Übersicht empfehlenswerter Filme:
Kurzfilme | Langfilme |
Broke | Jour de Nuit |
Credo | Azurro |
die Beule | Yugodivas |
Reise ohne Rückkehr | Big Mac - Small World |
Le merchand de sable | Blue End |
La Télévision | Total Loss |
Bus Stopp |
1. Pauline berichtet:
Auch heuer war der Andrang bei den Filmtagen sehr groß, besonders am Wochenende.
Die vehemente Kritik von Direktor Ivo Kummer – seine Kritik gilt den Hotel- und Saalkapazitäten in Solothurn – löste natürlich in der Stadt große Irritationen aus. Da der Standort als solcher in Frage gestellt wird, ist abzuwarten, welche Lösungen Kummer und sein Team finden werden.
Urs und ich waren in einem Hotel mit sterilem Frühstücksraum in Bettlach untergebracht, 20 Minuten Fahrtzeit vom Zentrum Solothurns entfernt. Wir haben uns schon überlegt, durch welche Option es uns gelingen könnte, eine Reservierung in einem zentralen Hotel zu erreichen.
Die Filmauswahl an den diesjährigen Solothurner Filmtagen war leider mittelmäßig. Dies galt für die Dokumentarfilme, Kurzfilme sowie Spielfilme gleichermaßen. In keiner Kategorie habe ich etwas gesehen, was mich sozusagen vom Hocker riss. Die Auswahl war riesig, jedoch das Angebot keineswegs innovativ oder beeindruckend.
Norbert und ich begannen am Donnerstag Abend mit „Supernova"
von Bettina Oberli, die für ihren Kurzspielfilm den ersten Preis in
der Kategorie „Bester Schweizer Nachwuchsfilm 2000" erhielt. Die
Geschichte von Eva und Klaus: Für beide ist heute der schönste
Tag. Eva heiratet heute, in weiß und in der Kirche. Für den
Astronomen Klaus tritt heute eine Sternenkonstellation (Explosion einer
Supernova) auf, der er schon lange entgegenfiebert. Auf ihrer Autofahrt
zur Hochzeit hat Eva einen Zusammenstoss mit Klaus und seinem Fahrrad.
Seine Brille geht kaputt und die braucht er...
Und alles kommt ganz anders wie vorgesehen, denn wo die Liebe hinfällt....
Kurzweilig und unterhaltsam ***.
Urs dazu
„Yugodivas"
von Andrea Staka (35mm/60 min) erzählt aus dem Alltag von fünf
Künstlerinnen – einer Malerin, einer Schauspielerin und drei Musikerinnen,
die vor 10 Jahren ihre Heimat Jugoslawien verließen und in New York
einen Neuanfang wagten. Der Kriegsausbruch 1991 im ehemaligen Jugoslawien
und die Bombenangriffe 1999 auf Belgrad haben ihr Leben verändert.
Ein Dokumentarfilm mit sehr persönlichen Geschichten, eine Auseinandersetzung
mit der alten Heimat und deren Wurzeln. Die Regisseurin selbst stammt ursprünglich
aus Sarajevo. Einfühlsames Porträt mit sehr schöner Musik.
Erhielt den ersten Preis der UBS.***
Norbert dazu:
Faszinierend war die Neue Musik der Pianistin; die Divas schwärmten
vom einstigen Yugoslawien, wie schön es einst war, als ethnische Herkunft
und Religion kein Thema waren, es an nichts mangelte und man die Wärme
der Familie genoss. Dass freilich die Bomben, die YU zerstörten aus
den USA kamen, in dem Land, in dem sie es sich nun wohl ergehen lassen,
wurde nie erwähnt. Soviel politische Naivität mag „Zeitgeist"
sein und nicht das Thema des Films, doch das schlichtweg zu ignorieren
geht m.E. einfach nicht.
Freitag Nachmittag „warf" ich mich buchstäblich in die Vorstellung
der Kategorie „Kinder- und Jugendfilm", d. h. ich wartete inmitten Dutzenden
von 14-jährigen. Am Eingang wurde ich sogleich mit dem Hinweis abgewiesen,
dass den reservierten Schulklassen der Vorzug galt. Ich ergatterte trotzdem
einen Platz und meine Hartnäckigkeit wurde nicht enttäuscht:
„Crazy" von Hans Christian Schmid ist ein wirklich sehenswerter
Jugendfilm. Der 16-jährige, halbseitig gelähmte Benjamin kommt
in ein Internat, um nach mehrmaligen Anläufen die Schule zu schaffen.
Die Bande um Janosch nimmt ihn nach dem Einführungsritual auf und
gemeinsam beginnen die Schritte zum Erwachsenwerden: erste Verliebtheit,
sexuelle Wünsche, Besuch eines Sriptease-Lokals in der Stadt, die
Eltern von Benni trennen sich, da der Vater eine sehr junge Praktikantin
zur Geliebten hat .... Am Ende des Schuljahres fliegt Benjamin trotz Nachhilfe
in Mathe wieder durch und der Abschied von diesem Internat ist klar, jedoch
ist er um einige FreundInnen und Erfahrungen reicher. Der Film geht behutsam
mit den Gefühlen der Jugendlichen um und weckt Erinnerungen an die
eigene Jugendzeit.***
Anschließend sah ich den Kurzfilm „Einspruch II" von Rolando Colla. Ein Asylsuchender erhält einen Brief mit dem unweigerlichen Abreise-Datum, bis wann er die Schweiz zu verlassen hat. Sein Entschluss, nicht still und leise zu verschwinden, steht fest: Er verbarrikadiert sich in einer Telefonzelle, übergießt sich mit Benzin, zündet sich an und verbrennt. Beklemmend und prägnant ***.
„Grosse Freiheit
Kleine Freiheit" von Kristina Konrad: Ein Doku über Inge
Viett und Maria Barhoum, zwei Frauen, die Ende der 60er Jahre für
eine revolutionäre Veränderung der Welt kämpften: Viett
in Deutschland (gehörte der RAF an, saß 13 Jahre im Gefängnis,
nachdem sie bei einem illegalen Aufenthalt in Paris von der Polizei gestellt
wurde und einen Beamten anschoss) und Barhoum in Urugay, wo sie einer anarchistischen
Bewegung beitrat und dann nach Schweden ins Exil fliehen musste. Der Film
erzählt Momente aus beider Leben. 1998 trafen sich die beiden Frauen
auf Cuba und die Regisseurin begleitete sie dabei. Zwei Frauen, für
die das Wort „Freiheit" alles war...
*** Mein persönlicher Buchtipp dazu: Inge Viett: „Nie war ich
furchtloser" – Autobiographie – Nautilus Verlag.
Den Abend begannen Norbert und ich mit dem Kurzspielfilm „Tout est bien" von Vincent Pluss. Ein Mann und seine Frau sind mit seiner Mutter unterwegs zu ihrem Geburtstagsfest. Unterwegs wollen sie den „Versager"-Bruder abholen und ihn zwingen, mitzukommen. Der Konflikt ist vorprogrammiert. Keine neue Geschichte, verzichtbar.**
„Big mac small world"
– 1 Job, 6 Schicksale: Sie arbeiten für McDonalds – in China, Südafrika,
Finnland, Brasilien, in den USA und in der Schweiz. Ein Bericht um den
Kampf der Marktanteile unter dem Diktat von Berechenbarkeit, Tempo, Effizienz
und „Qualitätsmanagement". McDonalds hat überall auf der Welt
das gleiche Outfit, dieselbe Bedeutung. Aussage der Mitarbeiterin Connie
in Las Vegas: „Ein Big Mac schmeckt eben wie ein Big Mac, in jedem Land
gleich. Ich persönlich esse keinen." Ein Film über Menschen an
der Nahtstelle, über lokale Traditionen und den globalen Markt.
Ergänzung (N):
Er zeigt die karge Freizeit der MitarbeiterInnen (der Geschäftführer
des Lokals in Johannesburg sieht seine Familie gar nur zwei Tage im Monat;
der Brasilianer ist mit dem Hausbau arg verschuldet und träumt von
einem Häuschen in einer besseren Gegend, die Schweizerin züchtet
Kaninchen, dem Finnen wäre ein Job in der Natur lieber; die Chinesin
möchte den Makel aus einer geschiedenen Ehe zu stammen durch besonderen
Fleiß kompensieren und die Amerikanerin hätte lieber mehr Zeit
für die Familie) sie alle werden mit der Corporate Identity vertraut
gemacht und sollen jedes Jahr noch schneller und effizienter arbeiten,
doch irgendwann ist mal eine Grenze... Kein Film über das Essen bei
McDonalds, oder die damit verbundenen ökologischen oder Abfall-Probleme,
vielmehr ein Portrait von in diesem globalen Unternehmen arbeitenden Menschen
und ihren Familien und Hobbies.
Interessant, aber ich hätte den Streifen um eine halbe Stunde
gekürzt, 100 Minuten waren eindeutig zu lang***. (FAZ 35mm)
Samstag Mittag: Beginn mit drei Kurzfilmen, wobei nur „Broke"
von Benjamin Kempf erwähnenswert ist:
Schwarzer Tag an den Börsen: alle Kursen verfallen ... der Dow
Jones sinkt .... Ein Broker will sich nach Millionenverlust auf der Toilette
erschießen. Es kommt zur Konfrontation mit einem Kollegen auf dem
Nachbar-Klo, der ihm (im breitesten Zürcher-Dialekt) zurät, seinen
Vorsatz auszuführen, nachdem er ihm aber ein Rolle Papier herübergeschmissen
hat. Ein anderer habe sich schon im Lift das Gehirn an die Wand gepustet
und das sei „eine hure Sauerei" gewesen ... Doch es endet anders....
Bester Kurzfilm dieser drei Tage ****. (P,N)
„Tout ce que vos
enfants ont toujours voulu savoir sur le sexe sans jamais oser vous le
demander": Ein Video-Doku von Florence Adam und Michel Rodde,
die den Sexualunterricht einer Klasse von 10- bis 12-jährigen begleiteten.
Die Kinder wurden davor über ihre Kenntnisse befragt. Die Sexualkundelehrerin
sammelte Fragen und ging sehr ernsthaft und offen mit der Beantwortung
um. Das Thema Homosexualität wurde jedoch zu kurz und lapidar behandelt.
Trotzdem nicht uninteressant ***.
Anschließend hetzte ich zum ersten Block der „Produktionen aus Filmschulen". Drei Kurzfilme waren teils unverständlich, teils ungenießbar für mich. „So oder So" von Lawrende Grimm überzeugte: Eine junge Frau verlangt an einem Kiosk nach einer Schachtel Zigaretten, eine zweite Frau drängt sich vor. Da es der ersten nicht gelang, schlagfertig zu reagieren, überlegt sie sich in der Folge eine Reihe von Möglichkeiten, wie sie sich verhalten hätte können. Witzig ****.
„Les bonheurs d’Elisabeth" von Géraldine Chappuis, die eine 88-jährige Frau, welche alleine auf dem Land lebt, in ihrem Alltag begleitet. Bewunderung meinerseits, welch große Lebensfreude und Humor dieser alten Frau zum Ausdruck kam ***.
Den zweiten Block der Filmschulen sahen Urs und ich gemeinsam. „The flood" von Simon Piniel und „Ely & Nepomuk" von Rafael Sommerhalder sind zwei sehr nette Zeichentrickfilme *** (für beide).
„Schneetreiben"
von Nicole Wangler und Kathrin Waldvogel überzeugte durch schöne
Bilder: der Mensch und die Kraft der Natur in den Bergen ***.
Urs dazu
„Ade" von Benjamin Kempf und „Berlintaxi" von Menga Huonder-Jenny: Eher uninteressant und deshalb die Inhalte nicht weiter erwähnenswert **.
Am Abend dann „Ausverkauft" im Landhaus: Zuerst der Kurzspielfilm „La
bouée" von Bruno Delville. Der 8-jährige Kevin kämpft
mit seinem Übergewicht und seiner Mutter, die ihm mehrmals während
der Woche Endivienauflauf auftischt – wegen der Vitamine. Aber zum Glück
gibt es den Fritten-Stand von Monsieur Jean und die Mitschülerin Charlotte,
die Kevin so gern küssen würde.
Unterhaltsam ***.
„Birthday"
von Stefan Jäger hielt bei weitem nicht, was die Inhaltsangabe versprach.
Zwei Frauen und zwei Männer treffen sich an ihrem 30. Geburtstag wieder.
Vor einigen Jahren waren sie eng befreundet und alle vier sind neugierig,
wie die anderen nun so im Leben stehen. Bereits nach einer Viertelstunde
war mir klar, dass mich dieser Film langweilte. Mein Eindruck: Big-Brother-Verschnitt
Länge mal Breite. Urs und ich verließen nach einer halben Stunde
genervt den Saal.
Urs dazu
Ein feiner Abschluss: „Azzurro"
von Denis Rabaglia im randvollen Capitol. Dieser Film erhielt bereits letztes
Jahr den Publikumspreis in Locarno. Der 75-jährige Italiener Giuseppe
fährt mit seiner blinden Enkeltochter, der 7-jährigen Carla in
die Schweiz, um von seinem früheren Arbeitgeber das Geld für
ihre notwendige Augenoperation aufzutreiben. Er hat 30 Jahre lang bei einer
Baufirma in Genf gearbeitet und seinem Chef durch eine technische Erfindung
zu Reichtum und Ruhm verholfen. Doch es stellt sich heraus, dass die alte
Firma eine Ruine ist, dass der frühere Firmeninhaber seit Jahren in
der Psychatrie lebt und dessen Sohn mit Schulden irgendwie weitermacht.
Guiseppe trifft seinen früheren Arbeitskollegen, der es als Italiener
in der Schweiz zu einem Restaurant gebracht hat. Dieser gibt ihm das nötige
Geld, Carla kann operiert werden und kann wieder sehen. Die Problematik
der früheren italienischen Gastarbeiter in der Schweiz kommen klar
zum Ausdruck. Wunderschöne Bilder und ein hervorragende SchauspielerInnen
machen diesen Film absolut sehenswert ****.
2. Norbert berichtet:
Ich wohnte wieder bei Arnold Lüthy, der nicht nur die Literaturtage
organisiert, sondern sein renoviertes Haus auch als alternative WG für
jung und alt offen hält. Da sein Haus sehr zentral liegt, konnte ich,
sollte ich mal trotz Generalausweis als Akkreditierter keinen Platz mehr
bekommen haben, einfach auf mein Zimmer gehen und mich ausruhen oder einige
Notizen hinterlassen.
Generell jammerte ich schon letztes Jahr über das sinkenden Niveau
und diesmal war es noch schlimmer (wobei mir auch mein Freund Richter von
der NZZ zuflüsterte: „das sind die letzten Tage des Schweizer Films"
– weit und breit nichts wirklich Gutes in Sicht)! Leider waren viele Filme
schad um die Zeit, dennoch möchte ich einige positiv erwähnen
– wir werden sie vielleicht im Rahmen der Auswahlschau im Kino Madlen im
Mai (?) zeigen.
Rein subjektiv war das Problem mit dem Essen (alle wollen zwischen
19.00 und 20.15 „schnell" zu abend essen, aber kein „fast food" bekommen)
heuer geringer. Sei es, dass neben dem Landhaus im „Jugi" eine Kantine
mehr offen war, oder weil ich mich schon auskannte und man mich inzwischen
kannte z.B. die nette Wirtin vom „Türk" mir immer einen Platz beschaffte.
Dennoch, ein normales Essen und meine zwei Gläschen Wein kosten halt
so mit Bankspesen umgerechnet so ab 350 S .. und das zweimal täglich...
Über andere organisatorische Mängel wird dann Urs berichten.
CREDO (Jonas Raeber, Animation,
35mm/7 min)
der für mich originellste Kurz – und Animationsfilm war Credo.
Es ist eine verfilmte Austrittserklärung aus der katholischen Kirche
und wurde dennoch (unbewusst ?)von ihr mitfinanziert (!!!!)
Als noch die gemütliche Schäferin Paula die Obhut der Herde
Schäfchen auf einer idyllische Alp innehatte, war die Welt noch in
Ordnung. Doch dann entsendet der reiche Bauer, der die Alp gepachtet hat
den Hirten Hans, der für Zucht und Ordnung sorgen soll.
Schäfchen auf der Weide, ihnen wird gesagt, dass es praktisch
unmöglich sei aus der Herde auszuscheren und durch den dunklen Wald
zu flüchten. Da lauerten alle nur erdenklichen Gefahren, ein böser
Wolf würde sie fressen und und...
Dennoch wagt es ein Schaf, aus der Herde auszutreten und durch den
Wald in das nächste Dorf zu gehen; und siehe da, nichts passiert;
im Gegenteil: dort ist es viel lustiger, man wird nicht brutal kahlgeschoren
und muß nicht frieren...
Der einzige inhaltlich mutige Film. ****
JOUR DE NUIT
Dieter Fahrer, Bernhard Nick (35mm/dolby A)
Die innere Welt der beiden Blinden, Bruno und Monie (in diesem Falle
2 Späterblindete, die als SchauspielerInnen in Paris leben) wird in
poetischen und langsamen Bildern den Sehenden bewusst gemacht. Bilder aus
den Schweizer Bergen, aus Paris und Italien (Piacenza) in Zeitraffer und/oder
nachts, fast kitschig schön. Die Berge, die Blumen, das Wasser und
kaleidoskopartige Formen. Dritte Person ist Peter Bergmann, der als Maler
im Berner Oberland lebt und mit einem schweren Stativ auf einsame Hochebenen
steigt, um großflächige Landschaftsbilder in Öl zu malen.
Monie hat sehende Kinder, malt mit ihnen, sie betont, dass sie leben und
lieben kann. Bruno ist sehr extravertiert und erkundet mit seinem Langstock
die Welt.
Vierter Aspekt ist die „Ville lumière", ein Theater aus Lichteffekten.
Der Film ist handwerklich sehr gut gemacht und einer der letzten Docs
auf echten 35mm-Film, er hat eine beruhigende Wirkung und muss einfach
vom Gefühl her genossen werden. Wer irgendwann mal blinde Menschen
näher kennengelernt hat, wird diesen wunderschönen Film verstehen.
Breites Publikum wird er wegen einiger Längen vielleicht nicht gleich
ansprechen.
***(+)
REISE OHNE RÜCKKEHR
Esen Isik, 35mm/40 Min
Etwas holprig erzählte Geschichte einer verbotenen Liebe: ein
Sozialarbeiter in einem Asylantenheim verliebt sich ein eine (vermutlich
kurdische) Insassin, er ertappt sie dabei, wie sie einen Illegalen
versteckt, er wird von den KollegInnen verächtlich angesprochen; die
„Partei" will sie als Rednerin gewinnen, er meint sie vor diesen Genossen
schützen zu müssen. Das Thema wäre an sich geeignet für
ein Melodram; da er sich nicht traut die Sachen beim Namen zu nennen überzeugt
der Film leider nicht.
**
Neben Schweizer Filmen gab es auch einige ausländische zu sehen.
In der Reihe „developed in a workshop" sah ich
TOTAL LOSS
(Dana Nechustan, NL, 35mm, 85 min). Der handwerklich gut gemachte Streifen
könnte auch mal als "Tatort" im TV laufen. Ein schwuler Arzt findet
einen bewusstlosen Mann, der wohl zuviel Stoff erwischt hat und nimmt ihn
mit in seine Wohnung, macht ihn wieder fit; sein Freund ist über diesen
Dritten nicht erfreut... es kommt zu brutalen Szenen, Abrechnungen der
Drogenszene und am Schluss zu einer tödlichen Autofahrt durch einen
gesperrten Tunnel. Tod a la Diana. **
DIE BEULE
(Sarah Derendinger, Video, 18 min) Im Stile expressionistischer Stummfilme
(Zwischentitel: „Franz will weiben" ...) wird ein alter Aberglaube erzählt:
ausgerechnet zur Hochzeit bekommen sie Pestbeulen, die könne man an
die Wand nageln, das geht so lange gut, bis die neugierige Frau hinter
das Brett vor der Beule
schaut, dann bricht die Pest wieder aus.
Nur stilistisch aus dem Rahmen fallend. **(+)
Blue End
Kaspar Kasics (35mm/86 min) USA: ein Film mehr gegen die Todesstrafe.
Die Fragwürdigkeit der Prozesse,
neu ist jedoch dieser Aspekt. Dem Todeskandidaten wurde mit der Todesspritze
das Blut gegen blaues Kontrastmittel ausgetauscht, er wurde tiefgekühlt
und in über 1700 mikroskopisch feine Scheibchen zerschnitten, um so
einem Projekt der Digitalisierung der menschlichen Anatomie zu beginnen
und der Wissenschaft zu dienen. Ruhiger, respektvoller Schnitt und beachtliche
Filmmusik. ***
Von den Internationalen Kurzfilmen war erwähnenswert:
La Télévision
(Marc-Olivier Picron, B, 35mm, 12 Min). Silvesternacht, ein älteres
Ehepaar beim Dinner.
Immer dasselbe im Fernsehen! Doch diese Kritik scheint sich der Apparat
nicht gefallen zu lassen und macht sich selbstständig, da hilft auch
kein Stecker und Antennenkabel-ziehen! Interaktiv und etwas medienkritisch.
(einen ähnlichen Film der Wiener Filmakademie habe ich aber schon
gesehen). ***(+)
Le merchand de
sable (Nicolas Koretzky, 35mm/ 16 min)
Ein junger Mann leidet darunter, dass alle Frauen die er küßt,
in Narkolepsie (Schlaf) verfallen; er wagt es deshalb nicht einmal seine
Angetraute bei der Hochzeit zu küssen. Aber vielleicht geht es auch
umgekehrt (Dornröschen lässt grüßen) . Nett ins Bild
gesetzte, absurde Geschichte, recht lustig. ***(+).
Leider waren immer mehr Videos zu sehen, die vor allem durch das idiotische
fast quadratische Fernsehformat störend auffielen, andererseits wird
die Projektionsqualität jedes Jahr besser, so dass von Bildgröße,
Helligkeit und Farbsättigung her kaum noch ein Unterschied besteht.
Da auch manche 35mm Filme gefazt (also vom Video „aufgeblasen" ) sind,
war es für den Laien schwer zu unterscheiden, was echter Film und
was Video war. Dennoch: an echte 35mm Schärfe reicht es noch lange
nicht.
Bedauerlicher als der technische Aspekt ist aber, dass vieles auch
den teueren Film gar nicht wert gewesen wäre, schwäzende Köpfe
und nochmals schwäzende Köpfe... Weit und breit ist kein neuer
Fellini, Buñuel oder Eisenstein in Sicht... das Niveau sinkt ständig,
weil alles auch am Nachmittag im Fernsehen laufen soll können und
nirgends „anecken" darf.....
3. Urs berichtet
siehe
Teil 2 - hier klicken