Filmkritiken des FKC 2007

wenn nicht anders angegeben ist Dr. Norbert Fink (NF) der Autor
WG = Prof. Walter Gasperi
Urs = Dr. Urs Vokinger


Weitere Kritiken von Walter Gasperi finden sich
auch hier. (Kultur-Online - auf Filmriss weiter klicken)
max: *****, ## = Schlafkissen für besonders langweilige Filme


Babel Vitus Dunia
Mein Führer Die Fälscher Der letzte König von Schottland
Dunkelblaufastschwarz 2 Tage Paris Nach der Hochzeit
Shoppen Zusammen ist man weniger allein Irina Palm
Ein fliehendes Pferd Sterben für Anfänger Sie sind ein schöner Mann

weiter Filmkritiken 2008

Sie sind ein schöner Mann (Je vous trouve très beau)
F 2005, 97 Min, Regie: Isabelle Mergault
Der Bauer Aymé ist nicht gerade ein Gefühlsmensch. Zumindest nach außen. Als seine Frau an einem Arbeitsunfall stirbt, hält sich seine Trauer in Grenzen, viel mehr stört ihn, dass ihm eine billige Arbeitskraft verloren ging. Auf Anraten seiner Erbschaftsanwältin wendet er sich an ein Heiratsinstitut, welche nur  in Rumänien noch Chancen für ihn sieht. Er täuscht einen Besuch einer deutschen Landwirtschaftsmesse vor und geht nach Bukarest auf Brautschau, doch die meisten jungen Frauen wollen in die Disco, statt auf dem Hofe zu arbeiten. Doch Elena ist anders und geht mit ihm mit, verschweigt ihm aber, dass sie eine Tochter hat. Als sie sich schön macht, beschimpft er sie als Nutte, er will keinen Sex mit ihr, doch langsam taut er etwas auf, bleibt jedoch in der Übermittlung seiner Gefühle sehr hölzern. Erst als sie, wieder mit viel Geld zurückgekehrt, das sie angeblich bei einer Pferdewette gewonnen hat, bemerkt, dass es sein Geld war und er sie offenbar trotz den rauen Sprüche  mag, wendet sich das Blatt.
Amüsanter und unterhaltsamer feel-good-Film, der sich erfreulicherweise den Klischees "alle Männer wollen nur das eine" und "Rumäninnen sind kleinkriminelle Zigeunerinnen" enthält und statt dessen zeigt, wie schwer sich Männer im Äußern der Gefühle tun können.
*** nette kleine Kulturaustausch - Komödie zwischen Frankreich und Rumänien.


Sterben für Anfänger (Death at a funeral)
USA/GB/D 2007, Regie: Frank Oz, 91 Min
Vielmehr als reinen Klamauk ohne Tiefgang konnte ich in dem dümmlichen Plot nicht erkennen: Bei einem Begräbnis wird zuerst eine falsche Leiche geliefert, ein Sohn des Verstorbenen, ein bekannter Schriftsteller kommt erster Klasse angeflogen, will sich aber nicht an den Kosten beteiligen, dann kommt eine halluzinogene Droge in einem Valium-Fläschchen in Umlauf und ein Gast klettert nackt auf das Dach, zu guter letzt  taucht ein zwergwüchsiger Mann auf, der behauptet der homosex. Freund des Verstorbenen gewesen zu sein und der die illustre Runde mit Fotos darüber informieren will, wenn man ihm nicht ein saftiges Schweigegeld bezahle. Also wird auch dieser mit der Droge abgefüllt, fällt ins Koma und wird im Sarg auf dem Toten versteckt ...
Möglicherweise hat auch die deutsche Synchronisation diesem Werk den letzten Reiz genommen...
# entbehrlicher Klamauk


Ein fliehendes Pferd
Deutschland 2007 - Regie: Rainer Kaufmann, mit Ulrich Noethen, Katja Riemann u.a., 97 Min
Verfilmung des Romans von Martin Walser, gedreht am Bodensee!
Die Geschichte ist im Prinzip einfach: zwei Pärchen treffen sich und beide Männer begehren des anderen Weib, die Frauen wiederum sind dem Werben nicht ganz abgeneigt.
Helmut, ein Geschichte/Deutsch-Professor aus München hat am deutschen Bodenseeufer ein Ferienhaus und verbringt dort mit seiner Gattin Sabine wie so oft den Urlaub, er sollte geruhsam sein und Zeit zum Lesen haben. Doch dann taucht beim Baden der alte Studienkollege Klaus, ein angeberischer, aber stets aktiver Playboy in Begleitung der blutjungen Hel auf. Helmut ist über die Begegnung genervt, doch lässt Klaus nicht locker. Immerhin gefällt ihm dessen Begleiterin und auch seiner Frau scheint etwas Abwechslung gut zu tun. Es kommt allerdings immer wieder zu Konflikten, denn Helmut will nicht an seine Jugendzeit erinnert werden bzw. findet die Geschichten erlogen. Als beide beim Partner des anderen schon nahe dran sind, kommt es während eines Sturmes mit dem Segelboot auf dem Bodensee zur Tragödie.
*** Witzige und unterhaltsame Verfilmung, gut gespielt und in unserer Nähe gefilmt.


Irina Palm
Sam Garbasky, GB, B, L, F, D  2007, 103 Min
Maggies Enkelchen ist totkrank in einem Londoner Spital, nur eine Operation im fernen Australien könnte ihn retten. Die Banken geben weder ihr noch der Familie ihres Sohnes Kredit, in ihrem Alter findet die Ungelernte auch keinen Job mehr. Als letzter Ausweg bleibt da noch die Sexarbeit. In einem Club in Soho hatte ein findiger Unternehmer die Idee, den Männern anonyme "Handarbeit" anzubieten, in dem sie ihren Penis einfach durch ein Loch stecken, wo am anderen Ende eine Frau, die sie nicht sehen, ihnen einen herunterholt. Bald wird Maggy ein Talent in ihrem Fach und jene junge Frau, die sie eingearbeitet hat, entlassen. Sie erhält den Künstlernamen Irina Palm und die Männer stehen Schlange. Auch ein Konkurrent macht ihr Angebote, doch das kann sie nicht annehmen, weil sie 6000£. von ihrem Chef Miki geliehen hatte. Mit dem Geld soll ihr Enkelchen geheilt werden. Alle werden misstrauisch, weil sie niemanden sagen kann woher das Geld ist und wo sie arbeitet.
Erste Schwierigkeiten treten auf, als sie wegen Überarbeitung einen "Penis-Arm" bekommt und echt kritisch wird die Lage, als ihr Sohn ihr nachspioniert und sie im Etablissement entdeckt. 
**** Der Film wird nie schlüpfrig, man sieht auch nie einen Penis oder andere pornografische Details, er ist witzig, spannend und ziemlich rührend. Marianne Faithfull spielt die Rolle wunderbar und auch Miki ist kein Bösewicht, sondern fürs Rotlichtmileau recht verständnisvoll.


Zusammen ist man weniger allein
Claude Berri, F 2007, 97 Min
Auch der neueste Film mit der kindlichen Audrey Toutou ist ein positiv gestimmtes "Märchen", das uns die Geschichte von vier unterschiedlichen Menschen zeigt, die recht einsam sind. Statt sich darüber zu beklagen, dass niemand mehr den Nachbarn kennt, warum ihn nicht einfach zu einem kleinen Essen einladen? Dies widerfährt dem stotternden Philibert, als er von der "Fachfrau für Oberflächenbehandlung" (vulgo Putzfrau) so angesprochen wird, und er kümmert sich nun rührend um sie, als sie in ihrer kalten Dachwohnung sich erkältet. Da ist dann noch ein gestresster Koch, der recht ruppig tut, aber eigentlich auch das Herz am rechten Fleck hat, seine Oma wird ein Pflegefall. Nebenbei sind die beiden noch recht kreativ und entfalten ihre künstlerischen Talente.
Dass in diesem braven Feelgood-Movie sich gleich mehrere Happy-Ends ereignen, verwundert ja nicht.
*** Ein nettes Melodram. Die Aussage, wenn ihr nur netter zueinander wäret, ginge alles besser, ist leider etwas dünn.


Shoppen
Ralf Westhoff, D 2006, 95 Min
Neun weibliche und neun männliche Singles treffen sich zum "powerdating": sie haben je 5 Min. Zeit sich gegenseitig Fragen zu stellen und danach zu entscheiden, wem man die Telefonnummer gibt bzw. von wem man sie möchte. Rasant geschnitten, weiß der Film um die Gefahr der "schwätzenden Köpfe" bei solch dialoglastigen Themen und zeigt deshalb einige Vorgeschichten und natürlich auch wie es nachher weiterging. So arbeitete ein "Controller" einen Fragebogen aus, der die Frauen extrem nervte, ein anderer beschimpfte jede Autobesitzerin als  Umweltsünderin, einer ist einfach ein schmeichelnder Aufreißer, eine eine extreme Veganerin, eine Jogalehrerin, kurzum sie alle sind "schwervermittelbar", sexsüchtig und bindungsscheu, haben extreme Marotten, sind schlagfertig und sehr originell. Wie im normalen Leben, finden sie sich manchmal, zerstreiten sich gleich wieder. Die dahinter liegende Einstellung, wie beim Shopping einfach schnell mal eine menschliche Beziehung zu konsumieren, wird äußerst witzig entlarvt.
*** realistisch und witzig nimmt der Debutfilm die moderne "Kommunikationsstruktur" zwischen den Geschlechtern auf die Schippe. Der Filmemacher hat diesen Debütfilm zusammen mit einem anderen kleinen Produzenten selbst produziert. X-Film hat den Film für Deutschland gekauft. (In Österreich im Verleih der Polyfilm)


 
Nach der Hochzeit

Susanne Blier, DK/S 2006, 125 Min.
Jacob, einst kiffender Aussteiger, den es nach Indien verschlagen, leitet nun ein Waisenhaus in Indien.
Bei Jorgen, einem reichen Gönner in seinem Heimatland, bittet er um eine Unterstützung für sein Projekt. Aus den Slums von Kalcutta taucht er in die Welt der Luxushotels und Superreichen, Jorgen lädt ihn zur Hochzeit seiner Tochter Anne ein. Dort trifft Jacob auf seine ehemalige Freundin Helene - und erfährt dass er der Vater von Anne ist.
Nun kommt es zu einer wahnsinnigen Achterbahn der Gefühle und Blier stopft in den Film an Emotionen hinein, was nur möglich ist. Statt 1 Million $ will Jorgen ihm gleich 12 Millionen geben, die Stiftung sollen Anne und er verwalten, doch daran sind einige harte Bedingungen geknüpft, die Jacob nicht akzeptieren will, bis er erfährt, das Jorgen nicht mehr lange leben wird...
***1/2 Trotz der Länge wird der Film nie langweilig, der Culture-Clash zwischen Jacob und Jorgen ist nachvollziehbar dargestellt; Susanne Blier verlässt dabei die Dogma-Regeln, nur der intensive Einsatz von Handkameras erinnert noch etwas daran.


2 Tage Paris

Julie Delpi, D, F 2007, 96 min

Die Idee ist an sich reizvoll: Marion, eine Französin, die in NY lebt und Jack, ein Ami lassen in Paris ihre unterschiedlichen Kulturen aufeinander prallen. Obwohl sie aus Venedig anreisen und bald weiterfliegen, sind sie eigentlich keine Touristen, da Marion im Haus ihrer Eltern eine Wohnung hat. Jack ist hysterisch, wenn im Bad die Wand etwas schimmelt und vor allem über die vielen Liebhaber vor ihm entsetzt, dass sich aber die ganze moderne Kunst nur um Sex handelt, hätte er trotz Freud nicht gedacht.
Ganz Paris scheint sich gegen ihn verschworen zu haben und er ist rasend vor Eifersucht. Da schickt er schon mal seine Landsleute, um schneller an ein Taxi zu kommen in die Irre (weil sie Bush gewählt haben…)

Es wird pausenlos und schnell geredet, manches ist durchaus witzig, bleibt aber banal und auf der Beziehungsebene der beiden Stadtneurotiker. Schade, dass die (hoffentlich noch) real existierenden Unterschiede zwischen den Hamburger-verzehrenden Amis und den Gourmets a lá Francaise nicht mehr herausgearbeitet wurden und der Film sich eigentlich über die „unmoralischen“ Europäer lustig macht statt über die hysterischen Yankees, die überall Gefahr wittern.
*  viel zu geschwätzig


Dunkelblaufastschwarz - Azul oscuro, casi negro


E 2006, Cinemascope, 105 Min; Daniel Sánchez Arévalo
Das Filmplakat wirbt mit dem Vergleich mit Almódovar. Die Figuren sind aber weniger schrill und die Farben weniger knallig.
Es beginnt im Knast, um mit dem anderen Geschlecht in Kontakt zu kommen, melden sich die wegen Drogen Schmuggel verurteilte Frau und ein Mann zu einem Theaterworkshop. Eigentlich will sie nur schwanger werden, um in die viel bequemere Mutter-Kind Abteilung verlegt zu werden .
Da es aber trotz viel Sex nicht klappt, bittet der Knacki seinen Bruder Jorge um Hilfe, er soll sie schwängern. Dies gelingt zwar, doch bildet sich daraus entgegen der ursprünglichen Vereinbarung doch eine tragfeste Beziehung mit Jorge an.

Jorge hat zuhause einen dementen Vater zu pflegen, für seinen Zustand fühlt er sich irgendwie verantwortlich, denn als er ihn in seinen Streben nach Unabhängigkeit anschrie, hatte er seinen Schlaganfall. Er versucht nach oben zu kommen, doch trotz erfolgreichem Abendstudium und Nadelstreif gelingt ihm dies nie, er verdingt sich als Hauswart auf der Stelle seines Vaters. Mit einem Nachbarjungen fotografieren sie einen schwulen Masseur und erpressen die Kunden, sogar den eigenen Vater. Jorge ist sich auch nicht ganz im Klaren, ob er schwul ist oder nicht, und falls nicht, in welche Frau er verliebt ist.
Nur die latente Homosexualität ist eine Parallele zu Almódovar .
Die Handlung an sich ist OK, die Figuren bleiben aber sehr blass, dafür halten mehrere Sexszenen das Publikum bei Laune.

** Knast- Beziehungs- Tragikomödie


Der letzte König von Schottland – In den Fängen der Macht
USA, GB 2006, Regie: Kevin MacDonald

Der schottische Jung-Mediziner Nicholas Garrigan beschließt im Jahr 1971 nach dem Examen seinem restriktiven Elternhaus zu entkommen und will in das erste Land, auf das er blind auf seinem Globus zielt, reisen. Er kommt daraufhin nach Uganda, wo er zunächst versucht, als Arzt der Landbevölkerung zu helfen. Als er zufällig Idi Amin Dada bei einem Verkehrsunfall hilft, wird er daraufhin von ihm zu seinem Leibarzt ernannt. Am Anfang begeistert von der charismatischen Persönlichkeit Amins wird er zu einem seiner engsten Vertrauten. Durch „kleine Geschenke“ wie Sportwagen und schöne Frauen wird er bei Laune gehalten und Teil der herrschenden Clique um Amin, die ihre Macht in exzessiven Partys und einem unglaublichen Luxus feiert und verliert dabei immer mehr den Kontakt zur Realität in Uganda. So verteidigt er Amin zunächst vehement gegen Vorwürfe ausländischer Kritiker.

Erst als er sich selber nicht nur am Tode des Gesundheitsministers schuldig fühlt und in arge Schwierigkeiten gerät, weil er eine von Amin´s Frauen schwängerte, und diese beim Versuch einer Abtreibung verstümmelt wird, sieht er die Lage realistisch und will zurück, doch sein britischer Pass wurde ihm genommen; nur wenn er Amin ermorde, werde ihm die britische Botschaft helfen. Der plumpe Vergiftungsversuch schlägt fehl und nun er wird selbst gefoltert, doch im Zuge der Flugzeugentführung von Entebbe gelingt ihm die Flucht.

Der rasant gedrehte und mit mitreißender afrikanischer Musik untermalte Film bestätigt in erster Linie die Vorurteile von uns Weissen gegen die schwarzen Diktatoren und lässt dabei kein Klischee aus.
Dabei wird allerdings außer Acht gelassen, dass Idi Amin auch aus muslemischer Eifererei handelte und das nur zu 15% islamische Land islamisieren wollte. Allerdings wird im Film auch angedeutet, dass der Westen anfangs Idi Amins Putsch gegen den „Linken“ Milton Obote durchaus unterstützte.
Lt. Abspann wurden 300.000 Menschen (lt. Wikipedia 100-400.000) unter der Gewaltherrschaft von Amin ermordet.

 das war der echte Idi Amin….

** 1/2 der spannend gemachte Film gibt wenig Auskunft über die psychologischen Hintergründe der Persönlichkeit Idi Amins und spart auch wichtige Aspekte wie koloniale Vorgeschichte, Religion, Beziehung zum Westen und zur Sowjetunion aus, so dass letztlich nur ein Abenteuerfilm um das Monster Idi Amin übrig bleibt.


Die Fälscher

Stefan Ruzowitzky, A 2006, 98 Min, 35mm , dolby digital

Josef Aichholzer produzierte diesen großen Film mit Karl Markovics an Hand wahrer Begebenheiten. Die Nazis installierten im KZ Sachsenhausen eine Fälscherwerkstatt, um im großen Stil englische Pfund und amerikanische Dollars zu fälschen. Salomon Sorowitsch ist in Berlin der Fälscherkönig, das Geld, das er für seinen luxuriösen Lebensstil benötigt, druckt er selbst, oder er verdient am Fälschen von Visas und Pässen.

 
Eines Tages wird er von einem Kriminalbeamten verhaftet, der später im KZ diese Fälscherwerkstatt leiten soll. Einige Häftlinge, Druck- und Grafikexperten, bekommen eine „luxuriöse“ Abteilung im KZ, dürfen sogar Tischtennis spielen und bunte Abende veranstalten, bekommen ausreichend zu essen und dürfen in guten Betten schlafen. Doch sie müssen Geld fälschen. Dank Sorowitsch wird das englische Pfund so gut gefälscht, dass weder die Schweizer Banken, noch die Bank of England die Blüten identifizieren können. Doch als es um den Dollar geht, regt sich der Widerstand. Der Kommunist Burger will das Projekt sabotieren, doch der Rest der Truppe will überleben. Nur dank der Verzögerung am Dollar-Projekt sind vielleicht die Nazis nicht zu dem Geld gekommen, das sie für kriegswichtige Waffenkäufe gebraucht hätten. Doch gerade diese Szenen des Widerstands, schrill und laut dargestellt, sind wenig glaubwürdig: so werden Toiletten zerschlagen, Betten umgekippt und wild unter den privilegierten Häftlingen geprügelt. Aichholzer gab in der Diskussion zu, dass dies die „einzige Verdichtung“ gegenüber dem Buch „des Teufels Werkstatt“  von Adolf Burger sei. Der Film wählte also nicht den Kommunisten Burger, sondern den Kriminellen Sorowitsch zum Hauptprotagonisten. Nach dem Krieg verspielt Sorowitsch die auf die Seite geschaffte Blüten im mondänen Spielcasino von Monte Carlo. Als ihm eine Frau am Strand daraufhin ansprach viel Geld verloren zu haben, meinte er lakonisch, dann machen wir eben Neues.


*** gut gemachter, aber manchmal zu hektisch und actionreicher Film über einen jüdischen Geldfälscher, der im KZ Sachsenhausen in großem Stil eine Gelddruckerei leiten soll. Gerade die Szenen des Widerstands sind in ihrer Verdichtung übertrieben und in dieser Form wenig glaubhaft. (erhielt den Drehbuchpreis 2007 der Diagonale)


Mein Führer

Dany Levy, D 2007

Die Frage, ob man in Form einer Komödie die Gräuel des Nationalsozialismus behandeln darf, ist längst schon müßig: sowohl Lubitsch (Sein oder Nichtsein), als auch Chaplin (der große Diktator) und jüngst natürlich Begnini in „La Vita é Bella“ haben brillant bewiesen, dass Spott und Satire eine scharfe Waffe sein können und genauso berechtigt sind wie wissenschaftlich fundierte Dokumentationen. Dennoch haben manche Schreiberlinge im deutschsprachigen Blätterwald diese längst beantwortete Frage auf Grund dieses neuen Films neu gestellt.

Ich dachte mir, kann ein von arte produzierter Film, der in allen österr. Programmkinos läuft, denn wirklich so schlecht sein, wie ihn manche machten ? Und siehe da, ich war positiv überrascht:
Der Film ist durchgehend spannend, weil immer jemand Hitler umbringen will – zuerst der jüdische Schauspieler Grünbaum, der als „Coach“ für die Neujahrsrede 1945 unersetzlich ist und deshalb aus dem KZ geholt wird, dann dessen Frau, die es selber machen will als sich der Führer zu den Grünbaum´s ins Bett gesellt, und dann seine Elite, die sich um ihn schart und jedes Wort abhört. Am Schluss plant Goebbels ein Attentat auf den Führer, will es aber natürlich perfiderweise Grünbaum in die Schuhe schieben.

Überraschend gut ist dabei der Bildaufbau gelungen, der Witz des Filmes liegt weniger im Wort, denn im Bild: die Bilder aus seinem Hauptquartier wirken einerseits architektonisch und stilistisch glaubhaft, dann aber doch wieder witzig überzogen: der Globus als Apotheke des ständig kränkelnden Führers, sein mit Wappen und Hakenkreuz überzogenes Riesenbett, aus dem er im Nachthemd heraus kriecht, seine Badewanne, in der er mit einem kleinen Kriegsschiff spielen kann und natürlich die aufgebauten Kulissen, um den Wochenschau-Zusehern den Anblick des zerbombten Berlin zu ersparen.
Letztlich endet der Film in einem Zitat Chaplins, der ja in der Schlussrede des „großen Diktators“ Hinkel plötzlich eine rührende humanistische Rede halten lässt – Levy lässt seinen an Heiserkeit erkrankten Führer durch Grünbaum doublen,  um nach scharfen Worten im Sinne Goebbels plötzlich mit der Wahrheit herauszurücken.

*** Auch wenn Helge Schneider manchmal zu sehr übertreibt: durchaus unterhaltsame Komödie mit gelungen Bildern und Musikpassagen, die vor allem psychologische Aspekte – die Kindheit Hitlers – und das Misstrauen unter seinem Führungsstab hervorhebt.



Dunia

Ägypten 2005; Regie und Buch: Jocelyne Saab; 112min; arabische OmU.

Die schöne Dunia meldet sich in Kairo zu einem Tanzwettbewerb an, sie möchte wie ihre verstorbene Mutter eine berühmte Bauchtänzerin werden. Sie studiert an der Uni arabische Literatur und möchte hier die Sinnlichkeit erforschen, wie sie in „Geschichten aus 1001 Nacht“ und im Sufismus Tradition haben. Ihr Thema für die Doktorarbeit ist „Liebe in der arabischen Literatur“. Doch Fundamentalisten verlangen die Schließung jenes Verlages, welcher dieses „schmutzige und gottlose“ Buch noch heute herausgibt. Ihr Professor, der Schriftsteller Beshir, verteidigt öffentlich die Pressefreiheit, wird überfallen und verliert dabei das Augenlicht.

Doch Dunia kann sich der Sinnlichkeit und Erotik, der Suche nach der Liebe, nur im Kopfe widmen, unten bleibt sie kalt, weil sie als Kind beschnitten wurde. Selbst als sie heiratet, spielt sie zwar mit ihrem Gatten, lässt ihn aber selbst in der Hochzeitnacht „im eigenen Safte schmoren“ und verweigert sich im sexuell weiterhin.

Das sehr ernste Thema der weiblichen Genitalverstümmelung, in Afrika ein weit verbreitetes Problem, wird leider dramaturgisch von der aus dem Libanon stammenden Regisseurin völlig unzureichend angegangen. So erschöpft sich der Film in permanenter Tanzdarstellung Dunias, ohne dass der Zuschauer eine Entwicklung erkennen kann, weder im Tanze noch in der Beziehung zu ihrem Freund und späteren Mann. Auch Beshir, der nach dem Überfall eine Blindenschulung über sich ergehen lassen muss, weist keine Narben im Gesicht auf. Auch erfährt man keine zusammenhängenden Zitate aus den berühmten  „Geschichten aus 1001 Nacht“, auch hier geht der Film nicht in die Tiefe.
Einzige spannende und berührende Szene bleibt die Beschneidung eines jungen Nachbarmädchens, die sie nicht verhindern kann. Selbst die Bauchtanz-Musik erschien mir zu techno-artig, um diesem an sich klassischen Thema zu entsprechen; letztlich war auch die Kamera und Farbgestaltung mangelhaft, ausgefressene weiße Stellen und flauer Kontrast und Farbtiefe wirkten dilletantisch. Insgesamt ein enttäuschender neuer trigon-Film im Verleih des kleinen cinematograph Filmverleihes.
Der Film sollte ursprünglich der ägyptischen Zensur zum Opfer fallen. Doch dank internationalen Protesten gab Präsident Hosni Mubarak persönlich den Film frei. Das Werk löste bei seiner Premiere am internationalen Filmfestival Kairo heftige Kontroversen aus.
* Was offenbar auf dem islamischen Markt gewagt sein mag, wirkt für aufgeklärte westliche Zuseher fast infantil und bekräftigt eher Vorurteile, als sie zu entkräften.


Babel

USA/Mex 2006.  Alejandro Gonzáles Iñarritu ("Amores perros") neuester Film "Babel" ist ein Lehrstück für Bildsprache und genialen Schnitt. 3 Geschichten aus Marokko, Tokio und Mexiko laufen scheinbar parallel, erst allmählich fließen sie ineinander und zeigen die Verknüpfung eines Ereignisses in einer globalen Welt. Man könnte natürlich auch "Chaostheorie" sagen, wonach ein Schuss in der Wüste eine Katastrophe an der amerikanisch-mexikanischen Schandmauer auslöst und Auswirkungen auf Japan hat. Trotz seiner 140 Min, ist er durchgehend spannend.

Zwei arabische Buben und Schafhüter bekommen vom Vater ein Gewehr (das von einem japanischen Jäger stammt), um Schakale zu schießen, das Gewehr soll angeblich 3 km weit treffen. Um dies auszuprobieren, zielen sie auf Autos und treffen tatsächlich einen Bus. In dem Bus sitzen amerikanische Touristen und eine Frau wird von dieser Kugel lebensgefährlich verletzt, ihre beiden Kinder sind in den USA und werden von einer illegal arbeitenden Mexikanerin behütet, diese reist jedoch gegen den Willen der verreisten Eltern mit den Kindern über die Grenze nach Mexiko, um an der Hochzeit ihres Sohnes teilzunehmen. Bei der Rückkehr in die USA - der Fahrer des Wagens ist nach der Hochzeitsfeier schon betrunken - kommt es zu beinahe zu einer Katastrophe und sie wird verhaftet und abgeschoben, die Kinder halb verdurstet in der Wüste gefunden.
In Japan dreht sich die Szenerie um eine pubertierende Gehörlose, die sich schwer tut einen Freund zu finden und immer offener versucht, Männer zu verführen. Der Ton ist weg, wenn die subjektive Kamera die Welt aus ihrem Blick sieht. Die Polizei untersucht, ob ihr Vater tatsächlich diese Waffe in Marokko verschenkt oder verkauft hat, aus der Geschichte ist eine weltweite Affäre geworden, die USA verdächtigen islamische Terrorosten, die marokkanische Polizei geht entsprechend brutal vor und das Opfer muss wegen der politischen Verstrickungen sehr lange auf effiziente Hilfe warten.
Die Behörden der USA kommen in diesem Film relativ schlecht weg, für einen amerikanischen Film hat er kein richtiges Happyend (kommen doch auch Kinder um, für europäische Betrachter hingegen schon (das amerikanische Opfer überlebt). ****


Vitus

Fredi M. Murer, CH 2005, 120 Min

Vitus ist ein Wunderknabe,der mit vier schon Klavierkonzerte spielt und mit 12 eigentlich zur Matura antreten könnte, die Lehrer nervt er, weil er besser rechnen kann als sie. Sein Vater ist Geschäftsführer eines Hörgerätekonzerns, seine Mutter will ihn ganz besonders fördern und übertreibt es dabei gewaltig.  Nur sein Großvater lässt ihn ein normaler Bub sein. Da er gerne Pilot geworden wäre, will er Vitus für die Fliegerei begeistern und bastelt mit ihm ein Fluggerät. Eines Nachts, bei Blitz und Donner, stürzt Vitus sich wie Ikarus vom Balkon und landet bewusstlos auf der Straße. Im Spital erklärt man den geschockten Eltern, ihr Vitus sei ganz normal. Was - nur normal ? Jedenfalls scheint er alle Überbegabungen  vergessen zu haben, kann wieder in die normale Schule und verliert sogar im Schach gegen den Opa. Doch insgeheim spekuliert er mit Aktien, mietet sich eine teure Wohnung an und übt fortan in dieser Wohnung insgeheim Klavier, ohne von der Mutter Vorschriften und Lehrer vorgesetzt zu bekommen. Er erlöst Opa aus der Armut, sodass  er sich einen echten Flugsimulator kaufen kann. Letzlich rettet er auf logische Weise auch noch Papa, als dessen Firma´s Aktien bergab gehen. Aber von der Mutter lässt er sich nicht mehr bevormunden!

Ein grandioser Bruno Ganz als Grossvater und herrliche klassische Musik lassen keine Minute Langeweile aufkommen. Einzig die „norddeutsche“ Synchronisation störte gewaltig. Manchmal ist die Handlung zwar etwas märchenhaft konstruiert, trotzdem ist der Film absolut sehenswert *** (es müsste aber eine schwyzerdütsche OF auch geben!)

P.S: Fredi M. Murer ist bei uns durch "Höhenfeuer" bekannt geworden.

 


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