clara Lago (Amaia),  Dani Rovira (rafa) und Karra Elejalde (Vater Koldo) - zwei Preise der spanischen Filmautorenvereinigung und der absolute Publikumspreisträger als einer der erfolgreichsten spanischen Filme überhaupt machen den Film sehenswert.


10 Milliarden - Wie werden wir alle satt?

Valentin Thurn, D 2015, Doc, Cinemascope, 107 Min, dt.OF mit Hörbehinderten-UT
Filme über Massen-Nahrungsproduktion, Lebensmittelspekulation etc. gibt es schon einige, allen voran als Meisterleistung "we feed the world" oder "unser täglich Brot", um schöne österr. Besilspiele zu nennen.

Valentin Thurn hält uns in diesem Film einen Vortrag über die Fehlentwicklungen (Genmanilpulation, Hybridsaatgut, Soja-Massenproduktion für die Geflügelzucht, Salatfabriken ohne Erde wie in Japan, völlig aus Stammzellen gezüchtetes Fleisch, Lebensmittelbörse...) und zeigt einige positive Beispiele, von denen mir nur neu war, dass man in Städten statt giftiger Blumen auch Eßbares im öffentlichen Raum anpflanzen könnte.
Leider ist der gutgemeinte Streifen, der sich für die regionale, biologische, solidarische, kleinbäuerliche  (und .... / na was sonst?) Landwirtschaft einsetzt, eher langweilig und schulmeisterlich geraten und hat weder Witz noch die visuelle Kraft etwa der Geyrhalter-Filme.
** zwar sehr informativ und viele Aspekte berücksichtigend, leider nicht viel Neues und auch nicht besonders spannend oder visuell packend.


Elser - er hätte die Welt verändert

Oliver Hirschbiegel, Deutschland 2015, 113 Min, Cinemascope
Georg Elser wurde erst spät als Widerstandskämpfer anerkannt. Er handelte als Einzeltäter ohne besondere ideologische Grundlage, was er an negativen Veränderungen nach der Machtergreifung der Nazis in seinem Ort sah, reichte ihm aus, um festzustellen, dass Hitler schlecht für Deutschland sei. Persönliches Motiv war seine Liebe zu Elsa, einer verheirateten Frau, deren Mann, ein Nazi, sie schlug und vergewaltigte. Als Tüftler und Tischler baut er im Bürgerbräukeller eine Zeitzünder-Bombe ein. Sie sollte Adolf Hitler und die obere Führungsriege bei einer Rede des Führers töten und größeres Unheil verhindern. Da jedoch wegen Nebels Hitlers Flugzeug nicht starten könnte, wurde die Veranstaltung kürzer als gedacht; die Bombe ging 13 Minuten zu spät los und töte statt dessen nur Unschuldige. Elser fährt, nach dem er die Bombe scharf gemacht hatte, von München nach Konstanz und will von dort nach Kreuzlingen in der Schweiz kommen, wird dabei von den Grenzern erwischt und hat dummerweise einen KPD-Sticker und die Bombenpläne bei sich. Er wird arg gefoltert, da er anfangs nicht einmal seinen Namen sagt. Erst als man im Zuge der Sippenhaftung auch Elsa in das Gestapo-Folterzentrum bringt, packt er aus. Doch man glaubt ihm nicht, keine Hintermänner zu haben. Er wird nicht sofort hingerichtet, sondern kommt  in eine Sonderabteilung des KZ Dachau und wird nur wenige Tage vor der Befreiung noch erschossen. Der Kriminalkommissar, der im Gegensatz zum Gestapo-Mann eher sanft mit ihm umgeht, wird aber vor ihm noch in Plötzensee gehängt, da er das bekanntere Stauffenberg-Attentat begünstigt haben soll. Hat ihn Elser insgeheim überzeugt?
Der Film fängt die Stimmung auf dem Land nach der Machtergreifung Hitlers packend ein, zwischen den grausamen Folterszenen gibt es immer wieder ausgiebige Rückblenden auf sein (Liebes-) Leben. Im Gegensatz zu anderen Linken, prügelte er sich nicht mit den lokalen Nazis und galt bei diesen nur als versponnener Musiker. Freilich spekuliert der Film in keiner Sekunde darüber,  wie sich die Welt wirklich verändert hätte, wäre das Attentat gelungen. Schließlich wären damit weder Nazionalsozialismus und Antisemitismus beseitigt, noch die Demokratie wieder eingeführt worden.
**** Biografie des Hitler-Attentäters Georg Elser, die vor allem die persönlichen Gründe und Veränderungen im Leben der Gemeinde nach der Machtergreifung der Nazis aufzeigt, die Elser dazu brachten im Bürgerbräukeller München eine Bombe zu installieren.
 

Papusza

Joanna Kos-Krauze & Krzysztof Krauze, Polen 2013, schwarzweiß, 131 Min, teils polnisch, teils romani
Der Film erstreckt sich über einen großen Zeitraum, im wesentlichen von 1910 (Geburt) bis 1971; 1921 wurden die Roma in Ostpolen noch eigeladen, in herrschaftlichen Palästen zu musizieren., in der Zeit des Nazi-Terrors wurden sie wie das Wild gejagt und erschossen; nach dem Krieg wurden ihnen Wohnungen zugewiesen und sie wurden gezwungen zu arbeiten und die Kinder in die Schule zu schicken. Inlinear wird die Geschichte der Roma-Frau Papusza ("Puppe")  erzählt, die auf eigene Initiative Lesen und Schreiben lernte, aber keine Kinder bekommen konnte. Sie wurde mit einem älteren Mann zwangsverheiratet und rettete einem Kind, das ein Massaker der Nazis überlebte, das Leben, indem sie es aufnahm. Sie schrieb Gedichte, die ein "Gadjo" (ein Fremder; Nicht-Roma), der bei ihnen versteckt wurde, in einem Buch über die "polnischen Zigeuner" zitiert hatte. Als das Buch erschien,  wurde dies als Geheimnisverrat an den Roma gewertet und sollte Papusza kein Glück bringen.

***1/2 Großartige, kontrastreiche
schwarzweiß-Bilder in klassischer Komposition (besonders Wolkenstimmungen)  und ein bemerkenswerter Soundtrack, natürlich mit viel Roma-Musik, aber auch Klassik und Crossover, bestechen formal. Allerdings werden sehr viele Episoden rund um die Protagonistin erzählt, die sich erst allmählich zu einem Ganzen verbinden. Etwas kritisch möchte ich allerdings anmerken, dass der Film die bestehenden Klischees über die "fahrenden" Roma sowohl im Positiven wie im Negativen eher verfestigen, denn differenzieren oder gar auflösen. Dies trifft besonders auf den Bereich Musik, Familie (Patriarchismus) aber auch dieFehleinschätzungen der aktuellen politischen Umwelt zu. (Wir haben den Nazis nichts getan, was sollten sie uns tun?)

Everything will be fine

Regie: Wim Wenders, D / CDN 2014, 118 Min, Cinemascope, 3D
Wim Wenders hat seit langem keinen  Spielfilm mehr gedreht, sondern sich zuletzt durch "Das Salz der Erde" mit dem Dokumentarfilm befasst. Seine größten Meisterwerke waren wohl "Paris, Texas" und "Der Himmel über Berlin".
Der neue Film beginnt mit einer genialen Einstellung: Tomas fährt in seinem Allradauto über eine verschneite, hügelige  Landschaft im Norden Kanadas. Die 3D-Kamera spielt mit der Fensterscheibe, durch die wir hindurchblicken. Dann kommt ein Kind mit dem Rodel von einem Hügel herab. Vollbremsung. Noch geschafft. Der verstörte Junge sagt kein Wort, Tomas bringt ihn zum nächsten Haus, seine Mutter schreit auf, denn ein Kind fehlt. Wenders erspart uns den Anblick des toten zweiten Kindes. Dieses Trauma wird Tomas noch über Jahrzehnte verfolgen. Tomas ist Schriftsteller und hat eine schwierige Beziehung zur schönen Sarah, die er verlassen möchte. Nach dem Unfall, an dem er weder objektiv noch juristisch eine Schuld hatte, schreibt der an sich wortkarge Tomas einen neuen Roman, der wesentlich besser ist, als alles vorher Geschriebene. Er fühlt sich aber irgendwie schuldig oder zumindest verantwortlich. Er verliebt sich in die Lektorin Ann, die später seine Frau werden soll. Doch das komplexe Beziehungsgeflecht geht weiter: Kate, die Mutter des getöten Kindes, eine esoterisch-religiöse Frau, sucht ebenfalls Kontakt zu ihm, manchmal ruft sie ihn mitten in der Nacht an. Und dann gibt es noch seinen Vater, den er ab und zu aufsucht, und dessen Beziehung zu ihm ebenfalls etwas schwierig ist.  Die Handlung erstreckt sich über 12 Jahre und als Christopher, der jugendlich werdende Bruder des Getöteten selbständig zu handeln beginnt, nimmt auch er Kontakt mit Tomas auf und spielt ihm einen bösen Streich. 
Die stark gestättigten Farben, die hyperrealistischen Bildkompositionen und die suggestive Filmmusik von Alexandre Michel Gérard Desplat tragen das ihre bei. Tomas´Frauen sind manchmal etwas nervig, wenn sie nicht verstehen können, wir cool er nach traumatischen Ereignissen weitermachen kann. Auffallend viele Bilder sind durch Fenster gemacht, die 3D-Technik hebt dem Schmutz auf den Scheiben von dem dahinter Liegenden ab, manchmal gibt es richtige perspektivische Schluchten nach hinten. Die verwinkelten Räume korrespondieren mit dem komplizierten Beziehungsgeflecht von Thomas zu den genannten fünf Personen.   

**** Wim Wenders ist ein neues, sensibles Meisterwerk an Erzählung und Bildkomposition gelungen und endlich wieder mal ein anspruchsvoller 3D-Film für Erwachsene!

Still Alice – Mein Leben ohne Gestern

USA, F 2014,  101 Min, auch OmU; Regie: Richard Glatzer, Wash Westmoreland
Alice ist 50 und Universitätsprofessorin, als sie selber merkt, dass ihr Gedächtnis manchmal aussetzt, beim Joggen auf wohlbekannten Routen weiss sie plötzlich nicht mehr wo sie ist, die Evaluierung ihrer Vorlesungen fällt kritisch aus, Studenten beklagen ihre wirren  Gedankensprünge. Sie läßt sich genau untersuchen und die Diagnose ist niederschmetternd: eine vererbbare frühzeitige Form von Alzheimer. Sie versucht sich mit Smartphone und Laptop
Brücken zu bauen und bereitet für den Tag, an dem sie ihren eigenen Geburtstag und die Namen ihrer Kinder nicht mehr kennt, eine tödliche Dosis Rohypnol vor und nimmt für sich selbst eine genaue Video-Anweisung zur Durchführung auf. Ihr Mann hat eine Engelsgeduld mit ihr, muss jedoch wegen ihr auf ein besseres Jobangebot an einem anderen Ort verzichten. Sie verliert ihre Lehrverpflichtung und sie hält eine vielbeachtete Rede vor der Alzheimer-Gesellschaft. Inzwischen wird klar, dass zumindest eine ihrer Töchter diese erbliche Krankheit auch bekommen wird. Durch ihre Vergesslichkeit gibt es immer mehr Konflikte. Spannend wird es, als der Tag kommt, als sie die tödliche Dosis Schlafmittel einnehmen will. Am Schluß zieht ihre Tochter zu ihr, um sie zu pflegen. Sie kann sich nichts mehr merken, was man ihr soeben vorgelesen hat.
*** Zwar recht konventionell und typisch amerikanisch (heile Oberklassenfamilie) gemacht, ist die präzise und spannende Schilderung einer frühen Form von Alzheimer recht berührend und realistisch. Leider erwischt diese Krankheit einen relativ großen Prozentsatz von uns und so ist ein Film über dieses Thema durchaus hilfreich. Julianne Moore als Alice erhielt dafür den Oscar für die Beste Darstellerin.

Verstehen Sie die Béliers?

Eric Lartigau, F 2014, 105 Min
Die Familie Bélier ist bis auf eine Ausnahme - Paula - gehörlos. Die pubertierende Paula muss deshalb überall als Übersetzerin für ihre Eltern in Gebärdensprache herhalten, beim Arzt, auf dem Wochenmarkt, wo sie ihren Käse verkaufen und gar noch in der Politik. Papa Bélier gefallen die Pläne des Bürgermeisters nicht, die idyllische landwirtschaftliche Gegend in einen Industriepark zu verwandeln und so gründet er eine Gegenpartei (dieser Handlungsstrang verliert sich dann allerdings) . Eher wegen eines Jungen meldet sich Paula in der Schule zum Chorgesang an, wo der auf französische Chansons erpichte Musiklehrer ihre Stimme entdeckt und sie unbedingt zur Teilnahme am Talentwettbewerb von Radio  France in Paris ermutigen will. Auf dem Weg dazu gibts natürlich Ups and Downs, vor allem würde ein Sieg beim Talentwettbewerb bedeuten, dass Paula sich in Paris auf dem Konsefvatorium auf eigene Beine stellen und die Familie zurück lassen müsste.
Wir hören also beliebte  französische Schlager und Chansons und haben eine ganz warmherzige, lebensbejahende Komödie vor uns. Die gehörlose Familie, vor allem die Mutter, ist recht schrill, hat aber das Herz am richtigen Fleck. Das Bauernleben wird liebevoll verklärt und der Lokalpolitiker agiert als Bösewicht, aber auch ein gehörloser Freund der Béliers benimmt sich nicht gerade geschickt.

***1/2 feel-good-Komödie um eine gehörlose Bauernfamilie, deren hörende Tochter ein unerkanntes Gesangstalent ist.

Das ewige Leben

Wolfgang Murnberger, A 2015, 138 min

Brenner geht in der ersten Szene zur PVA in Wien und frägt nach seiner Pension nach. Noch bis 85 müsse er arbeiten, um über die die Mindestpension hinaus zu kommen, die letzten Jahre habe er ja nichts getan, war obdachlos und nicht einmal beim AMS gemeldet. Man empfiehlt ihm die Mindestsicherung. Er kehrt in sein verfallendes Haus in Graz zurück, es tropft hinein, den Strom borgt er sich vom Nachbarn nur eine scheue Katze bewohnt das Haus.
Er findet seine Walther PPK wieder, setzt sie an die Schläfe und es kracht.  Doch hat er wirklich selbst geschossen, so schlecht, dass er überlebt hat, und mit der linken Hand obwohl er Rechtshänder ist?
Er findet sich im AUVA-Unfallkrankenhaus in Graz wieder und wird von der schönen Dr. Irrsiegler betreut, die seine Tochter sein könnte (und vielleicht sogar ist) und die zufällig die Freundin seines ehemaligen Freundes aus der Polizeischule ist, der hat es freilich zu etwas gebracht: er ist Chef der Kripo, hat es aber auf dem Herz. Nun geht das Morden endlich los und langsam entwirren wir die Rückblenden auf die wildern 70er Jahre, als 4 Polizeischüler gemeinsam etwas anstellten…

Für einen Krimi, vor allem mit „Tatort“ verglichen, dauert es recht lange bis zur ersten Leiche. Wir haben es mit verwirrenden Handlungssträngen zu tun, zwischen denen sich allmählich immer mehr Querverbindungen ergeben.

Tolle SchauspielerInnen (Hader, Moretti, Nora von Waldstätten, Düringer) ohne Zweifel, stimmig und symbolträchtig fotografiert ist er ebenfalls, auch die Musik von den Sofa Surfers, es gibt nicht zu viel davon, passt, trotzdem hinterließ der Film bei mir doch ein etwas zwiespältiges Gefühl, allzu konstruiertund brachial  erschien er mir und die Mordmotive waren etwas dünn.

Dennoch, Brenner ist nun alle seine Schatten aus der Vergangenheit los und könnte von vorne beginnen.
*** spannend, turbulent und mit brachialem schwarzen Humor


Gruber geht

Marie Kreutzer, A 2015, 105 Min.
Manuel Rubey spielt den Gruber, einen arroganten und zynischen Mann, der im Geschäftsleben, im Umgang mit der Familie und privat ein wirklicher "Ungustl" ist.  "Alles ist käuflich" ist das Motto des Porschefahrers.
Einen Einschreibbrief vom Spital ignoriert er, ist über Wochen zu feige ihn zu öffnen. Eines Tages verliebt er sich in Sarah, eine in Berlin wohnende DJ (Bernadette Heerwagen) . Diese lässt er jenen Brief öffnen,
der ihn vor einem Krebs warnt und Chemo- und Strahlentherapie nötig macht. Die Chemo besucht er, wenn er grad Zeit hat und scheint Anfangs keine der üblichen Nebenerscheinungen zu bekommen, dann aber um so heftiger. Auch privat gibt es vielleicht unerwünschte Effekte - Sarah, immerhin schon 37, ist schwanger, will erst mal abtreiben, tut es in letzter Minute dann aber doch nicht.  Er reagiert völlig chaotisch auf die Nachricht, "ich zahle alles!" ist die erste Antwort, allerdings konnte er doch in letzter  Zeit ganz gut mit den Kindern seiner Schwestern. In der schlimmsten Phase der Onkotherapie besinnt er sich etwas und bereut einige allzu flappsige Sprüche, seine Beziehung  zu Sarah wird auf eine harte Probe gestellt.
Musik spielt eine große Rolle in dem Film, böse gesagt, ist der Film damit zugepflastert. Dabei spielen auch alte Bob Dylan-Songs auf knisterndem Vinyl eine Rolle, die zwischen der heutigen Disko-Musik, die Sarah auflegt, Welten liegen lässt. Der Kotzbrocken Gruber und sein oberflächliches Leben am Anfang münden doch in eine durch Krankheit geläuterte Persönlichkeit, die einen Neustart wagt.
*** vielschichtige Geschichte um einen jungen Geschäftsmann, den erst eine Krebsdiagnose und -behandlung zur Besinnung bringt.

Relatos Salvajes (Wild Tales)

Damián Szifrón, Argentinien, Spanien 2014 / Cinemascope, 122 Min
In der Tat ist die Übersetzung von Relatos Salvajes mit "wilde Geschichten" richtig und der Titel durchaus passend. Es handelt sich um einen argentinischen Episodenfilm. Allen Episoden gemein ist, dass ein kleines Ärgernis furchtbar eskaliert und am Schluss dramatische Folgen hat. Der Film ist lustig und exaltiert und wurde von Almodóvar´s Produktionsfirma "el deseo" mitfinanziert. Zwar sind die Typen nicht so markant und fellinesk wie bei Pedro Almodóvar, die Geschichten aber schon. Die Werbung verspricht: "Wild Tales ist ein Film über Menschen, die explodieren!". Es passieren im Prinzip Dinge, die jedem von uns mal passieren könnten.
Episode 1 - "Pasternak" - der von Kritikern und Musikkommissionen gedemütigte Musiker Pasternak rächt sich an diesen, in dem er sie alle demselben Flug gewinnen lässt und er in der Pilotenkabine sitzt ....
Episode 2 -  DIE RATTEN (Las ratas) -  In einem einsamen Schnellimbissrestaurant kommt ein eigenartiger Gast, die Bedienung erkennt ihn als jenen Kredithai, der seinen Vater in den Selbstmord getrieben hat. Die Köchen empfiehlt Rattengift als Gewürz. Doch dann taucht sein Sohn auf und isst davon...
Episode 3 -  STRASSE ZUR HÖLLE (El más fuerte) - ein Prolet in einem Schrottauto lässt den Geschäftsmann im Audi nicht vorfahren und kriegt dafür den Stinkefinger. Als der Audi eine Panne hat kommt die Stunde der Rache.
Episode 4 - Bombita (das Bömbchen) - Dem Sprengstoffexperte Sim wird wiederholt das Auto ungerechtfertigt abgeschleppt, er rächt sich fachmännisch.
Epsisode 5 - DIE RECHNUNG (La propuesta) - Weil sein Sohn Santiago eine schwangere Frau überfahren und Fahrerflucht begangen hat, heckt der schwerreiche Magnat Mauricio mit seinem durchtriebenen Anwalt  einen Plan aus: Der Hausmeister soll gegen 500.000$  die Schuld auf sich nehmen, doch die Polizei findet eine Ungereimtheit; der Anwalt will 1 Million und der Polizist auch und es wird immer mehr.... ein Beispiel für die Korruption.
Episode 6 - BIS DASS DER TOD UNS SCHEIDET (Hasta que la muerte nos separe) - Auf der teuer ausgerichteten Hochzeitsfeier entdeckt Romina, dass ihr eben getraute Mann mit einer Kollegin fremd ging und schwört sofortige Rache. Diese Szene artet fast in Kintop aus und endet mit lateinamerikanischem Temperament.
**** voll tiefschwarzem  Humor sind diese sechs Geschichten von Menschen, die durchdrehen, die aber auch die bürokratische Willkür, Korruption und Ungerechtigkeit am Beispiel Argentinien aufzeigen.



VALS
Anita Lackenberger, A 2014, 120 Min
Der sehr schön (leider nicht in Cinemascope) fotografierte Film  zeigt das harte Leben im Bergdorf Vals (Nordtirol)  in den Jahren 1944/45, also zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Die patriarchalischen Strukturen gelten als "gottgewollt", etwa wenn die Mutter von Rosa ihr 14. Kind erwartet.
Hauptfigur ist Rosa, eine selbstbewußte Frau, die mehrere Verehrer hat.  Peter ist Nazi und verrät Hans, den sie liebt, schickt ihn noch in den Krieg, wo er bei der Marine umkommt. Zwangsarbeiter sollen eine Straße bauen, dafür muss eine Kapelle "dem Fortschritt" weichen, doch eine Lawine verschüttet ihr Lager. Der Winter 1944 ist sehr hart, die Ernte war nicht gut, als die Männer von den Alpen hoch oben Heu zu Tal bringen sollen, kommen sechs der acht Männer durch eine Lawine ("die Lah") um. Rosas  Schwester schuftet sich als Wäscherin ab, um schöne "Stadtschuhe" zu kaufen und mal in Innsbruck ausgehen zu können, provoziert aber einen  Krieg mit ihrem Vater.  Bombenangriffe auf die Brennerbahn machen es ihr unmöglich. Rosa treibt das Kind von Hans ab, wird aber später von Peter vergewaltigt, schiesst ihm aber ins Bein. Die alten Männer müssen noch in den letzten Tagen zum Volkssturm. Als der Krieg zu Ende und Rosa nach der Vergewaltigung schwanger ist, bleibt ihr nichts anderes übrig, als mit einem entflohenen italienischen Zwangsarbeiter nach Italien zu fliehen.
Umklammert wird die dramatische Handlung von einer Sagenfigur ("das salige Fräulein"), die jedoch nur kurz ausdrückt, was die Menschen ahnen.
***1/2 kurzweiliges und mit viel natürlichem Licht stimmig fotografiertes Bergdorf-Drama, es zeigt das Leben bei Schnee und Eis unter mehrfach erschwerten Bedingungen, wie Krieg und Unterdrückung.

Die Wolken von Sils Maria

Oliver Assayas, D, F (arte TV), CH , 2014  Darsteller: Juliette Binoche, Kristen Stewart, Chloë Grace Moretz, Lars Eidinger, Johnny Flynn, Angela Winkler, Hanns Zischler, Nora Von Waldstätten
"Die Schlange von Maloja" ist ein Wetterphänomen: die Wolken schlängeln sich von den Bergen über den Malojer See, Arnold Fanck drehte bereits 1924 einen Stummfilm  mit dem Titel  „Das Wolken-Phänomen von Maloja“. Bilder von dieser Gegend würzen den an sich langweiligen Film etwas, genauso wie schöne klassische Musik.
Die Handlung ist so etwas wie Film-im-Film, genauer Schauspielerei-im-Schauspiel.   Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere soll Marie Enders (Juliette Binoche) in einer Neuauflage des Stückes mitwirken, mit dem sie vor zwanzig Jahren berühmt wurde. Damals spielte sie die Rolle der Sigrid, einer jungen, verführerischen Frau, die eine betörende Wirkung auf ihre Chefin Helena ausübt und diese schließlich in den Selbstmord treibt. Auf Wunsch des Regisseurs Klaus soll Marie diesmal jedoch die Rolle der älteren Helena übernehmen.
Sie übt diese Rolle mit ihrer persönlichen Sekretärin ein. Eigentlich will sie wieder aus dem Vertrag aussteigen, denn im Internet ergoogelt man nichts ehrenwertes von jener Schauspielerin, die ihre damalige Rolle, die der Jüngeren, spielen soll. Doch als sich die beiden Frauen persönlich kennen lernen, bricht das Eis. Bereits auf der Zugfahrt nach Sils erhalten sie die Nachricht, dass der Regisseur des alten Films gestorben ist, Maria ist ausserdem mit ihrer Scheidung und den damit verbunden Vermögensproblemen beschäftigt.
In der ersten halben Stunden sehen wir nur an den Smartphones hängende, geschwätzige Frauen. Nur selten kommt Spannung auf, etwas dichter wird die Geschichte gegen Schluss, als das Stück doch wie geplant als Theaterstück in London Premiere feiert. Die Binoche ist mit vielen Gesichtern, Kleidern und Frisuren zu sehen und kann ihre Vielseitigkeit beweisen. Auch die Diskrepanz zwischen Schein (in social medias) und Sein wird herausgearbeitet.
** eher geschwätzig und langatmig, für eingefleischte Fans der Juliette Binoche sicher ein Muss und wenn man so will auch ein vielschichtiger Film über das älter werden von SchauspielerInnen, Image und Realität.    


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