Ein Strandwächter im Winter  
Cuvar plaze... Goran Paskaljevic YU 76

Einer der Themenschwerpunkte des Festivals war unserem Nachbarland Yugoslawien gewidmet. Als besonders typischer Film wurde aus dem Jahre 1976 dieser - in einer farblich schon defekten Kopie - ausgegraben.
Ein junges Paar heiratet, der Vater gibt dem Sohn gute Tips für die "Hochzeitsnacht", die Mutter der Tochter ebenso. Diese findet jedoch schon am frühen Vormittag statt, die Blasmusik spielt und die gaffenden Gäste sind schon ordentlich besoffen...
Der junge Mann ist arbeitslos und in Ermangelung einer Wohnung bekommen sie - im Winter - das Diensthäuschen eines Strandwärters angeboten, was ziemlich spartanisch ausgestattet ist. Er weigert sich auch, in einem Fotoroman eine Rolle zu spielen.
Die Schwiegereltern kommen zum Streiten und ein Vater, ein Eisenbahner der JZ stirbt, als er zur "Ertüchtigung" in eiskalte Wasser springt....
*** Historisch sehenswert, passagenweise komödienhaft


Der Tumult 
Silmandé
Pierre Yaméogi B.Faso 98

Beim Festival Fespaco in Ouagadougou (Burkina Faso) wurde dieser heitere und doch mutige Film entdeckt.
Ein Autofahrer fährt einen Jungen zusammen; ein Passant trägt diesen von der Unfallstelle an ein schattiges Plätzchen. Dieser wird wegen Verwischung der Spuren eingesperrt, der eigentliche Täter geht frei, weil er weiß, wen er bestechen muß.

Korruption ist das Thema des Films. Noch ein Beispiel: ein klappriges Auto fährt bei rot über die Kreuzung, ein schönes neues bei grün. Der Fahrer des zweiten wird angehalten und unter einem Vorwand zur Kasse gebeten. Warum er nicht den gefaßt habe, der eben bei rot über die Kreuzung fuhr? - Weil jemand mit so einer Klapperkiste kein Geld hat, die Strafe zu bezahlen!

Drehpunkt der Handlung ist eine von einer Französin geführten Bar, wo die Reichen und Regierenden, die Nutten und Dealer verkehren.
Möglicherweise hätte sich ein weisser Filmemacher sich nicht getraut, die Korruption einer schwarzen Regierung so deutlich anzuprangern.
*** sehenswert, erhielt den Jurypreis
NB: (FESPACO) is the largest African film festival.The next edition will be held from 24th February to 3rd March 2001



Express, Express 
Ekspres, ekspres Igor Sterk Slowenien 97

wurde von mir bereits in Kiev gesehen und gelobt. Boy meets girl - in einem Zug, in den immer weitere fellineske Typen einsteigen und für Unterhaltung sorgen; manche haben es sich überhaupt schon häuslich eingerichtet und fahren einfach, der Weg ist das Ziel...
Der wohl lustigste Film erhielt auch den **** Publikumspreis


Welt der Kräne - 
Mundo Grua
Pablo Trapero Argentinien 99
wurde von mir bereits in Fribourg gesehen und gelobt.
Argentinien 1999, schwarzweiß, 90 Min, dolby digital

Rulo ist ein etwas beleibter Mann um die 50 und lebt in Buenos Aires. Er bewirbt sich als Kranführer auf einer der höchsten Baustellen der Hauptstadt. In mehr als 100 Meter Höhe soll er auf dem Baukran sitzen. Er freut sich schon auf diesen Job in schwindligerr Höhe, muß aber noch psychologische und medizinische Tests über sich ergehen lassen. Der Arzt meint, mit seinem dicken Bauch sei er nicht geeignet, er müsse zuerst 20 Kilo abnehmen. Diese schlechte Nachricht erfährt er allerdings erst, als er eigentlich seine Schicht antreten möchte und sieht, daß ein Jüngerer auf seinem Arbeitsplatz sitzt. Mittlerweile hat er sich auch in der Nähe jener Baustelle sich mit einer Frau angefreundet, die einen Kiosk führt. Er erzählt ihr, daß er in einer erfolgreichen Popgruppe den Elektrobass spielte. Das war freilich schon 20 Jahren her und damals war er noch rank und schlank.

Sein Sohn freilich ist ziemlich arbeitsscheu und versucht ebenfalls als Rockmusiker in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, freilich erfolglos. Nachdem nicht beide ihre Freundinnen mit in die gemeinsame kleine Wohnung nehmen können, zieht der Sohn zur Großmutter und läßt sich von ihr bemuttern.

Rulo bekommt von einem Freund einen Job im Süden, 1200 Kilometer entfernt, vermittelt. Seiner neuen Beziehung tut das gar nicht gut. Rulo schlägt sich dorthin durch und endet in einem desolaten Massenquartier, indem es nicht einmal fließendes Wasser gibt. Auf einer weit entfernten Baustelle in der Wüste soll er einen Bagger bedienen und einen Kanal ausheben. Weder die Versorgung mit Nahrung noch mit Wasser funktionieren. Als die ausgebeuteten Arbeiter auch nicht den versprochenen Lohn bekommen geben sie auf. Rulo fährt autostoppend nach Hause.

Der in hartem, grobkörnigen Schwarzweiß gedrehte Film könnte fast ein Dogma-Werk sein. Handkamera, hautnahe Konflikte und eine bedrückende Echtheit sind seine Stärken. Dabei kommt der Humor durchaus nicht zu kurz. Er zeigt nicht nur die Probleme eines Älteren auf dem harten Arbeitsmarkt, sondern auch die aktuelle Situation in Argentinien unter dem asozialen Turbo-Kapitalismus des Präsidenten Menem.
**** sehr empfehlenswert



Nadias Dorf 
Nahja no mura Seiichi Motohashi JAP 97

Wunderschön fotografierter Dokumentarfilm um ein Dorf ganz in der Nähe von Tschernobyl; es hätte eigentlich evakuiert werden sollen, doch noch rund 15 Menschen, darunter auch das fotogene Mädchen Nadia, leben noch in der Todeszone und ernähren sich weitgehend von der eigenen Feldarbeit. Einmal pro Woche kommt ein LKW mit anderen Gütern des täglichen Bedarfs.
Inhaltlich leider absolut nichts neues, ein Film mehr zu einem bekannten Problem.
**(*) wens interessiert


West Beirut 
West Beyrouth Ziad Doueiri LIBANON 98

wurde von mir bereits in Fribourg gesehen und gelobt. Trigon Schweiz, in Österreich ohne Verleih !
Ziad Doueri, Libanon 1998, 105 Min, Dolby SR, ARTE / Trigon

Auch dieser Film im Wettbewerb war ausgezeichnet. 1975 in Beirut. Eine gut situierte arabische Familie, die den Sohn aufs französische Gymasiums schickt - islamisch? Ja, aber keine Spur von Schleier. Christen und Moslems leben ziemlich friedlich zusammen, klar, es gibt kleine Animositäten, aber auch Freund- und Liebschaften über die ethnischen und religiösen Grenzen hinweg. Man hat sich an den Luftkrieg zwischen Syrien und Israel über Beirut schon gewöhnt. Am 13. April 1975 bricht offiziell der Bürgerkrieg aus. Wie einst in Berlin, wird die Stadt geteilt in Ost und West, den christlichen und den islamischen Teil. Es gibt kaum mehr eine Möglichkeit, in den anderen Stadtteil zu kommen. Nur der Fahrer eines berühmtes Bordells darf die Demarkationslinie passieren und Kunden aus beiden Teilen zur erfahrenen Madame und ihren begehrten Mädchen führen.

Erzählt wirdaus der Sicht des Gymnasiasten: ein normaler Lausbub mit den üblichen Interessen der Pubertierenden. Er ist zwar Moslem, hat aber eine christliche Freundin und hört westliche Popmusik, Paul Anka und Soul. Plötzlich schlagen Bomben ein. Nächte im Luftschutzkeller. Hurrah, keine Schule mehr, aber auch keine Arbeit für Vater (beide liegen im anderen Teil der Stadt); Mutter dreht durch und will flüchten, das Essen wird knapp. Demonstrieren für die gerechte Sache der Palästinenser und gegen der Imperialimus der USA und seines Vasallen, Israel: ja klar: aber nur noch verschleierte Frauen, keine westliche Musik und Fernsehen mehr? Islam. Fundamentalismus, nein danke!

Auch diesem Film, der die bedrückende Situation in einer Stadtwohnung bei einem Kriegsausbruch zeigt, gelang es immer wieder durch Humor und auflockernde Szenen (etwa der zufällige Bordellbesuch der 15 jg im anderen Teil der geteilten Stadt) und durch die frechen Dialoge der Jungen beider Konfessionen einen unterhaltsamen, aber auch vielschichtigen und spannenden Film zu machen. "Während der ersten Jahre des Bürgerkriegs, war ich trotz der Furcht, die ich bei meinen Eltern erahnte, unfähig, Angst zu spüren." sagt Ziad zu seinem Film.
**** sehr empfehlenswert



Der süße Duft des Todes - 
Un dulce olor a muerte
Gabriel Retes MX 98

Eine junge Frau wurde nackt und ohne Spuren einer vorangegangenen Streitszene erstochen in einem Feld aufgefunden. Morgens zuvor hatte ein Lehrling eines kleinen Geschäftes ihr noch einiges geschenkt und ihr so die Zuneigung beteuert; sie nahm das gerne an. Er bezeichnet sie nun als seine "novia"-Verlobte.
Ein paar rechtsgerichtete Typen geben dem "Gitano", dem Zigeuner, der in seinem Wohnmobil hier des öfteren die Schuld.
Nur er könne es gewesen sein; der besonnene Sheriff hat aber seine Zweifel.
Er muß die Policia Federal mehrfach bestechen; sie würde nämlich den unschuldigen Jungen des Mordes aus Eifersucht beschuldigen und verhaften.
Indes machen die Männer den Jungen scharf, bilden ihm im Schiessen aus, er soll das Problem " a la Macho" lösen und den Zigeuner ermorden.
Der Showdown kommt, endet aber unerwartet positiv.
Vorurteile, Resentiments gegen Zugereiste und Minderheiten, Zitate aus der Filmgeschichte "Kurosawas Rashomon", die Blues-Musik, die erdigen Farben, alles paßt. Dennoch, der Film ist tolle leichte Unterhaltung, nicht mehr.
**** ein Mexico-Tatort oder TexMex-Western, unterhaltsam
der Film erhielt den Verleiherpreis.


Das Pulverfass - Bure baruta Goran Paskaljevic YU,F 98

Der serbische Regisseur Paskaljevic zeigt sein Volk als sehr aufbrausend. Kleinste Probleme werden zum kleinen Krieg,
enorme Inszenierungen werden veranstaltet; all dies endet meistens tragisch.
In mehreren Episoden wird Gewalt von Männern untereinander, aber auch gegen Frauen jeden Alters dicht und metaphorisch in Szene gesetzt.
Ein Kratzer an einem gepflegten alter VW-Käfer, Fremdgehen mit der Frau des Freundes, Provokation von Fahrgästen, Benzinklauen, Schwarzhandel, die Ex-Frau wieder zurückerobern wollen...
Die ethnischen Konflikte und andere Themen werden in bedrückenden Situationen und atemberaubenden Tempo gezeigt.
Ein Meisterwerk, in dem der Regisseur seinem Volk einen Spiegel vors Gesicht hält; manche Reaktionen des Publikums lassen aber zur pessimistischen Meinung neigen, daß dies nicht verstanden wird oder nichts nützt.

**** ziemlich hart und mit etlichen Gewaltszenen, dennoch ein Spiegel der Gesellschaft



zurück zur Übersicht