exclusiv für den FKC!
Bericht von den 35.Solothurner Filmtagen 2000

20.-23.1.2000
Kritiken von Pauline (P), Norbert (N) und Urs (U)

Homepage Solothurn



Norbert Fink resümiert:
Wie seit 17 Jahren fuhr auch heuer eine Delegation des FKC nach Solothurn. Die Anreise erfolgte wie schon so oft am Donnerstag.
Schon im letztjährigen Bericht bedauerten wir "daß der heurige Filmjahrgang kein besonderer sei, die Filme seien eher langatmig und es seien keine brisanten Themen mutig und innovativ aufgegriffen worden", es sollte in diesem Jahr noch schlimmer werden....
Es hab zwar einige brauchbare lustige Filme, es überwogen aber Banalitäten über den Herz-Schmerz Pubertierender
und unterhaltsame Kost fürs breite Publikum, "ohne daß eine Klosterfrau dabei rot wird"-  wie ich zu sagen pflege.
Nichts Wichtiges und Brisantes, kei neuer Fellini oder Bunuel in Sicht!

So hatten wir das Pech, keinen einzigen nennenswerten Dokumentarfilm gesehen zu haben. Von den bereits anwesenden BesucherInnen hörten wir Lob über "Made in India" von Patricia Plattner. Zu unserer Schande müssen wir auch gestehen, keinen der Filme der "Retrospektive Jacqueline Veuve" gesehen zu haben, doch wir wollen hier ja neue Filme besprechen und über den Schweizer Filmjahrgang 1999 urteilen.
Und etwas möchten wir an dieser Stelle im Internet auch loswerden: langsam aber sicher ist es dahin mit der sprichwörtlichen Gemütlichkeit der Solothurne Filmtage: es ist nicht möglich etwas zwischen den Filmen gemütlich zu essen; es ist eine brutale Hetzjagd zwischen den Blocks um etwas Warmes hinunterzuwürgen und am Freitag und Samstag waren alle Kinos so voll, daß man nicht einmal den Saal wechseln durfte, ohne in Gefahr zu geraten, nicht mehr eingelassen zu werden....
Also gehorchten wir manchmal dem Knurren des Bauches und ließen einen Block aus... oder wurden abgewiesen .. (N)



Pauline Lesjak berichtet:
Urs, Norbert und ich reisten am Donnerstag, 20. 1. gemeinsam in Solothurn an. Wie jedes Jahr war es sehr kalt (Solothurn im Hochsommer wäre sicher fantastisch, schon der geringen Anzahl an Kleidungsstücke wegen), die Szene alternativ, einige der Gesichter nicht mehr unbekannt. Die Lokale waren wie immer propenvoll, was nicht verwundert bei 30.000 BesucherInnen während der Filmtage.
Minus:
Die Zeit zwischen den verschiedenen Filmblöcken ist zu kurz, um mal richtig durchzuatmen, geschweige denn, in Ruhe einen Kaffee zu trinken. Meiner Meinung nach ist hier dringend eine Änderung angesagt:
Entweder werden die verschiedenen Filme mehrmals wiederholt, oder die Pausen dazwischen verlängert.
Urs und ich überlegen uns, nächstes Jahr bereits am Mittwoch anzukommen, denn am Wochenende reißt der BesucherInnenstrom nicht ab. 
Absolutes Plus: 
Urs und mir war es möglich, in unserer Edel-Residenz, dem Romantik-Hotel "Sternen" in Kriegstetten, ca. 6 km außerhalb von Solothurn, richtig zu entspannen. Nach der Hektik in allen Kinos hat dies mensch dringend nötig...

Im Filmprogramm fielen mir die teils guten bis ausgezeichneten Spielfilme auf. Leider sahen wir keinen einzigen guten und innovativen Dokumentarfilm. Diese wurden zum Teil bereits am Dienstag und Mittwoch gezeigt.


Hier nun die Kritiken - ich (N) habe diesmal bewußt nicht zusammengefaßt, sodern von jedem der drei AutorInnen den Beitrag hier abgedruckt.
Erfreulich ist, daß wir fast immer dieselbe Punkteanzahl gaben, was zeigt, daß gut/schlecht im Film auch über einige Unterschiede im Geschlecht, der Nationalität oder der politischen Auffassung hinweg relativ leicht zu definieren ist.
Möglicherweise zeigen wir im April oder Mai im Kino Madlen in Heerbrugg eine Auswahlschau von Solothurn-Filmen.


Den Einstieg hatten wir am Donnerstag mit
DOUCHE FROIDE (Kalte Dusche) , ein Kurzfilm von Julien Sulser. Ein junges Ehepaar läßt sich von einem Sexualforscher über ihr Sexualverhalten gemeinsam befragen, immer häufiger kommt es bei eigentlich eindeutigen Fragen zu unterschiedlichen Antworten, zurück bleibt ein zerstörtes Paar. ***(N)
Ein Ehepaar stellt sich zu Hause einer Befragung zur "Sexualität in der Ehe". Je indiskreter die Fragen werden, desto mehr schleichen sich in die scheinbare Harmonie der beiden kleine Unzufriedenheiten ein. Die unterschiedliche Gefühlswelt und Sichtweise der Geschlechter kommt klar zum Ausdruck.*** (P)
Ein Ehepaar wird über ihre sexuellen Praktiken und Vorzüge peinlichst ausgefragt. Dabei erfahren sie, dass ihnen die wirklichen Vorzüge des Partners unbekannt sind, was zu einer Auseinandersetzung führt und wahrscheinlich abschliessend zu einer Scheidung. Bei diesem Film hatte ich das Gefühl eines Deja Vue. Warum das Paar nicht vorher über ihre individuellen Neigungen gesprochen hat, wird im Film nicht erwähnt. Zwei FKC-Sterne. **(U)


WHO´s NEXT? von Felix Tissi.. Ein italienisches Restaurant in Rom offeriert "Spaghetti Tokio". Ein junger Schweizer Älpler sucht verzweifelt Maria, die schöne Kellnerin des Restaurants, weil diese ihren abgebrochenen Schuh hat liegenlassen. Er ist nicht der einzige, der in diese Falle gerät (und vom Vater geschlachtet und zu Sugo verarbeitet wird). Doch er ist hartknäckig genug, erlangt die Gunst Marias, was in Italien natürlich Heiraten heißt.
Sparen heißt es aber bei der Hochzeitsreise und so entscheidet sich das Paar, sich in einem Flugfrachtcontainer nach Casablanca zu verstecken. Doch es gibt auch bei Novosibirisk ein Casablanca, wo die beiden getrennt landen.
Nun heißt es sich durchzuschlagen und sich wieder zu finden ....
Nach vielen Slapstickszenen finden sich die beiden und eröffnen in Rußland ein Restaurant, das Fleisch wird auf die bewährte Methode beschafft...Zitate aus (Stumm)filmen und Zwischentitel sollten uns in die Zeit zurückversetzen, als wir noch bei Komödien im Kino herzhaft lachen konnten. Das gelang Tissy nur begrenzt. Dennoch ein heiteres Filmchen ***. (N)
Eine neue Version der Brüder Grimms Aschenputtel. Der gefundene Schuh führt zwar auch zur einer begehrenswerten Frau, der hübschen Italienerin Maria, aber der Glückliche wird von 'Aschenputtels' Eltern zu einer Spaghetti-Fleischsauce verarbeitet. Dem Schweizer Älpler Max gelingt es, Maria überzeugend zu umwerben, sodass die Eltern auf die übliche Verarbeitung des Anwärters verzichten. Heirat folgt und Flitterwochen sind für das warme Casablanca geplant, führen aber versehentlich nach
dem kalten Sibirien. Die frisch Vermählten verlieren sich auf der Reise. Da Max nur den niedergestochenen männlichen Leichen am Strassenrand in Sibirien zu folgen hat, findet er seine Geliebte bald wieder. In Moskau öffnen die beiden dann ein Restaurant, wo die Fleischbeilagen die gleiche Herkunft haben wie das Fleisch der Spaghettisauce (der Apfel
fällt nicht weit vom Stamm). Gute blutige Unterhaltung. Drei FKC-Sterne. ***(U)

Who's next? von Felix Tissi: ein seltsames, groteskes Road-Movie. Max kommt von seiner Alp ins Tal und trifft auf Maria. Er folgt seiner Angebeteten nach Rom und findet sie in einer Trattoria, welches ihre Eltern führen. Maria wird stets auf ausländische Männer angesetzt und jedesmal, wenn sich einer von ihnen in ihren Netzen verfängt, wird er zu einem Fleischgericht verarbeitet. Mit Max gelingt dies nicht. Er heiratet Maria und sie planen eine Hochzeitsreise nach Casablanca. Deshalb verstecken sich beide jeweils in einem Container, landen aber irgendwo im hintersten Sibirien. Max sucht verzweifelt nach seiner Frau und gerät bis zum Happy End in absurde Situationen. Für meinen Geschmack wären weniger Slapsticks
mehr gewesen.** (P)



Trotz großer Müdigkeit meinerseits schafften Urs und ich es noch zu Viehjud Levi von Didi Danquart, nach einem Theaterstück von Thomas Strittmaier (starb mit 34 an einem Herzfehler). 1933, ein Tal im Schwarzwald. Der Viehhändler Levi kommt wie schon oft, um mit dem Horgerbauer Geschäfte zu machen. Außerdem will er dessen Tochter Lisbeth zur Frau gewinnen. Doch die Zeit ist gegen ihn. Aus der Hauptstadt Berlin hat die Reichsbahn den Ingenieur Kohler samt Sekretärin, die auch seine Geliebte ist, mit einem Bautrupp geschickt, um den eingestürzten Eisenbahntunnel wieder instandzusetzen. Im
Wirtshaus "Zum Bären", wo Lisbeth als Kellnerin arbeitet, lärmt der Volksempfänger, den Stammtisch ziert ein Nazi-Fähnchen. Bald schon will niemand mehr im Dorf mit Levi was zu tun haben. Was passiert mit den Menschen, die mit einer totalitären Ideologie konfrontiert werden, wie verändern sie sich, durch was verändern sie sich, zu was sind sie fähig? Levi braucht gefährlich lange, um zu begreifen, dass die vor kurzem noch vertraute Welt sich gegen ihn gewandt hat. Der Film endet damit, dass er das Tal verlässt. Lisbeth bleibt ihm als Verbündete und Hoffnung. Eine Riga an starken SchauspielerInnen (Bruno
Cathomas, Caroline Ebner, Ulrich Noethen, Martina Gedeck, Eva Mattes) in einem Film mit teilweise beklemmenden Szenen.**** (P)
Viehjud Levi (Didi Danquart, Spielfilm)
Der Film zeigt den Einzug und die Auswirkung der nationalsozialistischen Ideologie in einem kleinen Dorf im Schwarzwald um 1933. Der linientreue Nationalsozialist Ingenieur Kohler wird in das Dorf geschickt um den eingestürzten Eisenbahntunnel wieder instand zusetzen. Er nützt die Gelegenheit die Einwohner vom Dorf mit dem nationalsozialistischen Gedankengut zu infizieren. Für drei Personen hingegen stellt sich aber sein Vorhaben als schwierig heraus: Paul, ein Querdenker aus der Stadt, der die Gefahr dieser Ideologie erkennt, der Viehhändler Levi, der als Jude von der Dorfgemeinschaft ausgestossen werden muss, und die junge und unverheiratete Lisbeth, die die Umwerbung von Paul und Levi durch den Einzug des Nationalsozialismus bedroht sieht. Der Film endet mit einer Auseinandersetzung zwischen den Mitläufer und den drei Rebellen in der Wirtschaft des Dorfes. Der genaue Ausgang der Streites lässt der Film aber offen.
Der Film wirkt durchdacht und überzeugend. Die drei Hauptdarsteller geben ihr bestes und der Kameramann hat die Schönheiten der Landschaften gut eingefangen. Vier FKC-Sterne. ****(U)
Wir planen diesen Streifen demnächst bei uns im FKC in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum Hohenems zu zeigen.


Freitags früh sah ich mir den in Havanna gedrehten LA VIDA ES FILMAR von Beat Borter an.
Borter war auf Kuba, als 1998 der einzige kubanische Spielfilm "La Vida es Silbar" (Das Leben ist Pfeifen) gedreht wurde, ein Film über die Wünsche und Hoffnungen der Kubaner. Er interviewte nicht nur die Schauspieler und beobachtete den Dreh, sondern auch die vielfach anwesenden Zaungäste und Schaulustigen und schaffte es so mehr daraus zu machen als ein simples "Making of..." Ganz nett.**.


Kommen wir zum ersten Höhepunkt:
BERESINA oder die letzten Tage der Schweiz von Daniel Schmidt. Die SRG-ORF-ZDF-ARTE-Koproduktion wird leider bald mal ins Fernsehen kommen. Irina ist eine wunderschöne Russin und ihre sexuellen Dienstleistungen werden von den Obersten der Schweizer Gesellschaft regelmäßig in Anspruch genommen, alle versprechen ihr die baldige Einbürgerung wenn sie der Eidgenossenschaft den Dienst erweise, die anderen Kunden auszuhorchen und deren politische, wirtschaftliche und militärischen Geheimnisse preiszugeben. Inzwischen wartet im russischen Elektrostal die ganze Sippe mit gepackten Koffern auf die baldige Ausreise in die Schweiz. Doch Irina, inzwischen von einem General zur Schlagersängerin gemacht, bekommt stattdessen den Abschiebungsbefehl. Keiner der Männer will sich nun an das Versprechen sie "notfalls" zu heiraten, erinnern und obwohl sie einen großen Skandal aufdeckte, geht alles schief. Sie will sich das Leben nehmen, aber vorher noch was anstellen: sie erinnert sie sich an einen Geheimcode des Generals, findet in dessen Dienstmütze die dazugehörige Telefonnummer.Die Schlaftabletten waren nur Ginseng und nicht tödlich, der dazugetrunke Vodka betäubte sie nur kurz. Inzwischen läuft aber der "Plan Cobra" an und ehrenwerte, greise Bürger holen ihre Waffen aus dem Schrank und putschen: Bundespräsident, Nationalbankpräsident u.a. werden ermordet, sogar der Chefredakteur des Fernsehens vor laufender Kamera erschossen. Die Cobra stellt eine Notstandsregierung auf. Da der General aber nur Platzpatronen in der Waffe hatte (mit der er immer Irina "begrüßte") wird er als einziger erschossen. Da von seinem Telephon aus der Plan ausgelöst wurde, wird Irina so zur Königin der Schweiz ....
So ziemlich alle bekommen in dieser turbulenten Komödie ihr Fett ab, die "Schweizermacher" sind harmlos dagegen...
****. (N)
 ...ist eine köstliche Persiflage auf die Schweiz. Die schöne Russin Irina gerät in ein märchenhaftes Alpenland. Ihr Ziel ist es, die StaatsbürgerInnenschaft zu bekommen. Durch einen zwielichtigen Anwalt und dessen Freundin wird sie an einen wachsenden Kundenkreis von Vertretern aus Wirtschaft, Politik, Militär und Medien vermittelt - mit dem Ziel, diese auszuhorchen und deren teil absurde Wünsche auszuplaudern. Als sie schlussendlich nicht Staatsbürgerin wird sondern den Landesverweis erhält, löst sie durch ein Missverständnis den vor vielen Jahren geplanten Staatsstreich einer vergessenen patriotischen Organisation aus: den Beresina-Alarm. Es kommt zu mehreren Exekutionen. Am Ende wird Irina zur Königin gekrönt. Hier bekommen wirklich alle ihr Fett ab.*** (P)


Ausgesprochen gut waren die Internationalen Kurzfilme. Besonders jene aus Vlaandern bestachen.
Diese einzeln zu besprechen, wäre aber zu mühsam. (N)
Leider kahm von den Filmhochschulen dieses Jahr wenig Innovatives:
Die Produktionen aus Filmschulen waren bis auf den letzten Beitrag, Einladung auf dem Lande von Thomas Hess, sehr enttäuschend: Anlässlich des Schweizer Nationalfeiertages ist Karin bei ihrem Chef zum Essen eingeladen. Ihr Freund Franz begleitet sie widerwillig, doch für Karin geht es im Hinblick auf ihre Karriere in der Firma darum, einen guten Eindruck zu machen. Der Abend endet im absoluten Chaos, zahlreiche Missverständnisse und Peinlichkeiten passieren. Karin und Franz werden vom Chef hinausgeworfen.*** (P)



SUMMERTIME  ein Kurzfilm von Anna Luif, zeigte die Situation, daß Mama und die 12 jg. Tochter in denselben Mann in der Nachbarschaft verliebt sind. Gut gespielt und recht sensibel, aber vom Thema her ziemlich banal.***(N)
Eine Teenager verliebt sich in einen Piloten, der in der gleichen Wohnsiedlung lebt. Mit ihrer jüngeren Freundin spioniert sie ihm aus und versucht ihn zu umgarnen. Leider muss sie dabei feststellen, dass dieser Mann der neue Freund ihrer alleinerziehenden Mutter ist. Anna Luif hat für diesen Film den Preis des besten Nachwuchsfilm des Jahres erhalten. Der einfache Film hat mich auch überzeugt: eine 27-minütige originelle Unterhaltung. Vier FKC-Sterne. ****(U)
Summertime von Anna Luif ist ein witziger, einfallsreicher Kurzspielfilm. Ein etwa vierzehnjähriges Mädchen verliebt sich in einen viel älteren Nachbarn und will alles über ihn erfahren. Sie beobachtet mit dem Fernglas seine Wohnung und schickt ihre jüngere Freundin zur Befragung seiner "Lebensverhältnisse" zu ihm (köstliche Szene). Am Ende stellt sich heraus, dass ihre Mutter die Geliebte des Angehimmelten ist. Weltschmerz, Wut, Hass - aber die Liebe zwischen Mutter und Tochter siegt. Aufschlussreich und kurzweilig.****.(P)


Dagegen wirkte Der Onkel vom Meer von Marie-Louise Bless seltsam farblos und aufgesetzt. Die elfjährige Lisa sitzt im Zug, weil sie nach einem sexuellen Übergriff ihres geliebten Onkels abgehauen ist. Sie denkt über die vergangene Zeit nach, ihr Zuhause mit der Mutter, die wieder heiraten will, die Großmutter, die oft Schnapas trinkt und ins Altersheim soll, den kleinen Bruder und Antonio, den jungen, schönen Schuhmacher, in den sie sich verliebt hat. Der Film hat ein paar nette Ideen, bringt jedoch nicht viel rüber und bleibt blass.* (P)
DER ONKEL VOM MEER. Marie-Loise Bless verfehlte  ihr Ziel, die 60er Jahre stimmig einzufangen, was blieb war eine banale Geschichte über die Gefühle der pubertiereden Kids, wenn Mama sich wieder vereiratet. *(N)
Der Onkel vom Meer ist ein Portrait einer turbulenten, hartgesottenen kommunistischen Schweizerfamilie in den 60-iger Jahren. Lisa, die Tochter der Familie, hat den Traum ans Meer zu fahren. Sie hofft, dass der Seefahrer Onkel Franz ihr helfen kann. Aber Onkel Franz wird beim Besuch der Familie von Lisa niedergestochen, als er sich an ihr vergreift. Trotz des tragischen Ende, war der Film langweilig und die schauspielerische Leistung war eher schwach. Man hätte den Film auf zehn
Minuten zusammenkürzen können. Ein FKC-Sternchen. *(U)


Der neue Film von Alain Tanner JONAS ET LILA, à demain (124 min lang!) wies zwar handwerkliches Können auf, doch die Geschichte war unglaubwürdig und die Zitate aufgesetzt:
Jonas, Abgänger die Filmhochschule, dreht mit Irina (schon wieder dieser Name!) einer schönen russischen Schauspielerin, eine Szene im Gorilla-Zoo. Als er von einem Restaurantbesuch zurückkehrt, ist seine ausgeliehene teure Kamera und alles gestohlen. Er verdächtigt die Russenmafia oder Irina. Jonas ist mit Lila, einer schwarzen Frau sexuell glücklich verheiratet. Als er Irina im Rotlichtmileau findet, befreit er sie aus der Nachtbar und nimmt sie zu sich nach Hause, muß dann aber zu seiner Schwester aufs Land nach Frankreich flüchten, aus Angst vor der Mafia. Er filmt die Frauen und vor der Kamera ensteht die Idee zum Partnertausch. Jonas schläft mit Irina, während Lila sie filmt... Das verkompliziert die Lage weiter, Irina verschwindet plötzlich wieder.... Jonas bekommt einen Auftrag, in Afrika zu drehen und geht mit Lila nach Dakkar.
Philosophische Zitate aus dem Munde der schwarzen Frau wirken eher komisch als glaubhaft und die Befreiuung der Prostituierten aus den Klauen der Mafia erst recht...Und vor allem hätte die Schere nicht geschadet, etwas kürzer wäre der Streifen weniger überladen und pseudointellektuell herausgekommen... **(*) (N)

Jonas und Lila sind beide in der Mitte der zwanziger. Sie kennen und lieben sich schon seit ihrer Kindheit. Jonas hat vor kurzem die Filmschule abgeschlossen und Lila arbeitet stundenweise als Verkäuferin in einem CD-Geschäft. Sie leben zusammen in einer Wohnung und stellen keine grosse Ansprüche an die Lebensqualität. Lila ist tolerant: keine Einwände von ihr wenn Jonas für einige Tage nach Marseille verschwindet um bei einem älteren Mann Rat zu holen; keine Proteste als Jonas eine russische Prostituierte nach Hause nimmt um sie vom Rotlicht-Milieu zu befreien. Lila wird wegen ihrer schwarzen Hautfarbe des öfteren von Jugendlichen belästigt. Sie wird fristlos entlassen, als sie Kunden undiplomatisch vom Kauf einer CD abrät. Jonas erhält einen Auftrag einen Film über den Müll zu drehen. Die so zusammengewürfelten Geschichten, die doch das Alltägliche beschreiben, bilden den neuen Film von Alain Tanner. Der Film ist gut unterhaltend, regt aber nicht zum Nachdenken an; Tiefsinnigkeit oder Revolutionäres ist nicht zu finden. Der Film ist aber kurzweilig; daher gebe ich drei FKC-Sterne. ***(U)

Jonas et Lila à demain, der neue Film von Alain Tanner, spielt in den ersten Monaten des Jahres 2000. Es ist praktisch eine Fortsetzung auf den Film von 1976 "Jonas, der im Jahr 2000 25 Jahre alt sein wird". Jonas hat die Filmschule abgeschlossen und seine Jugendliebe, die schöne Afrikanerin Lila geheiratet. Die beiden lieben und streiten sich, treffen Freunde und Bekannte. Von einem Freund, den Jonas immer wieder in Marseille besucht, erhält er eine Videokamera, mit der er seine Umgebung neu entdeckt und dokumentiert. Trotz zweistündiger Spielzeit wurde mir dieser Film vor allem wegen der sorgfältigen,
schönen Kameraführung nicht zu langatmig.*** (P)


Der 3-minütige Kurzvideo Loosli von Matto Kämpf zeigt eine Frau und einen Mann, die sich körperlich lieben. Dem Mann fällt währenddessen etwas Wichtiges ein, das erledigt werden sollte und er bespricht es laufend mit seiner Partnerin. Das Telefon läutet, und die Sache erledigt sich dann. Schräg. ***(P)
Loosli (Matto Kampf, Kurzfilm)
Dass der Koitus nach längerem Zusammenleben zur biologischen Pflichtübung verkommt, ist jedem klar. Daher ist es nicht verwunderlich, dass ein Paar während seiner Pflichterfüllung über einen möglichen Anruf an oder von Loosli streiten kann. Erfreulich ist, dass Loosli noch vor der Ejakulation selbst anruft. Somit kann das Paar nach dem Auflegen des
Hörers problemlos dem unvermeidlichen Höhepunkt zustreben. Gewagt, originelle Geräuschkulisse (quietschendes Ledersofa), Dialoge auf das Minimum reduziert und passende Kulisse. Drei FKC-Sterne. ***(U)
Dieser Anti-Lust-Propaganda kann ich nur für die Idee einen Stern verabreichen.* (N)


Emporte-moi (Nimm mich mit) (Lea Pool, Spielfilm)
Emport-moi wurde als bester Film in Solothurn ausgezeichnet. Mit Recht! Von allen Filmen, die ich gesehen habe, war dieser der beste.Der Film spielt in den sechziger Jahren in Montreal. Er dreht sich um das Erwachsenwerden der 13-jährigen Hanna. Sie wächst Mitten im Spannungsfeld ihrer Eltern auf: ihr Vater, ein erfolgloser Poet, ist impulsiv und ein Versager; ihre Mutter, Näherin und Ernährerin der Familie, ist zerbrechlich und depressiv. Streit in dieser Familie gehört zum Alltag. Zuneigung und Zärtlichkeit findet Hanna bei ihrem Bruder, ihrer Freundin und später auch bei ihrer Lehrerin. Der Film 'Vivre sa vie' (sein Leben leben, von Godard), den sie bei einem Kinobesuch sieht, hilft ihr im alltäglichen Kampf weiter, indem sie sich die Worte von Nana, der Hauptdarstellerin, zu Herzen nimmt: Ich bin frei, aber vor allem bin ich selbst verantwortlich für mein Leben.
Ein aussergewöhnlicher Film und die Hauptdarstellerin der Hanna, Karine Vanasse, spielt ihre Rolle grossartig. Volle FKC-Sternenzahl (5)! ***** (U)
Emporte-moi von Léa Pool ist mein absoluter Lieblingsfilm in diesem Jahr (erhielt auch den ersten Preis in der Kategorie "Bester Spielfilm" - Urs und ich waren damit einhellig einverstanden). Die 13jährige Hanna wächst 1963 in Montreal in schwierigen Familienverhältnissen auf: Der Vater, ein arbeitsloser und heimatloser Jude, versucht sich erfolglos als Schriftsteller. Die junge Mutter ernährt mit ihrem Job als Näherin die Kinder und ihren Mann, ist aber nervlich am Ende. Immer wieder sieht Hanna sich im Kino "Vivre sa vie" von Godard an. Sie ist fasziniert von Nana, der Hauptdarstellerin und möchte sein wie sie.
Nach einem bösen Streit mit dem Vater reißt sie aus und lebt mit einem abgelegten Hund auf der Straße, kehrt dann aber wieder nach Hause zurück. Hannas älterer Bruder, ihre einzige Freundin Laura und ihre geliebte Lehrerin helfen dem Mädchen, ihren Weg zu finden. Am Ende dieses turbulenten Jahres schenkt ihr die Lehrerin eine alte Filmkamera. Hanna hat begriffen, dass ihr niemand die Verantwortung für ihr eigenes Leben abnehmen kann. Kino vom Allerfeinsten mit einer großartigen Hauptdarstellerin (Karine Vanasse).*****(P)


Pas de café, pas de télé, pas de sexe von Romed Wyder erzählt die Geschichte einer Frau zwischen zwei Freunden: Arno lebt in der Genfer Hausbesetzerszene. Sein bester Freund Maurizio hat seine Schweizer Aufenthaltsgenehmigung dank einer Scheinehe erhalten. Er will nun mit seiner französischen Freundin Nina in Genf leben. Damit diese ebenfalls die Genehmigung erhält, überzeugt er Arno, dass dieser Nina heiraten soll. Als Maurizio geschäftlich für einige Tage nach Paris fährt, verlieben sich Nina und Arno. Nach Maurizios Rückkehr fällt ihnen die Heimlichtuerei schwer und sie gestehen ihm ihre Beziehung.
Die Scheinehe wird nun in Frage gestellt und Nina fortan von beiden bedrängt, sich für einen von ihnen zu entscheiden, was sie ablehnt: Sie will beide. Am Schluß heiraten Nina und Arno auf sehr unkonventionelle Art auf einem Berg. Anspruchvolles Unterhaltungskino.***(P)
Pas de café, pas de télé, pas de sex (kein Kaffee, kein Fernsehen, kein Sex) (Romed Wyder, Spielfilm)
Arno, der in Askese lebt, wie es der Titel des Filmes beschreibt, soll mit der französichen Freundin seines besten Freundes Maurizio eine Scheinehe eingehen. Maurizio, der ein Ausländer ist, will dadurch für seine Freundin Nina eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz erhalten. Doch verliebt sich Arno in Nina während einer geschäftlichen Abwesenheit
Maurizios. Den beiden gelingt es nicht die Liebe vor Maurizio zu verbergen. Da sich Nina weder für Arno noch für Maurizio entscheiden kann, gehen die drei eine 'geregelte' Dreierbeziehung. Der Film ist gut und humorvoll und gibt einen Einblick in die
Hausbesetzerszene in Genf (Wohnungen sind Mangelware in Genf). Vier FKC-Sterne. ****(U)

Von diesem Film habe ich wegen dringend nötiger Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme nur den Schluß gesehen.
Er war für die Kids gemacht, die normalerweise das Cineplexx belagern. Thema Scheinheirat und in Wahrheit-einen-anderen-Lieben ist nichts Neues, ein Aspekt war auch noch die Doppelmoral (selber spielt man tolerant, aber wehe die eigene Freundin geht fremd...). **(N) 


Trivial Killer (Isabelle Vossart, Kurzfilm)
Ein Psychopath wird in von einer Psychologin über seine Tat befragt. Dazu wird ihm das Video gezeigt, auf welchem seine Tat aufgenommen wurde. Es zeigt, wie er in einer Tiefgarage mit Pistole drohend einer Frau verschiedene Quiz-Fragen stellt, und sie zwingt bei jeder falschen Anwort ein Kleidungsstück abzulegen. Am Ende des Videos erschiesst er die Frau kaltblütig. Ein junger Mann, im einem Nebenraum, verfolgt fasziniert die Befragung der Psychologin und die auf dem Video abgespielte Tat durch einen halbdurchlässigen Spiegel. Eine erschreckende Brutalität wird in diesem Kurzfilm gezeigt, ohne dass auf sie näher eingegangen wird. Brutalität als Verherrlichung, Faszination , Verabscheuung oder Perversion der Männer? Der Film gibt
hier keine deutliche Antwort, entzieht sich von einer expliziten Stellungnahme. (Keine Bewertung) (Urs)


Urs und ich sahen dann TGV von Moussa Touré, der unter dem Programm "Kinder- und Jugendfilm" gezeigt wurde. Der Film war wahrscheinlich von der Thematik her unpassend für die zahlreichen Jugendlichen, bald machte sich Unruhe bemerkbar, was sehr schade war. Ein Bus mit Fahrer Rambo und mehreren Schwarzen verschiedenster Lebensart fährt durch unwegsames Gelände nach Guinea. Unterwegs steigen der Premierminister samt Gattin und weiters ein französisches ForscherInnenpaar zu. Trotz aller Wirren und Widerstände erreicht der TGV sein Ziel. Gutes Unterhaltungskino.***
(*** Schon gesehen von Norbert in Fribourg vor einem Jahr ! - siehe dort)


Negativer Höhepunkt war der neue Film von Clemens Klopfenstein. Als Samstag-Abend Event erwarteten sich über 600 Menschen nach "das Schweigen der Männer" etwas neues Tiefschürfendes.
"Wer Angst Wolf" indes war ein Video , wo verschiedene kaputte Midlife-Krisis-Paare, die sich in den italienischen Bergen verfahren haben, literarische Textstellen proben, sich wie in "wer hat Angst vor Virginia Woolf" besoffen anbrüllen, ohne daß irgend ein Sinn erkennbar wäre. Das Publikum verließ reihenweise das Kino nach einer Stunde dieses Schwachsinnes auch wir. Nicht einmal die Kameraführung war besser als jene von Onkel Hans, wenn er seine Urlaubsvideos zeigt. 3 Minuspunkte! (N)
WerAngstWolf
(Clemens Klopfenstein, Spielfilm)
Konfus verwirrend. Eine Fahrt nach Rom während der verschiedene Texte zitiert werden. Nach zehn Minuten verliess ich die Vorstellung. Der nächste Nachtbus war mir wichtiger als das Ende des Films abzuwarten.
Keine Bewertung (vergebe nicht gerne null FKC-Sterne). 0 (U)
Für den neuen Film von Clemens Klopfenstein Wer Angst Wolf wurde wegen großer Nachfrage eine Zusatzvorführung eingeschoben. Dieser Film war ein totaler Reinfall: SchauspielerInnen fahren nach Rom, wegen Nebel, Nacht, Eis und eigener Schuld kommen sie vom Weg ab und geraten in die Berge. Dabei zitieren sie Stellen aus der "großen Literatur". Langweilig und
uninteressant, Urs und ich verließen nach einer halben Stunde den Saal. (P)


Fazit: es war zwar schön, wieder in Solothurn gewesen zu sein. Der Jahrgang 1999 war aber erbärmlich ! Kein mutiger, wichtiger Film, höchstens Unterhaltung (und immer das Thema, die schönen Russinnen, die Scheinheiaten mit AusländerInnen ....) .
Gibt es denn wirklich in der Welt keine größeren Probleme mehr als der Liebeskummer von Minderjährigen ?
Wird niemand mehr unschuldig eingesperrt und gefoltert ? Gibt es keine Ungerechtigkeiten mehr ?
Gibt es keine politischen Skandale mehr aufzudecken? Ist die Doppelmoral verschwunden? Droht der Demokratie keine Gefahr mehr ?
Die Schweizer PolitikerInnen, die früher die Solothurner Filmtage als "Kommunistentreffen" denunzierten (wohl weil man wirklich niemanden mit Krawatte findet?) , feiern nun groß mit und behaupten, das Festival zu fördern. Denen werden so unkritische Filme wohl gefallen...


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