Bericht vom 55. Intern. Filmfestival Locarno 2002

von Dr. Norbert Fink 

Locarno ist nach wie vor ein reichhaltiges Festival und in zweieinhalb Stunden von uns aus mit dem Auto zu erreichen. Leider sind die (bei gutem Wetter) wunderschönen Aufführungen auf de Piazza Grande für den Cineasten uninteressant geworden, werden doch fast nur noch Erstaufführungen amerikanischer Blockbusters gezeigt; vor einigen Jahren eröffnete gar "Men in black" die Piazza Aufführungen, was Urs entsetzte und mich zu einem zweijährigen Locarno-Boykott veranlasste. Zimmerpreise von über 120 sFr in einem sehr einfachen Hotel (und "nur" 165 sFr im alteherwürdigen Grand Hotel, welches übrigens bald geschlossen und ein Casino werden soll), von knapp 50 SfR für ein gewöhnliches Abendessen mit zwei Drinks reduzieren natürlich die Anwesenheitsdauer erheblich.
Die Kinokarte kostet 14,-- , die Abendkarte (2 Filme auf der Piazza) 25,--, die Tageskarte 40,-- und die Akkreditierungsgebühr mit Katalog 65,-- CHF)
Ich war diesmal die letzten drei Tage dort und der Wettergott strafte die Frau Direktorin gewaltig, die sich mit der Programmierung von US-Filmen auf der Piazza die große Einnahmequelle erhoffte. Natürlich suchte ich mir Filme aus den anderen Ländern aus und wurde im grossen und ganzen nicht enttäuscht. Dennoch: Südeuropa und Lateinamerika ist sehr schwach vertreten.

Gelobt wurde im DRS das gute Niveau des Wettbewerbes, was ich an Hand der gesehenen Beispiele nur bestätigen konnte. Die Retro widmete sich Indien und der letzte Sonntag war Afghanistan gewidmet.

Es war nicht nur sehr mühsam in das große Fevi zu kommen, es empfahl sich eine Stunde früher sich in die Schlange einzureihen, schon um im abgedeckten Teil zu sein, auch das Herauskommen dauerte 20 Min, insgesamt erwies sich ein einziger Eingang doch als nicht gut handelbar. Die als linksliberal etikettierte neue Direktorin Irene Bignardi trat oft vor den Filmen engagiert und temperamentvoll auf, dennoch ist mir ihre Programmierung von US-Gewaltepen auf der Piazza unverständlich, da Locarno sicher zu einem der eher überlaufenen Festivals zählt und eher das Publikum auf Qualität schulen sollte als sich allen anzubiedern. Nicht einmal der Siegerfilm wird noch auf der Piazza wiederholt, dafür aber wurden die Sitzplatzangebote im Fevi und im Sala daneben gegenüber den Vorjahren deutlich erhöht. Selig ist auch jener Hungernde der Piazza fernbleibt, und nicht zwischen 18.30 und 20:30 abendessen will, außerhalb dieser Zeiten gelingt es aber doch, sich in einer der Restaurants oder Pizzerias der Altstadt einen Platz zu ergattern, um den Körper zu stärken und den Geist etwas abzulenken.

Alles in allem, es war nicht so schlecht wie befürchtet und einige gute Filme habe ich erlebt. Erfreulich auch, dass wieder mehr Filme im Cinemascope Format (1:2,2) gedreht wurden, nur das ist, verbunden mit 6-Kanal Digitalton, echtes großes Kino.


Aime ton père (Liebe Deinen Vater)
Vater und Sohn Depardieu spielen die Hauptrollen

Regie: Jacob Berger, F,CH,CDN,GB 2002, 100 Min, Cinemascope, digital

Leo Shepherd ist Schriftsteller und lebt auf einem Bauernhof in Obersavojen. Als er gerade den Stall ausmistet, kommt seine anorektische Schwester angerannt und erzählt ihm, ein Mann aus Stockholm habe angerufen, er habe den Literaturnobelpreis gewonnen und möge nach Schweden kommen. Das Telefon klingelt nun ständig, unter den Gratulanten ist auch sein Sohn Paul, mit der er tief zerstritten ist, seine Schwester verweigert die Übergabe des Gesprächs. Leo will mit dem Motorrad die weite Reise von Frankreich nach Schweden machen, seine Schwester möge fliegen. Er rast davon. Paul lauert ihm auf dem Weg auf und er trifft ihn auf einer Tankstelle, Leo bleibt höflich, will aber nichts von ihm. Paul verfolgt ihm mit einem geliehenen 607 weiter. Leo wird bei Basel in einen grässlichen Unfall verwickelt, überlebt aber. Da er seine Papiere verliert, wird er mit dem bis zur Unkenntlichkeit verstümmelten anderen Motorradfahrer verwechselt; Nachrufe gehen durch die Presse, Leo wird für tot gehalten. Paul, der kurz danach ebenfalls zur Unfallstelle kommt, nimmt ihn auf, nutzt die Gelegenheit um ihn als Geisel zu nehmen, er fesselt ihn und bespricht Szenen aus der Vergangenheit. Seine Tochter merkt erst nach Tagen, dass der Tote, den sie identifizieren soll, nicht ihr Bruder ist.

Mit dem Auto fahren sie nach Stockholm weiter. Auf der Fähre treffen sie auf die Schwester und ihren Freund, worauf hin sie in suizidaler Absicht vom Schiff springt, wird aber gerettet.

Leo macht das Spiel immer mehr mit, ja genießt es. Immerhin hat er seit 3 Jahren nichts mehr geschrieben und sieht sich auch nicht mehr in der Lage weiter zu schreiben.

In verfremdeten, in blau getauchte Rückblenden wird die Ursache des Hasses angedeutet: etwa als der kleine Paul ein Manuskript seines Vater mit Tusche verschmiert und daraufhin von ihm fast ertränkt wird.

Der Film ist spannend, aber manchmal von einer bis ins Absurde gesteigerten Unglaubwürdigkeit, Fluchtversuche bleiben ungenutzt; dennoch liegt darin etwas Innovatives, nicht recht ein Krimi, nicht recht ein Raod-Movie, im Prinzip eine wüste Familiengeschichte.

 (im Wettbewerb)

*** interessante, wenn auch recht absurde Story, gut gespielt 


Cuore Napoletano

Paolo Santoni, Italien 2002, 94 Min., digital

Die Edelschnutzen der alten sizilianischen Volksmusik als Belcanto - das erschien den Autoren des Films ähnlich hitverdächtig wie Wim Wenders die 90 jg Männder des Buena Vista Social Club in Cuba. Die Idee wurde also, was gar nicht abgestritten wird, abgekupfert und ebenso sind nette Anektödchen und ein sehr humorvoller, manchmal fast videoclipartiger Schnitt gut gelungen. Ausschnitte aus alten Filmen sind hart dazwischengeschnitten und unterstreichen den leidenschaftlichen bis pathetischen Charakter der Musik wie "o sole mio" oder "folliculi, follicula", die 1880 komponiert wurde um den Schrägaufzug (funiculaire) auf den Vesuv zu bewerben.

Heute erwerben die meisten SängerInnen bei Auftritten auf Hochzeiten ihr Geld und die Musik streut in die ganze Welt aus, natürlich in die USA, wohin viele ausgewandert sind, aber auch in die Ukraine, wo einer ganz sinngetreu die Texte übersetzt.

**1/2 Für LiebhaberInnen des Belcanto napoletano sicher ein großer Genuss, für Cineasten ob einiger dokumentarisch sehr gelungener Szenen und des guten Schnittes wegen auch sehenswert 


Hirtenreise ins dritten Jahrtausend

Erich Langjahr, CH 2002, 124 Min., dolby

Sehr detailgetreuer und herausragend fotografierter (auf echten Film !) Dok über die letzten Wanderhirten in der Schweiz. Diese kommen den Viehbesitzern noch immer billiger als das Heu, das die Tiere sonst im Winter brauchen würden, sie schlafen mit den Tieren unter Planen, mal in Holzcontainern und manchmal wird sogar ein Wohnwagen mit dem Heli eingeflogen...

Das Leben ist einfach und naturverbunden. Leider wurde der ökonomische Aspekt zu sehr ausgespart (auf wie viele Rappen Stundenlohn kommen sie denn?), mehrfach werden auch Geburten bei Schafen und Ziegen beobachtet (was einige Längen provoziert), die Mühen des Melkens und der 17-19 Stundentag, 7 mal die Woche.

Leider nur mäßige Stereoeffekte im Ton.

*** sehr ausführlich und vielleicht schon bald ein historisches Dokument über die Wanderhirten. 


2. Tag - strömender Regen und Kälte

OKAY
Jesper W.Nielsen, DK 2001, 93 Min., digital

Nicht jeder dänische Film muss ein Dogma-Film sein ! Okay hat zwar einen ziemlich banalen bis alltäglichen Inhalt als Rahmenhandlung, und zeigt eine Familiengeschichte, ist aber zauberhaft gespielt und rasant inszeniert.

Nete ist um die 35 und beim Arbeits- oder Sozialamt beschäftigt, sie ist recht resolut. Ihr Mann ist Literatur-Dozent an der Uni, arbeitet in Teilzeit, um einen Roman zu schreiben. Eines Tages bekommt ihr Vater, der Blut hustet, eine tödliche Diagnose. Der Arzt meint, er habe nur noch 3 Monate und möge die letzten Tage seines Lebens doch nicht alleine, sondern im Kreise der Familie verbringen dürfen. Also zieht Papa zu Nete, wo eigentlich kein Platz ist. Vater ist mit seinem Sohn verkracht, seit dieser sich als Schwuler outete. Er betreibt eine Sushi-Bar, in der Lesben und Schwule verkehren. Zwei lesbische Kundinnen bitten ihn um eine Samenspende, da sie Kinder wollen, er übergibt ihnen das Sperma in einem Kondom, den Inhalt teilen sie und injektieren sie sich erfolgreich (im Nachspann anerkennt er sogar die Vaterschaft).

Die 3 Monate sind bald vorüber und Vater erfreut sich vorübergehend wieder bester Gesundheit, mischt sich in die Erziehung der 14 jg Tochter ein (gibt ihr Geld für teure Kleider und sagt ihr, sie solle die Zahnspange rausnehmen lassen), sucht sich sogar den eigenen Sarg aus (die teuerste Eiche natürlich). Netes Ehemann wird inzwischen von einer 22 jg. schönen Studentin verführt und erliegt ihren Reizen, ein unüberlegter Anruf von ihrem Telefon auf Netes Handy mit Callbackfunktion lässt sein Fremdgehen rasch auffliegen, Nete wirft ihn kurzerhand hinaus.

Erst als Vater tatsächlich stirbt kommt das Happyende, an seinem Grabe versöhnen sich alle wieder.

***1/2 rasant, aber konventionell gedrehte, sehr humorvolle Familiengeschichte, wie auch ein schwuler Sohn Vater mit Lesben zum Opa machen kann.


 Mr. and Mrs.Iyer
Aparna Sen, Indien 2002, Welturaufführung, 120 Min, digital

Ein Pladoyer für mehr Toleranz zwischen den Religionen in Indien. Ein Bus mit einer bunten Mischung schaukelt über eine Bergstrasse. Die streng nach brahamanischen [Sikh]-Regeln erzogene Mrs. Iyer ist mit ihrem Kind genauso dabei wie ein junger Moslem, Naturfotograph, der sich über einen gemeinsamen Freund verpflichtet hat, sie auf der Reise zu beschützen und weitere junge und alte Fahrgäste aus ganz Indien. Als der Bus in ein Gebiet gerät, wo sich Hindi und Moslems blutig bekämpfen und ein älteres Moslem-Ehepaar von Hindi-Rebellen aus dem Bus gezerrt und ermordet wird, rettet sie ihm das Leben, in dem sie ihn als ihren Mann ausgibt; es gelingt ihnen durch Zufall von einem Polizisten in ein völlig verwahrlostes Hotel gebracht zu werden, wo sich erst die religiösen und ethnischen Unterschiede herauskristallisieren, sie sich sehr zaghaft aber doch näher kommen. Sie wird dort Zeugin, wie Moslems und Hindi sich gegenseitige ermorden und der anderen Dörfer niederbrennen... Mit einem Militärkonvoy können sie das Krisengebiet verlassen, zuhause angekommen, trennen sich ihre Wege wieder.

Nach dem großen Erfolg von "Monsoon Wedding" widmete Locarno in einem "Indian Summer" nicht nur in eine Retrospektive sich dem Indischen Film ("Bollywood" und unabh. Produktionen), sondern auch im Wettbewerb. Der hervorragende gemachte und spannende Film, mag zwar manchmal etwas plakativ seine Message verbreiten, aber immerhin es ist wieder einmal ein Film mit einer klaren politischen Botschaft für mehr Toleranz.

**** herausragend, jedenfalls gelang es, ein recht schwieriges Problem in einer unterhaltsamen und spannenden Geschichte zu verpacken und auch noch die Botschaft für mehr Toleranz zu transportieren. (war für mich preisverdächtig)

 

Angetan  von diesem Film ging ich in einen über 20 Jahren alten indischen Film in der Retro; es soll der erste gewesen sein, der den Bollywood-Mainstream verließ und von den ersten blutigen Aufständen der Hindi gegen die englische Kolinialmacht von 1857 berichtet:


JUNOON (un vol de pigeon; Possessed)

Shyam Benegal, Indien 1978, 141 Min, Farbe, mono

Ein in religiöser Ekstase verzückt Tanzender prophezeit in der ersten Szene schon ein Blutbad, als der Aufstand der Sepoy (indische Soldaten) gegen die englische Armee zu keimen beginnt, will es eine Kolonialbeamtenfamilie nicht glauben. Just beim Sonntagsgebet in der Kirche werden sie überfallen und niedergemezelt. Der Tochter gelingt die Flucht und Javed, ein indischer Freund, der eine Auge auf sie geworfen hat, gibt ihnen noch Versteck, bis auch dieses auffliegt. In Delhi werden nun die Sepoy geschlagen, Javed stößt zu den Rebellen und findet bald den Tod. Blutiges Schlachtengetümmel und langatmig, aber doch der erste indische Film, der sich den Konflikten drei Weltreligionen Islam, Hinduismus und Christentum widmet.

* für historisch Interessierte.


Brucio nel vento (Burning in the wind)

Silvio Soldini, I/CH 2002, Cinemascope, 118 Min, digital

Nach dem Roman "Gestern" von Agota Kristof

Ein Film von slawischer Schwermütigkeit, kongenial in der Bildsprache.

Tobias wächst in einem unbedeutenden Dorf in einem osteuropäischen Land (im Film ist es CZ, auch wird tschechisch gesprochen) auf, seine Mutter ist die schönste Frau des Dorfes und lebt als Gelegenheitsprostituierte. Tobias Lehrer ist einer ihrer Stammkunden und in Wahrheit auch der Vater. Eines Tages ersticht er ihn nach dem Liebesakt und flüchtet. Er kommt in ein Waisenhaus und gibt sich einen neuen Namen. Nun arbeitet er in der Uhrenzulieferindustrie bei Neuchatel in der Schweiz als Arbeiter. Aber er schreibt und liest viel. Obwohl er immer wieder die Gelegenheit bekommt, schöne Frauen kennen zu lernen, bricht er immer wieder die Beziehungen ab, denn es könnte die Traumfrau, die er nach einer Schulfreundin Nana nennt, kommen.
Eines Tages taucht diese tatsächlich, ebenfalls als Arbeiterin in der Fabrik, auf. Sie heißt Caroline, ist verheiratet und hat ein Kind. Sie und ihr Mann sind Akademiker und nur vorübergehend, zum Geldverdienen in der Schweiz. Er spioniert ihr nach und hat Anfangs Angst, sie könnte ihn verraten. Da ihr Vater auch der Lehrer ist, ist sie seine Halbschwester.

Immer mehr gibt er seine tiefe Liebe zu erkennen, richtet seine Wohnung neu ein (inkl. Kinderzimmer) und eines Tages erwidert Caroline tatsächlich seine Gefühle. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, ihren Mann zu ermorden. Er lauert diesem auf und sticht ihn nieder, verletzt ihn aber bloß, was er aber anfangs nicht weiß. Nach der Tat flüchten sie in ein anderes Land und beginnen von neu die Sprache zu erlernen.

** 1/2 etwas zu lang geraten und fast die Anamnese eines Neurotikers, dennoch gut in Cinemascope-Bilder umgesetzt. 


3 Tag. Der Sonntag, es ist noch immer sehr kalt, aber es regnet nur noch wenig.

Aus der Serie Afghan Day:
Extracts from Charly Chaplin in Kabul 
Das französische Kulturinstitut organisierte die Aufführung einer Reihe von Filmklassikern im visuell ausgehungerten Kabul. Videokasetten, Videoprojektor und Generator wurden der "Afghan Films" überlassen. Diese haben unter persönlicher Lebensgefahr alle Negative und viele Kopien in einer Höhle versteckt und vor den Taliban bewahrt. Kinder wie Erwachsene reagierten fänomenal auf jede Filmvorführung, seien es Buster Keaton Stummfilme oder was auch immer.

Das kurze Video zeigt die Freude, die man den Menschen dort damit gemacht hat.

***, technisch amateurhaft.


 Essen, Schlafen, keine Frauen

Heiner Stadler, D 2002, 76 Min, digital

Ein sehr ambitionierter Dok über die weitreichenden Folgen des Afghanistan-Krieges, der angelehnt an de Chaostheorie, wonach ein Schmetterlinsflügelschlag eine große Katastrophe auslösen kann, scheinbar unzusammenhängende Ereignisse zeigt. 7.10.2001, der Tag, an dem die USA Afganistan zu bombardieren begann: ein Kinoplakatmaler in Pakistan ist gefährdet, weil das Kino als Symbol des Amerikanismus gilt (obwohl dort fast nur indische Filme liefen) und von den Fundamentalisten angezündet wird; die Goldgräber im Amazonas freuen sich, durch den Börsencrash ist der Goldpreis gestiegen; um jene 3 Gramm die sie durchschnittlich pro Tag schürfen, können sie sich nun täglich Fleisch, und manchmal sogar Musik und Frauen leisten, einer baut deshalb schon ein Bordell; ein Taxifahrer in Kairo, ein Saxophonspieler in der Pariser Metro, ein Geschäftsmann aus Ohio in China....

*** kurzweiliger, sehr global denkender Dok über den Afganistan-Krieg

Ghirdab (Vortex) 1996 war als schlechte Videokopie zu sehen. Er entstand in den letzten Tagen der UdSSR-Okkupation und die Taliban warfen schon die ersten Bomben, 7 Schauspiele kamen dabei ums Leben. Eine wüste Geschichte um Morde und Ungerechtigkeit...
(nur geschnuppert, und da ohne Ut, nichts verstanden). 


Mohsen Makhalbaf, bei uns bekannt durch seinen Film "die Reise nach Kandahar" zeigte in "Aleph Bay e Afgan" die Alfabetisierungskampagne in den Flüchtlingsdörfern im afgan.-iran. Grenzgebiet. Die Unesco errichtete Schulen, doch offiziell durften nur die Identifizierten und anerkannten Flüchtlinge mit ID Card daran teilnehmen, die anderen durften "zusehen" und wieder andere gar nur außerhalb des Gebäudes "mithören". Der Hunger nach Bildung ist enorm, wem sie nicht gestillt wird bleibt nur die Koranschule. Breiten Raum ist Kindern gewidmet, die sich nicht wagen, die Burka abzulegen, es sei Sünde fremden das Gesicht zu zeigen meinen sie. Manchmal gelingt es der Lehrerin, eine dazu zu bewegen, wenigstens die Augen freizumachen, damit sie auf der Tafel die ersten beiden Buchstaben des Alfabets sehen kann. "AB" bedeutet dort "Wasser", und damit wäscht man auch das Gesicht und putzt die Zähne.
***Durchaus kritische Fragen über Gott machen den sehr gut gefazten Dok von 44 Min. durchaus sehenswert.


Después de la evasion
Antonio Llorens, SW, 80 Min, digital

Der in französisch gedrehte spanische Film eines Neulings über einen Häftling, der nach einem Ausbruchsversuch in einer Isolierzelle verwahrt wird ist weniger wegen seiner Langsamkeit unerträglich gewesen, sondern weil eigentlich nur Stimmen aus dem Off (unterlegt mit Big Band Sound!) eine Handlung vorgaben. Diese redeten so schnell, dass man die zweisprachigen Ut kaum lesen konnte. Binnen 30 Min leerte sich der Kinosaal fast.

### zwar alles andere als Mainstream; dennoch: drei Schlafkissen für geschwätzig und missraten.


 Auf Empfehlung eines Leiters einen kommunalen Kinos sah ich mich sogar einen US-Film an:

ONE HOUR PHOTO

Mark Romanek, USA 2002, 98 Min, digital

Mit Robin Williams.
Zum zweiten Mal spielt Robin Williams nicht den netten Mann, sondern einen Psychopathen. Der Aufbau des Filmes ist typisch amerikanisch - heile Welt am Anfang, glückliche Familien und ein Showdown am Schluß.
Sy entwickelt in einem Kaufhaus binnen einer Stunde die Foto und nimmt es sehr genau mit der Farbqualität seiner Prints, doch er mischt sich zunehmend in das Privatleben seiner Kunden ein, macht bei einer Familie, der er besonders nahe steht, auch Abzüge für sich. Als das herauskommt, wird er gefeuert. Er entdeckt auch auf den Foto seiner Kunden, dass eben dieser Ehemann der Musterfamilie fremd geht und spioniert ihnen weiter nach, bis er sie tätlich bedroht und zu Aktfotos zwingt , die Polizei kommt Ärgerem gerade noch zuvor.

Irgendwie ein kritischer Blick auf die scheinbar immer so lächelnden Fassaden, die hinter den Familienfotos stehen.

**1/2 spannender und detailgenauer Thriller, dennoch ist manche Aufregung etwas künstlich und moralisierend, massiver Musikeinsatz sorgt mehr für Spannung denn die Handlung selbst. (für einen US Film eigenartig - alle knipsen auf Agfa oder Fuji...)   


Und die Gewinner waren:


(Hatte leider das Pech, keinen von diesen zu sehen)




Die Liste der Preisgewinner
Internationale Jury:

Goldener Leopard für den besten Film des Wettbewerbs an «Das Verlangen» von Iain Dilthey (Deutschland)
Silberner Leopard für den zweitbesten Film des Wettbewerbs an «Tan de repente» von Diego Lerman (Argentinien)
Spezialpreis der Jury (Preis für Völkerverständigung) an den Film «I'm Taraneh, 15» von Rassul Sadr-Ameli (Iran)
Silberner Leopard für das beste Erstlings- oder Zweitlingswerk an «Vergnügliche Tage» von Kornèl Mundruczò (Ungarn)
Leopard für die beste Darstellerin an Taraneh Allidousti im Film «I'm Taraneh. 15» von Rassul Sadr-Ameli (Iran)
Leopard für den besten Darsteller an Giorgos Karayannis im Film «Hard Goodbye: My Father» von Penny Panayotopoulou (Griechenland)
Lobende Erwähnung an das ganze Schauspielensemble des Films «Tan de repente» von Diego Lerman (Argentinien)

Videowettbewerb:
Ex aequo an die beiden Videos «Jeon Jang Keu i Hu...» (After the War) von Nobuhiro Suwa, Moon Seong-wook, Wang Xiaoshuai (Südkorea) und «Love and Diane» von Jennifer Dworkin (USA)

Jury der Sektion «Leoparden von morgen»:
Preis für den besten Schweizer Kurzfilm an «Nuit de noces» von Olga Baillif
Preis für den besten australischen oder neuseeländischen Kurzfilm an «Delivery Day» von Jane Manning (Australien)

Jugendjury:
«Meisje» von Dorothée Van den Berghe (Belgien)
«Mr. and Mrs. Iyer» von Aparna Sen (Indien)
«Tan de repente» von Diego Lerman (Argentinien)

Fipresci-Jury:
«La cage» von Alain Raoust (Frankreich)

Ökumenische Jury:
«La cage» von Alain Raoust (Frankreich)

FICC-Jury:
«Tan de repente» von Diego Lerman (Argentinien)

CICAE-Jury:
«Meisje» von Dorothée Van den Berghe (Belgien)

Jury der Kritikerwoche:
«Forget Baghdad - Jews and Arabs - The Iraqi Connection» von Samir (Schweiz)

Publikumspreis für den besten Film auf der Piazza Grande an:
«Bend it Like Beckham» von Gurinder Chadha (USA/Grossbritannien)

zurück



Artikel aus den Schweizer Zeitungen "Tagesanzeiger" und NZZ: