FKC Dornbirn berichtet:
Bericht von den 36. Solothurner Filmtagen

23.-28.1.2001

Pauline Lesjak 
Nobi (N)
Urs (U)

Übersicht empfehlenswerter Filme:  
Kurzfilme Langfilme
Broke Jour de Nuit
Credo Azurro
die Beule Yugodivas
Reise ohne Rückkehr Big Mac - Small World
Le merchand de sable Blue End
La Télévision Total Loss
Bus Stopp  


1. Pauline berichtet:

Auch heuer war der Andrang bei den Filmtagen sehr groß, besonders am Wochenende.

Die vehemente Kritik von Direktor Ivo Kummer – seine Kritik gilt den Hotel- und Saalkapazitäten in Solothurn – löste natürlich in der Stadt große Irritationen aus. Da der Standort als solcher in Frage gestellt wird, ist abzuwarten, welche Lösungen Kummer und sein Team finden werden.

Urs und ich waren in einem Hotel mit sterilem Frühstücksraum in Bettlach untergebracht, 20 Minuten Fahrtzeit vom Zentrum Solothurns entfernt. Wir haben uns schon überlegt, durch welche Option es uns gelingen könnte, eine Reservierung in einem zentralen Hotel zu erreichen.

Die Filmauswahl an den diesjährigen Solothurner Filmtagen war leider mittelmäßig. Dies galt für die Dokumentarfilme, Kurzfilme sowie Spielfilme gleichermaßen. In keiner Kategorie habe ich etwas gesehen, was mich sozusagen vom Hocker riss. Die Auswahl war riesig, jedoch das Angebot keineswegs innovativ oder beeindruckend.

Norbert und ich begannen am Donnerstag Abend mit Supernova" von Bettina Oberli, die für ihren Kurzspielfilm den ersten Preis in der Kategorie „Bester Schweizer Nachwuchsfilm 2000" erhielt. Die Geschichte von Eva und Klaus: Für beide ist heute der schönste Tag. Eva heiratet heute, in weiß und in der Kirche. Für den Astronomen Klaus tritt heute eine Sternenkonstellation (Explosion einer Supernova) auf, der er schon lange entgegenfiebert. Auf ihrer Autofahrt zur Hochzeit hat Eva einen Zusammenstoss mit Klaus und seinem Fahrrad. Seine Brille geht kaputt und die braucht er...
Und alles kommt ganz anders wie vorgesehen, denn wo die Liebe hinfällt....
Kurzweilig und unterhaltsam ***.
Urs dazu

Yugodivas" von Andrea Staka (35mm/60 min) erzählt aus dem Alltag von fünf Künstlerinnen – einer Malerin, einer Schauspielerin und drei Musikerinnen, die vor 10 Jahren ihre Heimat Jugoslawien verließen und in New York einen Neuanfang wagten. Der Kriegsausbruch 1991 im ehemaligen Jugoslawien und die Bombenangriffe 1999 auf Belgrad haben ihr Leben verändert. Ein Dokumentarfilm mit sehr persönlichen Geschichten, eine Auseinandersetzung mit der alten Heimat und deren Wurzeln. Die Regisseurin selbst stammt ursprünglich aus Sarajevo. Einfühlsames Porträt mit sehr schöner Musik.
Erhielt den ersten Preis der UBS.***

Norbert dazu:
Faszinierend war die Neue Musik der Pianistin; die Divas schwärmten vom einstigen Yugoslawien, wie schön es einst war, als ethnische Herkunft und Religion kein Thema waren, es an nichts mangelte und man die Wärme der Familie genoss. Dass freilich die Bomben, die YU zerstörten aus den USA kamen, in dem Land, in dem sie es sich nun wohl ergehen lassen, wurde nie erwähnt. Soviel politische Naivität mag „Zeitgeist" sein und nicht das Thema des Films, doch das schlichtweg zu ignorieren geht m.E. einfach nicht.
Freitag Nachmittag „warf" ich mich buchstäblich in die Vorstellung der Kategorie „Kinder- und Jugendfilm", d. h. ich wartete inmitten Dutzenden von 14-jährigen. Am Eingang wurde ich sogleich mit dem Hinweis abgewiesen, dass den reservierten Schulklassen der Vorzug galt. Ich ergatterte trotzdem einen Platz und meine Hartnäckigkeit wurde nicht enttäuscht: „Crazy" von Hans Christian Schmid ist ein wirklich sehenswerter Jugendfilm. Der 16-jährige, halbseitig gelähmte Benjamin kommt in ein Internat, um nach mehrmaligen Anläufen die Schule zu schaffen. Die Bande um Janosch nimmt ihn nach dem Einführungsritual auf und gemeinsam beginnen die Schritte zum Erwachsenwerden: erste Verliebtheit, sexuelle Wünsche, Besuch eines Sriptease-Lokals in der Stadt, die Eltern von Benni trennen sich, da der Vater eine sehr junge Praktikantin zur Geliebten hat .... Am Ende des Schuljahres fliegt Benjamin trotz Nachhilfe in Mathe wieder durch und der Abschied von diesem Internat ist klar, jedoch ist er um einige FreundInnen und Erfahrungen reicher. Der Film geht behutsam mit den Gefühlen der Jugendlichen um und weckt Erinnerungen an die eigene Jugendzeit.***

Anschließend sah ich den Kurzfilm Einspruch II" von Rolando Colla. Ein Asylsuchender erhält einen Brief mit dem unweigerlichen Abreise-Datum, bis wann er die Schweiz zu verlassen hat. Sein Entschluss, nicht still und leise zu verschwinden, steht fest: Er verbarrikadiert sich in einer Telefonzelle, übergießt sich mit Benzin, zündet sich an und verbrennt. Beklemmend und prägnant ***.

Grosse Freiheit Kleine Freiheit" von Kristina Konrad: Ein Doku über Inge Viett und Maria Barhoum, zwei Frauen, die Ende der 60er Jahre für eine revolutionäre Veränderung der Welt kämpften: Viett in Deutschland (gehörte der RAF an, saß 13 Jahre im Gefängnis, nachdem sie bei einem illegalen Aufenthalt in Paris von der Polizei gestellt wurde und einen Beamten anschoss) und Barhoum in Urugay, wo sie einer anarchistischen Bewegung beitrat und dann nach Schweden ins Exil fliehen musste. Der Film erzählt Momente aus beider Leben. 1998 trafen sich die beiden Frauen auf Cuba und die Regisseurin begleitete sie dabei. Zwei Frauen, für die das Wort „Freiheit" alles war...
*** Mein persönlicher Buchtipp dazu: Inge Viett: „Nie war ich furchtloser" – Autobiographie – Nautilus Verlag.

Den Abend begannen Norbert und ich mit dem Kurzspielfilm Tout est bien" von Vincent Pluss. Ein Mann und seine Frau sind mit seiner Mutter unterwegs zu ihrem Geburtstagsfest. Unterwegs wollen sie den „Versager"-Bruder abholen und ihn zwingen, mitzukommen. Der Konflikt ist vorprogrammiert. Keine neue Geschichte, verzichtbar.**

Big mac small world" – 1 Job, 6 Schicksale: Sie arbeiten für McDonalds – in China, Südafrika, Finnland, Brasilien, in den USA und in der Schweiz. Ein Bericht um den Kampf der Marktanteile unter dem Diktat von Berechenbarkeit, Tempo, Effizienz und „Qualitätsmanagement". McDonalds hat überall auf der Welt das gleiche Outfit, dieselbe Bedeutung. Aussage der Mitarbeiterin Connie in Las Vegas: „Ein Big Mac schmeckt eben wie ein Big Mac, in jedem Land gleich. Ich persönlich esse keinen." Ein Film über Menschen an der Nahtstelle, über lokale Traditionen und den globalen Markt.

Ergänzung (N):
Er zeigt die karge Freizeit der MitarbeiterInnen (der Geschäftführer des Lokals in Johannesburg sieht seine Familie gar nur zwei Tage im Monat; der Brasilianer ist mit dem Hausbau arg verschuldet und träumt von einem Häuschen in einer besseren Gegend, die Schweizerin züchtet Kaninchen, dem Finnen wäre ein Job in der Natur lieber; die Chinesin möchte den Makel aus einer geschiedenen Ehe zu stammen durch besonderen Fleiß kompensieren und die Amerikanerin hätte lieber mehr Zeit für die Familie) sie alle werden mit der Corporate Identity vertraut gemacht und sollen jedes Jahr noch schneller und effizienter arbeiten, doch irgendwann ist mal eine Grenze... Kein Film über das Essen bei McDonalds, oder die damit verbundenen ökologischen oder Abfall-Probleme, vielmehr ein Portrait von in diesem globalen Unternehmen arbeitenden Menschen und ihren Familien und Hobbies.
Interessant, aber ich hätte den Streifen um eine halbe Stunde gekürzt, 100 Minuten waren eindeutig zu lang***. (FAZ 35mm)

Samstag Mittag: Beginn mit drei Kurzfilmen, wobei nur Broke" von Benjamin Kempf erwähnenswert ist:
Schwarzer Tag an den Börsen: alle Kursen verfallen ... der Dow Jones sinkt .... Ein Broker will sich nach Millionenverlust auf der Toilette erschießen. Es kommt zur Konfrontation mit einem Kollegen auf dem Nachbar-Klo, der ihm (im breitesten Zürcher-Dialekt) zurät, seinen Vorsatz auszuführen, nachdem er ihm aber ein Rolle Papier herübergeschmissen hat. Ein anderer habe sich schon im Lift das Gehirn an die Wand gepustet und das sei „eine hure Sauerei" gewesen ... Doch es endet anders....
Bester Kurzfilm dieser drei Tage ****. (P,N)

„Tout ce que vos enfants ont toujours voulu savoir sur le sexe sans jamais oser vous le demander": Ein Video-Doku von Florence Adam und Michel Rodde, die den Sexualunterricht einer Klasse von 10- bis 12-jährigen begleiteten. Die Kinder wurden davor über ihre Kenntnisse befragt. Die Sexualkundelehrerin sammelte Fragen und ging sehr ernsthaft und offen mit der Beantwortung um. Das Thema Homosexualität wurde jedoch zu kurz und lapidar behandelt.
Trotzdem nicht uninteressant ***.

Anschließend hetzte ich zum ersten Block der „Produktionen aus Filmschulen". Drei Kurzfilme waren teils unverständlich, teils ungenießbar für mich. So oder So" von Lawrende Grimm überzeugte: Eine junge Frau verlangt an einem Kiosk nach einer Schachtel Zigaretten, eine zweite Frau drängt sich vor. Da es der ersten nicht gelang, schlagfertig zu reagieren, überlegt sie sich in der Folge eine Reihe von Möglichkeiten, wie sie sich verhalten hätte können. Witzig ****.

„Les bonheurs d’Elisabeth" von Géraldine Chappuis, die eine 88-jährige Frau, welche alleine auf dem Land lebt, in ihrem Alltag begleitet. Bewunderung meinerseits, welch große Lebensfreude und Humor dieser alten Frau zum Ausdruck kam ***.

Den zweiten Block der Filmschulen sahen Urs und ich gemeinsam. The flood" von Simon Piniel und „Ely & Nepomuk" von Rafael Sommerhalder sind zwei sehr nette Zeichentrickfilme *** (für beide).

Schneetreiben" von Nicole Wangler und Kathrin Waldvogel überzeugte durch schöne Bilder: der Mensch und die Kraft der Natur in den Bergen ***.
Urs dazu

„Ade" von Benjamin Kempf und „Berlintaxi" von Menga Huonder-Jenny: Eher uninteressant und deshalb die Inhalte nicht weiter erwähnenswert **.

Am Abend dann „Ausverkauft" im Landhaus: Zuerst der Kurzspielfilm La bouée" von Bruno Delville. Der 8-jährige Kevin kämpft mit seinem Übergewicht und seiner Mutter, die ihm mehrmals während der Woche Endivienauflauf auftischt – wegen der Vitamine. Aber zum Glück gibt es den Fritten-Stand von Monsieur Jean und die Mitschülerin Charlotte, die Kevin so gern küssen würde.
Unterhaltsam ***.

Birthday" von Stefan Jäger hielt bei weitem nicht, was die Inhaltsangabe versprach. Zwei Frauen und zwei Männer treffen sich an ihrem 30. Geburtstag wieder. Vor einigen Jahren waren sie eng befreundet und alle vier sind neugierig, wie die anderen nun so im Leben stehen. Bereits nach einer Viertelstunde war mir klar, dass mich dieser Film langweilte. Mein Eindruck: Big-Brother-Verschnitt Länge mal Breite. Urs und ich verließen nach einer halben Stunde genervt den Saal.
Urs dazu

Ein feiner Abschluss: Azzurro" von Denis Rabaglia im randvollen Capitol. Dieser Film erhielt bereits letztes Jahr den Publikumspreis in Locarno. Der 75-jährige Italiener Giuseppe fährt mit seiner blinden Enkeltochter, der 7-jährigen Carla in die Schweiz, um von seinem früheren Arbeitgeber das Geld für ihre notwendige Augenoperation aufzutreiben. Er hat 30 Jahre lang bei einer Baufirma in Genf gearbeitet und seinem Chef durch eine technische Erfindung zu Reichtum und Ruhm verholfen. Doch es stellt sich heraus, dass die alte Firma eine Ruine ist, dass der frühere Firmeninhaber seit Jahren in der Psychatrie lebt und dessen Sohn mit Schulden irgendwie weitermacht. Guiseppe trifft seinen früheren Arbeitskollegen, der es als Italiener in der Schweiz zu einem Restaurant gebracht hat. Dieser gibt ihm das nötige Geld, Carla kann operiert werden und kann wieder sehen. Die Problematik der früheren italienischen Gastarbeiter in der Schweiz kommen klar zum Ausdruck. Wunderschöne Bilder und ein hervorragende SchauspielerInnen machen diesen Film absolut sehenswert ****.


2. Norbert berichtet:
Ich wohnte wieder bei Arnold Lüthy, der nicht nur die Literaturtage organisiert, sondern sein renoviertes Haus auch als alternative WG für jung und alt offen hält. Da sein Haus sehr zentral liegt, konnte ich, sollte ich mal trotz Generalausweis als Akkreditierter keinen Platz mehr bekommen haben, einfach auf mein Zimmer gehen und mich ausruhen oder einige Notizen hinterlassen.
Generell jammerte ich schon letztes Jahr über das sinkenden Niveau und diesmal war es noch schlimmer (wobei mir auch mein Freund Richter von der NZZ zuflüsterte: „das sind die letzten Tage des Schweizer Films" – weit und breit nichts wirklich Gutes in Sicht)! Leider waren viele Filme schad um die Zeit, dennoch möchte ich einige positiv erwähnen – wir werden sie vielleicht im Rahmen der Auswahlschau im Kino Madlen im Mai (?) zeigen.
Rein subjektiv war das Problem mit dem Essen (alle wollen zwischen 19.00 und 20.15 „schnell" zu abend essen, aber kein „fast food" bekommen) heuer geringer. Sei es, dass neben dem Landhaus im „Jugi" eine Kantine mehr offen war, oder weil ich mich schon auskannte und man mich inzwischen kannte z.B. die nette Wirtin vom „Türk" mir immer einen Platz beschaffte. Dennoch, ein normales Essen und meine zwei Gläschen Wein kosten halt so mit Bankspesen umgerechnet so ab 350 S .. und das zweimal täglich...
Über andere organisatorische Mängel wird dann Urs berichten.

CREDO (Jonas Raeber, Animation, 35mm/7 min)
der für mich originellste Kurz – und Animationsfilm war Credo. Es ist eine verfilmte Austrittserklärung aus der katholischen Kirche und wurde dennoch (unbewusst ?)von ihr mitfinanziert (!!!!)
Als noch die gemütliche Schäferin Paula die Obhut der Herde Schäfchen auf einer idyllische Alp innehatte, war die Welt noch in Ordnung. Doch dann entsendet der reiche Bauer, der die Alp gepachtet hat den Hirten Hans, der für Zucht und Ordnung sorgen soll.
Schäfchen auf der Weide, ihnen wird gesagt, dass es praktisch unmöglich sei aus der Herde auszuscheren und durch den dunklen Wald zu flüchten. Da lauerten alle nur erdenklichen Gefahren, ein böser Wolf würde sie fressen und und...
Dennoch wagt es ein Schaf, aus der Herde auszutreten und durch den Wald in das nächste Dorf zu gehen; und siehe da, nichts passiert; im Gegenteil: dort ist es viel lustiger, man wird nicht brutal kahlgeschoren und muß nicht frieren...
Der einzige inhaltlich mutige Film. ****

JOUR DE NUIT
 
Dieter Fahrer, Bernhard Nick (35mm/dolby A)
Die innere Welt der beiden Blinden, Bruno und Monie (in diesem Falle 2 Späterblindete, die als SchauspielerInnen in Paris leben) wird in poetischen und langsamen Bildern den Sehenden bewusst gemacht. Bilder aus den Schweizer Bergen, aus Paris und Italien (Piacenza) in Zeitraffer und/oder nachts, fast kitschig schön. Die Berge, die Blumen, das Wasser und kaleidoskopartige Formen. Dritte Person ist Peter Bergmann, der als Maler im Berner Oberland lebt und mit einem schweren Stativ auf einsame Hochebenen steigt, um großflächige Landschaftsbilder in Öl zu malen. Monie hat sehende Kinder, malt mit ihnen, sie betont, dass sie leben und lieben kann. Bruno ist sehr extravertiert und erkundet mit seinem Langstock die Welt.

Vierter Aspekt ist die „Ville lumière", ein Theater aus Lichteffekten.
Der Film ist handwerklich sehr gut gemacht und einer der letzten Docs auf echten 35mm-Film, er hat eine beruhigende Wirkung und muss einfach vom Gefühl her genossen werden. Wer irgendwann mal blinde Menschen näher kennengelernt hat, wird diesen wunderschönen Film verstehen. Breites Publikum wird er wegen einiger Längen vielleicht nicht gleich ansprechen.
***(+)

REISE OHNE RÜCKKEHR
Esen Isik, 35mm/40 Min
Etwas holprig erzählte Geschichte einer verbotenen Liebe: ein Sozialarbeiter in einem Asylantenheim verliebt sich ein eine (vermutlich kurdische) Insassin, er ertappt sie dabei, wie sie einen Illegalen versteckt, er wird von den KollegInnen verächtlich angesprochen; die „Partei" will sie als Rednerin gewinnen, er meint sie vor diesen Genossen schützen zu müssen. Das Thema wäre an sich geeignet für ein Melodram; da er sich nicht traut die Sachen beim Namen zu nennen überzeugt der Film leider nicht.
**
Neben Schweizer Filmen gab es auch einige ausländische zu sehen.
In der Reihe „developed in a workshop" sah ich
TOTAL LOSS (Dana Nechustan, NL, 35mm, 85 min). Der handwerklich gut gemachte Streifen könnte auch mal als "Tatort" im TV laufen. Ein schwuler Arzt findet einen bewusstlosen Mann, der wohl zuviel Stoff erwischt hat und nimmt ihn mit in seine Wohnung, macht ihn wieder fit; sein Freund ist über diesen Dritten nicht erfreut... es kommt zu brutalen Szenen, Abrechnungen der Drogenszene und am Schluss zu einer tödlichen Autofahrt durch einen gesperrten Tunnel. Tod a la Diana. **
DIE BEULE
(Sarah Derendinger, Video, 18 min) Im Stile expressionistischer Stummfilme (Zwischentitel: „Franz will weiben" ...) wird ein alter Aberglaube erzählt: ausgerechnet zur Hochzeit bekommen sie Pestbeulen, die könne man an die Wand nageln, das geht so lange gut, bis die neugierige Frau hinter das Brett vor der Beule
schaut, dann bricht die Pest wieder aus.
Nur stilistisch aus dem Rahmen fallend. **(+)

Blue End
Kaspar Kasics (35mm/86 min) USA: ein Film mehr gegen die Todesstrafe. Die Fragwürdigkeit der Prozesse,
neu ist jedoch dieser Aspekt. Dem Todeskandidaten wurde mit der Todesspritze das Blut gegen blaues Kontrastmittel ausgetauscht, er wurde tiefgekühlt und in über 1700 mikroskopisch feine Scheibchen zerschnitten, um so einem Projekt der Digitalisierung der menschlichen Anatomie zu beginnen und der Wissenschaft zu dienen. Ruhiger, respektvoller Schnitt und beachtliche Filmmusik. ***

Von den Internationalen Kurzfilmen war erwähnenswert:
La Télévision (Marc-Olivier Picron, B, 35mm, 12 Min). Silvesternacht, ein älteres Ehepaar beim Dinner.
Immer dasselbe im Fernsehen! Doch diese Kritik scheint sich der Apparat nicht gefallen zu lassen und macht sich selbstständig, da hilft auch kein Stecker und Antennenkabel-ziehen! Interaktiv und etwas medienkritisch. (einen ähnlichen Film der Wiener Filmakademie habe ich aber schon gesehen). ***(+)

Le merchand de sable (Nicolas Koretzky, 35mm/ 16 min)
Ein junger Mann leidet darunter, dass alle Frauen die er küßt, in Narkolepsie (Schlaf) verfallen; er wagt es deshalb nicht einmal seine Angetraute bei der Hochzeit zu küssen. Aber vielleicht geht es auch umgekehrt (Dornröschen lässt grüßen) . Nett ins Bild gesetzte, absurde Geschichte, recht lustig. ***(+).

Leider waren immer mehr Videos zu sehen, die vor allem durch das idiotische fast quadratische Fernsehformat störend auffielen, andererseits wird die Projektionsqualität jedes Jahr besser, so dass von Bildgröße, Helligkeit und Farbsättigung her kaum noch ein Unterschied besteht. Da auch manche 35mm Filme gefazt (also vom Video „aufgeblasen" ) sind, war es für den Laien schwer zu unterscheiden, was echter Film und was Video war. Dennoch: an echte 35mm Schärfe reicht es noch lange nicht.
Bedauerlicher als der technische Aspekt ist aber, dass vieles auch den teueren Film gar nicht wert gewesen wäre, schwäzende Köpfe und nochmals schwäzende Köpfe... Weit und breit ist kein neuer Fellini, Buñuel oder Eisenstein in Sicht... das Niveau sinkt ständig, weil alles auch am Nachmittag im Fernsehen laufen soll können und nirgends „anecken" darf.....


3. Urs berichtet
siehe Teil 2 - hier klicken

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