Filmkritiken des FKC 2003

wenn nicht anders angegeben ist Dr. Norbert Fink der Autor
WG = Prof. Walter Gasperi
UV = Dr. Urs Vokinger

Haider lebt! One-Hour-Foto Ravioli
Bowling for Columbine Talking Sides - der Fall Furtwängler Am anderen Ende der Brücke
Frida Wahnsinnig verliebt (À la folie ... pas du tout) Blue Moon (WG)
Elling (WG) Le Fils / Der Sohn Die unbarmherzigen Schwestern
Cidade de Deus (City of God) Carandiru y tu Mama tambien
Die Versuchung des Padre Amaro Good-bye Lenin

Eine Schwalbe macht den Sommer

It´s all about love Lantana Lichter
Grabgeflüster Whale Rider Long Walk Home "Rabbit Proof Fence"
 
Satin Rouge Herr Lehmann Kritiken von 2004


Herr Lehmann
Leander Haußmann hat einen Film über die "Szene" in Kreuzberg gemacht, im Jahr des Mauerfalls 1989. Alle sagen Herr Lehmann zu ihm, weil er 30 wird,  dutzen ihn dann aber weiter. Echt schlimm, Mann !
Viel Handlung hat der Film eigentlich nicht, es wird aber wahnsinnig viel Bier gesoffen (immer die gleiche Marke, penetrantes Product-Placement) und wie sie die allnächtlichen Streifzüge finanzieren ist völlig schleierhaft. Der Film lebt von einer gewissen Situationskomik (schon die erste Szene mit dem betrunkenen Hund ist köstlich) und hat ein bisschen Liebesschmerz- (u. -Freuden) als übliches Beiwerk. Dramaturgischer Höhepunkt ist das Erscheinen der betagten Eltern des 30 jährigen Gurus der Szene, vor den Eltern wird der einfache Aushilfskellner zum Geschäftsführer und ein Ausflug in die Hauptstadt der DDR scheitert wegen Devisenschmuggels bereits an der Grenze, die drüben wartende Geliebte kommt mit einem anderen zurück...
Stimmig gefilmt und mit dem tollen Sound von damals, ein gewisses Wessi-Gegenstück zu "Goodbye, Lenin"

**1/2 nicht viel Handlung und zu kommerziell ausgerichtet 


Satin Rouge

ist schon lange im Repertoire der Filmclubs und Programmkinos und wird immer wieder gerne wiederholt.
Der tunesische Film ist brav, aber für arabisch- islamische Verhältnisse doch recht freizügig. Eine Frau, die mit ihrer Tochter in Tunis lebt, fühlt sich vom Bauchtanz und dem Milieau der Nachtclubs angezogen und beginnt, fast spielerisch, ab und zu, aber immer häufiger dort aufzutreten. Als ein Musiker, der eigentlich der Freund ihrer Tochter ist, auch mit ihr schläft, bahnt sich ein Konflikt an, der jedoch verdrängt wird. Leider verspielt der Streifen dadurch dramaturgisch einiges Potential.
Alles löst sich in Wohlgefallen und Happyend (Hochzeit der Tochter) auf.
*** Kein besonders revolutionärer und trotz schöner Tanzszenen auch aus männlicher Sicht kein besonders erotischer Film, aber durchaus opulent und sehenswert.



Long Walk Home "Rabbit Proof Fence"

Australien 2002
Der äußerst packende Film spielt 1931 und deckt die unmenschlichen Ideen der Rassisten auf: Während die "reinrassigen" Aborigines als unbelehrbare Wilde in Reservaten einigermaßen in Ruhe gelassen werden, sollen alle "Mischlingskinder" zu Weißen empor gekreuzt werden, bereits in der dritten Generation der Vermischung sehe man nichts mehr Wildes an ihnen... Im besten Glauben etwas Gutes zu tun wurden nun die "Mischlingskinder" wie Wild gejagt und eingefangen und in ein christliches Lager gesteckt, wo sie beten, putzen und für die weiße Herrenrasse niedrige Arbeiten zu verrichten lernen mussten. Wer ausriss, wurde von einem Fährtensucher, selber ein Ureinwohner, aufgespürt und zur Erziehung zurückgebracht (Einzelhaft und Peitsche im Namen Gottes). Dennoch reißen die drei aus: Molly beschließt, mit Daisy und Gracie aus dem Camp zu fliehen. 1.500 Meilen trennen sie von ihrem Zuhause, und der Kaninchenzaun, der quer durch Australien geht (darum der Originaltitel "Rabbit Proof Fence") war ihre einzige Orientierung. Eine der dreien wird erwischt und gewaltsam wieder ins Erziehungslager gebracht, doch Molly und Gracie schaffen es ...
Auch hier sind die HeldInnen junge Mädchen und so ziemlich alle Männer böse oder zumindest finstere Gestalten... dennoch, der Film ist herausragend, weil unvorhersehbar, weil keine Minute langweilig und auch weil die Greuel nicht über Gebühr wiederholt werden, Andeutungen genügen. Mit List und Intelligenz, Spürsinn und enormen Durchhaltevermögen schlagen sie sich 9 Wochen lang durch unwegsame Wüste und Urwald und überleben ...
Auch bei uns wurden bekanntlich Zigeunerkinder, soferne sie Barbarei der Nazis überlebten, von angeblich wohltätigen Institutionen wie "Pro Juventute Schweiz" und "Pro Helvetia"  ihren Familien, Vätern und Müttern entrissen, mit der besten Absicht, auch ihnen brave Bürger, Spießer und Steuerzahler zu machen - auch darüber gibt es Filme.
Im besonders katholischen Irland wurden nicht nur verführerisch schöne Frauen (s. "The Magdalene Sisters") ebenfalls umerzogen...
Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürfen nie vergessen werden!
**** herausragend

Herr Hannes Zankl, Pressesprecher der Österr. Pro.Juventute bittet um folgende Ergänzung:
 

Beide Organisationen haben bis auf den ähnlichen Namen und den heute ähnlichen Leitgedanken nicht viel gemeinsam.
Die Stiftung Pro Juventute Schweiz wurde bereits 1912 zur Bekämpfung der Tuberkulose bei Kinder und Jugendlichen gegründet.

Die erste Österreichische Kinderdorfvereinigung Pro Juventute wurde 1947 gegründet. Ursprünglicher Sinn war damals den Kriegswaisenkindern ein Zuhause zu geben.

Weder rechtlich, finanziell noch organisatorisch bestehen Zusammenhänge oder Abhängigkeiten.

Anmerkung - gerne füge ich diese Korrektur ein - ich weiß den Titel jenes Schweizer Filmes nicht mehr, der von der Verschleppung von "unsesshaften" Kindern durch die "Schweizer Pro Juventute" handelte... ; (einer der Filme heißt "die letzten freien Menschen und handelt von der Stiftung Pro Juventute Schweiz, die Zigeunerkinder 
bis hin zur rechtswidrigen Internierung in eine Strafanstalt, wo Minderjährige ohne richterliche Verfügung vier Jahre eingeschlossen wurden, "umsorgte" Anm.  5.1.04


Whale Rider
Der Film gibt sich als emotionsgeladenes Kino über die Maoris zum Besten und ist in Wahrheit eine sehr konventionell erzählte Geschichte aus der Märchenkiste der Feministinnen: es soll widerlegt werden, dass nur Knaben Führerqualitäten haben und die von Gott gewollten Auserwählten sein können, die den unterdrückten Ureinwohnern von Neuseeland den richtigen Weg in die Zukunft weisen können. Es beginnt mit einer Geburt von Zwillingen: der heiß erwartete männliche Auserwählte stirbt samt Mutter, die weibliche Zwillingshälfte überlebt, Opa ist wütend und Papa geht nach Europa um Eingeborenen-Kunst zu verkaufen, die Tochter wird von der latent scheidungswilligen Oma und ihrem Opa-Macho aufgezogen, der eigens eine Schule errichtet um die alten Traditionen und Kampfsportarten der Maoris zu unterrichten. Seine Enkelin wäre indes die gelehrigste und begabteste Schülerin - doch sie darf die alten Traditionen nicht entweihen. Insgeheim lernt sie doch und schlägt natürlich alle männlichen Rivalen. Als die göttliche Kraft in das moderne Maori-Dorf strandende Wale anschwemmt und nur sie - stärker als zig Männer und Traktoren - den Wal rettet und mit ihm ausreitet, erkennt der alte Macho erst, dass sie die von den Göttern bestimmte neue HäuptlIng des Stammes werden soll.

Ein paar digital geschönte Bilder von Walen und der Landschaft, eine völlig vorhersehbare Handlung und eine handvoll Klischees - mehr sah ich in diesem Musterbeispiel von Gender Mainstreaming im Jugendfilm nicht ev. als Kinderfilm für 12 jährige Mädchen recht aufbauend....
**konventionell
P.S. Nichts gegen weibliche Heldinnen - aber Long Walk Home ist der viel bessere Film, obwohl beide für die Rechte der UreinwohnerInnnen kämpfen...
es gibt natürlich auch euphorische Kritiken - etwa im Filmdienst:
...
Whale Rider“ ist nämlich auch ein Märchen. Es erzählt von einer kleinen Prinzessin, der ihr König und Großvater den zukünftigen Thron streitig macht, weil sie ein Mädchen und auch noch renitent ist, und so müssen ihr die Freunde und die Tiere beistehen. Niki Caro findet für diese entzückende, ebenso heitere wie berührende Geschichte traumhafte Bilder, die genau zwischen Alltagswirklichkeit und Mythenüberbau ausbalancieren. Satte Farben und großzügige Räume prägen die Breitwandbilder, untermalt von einem delirierenden Soundtrack. Dazu kommen immer wieder die originalgetreu wiedergegebenen farbenprächtigen Rituale der Maoris. Erzählt wird die Geschichte aber nicht zuletzt durch die Gesichter des Films. Rawiri Paratene, der den Großvater spielt und u. a. bereits in „Rapa Nui“ (fd 30 876) zu sehen war, überzeugt ebenso wie Cliff Curtis, der nach „Die letzte Kriegerin“ in Hollywood Karriere gemacht hat und Pais Vater verkörpert. Besonders überrascht das Mädchen Keisha Castle-Hughes, das angeblich aus 10.000 Bewerberinnen ausgewählt wurde, als Pai, mit seinem natürlichen und zugleich gewitzten Spiel. ...



Grabgeflüster (Plots with a view)


Wahrlich eine schwarze britische Komödie! Es beginnt mit Glenn-Miller Sound in der Tanzstunde, Boris ein schüchterner junger Mann fordert die Damen immer zu spät auf... 30 Jahre später treffen sich Boris, inzwischen Bestattungsunternehmer und Betty wieder. Leider hat Boris inzwischen Konkurrenz bekommen, und die ist bei der Wahl "moderner" Marketing- und Bestattungsmethoden nicht gerade zimperlich. Betty freilich ist die wohlhabende Gattin des Herrn Bürgermeisters, der sie natürlich mit einer jungen Sekretärin betrügt. Die alte Liebe ist wieder aufgeflammt und der Plan teuflisch: Betty soll scheintot gemacht und von Boris  "beerdigt" werden - natürlich soll sie nicht gegen den Himmel fliegen, sondern bloß auf ein Traumschiff in die Karibik... 
Der Tod wird auf einem Ball spektakulär inszeniert und schon wetteifern die beiden Bestattungsunternehmen um die Tote ... Die Konkurrenz kommt dem Schwindel zwar auf die Spur, arbeitet aber dann doch bis zum makabren Ende zusammen.

Es beginnt zwar etwas holprig und mit eigenartigem Humor ("Enterprise"-Bestattung), doch spätestens als die recht Lebendige  die verlogenen oder auch allzu wahren Worte an ihrem Grabe anhören muss, entwickelt die Komödie Witz und Schwung und wird zur köstlichen Unterhaltung. Alfred Molina (unvergessen seit "Kuss der Spinnenfrau") spielt und tanzt herausragend.
*** sehenswerte, rabenschwarze Komödie mit britischem Humor
 


Lichter

Hans-Christian Schmid gewann mit diesem Streifen den Deutschen Bundesfilmpreis (Bester Spielfilm; Silberne Lola) und in Berlin den Preis der Int. Filmkritik. Schon in den ersten Szenen wird man in das Geschehen entlang der deutsch-polnischen Grenze bei Frankfurt/Oder und Slubice hineingeworfen; eine wackelige Handkamera vermittelt Nähe und dokumentarische Authentizität. Da sind 4 Szenarien und mindestens 8 Akteure: der junge Zigarettenschmuggler Andreas, der Zigaretten aus dem Zug wirft, die seine Freundin (immer wieder hinter Gittern) aufliest und die sie dann über einen Mittelsmann verkaufen; Ingo, ein Wessi im Ossiland versucht Matratzen an die Kundschaft zu bekommen und geht immer wieder pleite; Antoni, der polnische Taxifahrer möchte seiner Tochter ein "echtes" Erstkommunionkleid kaufen können (auch das wird schief gehen, aber Mutter näht ihr Hochzeitskleid um), da ist Sonja, die Dolmetsch vom Zoll, die einmal einem Häftling mehr hilft als sie dürfte und als Dank dafür bestohlen wird; da ist ein zu ehrgeiziges Bauprojekt und Philip, ein junger Architekt muss mit ansehen, wie Verträge geschlossen werden: mit Korruption, "Arbeitsessen" und Nutten (peinlicherweise war eine davon seine Exfreundin) ; besonders spannend ist schließlich das Schicksal ukrainischer Flüchtlinge, die von den Schleppern nicht im "Paradies" BRD, sondern einige Meter davor abgeladen wurden, die Oder trennt sie vor dem Ziel, und die ist streng bewacht, auch Antoni kriegt sie nicht hinüber, obwohl er das Schleppergeld dringend brauchen könnte.
Durch die an sich dramatischen Geschichten zieht sich stets ein Hoffnungsschimmer, den man Liebe; Mitleid  oder einfach auch Menschlichkeit nennen könnte, dennoch zeigt er unverhohlen die bittere Realität an einer Grenze zwischen zwei Staaten mit finanziellem Gefälle....

*** das verwirrende Puzzle einzelner Geschichten fügt sich immer mehr zusammen und wird zu einem pseudodokumentarischem  Stimmungsbild der deutsch-polnischen Grenze.


Lantana

Ray Lawrence, AUS 2001, cinemascoope, dolby digital, 121 Min
SALSA IN AUSTRALIEN
Lantana ist ein Psychothriller aus Australien, wohl der Lieblingskrimi mancher PychotherapeutInnen...


Die Lebensgeschichten (eher: Midlifecrisis, Eheprobleme) von 8 Menschen im mittleren Alter in einem Vorort von Sydney verzahnen sich immer mehr, Hauptprotagonist ist Valery, eine Psychotherapeutin, deren Tochter vor einem Jahr ermordet wurde und worüber sie ein erfolgreiches Buch schrieb. In der Therapie hört sie immer wieder die Klagen der KlientInnen über die Verflachung des Liebeslebens im Laufe der Ehe, über Fremdgehen etc., während ihr es selber auch nicht besser ergeht.
Eines Tages erleidet Valery spätnachts einen Autounfall, bittet einen wildfremden Autofahrer um Hilfe und verschwindet spurlos, später wird sie in einem Gebüsch (der Gattung „Lantana“) tot aufgefunden...
Sei es der Polizist Leon, der ermittelt (auch er geht mit einer Frau vom Salsa-Tanzclub fremd, obwohl er eigentlich eine glückliche Ehe führt und normale Kinder hat, außer ev. dass der Sohn kifft), die Nachbarn und die Kollegen, alle haben ähnliche Beziehungsprobleme und irgendwie ist die Welt ja klein: Leon findet bei der tot aufgefundenen Psychotherapeutin die Tonbandmitschnitte der Therapiesitzungen seiner Frau und im Zuge der Ermittlungen trifft er auch auf die eigene Geliebte, da deren Nachbar plötzlich ein Hauptverdächtigter wird....
Ungewohnt ist sicher, dass der australische Film mit lateinamerikanischer Musik (Salsa und Rumba) unterlegt ist, auch das Ende, das ich hier nicht verrate, ist unüblich, nicht alles wird aufgelöst und manche Nebenhandlung endet überraschend.

*** 1/2 geistig anspruchsvoller, komplexer und recht vielschichtiger Psychothriller, durchaus spannend und unterhaltend, sehr innovativ; empfehlenswert


It´s all about love

Dänemark, USA, Japan ... 2002 Regie: Thomas Vinterberg mit: Joaquin Phoenix, Claire Danes, Sean Penn, Douglas Henshall 104 Min.

Thomas Vinterberg - Mitbegründer des Dogma 95 Manifests - hat in seinem neuem Film seine Dogmen verlassen, ja genau das gemacht, was er einst bekämpfte: (Science-) Fiction, (Alb)träume in Bilder umsetzen.

Sein neuer Film ist aber wie einst die ersten Dogma Filme durchaus innovativ und brillant gemacht. Mehrere Ton- und Handlungsebenen sind ineinander verwoben, dazu kommt eine eindringliche Bildsprache und eine gewisse Portion Suspense.
Es geht um eine düstere Vision der Welt im Jahre 2021, nicht nur das Klima ist völlig aus den Fugen - mitten im Juli bricht ein Schneesturm über NYC herein - in Kenya dreht sich die Gravitation um und wer sich nicht am Boden festbindet fliegt gegen den Himmel und versiegt in der Sonne. Jährlich gibt es ein Phänomen, das alles Süßwasser weltwelt für 2 Minuten gefrieren lässt, und noch schlimmer, vereinsamte Menschen, vor allem Männer, die auf der Straße an gebrochenem Herzen tot zusammenbrechen, prägen das Stadtbild von New York .
John fliegt nach NY (in einer 5 strahligen, doppelstöckigen MD 11) und legt dort einen Zwischenstopp ein, eigentlich nur, um sich von seiner Frau Elena die Scheidungspapiere unterschreiben zu lassen. Elena, geb. Polin, ist eine Megastar des Eislauf-Showbiz. Als er ankommt sagen ihm Elenas Security Manager, sie habe es nicht mehr zum Flughafen geschafft, er möge doch zu ihr in eine Vorstellung kommen. Er wird von ihrer Familie und ihr selbst  warm empfangen. Doch er merkt, dass etwas nicht stimmt. Elena verzögert die Unterschrift und drängt ihn noch etwas zu bleiben, in einem unbewachten Moment bittet sie ihn, ihr zu helfen. Sie flüchten aus den bewachten Limousinen und gehen in Brooklyn in eine Absteige, haben wieder mal Sex. Elena will aussteigen, sie wird jedoch mit dem Tode bedroht und unter Drogen gesetzt, weil von ihr viele Leute finanziell abhängig sind. Indes wurden zwei Doubles (Klone ?) von ihr angefertigt, die sie ersetzen sollen, wenn sie "Pause" macht. Als John sie entdeckt, ist auch er zum Tode verurteilt. Elenas Bruder will den beiden sich wieder Liebenden zur Flucht zur verhelfen, bevor sie beide ermordet werden sollen. Indes wollen die Klone ihr Original sehen und mit Elena trainieren, dabei fallen Schüsse und es werden die Falschen ermordet; Elena, offenbar auf diesen Moment vorbereitet, gelingt die Flucht mit John und ihrem Bruder in eine Eislandschaft, doch sie erfrieren allen drei. Wären sie gerettet worden, wenn sie sich noch geküsst hätten?
Dies könnte man hoffen, denn eine weitere Figur, ein Dichter, der rastlos durch die Welt fliegt, kommentiert die Lage der Welt  mit neuesten philosophischen Erkenntnissen über das Leben und die aussterbende Menschheit. Es ist Johns italienischer Bruder Marciello.
Er hatte einst Flugangst und wurde zuviel behandelt,  so dass er jetzt immer fliegen muss. Er sitzt in einem Flieger, der nicht mehr landen kann, weil alle Flughäfen der Welt zugeschneit sind. Macht nichts, die Welt ist ohnehin am Ende. Alle werden erfrieren in diesem grausam kalten Film, der eine düstere Apokalypse für die nahe Zukunft prophezeit, indes fliegen die Kenyaner gegen den Himmel, soferne sie sich nicht an einem Pfahl angebunden haben ...  (
ein ziemlich surreales bis absurdes Schlussbild)
Der Film. der während der Festspiele von Berlin von der Presse als möglicher Sieger gehandelt wurde, ging dort leer aus - kein Wunder, denn der Film ist höchst kontroversiell, apokalyptisch und hoffnungslos.
Mir persönlich hat er gut gefallen, war er doch spannend, innovativ und nicht vorhersehbar und recht kritisch zur Sport-Show-Mafia..
***1/2 innovativ, spannend  und hervorragend fotografiert.

Übrigens: Das Dogma Büro hat sich im Juli aufgelöst; es sei nicht Absicht gewesen, praktisch ein neues Genre zu entwickeln. Übrigens könne jeder einen Dogma-Film selber machen,... Handkamera genügt.
Vinterberg hat diese Schaffensperiode also überwunden und filmt wieder hinter Kulissen, mit Stativ, künstlichem Licht, Requisiten, Special Effects und setzt Hintergrundmusik massiv ein... (was aller verboten war im Dogma).
Egal ob Dogma oder Anti-Dogma, was zählt ist, ob der der Film gut geworden ist.
www.itsallaboutlove-derfilm.de



Eine Schwalbe macht den Sommer

F2000; Regie: Christian Carion, mit Mathilde Seigner und Michel Serrault
Der Film hat zwei Stärken: die guten SchauspielerInnen und eine ansprechende Kamera, welche das Bergmassiv von Vercors bei Grenoble dokumentarisch genau über die Jahreszeiten hinweg fotografiert, ohne je kitschig zu werden. Die Schwächen des Films, um es in aller Kürze gleich zu sagen, sind die Vorhersagbarkeit der Handlung und ein völlig abruptes Ende, außerdem ist es sehr braver, jugendfreier Film, der sicher nirgends aneckt.
Das bäuerliche Leben erscheint, dank High Tech und moderner Traktoren nicht so hart, oder eingeschneit im Winter doch ?
Sandrine, eine IT-Fachfrau und Internetexpertin will mit 30 ihr Leben verändern, geht auf die Landwirtschaftsschule und kauft sich einen entlegenen Bauernhof mit Ziegen; im Sommer vermarktet sie ihn gut mit Reitausflügen und Ferienwohnungen für die Städter und der Ziegenkäse geht via WWW bis nach Deutschland; doch da ist auch der verbitterte Vorbesitzer Adrien, der noch 18 Monate auf dem Hof bleiben will, kaum ein Wort redet und im kältesten Winter ihr den Strom abklemmt, damit sie gezwungen ist, zu ihm zu kommen. Trotzdem kommen sie sich näher und Sandrine erfährt, wie seine Frau gestorben ist und der Hof durch den Rinderwahnsinn zerstört wurde. Als er einen Herzinfarkt erleidet und kürzer treten muss und sie ein paar Tage Urlaub braucht, scheint es dramatisch zu werden, doch nicht Adrien stirbt, sondern ein befreundeter Bauer, fortan ist sie das einzige menschliche Wesen, zu dem Kontakt hat und nach diesem Gesinnungswandel behandelt sie, als ob sie seine Tochter wäre.
**1/2 moderner Heimatfilm, nach dem Motto "raus aus der Stadt, rauf auf die Berge", aber mit PC und Melkmaschine..., nett und schön, starke Frauen und sture Männer, aber insgesamt doch etwas zu leicht und komödienhaft.


Good-bye Lenin
Wolfgang Becker, BRD 2003
Die Geschichte ist zwar sehr konstruiert und medizinisch ziemlich unwahrscheinlich, dennoch fasziniert der Film.
Herbst 1989. Alex, ein junger Mann, seine Schwester Ariane und Mutter Christiane leben in einer typischen Plattenbau-Siedlung in der Hauptstadt der DDR. Die DDR feiert den 40. Geburtstag und Mutter, eine getreue und aktive Genossin, bekommt einen Herzinfarkt mit anschließendem 9-monatigem Koma, als sie Alex an einer Demo gegen die Regierung teilnehmen sieht.
Als sie wieder aufwacht, ist die DDR nicht mehr oder zumindest die Mauer gefallen, und es gilt ja, sie vor allen Aufregungen zu schützen. Also wird so getan, als ob noch  alles beim Alten wäre.
Da müssen alte Klamotten wieder angezogen werden, alte DDR-Konsumartikel oder wenigstens deren alte Dosen (zum Umfüllen) gesucht werden. Als sie fernsehen will, wird es schwieriger, aber ein Freund von Alex, ein verkappter Regisseur, "fälscht" sogar die "Aktuelle Kamera". Diese Szenen sind einfach genial und zeigen, wie leicht man mit ein paar Schnitten alles verdrehen kann.... (die DDR nimmt Westbürger auf, die um Asyl ansuchen: darum die vielen Westautos auf den Strassen ....). Die DDR wird keineswegs verherrlicht, auch die negativen Seiten werden nicht geleugnet, so gesteht Mutter, dass ihr Mann nicht wegen einer anderen Frau, sondern wegen des Systems in den Westen geflüchtet sei...

*** 1/2 Ein warmherziger und herrlicher Film für alle, die im Herzen die positiven Ideale des Sozialismus noch nicht ganz vergessen haben !


El crimen del Padre Amaro -  Die Versuchung des Padre Amaro

Der deutsche Titel passt ausnahmsweise besser als der spanische Originaltitel (el crimen.. ,,das Verbrechen des ..."). Der erfolgreichste Film Mexikos  prangert die Doppelmoral in Kirche, Politik und Gesellschaft an. Leider ist er recht konventionell gemacht und stilistisch nicht sehr originell, auch die Kameraarbeit ist nur durchschnittlich.

Padre Amaro, ein frisch geweihter Priester und Günstling des Bischofs wird in ein Dorf geschickt, wo der do. Pfarrer  herzkrank ist; auf der Hinfahrt wird der Bus überfallen und sein Sitznachbar aller Ersparnisse beraubt, er schenkt im etwas Geld, und das wird die einzige wirklich gute Tat des jungen Priesters bleiben.

Sein Vorgänger schläft mit der Wirtin des Ortes und wäscht Drogengelder rein, in dem er sie als Spenden für einen überdimensionierten Spitalsbau einsetzt. Auch Padre Amaro verliebt sich rasch und heftig in eine schöne Katekismus-Helferin, bald ist sie von ihm schwanger.

Die Amtskriche intrigiert gegen einen Befreiungstheologen, sie werfen ihm vor, Guerilleros zu schützen; als sich dieser allen Befehlen des Bischofs widersetzt, wird er exkommunziert. Obwohl Amaro von der Integrität seines Mitbruders überzeugt ist, ist er zu feige und verbreitet lieber im Auftrag des Bischofs Fehlinformationen, als der Exfreund seiner Geliebten als Journalist die Verbindungen der Kirche und speziell seines Dorfes zur Drogenmafia aufdeckt.

Er zwingt seine Freundin gar zur Abtreibung, sie stirbt dabei....
Gute Story, aber sehr konventionell gemacht, auch ist Padre Amaro mit einem viel zu jung aussehenden Schauspieler (der in" Y Tu Mama Tambien" glaubhafter einen Pubertierenden spielte)  besetzt, das fromme Liebespaar ist von kitschiger Schönheit und viele Figuren zu klischeehaft. Es reicht allemal für ein sehenswert ***


Y Tu Mama Tambien

Der von uns schon gezeigte und somit ausreichend beschriebene Film war doch eine ganz große positive Überraschung. Nicht nur, dass die Handlung witzig und spannend ist, es kommen immer wieder winzige kleine Details vor (wenn etwa während der Autofahrt beiläufig die Polizei Indios verhaftet ...), das tragische Ende gibt ihm noch zusätzlich Gewicht. Und außerdem ist der Film ein Loblied auf die sexuelle Selbstbestimmung der Frau und eine Anregung, diese auch in die Tat umzusetzen.
****1/2 hervorragendes Road-Movie aus Mexico, sozialkritisch, spannend und recht sexy. Unbedingt in der OmU-Fassung anschauen.


Cidade de Deus

Brasilien 2001/02, 130 Min, Regie: Fernando Meirelles und Kátia Lund (OmU und DF)
"Ich rauche <Hasch>, ich sniffe <Koks>, ich habe schon einen Überfall verübt und einen Menschen getötet, also bin ich ein <erwachsener> Mann!", so argumentiert ein Dreikäsehoch aus einer Favela, wenn er als Kind angesprochen wird.
Um 1960 wurden am Stadtrand von Rio de Janeiro nette kleine Reihen-Einfamilienhäuser gebaut und Obdachlose und Sozialfälle dorthin umgesiedelt. Es dauerte nicht lange und die Siedlung wurde zur blutigen und berüchtigten Favela, in der jugendliche und rivalisierende Jugendbanden mit Waffen und Rauschgift handeln und jeden erschießen, der ihnen nicht gefällt. Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von Buscapé, der eher zufällig Fotojournalist werden wird, Protagonisten sind Bené, der im Zustand der Verliebtheit aussteigen und wo anders hin ziehen will und Bandenchef Zé Pequeno, dem es eine Zeitlang gelingt, gute Drogengeschäfte zu machen; damit sich auch die reichen Playboys zum Einkaufen in die Favela trauen, sollte es in der Favela selbst keine Überfälle und Morde geben, die Polizei wird ebenfalls eingebunden und bekommt ihren Anteil. Zé der einst als Junge bei einem Überfall auf ein Motel mitmachte und dort unnötigerweise ein Blutbad angerichtet hatte, bekommt keine ohne Geld oder Gewalt keine Freundin, was ihn zunehmend gewalttätig macht, auch das Abschiedsfest für Bené, an dem sogar der Pfarrer teilnimmt, endet blutig. Zé will berühmt werden und befiehlt Buscapé  ihn waffenstarrend zu fotografieren, er lässt den Film bei einem Freund, der bei einer großen Zeitung arbeitet, entwickeln und ungewollt landet ein Foto von ihm auf der Titelseite. Er kriegt dafür einen Job und eine Liebesnacht bei einer Journalistin, und sein erster offizieller Auftrag lautet wieder eine Reportage über die "Cidade de Deus" zu machen...

Nun, als profunder Brasilienkenner stimme ich nicht zu 100% in den Lobgesang der europäischen Filmkritiker und Werbetexter von Constantin zu. Stilistisch ist der Film ein überlanger Videoclip und man merkt es, dass Meirelles vom Werbefilm kommt. Hier hätte ein "Dogma"-Stil mehr Glaubhaftigkeit vermittelt als der permanent rasante und mit wunderbaren Ping-Pong-Sourround Effekten (vor allem wenn geschossen wird, tschepperts stereophon aus allen Kanälen) garnierte, in goldige Farben getauchte Actionstil. Wirklich berührend ist nur jene Szene, wo ein Kind einen Freund nach freier Wahl  erschießen muss, um in die Bande von Zé aufgenommen zu werden. Ansonsten hält sich das Mitleid der Zuschauers wohl in Grenzen, solange sich die Jungkriminellen nur selber dezimieren. Auch handelt es sich hier nicht um eine der berühmten, und auch dem Auge der Touristen nicht zu verbergenden Favelas wie "Rocinha", sondern um einen Vorortbezirk.
*** ein absolut sehenswerter Film, der aber durch Action und Hektik etwas zu sehr auf den Geschmack des von US-Filmen schon verdorbenen Publikums eingeht. Toller Soundtrack.


In Brasilien selbst sah ich das neue Meisterwerk von Hector Babenco (Pixote, Kuß der Spinnenfrau) Carandiru, der mit wensentlich besser gefallen hat, wenngleich ich zugegebermassen in der OF nicht jedes Wort verstanden habe:

CARANDIRU

Brasilien 2002, nach dem Roman von Drauzio Varella,
Regie: Hector Babenco

Am 2.10.1992 wurde im Gefängnis von Carandiru bei Sao Paulo ein Aufstand von Gefangenen niedergeschlagen und dabei 111 - meist unbeteiligte Häftlinge - von der als Verstärkung herbeigeholten Bundespolizei erschossen. Kurz vor der endgültigen Sprengung des Gebäudes wurde mit Häftlingen der Film gedreht.

Anfangs scheint es sogar an diesem grausamen Orte noch einen Funken Menschlichkeit zu geben:  der Mediziner Drauzio Varella (der auch das Drehbuch der authentischen Geschichte schrieb)
behandelt seine Patienten menschlich, hört ihnen zu und beginnt eine Anti-Aids Kampagne, er hat mit den primitivsten medizinischen Mitteln gegen TBC, Leptospirosis u.a. schwere Krankheiten zu kämpfen, auch hilft er den Süchtigen, die das selbstgebraute Crack konsumieren; manchmal kommen die Familien zu Besuch, da wird das Mitgebrachte wie bei einem Picknick verspeist und auch mit den Frauen darf geschlafen werden; ein schwules Pärchen, das sich im Gefängnis trauen lassen will, bekommt eine Art Ehezeremonie, auch der Leiter der Anstalt ist auf Deeskalation bedacht; in der Küche gibt es auch Fleisch und frisches Gemüse. Es gibt natürlich auch Intrigen, Dunkelhaft, Crack und selbstgebastalte Waffen - oder aus der Küche gestohlene Messer.
Als die Mehrzahl bei einem Fußballspiel mitmachen oder zuschauen, erstechen einige Häftlinge einen anderen; als die Sportler zurück in ihre Zellen wollen, eskaliert der Konflikt zur Revolte, es wird Feuer gelegt. Der Direktor will die Zellen öffnen lassen, um ihr Verbrennen zu verhindern, wenn die Gefangenen alle Waffen aus dem Fenster werfen. Doch die hereinfallenden Polizisten veranstalten ein unvorstellbares Massaker - 111 Tote.    Blut strömt in Kaskaden die Treppe hinab..

Im ersten Teil des Films gibt es noch Rückblenden auf die Hintergründe einiger Delikte der Gefangenen, der mittlere Teil zeigt kleine Freiräume und Illusionen inmitten dieser menschenunwürdigen Umgebung, und am Ende kommt der Showdown, mit Bildern, die härter sind als jene, die uns von den Kriegsberichterstattern zugemutet werden.

****1/2 - ein wahres Meisterwerk und einziger lateinamerikanischer Film im Wettbewerb des Festivals von Cannes 2003. Wird wohl danach in Europa starten.


Die unbarmherzigen Schwestern / The Magdalene Sisters

GB 2002, 119 Min, Regie: Peter Mullan

Der beim letzten Filmfestival von Venedig mit dem Goldenen Löwen und in Österreich mit dem Höchstprädikat "besonders wertvoll" ausgezeichnete Film brachte den "Osservatore Romano", das Zentarolorgan des Vatikans zum Schäumen. Er sei antiklerikale Propaganda. Anders aber die KIM in Deutschland, die den Streifen über alles lobte, behandelt er ja Tatsachen und schließlich soll man die Verbrechen jeder Ideologie, sei es der Faschismus, der Kommunismus oder eben auch der Katholizismus in gleicher Weise aufzeigen.
In Irland (aber auch England und Australien) gab es bis in das Jahr 1996 sogenannte "Magdalenen-Klöster" (nach der biblischen "Sünderin" Maria Magdalena), wo "unehrenhafte" junge Frauen zwangsweise eingewiesen und in Wäschereien Zwangsarbeit leisten mussten. Es gab kaum ein Entrinnen.

Der Film beginnt mit einer Hochzeit in Irland in den 60er Jahren, Margaret wird von ihrem Cousin in ein Zimmer gelockt und vergewaltigt. Auch Crispina hat ein lediges Kind bekommen. Sofort nach der Geburt werden sie vom Pfarrer und ihren Eltern (!) gezwungen, die Kinder zur Adoption freizugeben "damit die Kinder nicht ewig die Sünde der Mutter" zu büssen hätten, denn außereheliche Kinder wurden diskriminiert und verspottet. Die "Großmütter" weigerten sich sogar, ihren hübschen Enkerl anzusehen.

Bernadette schaut zu gut aus und verdreht zu vielen jungen Burschen den Kopf - auch sie muss hinter Klostermauern, damit die Männer nicht zu stark zur Sünde verleitet werden...
Im Kloster müssen sie schwer arbeiten und bekommen nur Brei zu essen, während die Schwester Oberinnen fein tafeln. Jeder Widerstand wird hart bestraft - Haare scheren, Auspeitschen und auch das Sprechen während der Arbeit wird ihnen streng verboten.  Als eine ausbricht, prügelt sie ihr eigener Vater wieder zurück ... In der Umgebung sind die Zwangsarbeiterinnen der marktwirtschaftlich orientierten Wäscherei als Dirnen und Huren verschrieen, kein Wunder, dass da auch ein Ausbruchsversuch über einen jungen Beifahrer eines Lieferanten scheitert.
Von den Oberinnen werden sie auch gedemütigt, müssen sich nackt ausziehen und dann ziehen sie über ihre Brüste und Schamhaare her.

Auch Selbstmord ist kaum möglich....
Die einzige Racheaktion, die den jungen Frauen einmal gelingt, ist ein Stech- und Jucklaub in die Wäschetrommel der Wäsche des Pfarrers zu geben; als dieser nach einer Prozession eine Feldmesse liest, fängt es ihn derart an zu jucken, dass er sich vor allen nackt auszieht. Als dann eine Frau schreit "dieser Mann ist kein Mann Gottes",  weil sie zuvor beobachtete, wie er es im Kloster mit einer trieb, kommt sie in die Gummizelle der Psychiatrie und stirbt dort an Magersucht.

Kleines Happyend: Zwei Frauen gelingt die Flucht ... Erschütternd auch, wie die jungen Frauen diese menschenverachtende Ideologie auch noch verinnerlicht haben - eine entrinnt dem Sklavinnenschicksal, in dem sie selbst zur ausbeutenden Nonne gekrönt wird, keine zweifelt etwa an Gott oder der Kirche!

**** packender und berührender Film über die von katholischen FundamentalistInnen in Irland betriebenen Magdalenen-Klöster, wo "unkeusche" Frauen unter KZ-ähnlichen Bedingungen Zwangsarbeit leisten mussten. Herausragend


Der Sohn / Le Fils

Jean-Pierre und Luc Dardenne; B, F 2002, 93 Min, frz. OmU.
Olivier ist Tischlermeister in einem sozialökonomischen Projekt mit schwierigen Jugendlichen und Hauptfigur in diesem bemerkenswerten Film. Die Handkamera ist ihm buchstäblich ständig im Nacken und die Spannung im Film wächst stetig. Man sieht ihn, wie er arbeitet, nach Hause kommt, einige Übungen macht und sich nur von Konserven und Fast-Food ernährt. Nie gönnt er sich eine Pause, nie isst er was Feines oder gönnt sich einen Schluck. Er lebt allein, seine Exfrau erwartet ein Kind von seinem Nachfolger. Francis bemüht sich um Aufnahme in dieses Arbeitsprojekt, er wurde aus der Haft entlassen; als er ein Autoradio stehlen wollte leistete ein auf der Rückbank des Autos liegender Junge plötzlich Widerstand und wird von ihm erwürgt. Es war der Sohn von Olivier, doch Francis weiß das nicht. Olivier nimmt sich unter Protest seiner Exfrau des Jungen an und kümmert sich auch in der freien Zeit um ihn, Francis wiederum bittet ihn sogar, sein Vormund zu werden.
Als die beiden alleine auf einem Holzlagerplatz sind lüftet Olivier das Geheimnis und Francis gerät in Panik...

Das Ende ist fast religiös - Vergebung, Verzeihung, Verständnis, Versöhnung, wie es in der Bibel nicht viel anders beschrieben sein könnte. Hauptdarsteller Olivier Gourmet erhielt 2002 in Cannes den Preis als Bester Darsteller und der Streifen erhielt eine besondere Erwähnung der Ökumenischen Jury in Cannes 2002.
Erfreulich, dass der Film auf echtem (Super16) Filmmaterial und nicht auf billigem Video gedreht wurde, die Handkamera macht manchmal geniale Wendungen, die Szenerie ist absolut realistisch und glaubhaft. Wie schon in den beiden vom FKC gezeigten Filmen "Rosetta" und "La Promesse / Das Versprechen" der Gebrüder Dardenne werden die dunklen Seiten der Arbeitswelten im Kapitalismus der Globalisierungsphase gezeigt, womit sich naturgemäß viele nicht gerne beschäftigen ....

*** 1/2 die soziale Realität in einem sozialökonomischen Arbeitsprojekt - ein Tischlermeister bildet den Mörder seines Sohnes aus.
Konsequent einfach und berührend.


Freundschaft, Ticks und ein Sozialarbeiter (von Walter Gasperi)

Subtil und mit viel Wärme erzählt der Norweger Peter Naess in "Elling" die einfache Geschichte zweier Sonderlinge, die langsam den Weg ins Leben finden.

 Elling (Per Christian Ellefsen), Mitte vierzig, in höchstem Maße introvertiert und unfähig sein Leben selbst zu organisieren, wird nach dem Tod seiner Mutter in eine psychiatrische Klinik eingeliefert. Dort lernt er den hünenhaften, aber etwas zurückgebliebenen und sich nur nach Essen und Sex sehnenden Kjell Bjarne (Sven Nordin) kennen. Nach zweijährigem Sanatoriumsaufenthalt - und fünf Filmminuten - wird diesem ungleichen Paar, das seine Freundschaft erst entwickeln muss, eine Sozialwohnung in Oslo zugewiesen, in der sie, betreut vom Sozialarbeiter Frank, lernen sollen ihr Leben selbst zu gestalten.
Die Liebe zu seinen Personen und die Zärtlichkeit, mit der sich der norwegische Regisseur Peter Naess diesen nähert, verleiht "Elling" einen Charme und eine Wärme, denen man sich unmöglich entziehen kann. Bewegend und rührend, wunderbar zwischen Komödie und Drama balancierend vollzieht sich die langsame Öffnung Ellings, der zunächst seine Angst vor dem Telefonieren oder vor dem Verlassen der Wohnung überwinden muss. Kaum weniger genau wird aber auch geschildert, wie Kjelle Bjarne langsam Selbstbewusstsein entwickelt. - Gleichwertige Hauptfiguren sind diese beiden Sonderlinge.
Naess kann getrost auf alles Spektakuläre verzichten. Sein Film lebt von der genauen Beobachtung alltäglicher Verrichtungen und der Nähe zu den differenziert gezeichneten und großartig gespielten Figuren. Zu ebenso plausiblen wie spannenden Szenen werden dadurch an sich banale Handlungen wie der für Elling schwierige Gang auf eine öffentliche Toilette.
Doch über diesen überzeugenden und gleichzeitig höchst unterhaltsamen Einblick in das schwierige Leben eines psychisch Kranken hinaus macht "Elling" in seinem grenzenlosen Optimismus und in seinem Glauben an das Gute auch und vor allem Mut. Denn nicht staatliche Sozialhilfe und nicht Medikamente, sondern die gegenseitige Unterstützung der ungleichen Freunde erscheint hier als das beste Heilmittel. - Alles wird zwar gut, doch das Glück ist hier nie ungebrochen, denn die Fragilität des gesundheitlichen Zustands und der Beziehung der Figuren bleibt in diesem herzerwärmenden und zutiefst menschlichen Film immer spürbar.


Josef Haders Odyssee durch Osteuropa (von Walter Gasperi)  

Von Großenzersdorf bis ans Schwarze Meer treibt Josef Hader die Suche nach einer geheimnisvollen Frau in Andrea Maria Dusls Roadmovie "Blue Moon"

Ein ´Blue Moon´ - das Zusammentreffen von zwei Vollmonden innerhalb eines Monats - gibt nicht nur den zeitlichen Rahmen vor, sondern dieses seltene Phänomen scheint in Andrea Maria Dusls Spielfilmdebüt auch für die leichte, traumartige Stimmung und für die manchmal fast ziellos dahindriftende Handlungsführung zu sorgen.
In Großenzersdorf soll Johnny Pichler (Josef Hader) einem Mafioso Geld übergeben, doch es kommt zum Streit. - Der Gangster wird überwältigt und das Callgirl Shirley entführt Johnny im Cadillac. Gelassen lässt sich der antriebslose Melancholiker auf diese Reise ein und, als Shirley in der Slowakei plötzlich verschwindet, ist er ihr längst verfallen und macht sich auf die Suche nach ihr. Immer aktiver wird Johnny im Laufe dieser Irrfahrt, die ihn quer durch die Ukraine bis nach Odessa führt.
So lakonisch Josef Hader diesen Johnny spielt, so gelassen und unaufgeregt erzählt Dusl. Nicht nur die Hauptfigur, die mit einer Videokamera die Welt zu erkunden beginnt, sondern auch die Regisseurin selbst macht sich auf eine Entdeckungsreise in den unbekannten Osten Europas. In ungeschönten, mit der Handkamera aufgenommenen Bildern fängt sie häßliche Hochhaussiedlungen, schäbige Wohnungen und Straßenszenen ein, vermeidet aber auch nicht - vielleicht um diese zu karikieren - Klischees wie Straßenräuber, korrupte Polizisten oder einen windigen deutschen "Geschäftsmann".
Die Mischung von Hintergrundschilderung, Roadmovie und Liebesgeschichte, die durch ein Doppelgängermotiv noch einen Thriller-Einschlag erhält, geht nicht immer auf. Der Erzählfluss gerät manchmal ins Stocken und kurze Episoden verdrängen phasenweise die Haupthandlung. Doch dieses Mäandern, diese fehlende Stringenz passt nicht schlecht zur Figur Haders. Wie diese auf ihrer Odyssee immer neuen Wendungen ausgesetzt ist und das Ziel manchmal in den Hintergrund tritt, so schlägt auch "Blue Moon" immer wieder Haken und genießt das trockene Ausspielen von Nebensächlichem.

Am Ende freilich, nachdem Hader nach dem Verschwinden der Doppelgängerin die Suche ein zweites Mal begonnen hat und ein zweites Mal dem Deutschen Ignaz begegnet ist, gönnt Dusl ihrem Paar unter dem zweiten Vollmond ein Happy-End.


Wahnsinnig verliebt (À la folie ... pas du tout)

Laetitia Colombani, F 2002
Audrey Tautou, bekannt seit "der wunderbaren Welt der Amelie" spielt die Hauptrolle in diesem bemerkenswerten Film, der vor allem junge Mädchen in die Kinos lockt. Wie schon in "Lola rennt" wird eine Geschichte zweimal erzählt, zuerst aus der Sicht der Täterin, dann aus der völlig anderen Sicht des Opfers ... einer Wahn-Sinnig verliebten. Eine junge Frau liebt einen Kardiologen, schickt ihm Geschenke, ja sogar den Hausschlüssel, wartet vergebens auf ihn auf dem Flughafen, um in die Ferien zu fliegen, tötet die Leibesfrucht seiner Frau, bringt seine Ehe in Gefahr und versucht sich dann das Leben zu nehmen, wird aber (natürlich von ihm) gerettet und... (alles verrate ich nun doch nicht) , sie landet schließlich zwangsweise in der Psychiatrie. Diagnose: Erotomanie. Tolle Schlussszene: die Tabletten, die sie einnehmen hätten sollen, wurden zu einem Mosaik mit seinem Antlitz geformt und hinter dem Kasten abgespachtelt. Gewalt gegen Männer ist also lustig, vor allem wenn sie ausgeübt wird durch eine psychisch kranke Frau ...

 ***1/2 vergnüglich und kurzweilig, filmisch frisch, aber jugendfrei und brav....


Hinweis zum neuen amerikanischen Frida Kahlo Film:
FKC-Gänger wissen: Schon Paul Leduc drehte einen Film über die mexikanische Malerin, Frau Diego Rivieras und Stalinistin.

Und wer im FKC auch "Asaltar los cielos" gesehen hat weiß auch, dass es Frida Kahlo war, die den Mord an Leo Trotzky ermöglichte: sie verschaffte seinem Mörder Ramón Mercander den Zutritt ins Trotzkys Haus. Diese Fakten wurden erst vor kurzem nach der Öffnung der russischen Archive aufgedeckt. Der amerikanische Film verschweigt dies natürlich, da die Differenzierung linker Gruppen ihnen wohl viel zu kompliziert wäre, die sich auch in sexueller Promiskuität ausdrückende lateinamerikanische Lebensfreude hingegen wird plakativ herausgestrichen. Dennoch: so schlecht ist der Streifen nicht und regt allemal zur Diskussion oder weiterführenden Studien über Frida Kahle und Diego Riviera an.

Frida

Julie Taymor, USA/Mex 2002

Miramax Films, eine der grossen Hollywood Produktionsfirma ließ sich mit Selma Hayek (die sich selbst auch als Mitproduzentin einbrachte) darauf ein, über die berühmte mexikanische Malerin Frida Kahlo einen Film zu drehen ini dem sie selbst die Hauptrolle spielt. Frida erleidet in einem öffentlichen Omnibus einen schweren Unfall, ist Zeit ihres Lebens körperlich behindert und leidet fast ständig an  Schmerzen. Obwohl sie schon an als Schülerin weiß, welch Weiberheld Diego Riviera ist (sie schaute ihm geheim zu, wenn er nach Aktsudien das Modell vögelte). heiratet sie ihn. Sie selber ist bisexuell und letztlich genauso wenig treu wie er, irgendwie verzeihen die beiden ihre auch in sexueller Promiskuität sich ausdrückende südamerikanische Lebensfreude, andererseits sind sie doch verletzt. Es fließt auch viel Tequila...
Über lange Passagen behandelt der Film auch das Leben und Werk von Riviera, der es als Kommunist sogar schaffte, ein Gemälde im Rockefeller Center in NYC malen zu dürfen. Da er die darin enthalte Figur Lenins aber nicht "korrigiert", bekommt er das volle Honorar und danach wird das Bild sofort zerstört.
Wieder aus dem Land dieser Kulturbarbaren nach Mexico zurückgekehrt, beherbergigen die beiden, inzwischen getrennt Lebenden (aber durch eine Brücke verbundenen)  den in Mexico als Asylanten aufgenommenen Leo Trotzky. Frida schläft auch mit ihm. Bekanntlich wird dann Trotzky doch (im 2. Anlauf) von den Schergen Stalins ermordet und Frida kommt kurz wegen Beihilfe zum Mord ins Gefängnis. Riviera und Mexicos Präsident Cardoso holen sie aber  rasch wieder heraus...
Als ihr auch noch die Zehen wegen Wundbrand amputiert werden müssen und sie an schwerer Bronchitis leidet, sollte sie das Bett hüten, doch endlich geht ihr Traum in Erfüllung: in Mexico selbst eine große Ausstellung machen zu können. Im Bett lässt sie sich zur Vernissage schleppen und unterbricht den lobhudelnden Fettwanst Diego....
Erstaunlich auch Alfred Molina (als schlanker politischer Gefangener in "kiss of a spiderwomen / Kuß der Spinnenfrau "  bekannt geworden) hat er sich gewischtsmäßsig ordentlich entwickelt.... er spielt den "Dickwanst" Diego Riviera.


*** opulent gedrehter, mit vielen folkloristischen und kulinarischen Details aus Mexico angereicherter Film über Frida Kahlo, die ja auch zu einer der Ikonen der feministischen Bewegung wurde. Auch der Soundtrack, übrigens nie zu dick aufgetragen, ist einschmeichelnd und (world music)  Chart-verdächtig. Immerhin wird auch einige Kritik an den USA geäußert und ein Impuls zur weiterführenden Beschäftigung mit den beiden mexikanischen Malern gegeben, wenngleich die Linke natürlich undifferenziert als chice saufende Modebewegung dargestellt wird.
http://www.miramax.com/frida/spanish/main.html (Spanische Homepage)


Am anderen Ende der Brücke

A/China 2002, Regie: Hu Mei, Drehbuch: Wang Zhebin,  Darsteller: Nina Proll, Erwin Steinhauer, Susi Nicoletti, Wang Zhiwen

Die österreichisch - chinesische Koproduktion ist als "Liebesfilm" konzipiert, der sich über mehr als ein Halbes Jahrhundert erstreckt.
Es soll eine wahre Geschichte sein!
Gegen den Willen ihres Vaters und nach schlechten Erfahrungen ihrer besten Freundin zieht die junge Fanny im österreichischen Schicksalsjahr 1938 zu ihrem Geliebten Ma Yunlong nach China; dieser absolvierte bei ihrem Vater, dem hohen Polizeiausbildner Ebner, eine Kadettenausbildung in Wien; diese wurde jäh abgebrochen, als Schuschnigg durch die Nazis  ermordet wird. In China angekommen, muss sie sich ebenfalls vielen Zwängen und Traditionen unterwerfen, beim Hochzeitsessen benimmt sie sich falsch, in dem sie aus Hunger die "verbotenen Knödel" isst und eigentlich sollte sie bei der Schwiegermutter bleiben und nicht mit dem Mann in die Stadt ziehen. Sie heiraten unter japanischem Bombenhagel auch noch nach katholischem Ritus; als dann in China Mao siegt, wird er als Konterrevolutionär in ein Umerziehungslager gesteckt und für kurze Zeit freigelassen, ab 1966 geht es ihnen auch auf dem Lande schlecht, er kommt wieder in Umerziehung. Als Fanny ihn zu Weihnachten in einem Lager besucht und ihm ein feines Essen bringt, werden sie erwischt und wegen dieser dekadenten westlichen Unsitte bestraft. Auch nach dem Tode Yunlongs bleibt Fanny mit ihren Kindern in China, obwohl sie hätte können nach Österreich ausreisen, und sie bereut angeblich nichts.
Abrupte Rückblenden, eine fürchterliche Synchronisation und eine schlechte Maske für die Proll in der Rolle einer reifen Frau vermiesen die an sich gute Geschichte und teilweise auch opulente Fotografie.

** annehmbar, aber nicht wirklich großartig oder gar zum Mitweinen anregend. Dramaturgisch und vom Schnitt her zum Teil mißglückt.

Richtigstellung:

Kurze historische Anmerkung zu Ihrer Filmkritik zu "Am anderen Ende der Brücke". Schuschnigg wurde von den Nazis nicht ermordet. Schuschnigg wurde 1938 interniert, zunächst bei der GESTAPO im Hotel Metropol (GESTAPO-Hauptquartier), später im KZ Oranienburg-Sachsenhausen, zuletzt in Dachau, wo er von den Amerikanern befreit wurde. Nach Ende des Krieges ging er in die USA, wurde Professor für Internationales Recht an der Universität von Missouri. 1977 starb er bei Innsbruck.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Christoph Gottesmann


TAKING SIDES - Der Fall Furtwängler 
Istvan Szabó, GB, F, D 2002

Wilhelm Furtwängler trat im Gegensatz zu Herbert von Karajan nie der NSDAP bei und half vielen Juden; der überragende Dirigent der Werke Beethovens und Bruckners diente andererseits den Nazis als Aushängeschild für die deutsche Kultur.

Der Film beginnt mit einer Aufführung von Beethovens "Schicksalsinfonie"  (5.) in einem herrlichen Saal, die Flaklichter scheinen herein und das Donnern der Bomben stören die von Nazigrößen besuchte Aufführung. Das Licht geht aus und ein hoher Nazi, der zu Furtwängler meint, er sehe übermüded aus, empfiehlt ihm das Land zu verlassen. Inzwischen ist das Schicksal Deutschlands besiegelt und Berlin besetzt.

Nach den Nürnberger Prozessen möchte Major Steve Arnold mit allen - auch unlauteren Mitteln -  im Rahmen der Entnazifizierungsprozesse am Fall Furtwängler ein Exempel zu statuieren. Er soll den berühmten Dirigenten als Nazi oder zumindest als opportuner Kollaborateur überführen. Steve Arnold (Harvey Keitel), einst ein kleiner Versicherungsagent hat wie die meisten Amis von Kunst und Kultur keine Ahnung, hasst wahrscheinlich klassische Musik und liebt den Jife und Swing. Er demütigt Furtwängler, hält ihm nichts zur Sache tuende Weibergeschichten vor und beschimpft ihn - die wohl bewegendste Szene des Films ist, als seine Stenografin den Job beim ihm quittieren will, weil er Furtwängler so verhört habe, wie einst die Gestapo sie. Auch Versuche der Russen, ihn als Stardirigent in die Ostzone zu bekommen scheitern vorerst an seinem Auftrittsverbot. Und wie sagt der Russische Attachee richtig: muss den die ganze Welt so sein, wie es sich die Amis vorstellen ? Letztlich wird Furtwängler zwar freigesprochen, doch erhält sein Erzfeind Herbert von Karajan den begehrten Posten als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker und Furtwängler darf nie in den USA auftreten. Er stirbt 1954.

Nicht gerade passend besetzt ist Furtwängler mit Stellan Skarsgård  und auch Moritz Bleibtreu als "Aufpasser" aus Wiesbaden und geheimer Verehrer seiner Beethoven-Interpretationen bleibt blass und ein Statist.

Dennoch sind die Parallelen zur Gegenwart frappierend: gleich wie die Yankees ohne wirkliche Beweise dem Irak "ernste Konsequenzen" (d.h. totaler Krieg) androhen versucht Major Steve im Film mit allen möglichen und auch dreckigen Methoden "Beweise" gegen Furtwängler zu finden.

*** 1/2 empfehlenswert; packender und spannender Film über einen unfairen Schauprozess der Amerikaner gegen Wilhelm Furtwängler. Etwas zu wortlastig und mit zu wenigen originalen Musikdokumenten. Er zeigt jedoch eindringlich die erschreckende Arroganz der USA und deren unfeine Methoden gegen Unschuldige, die ihnen aus irgendeinem Grund nicht passen.
Musikbeispiele im Internet: http://www.klassikakzente.de


Bowling for Columbine
Michael Moore, USA/CDN/D  2002, 122 Min, Docu
http://www.bowling-for-columbine.de/
Nun das genialste an diesem Film ist sein Trailer, der lockt ganz schön Publikum ins Kino. Und alle, die den USA etwas kritisch gegenüberstehen - was ja jetzt bei der Kriegshetzerei des Herrn Busch kein Wunder ist - bekommen einiges Material und ihre Meinung bestätigt. Sein Buch "Stupid white men" (Piper Verlag, 12€ in D) ist in den Bestsellerlisten.
Ausgehend von dem Columbine Highschool Massaker im April 1999 beschäftigt sich Michael Moore mit der Frage: „Sind wir verrückt nach Waffen – oder sind wir nur verrückt?“. Er streift dabei auch Themen wie Rassendiskriminierung, Soziale Fragen (Zwangsarbeit für SozialhilfeempfängerInnen), die blutige Geschichte der USA und fragt sich, warum es in den USA rund 11.000 Schusswaffenmorde pro Jahr (!) gibt, in D, F aber nur rund 100. Und warum in Kanada die Menschen so anders sind, die Türen unversperrt lassen, offener sind.
Immer wieder Massaker in den Schulen, und sogar ein 6 jähriger hat schon eine Gleichjährige erschossen...

Während Satchmo "its a wounderful world" singt, kommen als Lauftitel die Kriegsverbrechen der USA in Erinnerung, Von Arbenz in Guatemala, von Diem in Vietnam, von Salvador Allende in Chile, wie Noriega und Saddam einst hochgerüstet wurden etc. (für Leser der "Akte Kissinger" übrigens auch nichts Neues).
Ein Interview mit Charlton Heston, ein glühender Verfechter des verfassungsmäßigen Rechtes auf eine stets geladene Waffe in jedem Haus und Kämpfer in einem Waffenclub, steht gegen Ende, ein Erfolg, dass bei Malwart keine Munition mehr verkauft wird, ebenso.

Nun, es ist sehr schön, wenn dies möglichst viele wissen, vor allem jene, die noch von den USA träumen und ihr verlogenes, idealisiertes Bild aus den Hollywood-Filmen im Kopf haben, ohne Zweifel. Nur rein filmisch ist der Film recht konventionell gemacht.
NB: ich sah den Film im Oscar-Kino Feldkirch, wo  er nicht in richtigem Format gezeigt wurde; entweder fehlten unten etwas und die Untertitel waren nicht zu lesen, oder "oben" wurde die Köpfe schon bei der Nase abgeschnitten. Und bei 4fach-Mosaikbildern fehlte den oberen auch die Hälfte...
*** sehenswert, Aussage: wo viel Waffen sind, werden sie auch viel benutzt! Und: In Kanada ist alles anders und besser als in den USA, wo die Menschen in Panik und Angst Leben und sich wahnsinnig bewaffnen.


HAIDER LEBT!
Man darf sich nicht allzu viel von dieser Politsatire des Shakespeare-Regisseurs Peter Kern erwarten; dennoch ist vielleicht einiges Prophetisches darin (Österreich wird an die USA angeschlossen, der € durch den $ ersetzt; dadurch die politischen Parteien verboten, ebenso das Sprechen im Dialekt; Haider, der eigentlich die Amerikanisierung vorantrieb, angeblich beim US-Putsch ermordet, Riss-Passer machte eine unblutige Übergabe der Republik...). Journalisten des letzten freien deutschen Fernsehens suchen nach den Spuren von Haider und brauchen dazu die Mithilfe von Susi... Showdown: Schüssel hält Haider im Käfig gefangen....
Fallweise recht amüsant, natürlich ohne Subventionen und mit einfachsten Mitteln gemacht, respektable Kamera, Freundes des Polit-Kabaretts durchaus zu empfehlen.  
Weniger eine Satire an Haider direkt, als an der derzeitigen politischen Situation Österreichs. Auch die Amis bekommen ihr Fett ab!
** akzeptabel


ONE HOUR PHOTO
Mark Romanek, USA 2002, 98 Min, digital

Mit Robin Williams.
Zum zweiten Mal spielt Robin Williams nicht den netten Mann, sondern einen Psychopathen. Der Aufbau des Filmes ist typisch amerikanisch - heile Welt am Anfang, glückliche Familien und ein Showdown am Schluss.
Sy entwickelt in einem Kaufhaus binnen einer Stunde die Fotos seiner KundInnen  und nimmt es sehr genau mit der Farbqualität seiner Prints, doch er mischt sich zunehmend in das Privatleben seiner Kunden ein, macht bei einer Familie, der er besonders nahe steht (oder dies zumindest glaubt), auch ungefragt Abzüge für sich. Als das herauskommt, wird er gefeuert. Er entdeckt auch auf den Foto seiner Kunden, dass eben dieser Ehemann der Musterfamilie fremd geht und spioniert ihnen weiter nach, bis er sie tätlich bedroht und zu Aktfotos zwingt , die Polizei kommt Ärgerem gerade noch zuvor.

Ein kritischer Blick auf die scheinbar immer so lächelnden Fassaden, die hinter den Familienfotos stehen.

**1/2 spannender und detailgenauer Thriller, dennoch ist manche Aufregung etwas künstlich und moralisierend, massiver Musikeinsatz sorgt mehr für Spannung denn die Handlung selbst. (für einen US Film eigenartig - alle knipsen auf Agfa oder Fuji...)


Ravioli

Peter Payer, Österreich 2002 http://www.ravioli-derfilm.at/

Alfred Dorfer führt, stilistisch anders als Ulrich Seidl, dem Herrn Österreicher die dunkle Seite seiner gemütlichen Wiener Seele vor. Mit verhaltenem Witz wird Realität und Traum, Vergangenheit und Gegenwart eines einsamen Mannes gezeigt, der in der Wohnung der verstorbenen Mutter, als arbeitsloser stv. Bankfilialleiter, im Duett mit Valium und Alkohol vor sich hin lebt. Die Visualisierung mancher Vorstellungen, der Dialog mit der verstorbenen Mutter,  ist eine gewisse Stärke des Film, der allerdings weder besonders lustig, noch spannend ist.
"Wieso kann Descartes sagen: ich denke, also bin ich - und mein Nachbar existiert dennoch?" ist einer der sinnigen Sprüche...
** Annehmbar


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