Fimkritken 2011 des FKC Dornbirn

wenn nicht anders angegeben ist Dr. Norbert Fink der Autor

WG = Prof. Walter Gasperi
Urs = Dr. Urs Vokinger

Weitere Kritiken von Walter Gasperi finden sich
auch hier. (Kultur-Online - auf Filmriss weiter klicken)
bestmöglich: *****, **** = herausragend, ***= sehenswert, ** diskutabel, * mangelhaft, # langweilig, ## = 2 Schlafkissen für besonders langweilige Filme

Hinweis - hier kritisiere ich im allgemeinen aktuelle Filme, die ich irgendwo auf der Welt sehe, in der Regel nicht jene, die wir sicher ins Programm aufnehmen oder selbst gezeigt haben.

 

Black Brown White Mein bester Feind (WG) The Kings Speech
Poll Almanya Planet der Affen - Prevolution
Whore´s Glory Atmen DIE HÖHLE DER VERGESSENEN TRÄUME
Dreiviertelmond Eine dunkle Begierde Der Gott des Gemetzels
Habemus Papam    


Habemus Papam - Ein Papst büxt aus
Regie: Nanni Moretti, I, F 2011, 103 Min.; mit Michel Piccoli, Nanni Moretti, Jerzy Stuhr

Der Film präsentiert uns einen sehr, sehr menschlichen Papst, und leider ist der Film pure Fiktion und keine Doku!
Ein neuer Papst wird gewählt und nach traditionellem Ritus tritt die Enklave zusammen. Jeder betet zu Gott "wähl bitte nicht mich!". Nach einigen erfolglosen Wahlgängen der möglichen Favoriten, in denen kaum gesprochen wird,   fällt die Wahl auf den Außenseiter Melville, der darüber mehr als geschockt ist. Als er auf dem Balkon der sixtinischen Kapelle vor die auf dem Platz vor dem Petersdom wartende Menge treten soll, bekommt er eine Angstattacke schreit auf und dreht wieder um. "Der neue Heilige Vater hat sich zum Gebet zurückgezogen!" heißt es offiziell, doch der Papst schließt sich mal ein. Ein Psychoanalytiker soll ihm helfen, doch darf er keine Fragen über Sex, die Mama, die Kindheit oder gar Zweifel an Gott stellen und alle Kardinäle wollen dabei zuhören - so klappt Psychotherapie natürlich nicht. Er wird an die geschiedene Frau des Psychoanalytikers verwiesen und dort bietet sich ihm die Möglichkeit zur Flucht inkognito. Währenddessen trainiert der Psychoanalytiker die Kardinäle in Volleyball...
Der neu gewählte Papst gerät dabei in einem einfachen Hotel auch in die etwas verrückte Theaterszene und entpuppt sich als verkannter (?) Schauspieler.
Es gibt dann eigentlich auch kein Happyend, sondern nur eine ehrliche Antwort.
Der Atheist Nanni Moretti, der selbst den Psychoanalytiker spielt, hat hier keineswegs boshaft die Kirche kritisiert, sondern die alten Herrenriege der Kardinäle recht menschlich, also mit all ihren Schwächen dargestellt, scharf sind eigentlich nur indirekten Schlussfolgerungen: die Papstwahl ist mehr Zufall als Ergebnis einer eingehenden Diskussion und das Amt des Papstes ist eigentlich nicht zu bewältigen, soviel gäbe es zu reformieren. Und von "oben" spürt er keine Hilfe.

**** Nicht boshaft, sondern sehr menschlich wird die panische Angst eines neugewählten Papstes vor seiner Bürde dargestellt.


Der Gott des Gemetzels (Carnage)
Roman Polanski, USA 2011, 80 Min, Cinemascope, mit Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz, John C. Reilly
Die Eltern von zwei Jugendlichen, die sich geprügelt haben, kommen in einer Wohnung zusammen um die Angelegenheit zu bereinigen, anfangs finden sie sich sympathisch und glauben dass ihre Kids sich versöhnen werden und die ausgeschlagenen Zähne wieder repariert werden können. Der eine Vater ist Anwalt und ständig am Handy damit beschäftigt, einen neuen Medikamentenskandal zu vertuschen, der andere ein einfacher Verkäufer von Metallwaren, die eine Mutter schreibt ein Buch über das Elend in Afrika und ist kunstinteressiert, die andere verkotzt ihr die schönen Kunstbände. Was anfangs  nach gütlicher Einigung ausschaut, eskaliert in eine wüste Beschimpfung auf allen Ebenen und jeder gegen jeden, Männer gegen Frauen und umgekehrt, Ehepartner gegen sich und eskaliert extrem.
Das Kammerspiel der vier Personen spielt nur in einem Raum und ist deshalb stark auf die Worte und Mimik beschränkt. Polanski verzichtet auf filmische Mittel und Tricks und lässt die Schauspieler agieren -ähnlich wie in "Wer hat Angst vor Virgina Woolf" . Polanski macht sich dabei irgendwie darüber lustig, wie man Konflikte über ein Gespräch glätten will und wie das ganz schön schief gehen kann.

*** Mehr Theater als Film, aber durchaus eindrucksvoll.


Eine dunkle Begierde - A dangerous method
David Cronenberg, CDN, UK, D 2011, gesehen in DF


Es geht um Sabina Spielrein, die als hysterische Patientin zu C.G. Jung in die Klinik Burghölzli bei Zürich eingewiesen wird, Jung versucht an ihr eine "Sprechkur" – die psychoanalytische Methode nach Freud - und es kommt unter Asporn von Otto Gross, Patient und Psychiater Jungs, auch zu einer leidenschaftlichen Affäre mit ihr, wobei sie sich von Jung entjungfern und danach auch gerne auspeitschen lässt.
Jung nimmt mit Freud in Wien Kontakt auf und Freud hofft, dass Jung sein Nachfolger in der psychoanalytischen Bewegung wird. Nachdem Jung, dessen wohlhabende Ehefrau das zweite Kind von ihm erwartet diese gefährliche Beziehung beendet, wechselt Spielrein nun den Therapeuten und geht zu Freud, berichtet ihm von der Affäre mit Jung, die dieser natürlich leugnet. Erst als er unter dem Druck anonymer Briefe diese Affäre doch gesteht, ist Freud über die Unehrlichkeit Jungs entsetzt. Umgekehrt ist Jung enttäuscht, dass ihm auf dem Schiff nach New York - Freud reist 1. Klasse, Jung nicht - Freud ihm einen Traum vorenthält, weil dieser seine Autorität untergraben könnte.
Damit ist der Bruch zwischen Freud und Jung vollzogen, Spielrein selbst studiert Medizin und wird auch Psychoanalytikerin, übernimmt sogar von Freude Fälle, heiratet einen Juden und zieht nach Russland.
Die Dialoge sind einerseits von hohem Niveau und mit psychoanalytischem Vokabular wie "Übertragung" und „Libido“ gespickt, andererseits fehlen die Hauptthesen Jungs wie das kollektive Unbewusste und die Archetypen. Freilich kritisiert Freud an Jung dessen Hang zu Religion und Parapsychologie.
Einige Begriffe wurden jedoch bei der Rückübersetzung wieder verfälscht, so heißt es bei Freud "Redekur" und nicht "Sprechkur".
 
Störend wirkte, dass die beiden Herren zu Dressmen mutieren und in ständig neuem feinstem Tuch auftauchen. Die Kliniken scheinen leer und nur von wenigen betuchten jüdischen Privatpatienten belegt. Cronenberg verzichtet auf seine sonst deutliche Bildsprache und visuellen Schockelemente, die Schönheiten des Großbürgertums verherrlichend wird fast ein Kostümschinken daraus. Gedreht wurde z.T. in Überlingen, die Hohentwiel tritt auch kurz auf, der Bodensee wird zum Zürichsee.
Andererseits sind manche Originalschauplätze, etwa Freuds Wohnung in der Wiener Berggasse, detailgetreu nachgebildet.
Der Film interessiert vor allem an der Geschichte der Psychotherapie interessierte Menschen, für diesem Thema völlig außen stehende dürfte er weniger spannend sein.

*** Zu geschöntes Kammerspiel um den historischen Konflikt zwischen Freund und Jung sowie dessen Affäre mit Sabina Spielrein, Jung steht als Lügner und Ehebrecher im Raum, während Freuds Autorität weitgehend unangetastet bleibt.


Dreiviertelmond
Regie: Christian Zübert, D 2011, Cinemascope

Hartmut, ein grantiger Taxifahrer wird von seiner Frau nach 35 Jahren Ehe verlassen, da sie einen anderen gefunden hat. Hartmut hat noch etwas Kontakt zu seiner Tochter, die ein „Schuhcafé“ aufmachen will.
Bei einer Fahrt nimmt er eine türkische Frau mit einem jungen Mädchen, Hayat, mit. Hayat wird kurz darauf zu ihrer Oma gebracht, weil die Mutter auf einem Kreuzfahrtschiff arbeitet. Doch die Oma fällt beim Beten ins Koma. Hayat ruft um Hilfe und sie werden ins Spital gebracht. Nachdem sich niemand um Hayat kümmert, verlässt sie das Spital und trifft zufällig auf das Taxi von Hartmut. Der fährt sie nach Hause, und sie schläft ein. Er bringt sie ins Bett, fährt aber am nächsten Morgen nochmals hin um das Fahrgeld abzuholen, dabei merkt er, dass sie völlig alleine ist, Hayat hängt sich an ihn und Hartmut sucht verzweifelt nach jemandem, der sich um sie kümmern könnte. Ganz langsam merken beide, dass der andere die einzige Bezugsperson ist. Hartmut macht auch immer mehr Fehler, aus Unachtsamkeit baut er einen Unfall.
Bis endlich die Mutter doch auftaucht, wachsen sie sich ans Herz. Als Hartmut wieder alleine ist und seine Frau sich endgültig scheiden lassen will, spürt Hartmut, was er im Leben falsch gemacht hat und wie einsam er ist. Er gönnt sich daraufhin einen Urlaub in Istanbul. Die Nachbarn meinen „mit Hartmut ist wohl etwas nicht in Ordnung!“ Derweil fängt er erst im höheren Alter an, das Leben zu geniessen.
Der vom BR und arte produzierte ist etwas brav, es dominieren aber die herausragenden schauspielerischen Leistungen von Elmar Wepper als Hartmut und Mercan-Fatima Türköglu als Hayat (was Leben auf deutsch bedeutet).

**** ein rührender, zutiefst menschlicher Film, der an sich fürs Fernsehen gemacht wurde und entsprechend brav ist.


CAVE OF FORGOTTEN DREAMS
DIE HÖHLE DER VERGESSENEN TRÄUME

R: Werner Herzog, Frankreich/Kanada/USA/GB/Deutschland 2010, 3D-DIGITAL, 90 Min.
Werner Herzog führt uns mit einer verblüffend effektvollen 3D-Kamera in die Chauvet Höhlen im frz. Ardeche-Tal, wo vor 28.000 Jahren Menschen in dieser Höhle verblüffend perfekte Zeichnungen von Tieren – und einer einzigen Frau (ähnlich der Venus von Villendorf) machten. Sie lebten aber nie in dieser Höhle, sondern inszenierten dort irgendwelche Rituale. Neben den Stalaktiten und anderen Ablagerungen finden sich auch viele Skelette von Höhlenbären. Manchmal nahe an der Grenze zu Esoterik („die Geister führen den Pinsel, die Hand des Malers ist nur ihr Werkzeug“), führen uns Wissenschafter aus mehreren Disziplinen mit in die Höhle, die nach dem heutigen Wissen das älteste Beweisstück früher menschlicher Kultur ist.
****Verblüffende 3D-Technik und eine Reise in die Zeit der frühesten Kultur des homo sapiens ergeben einen lehrreichen und unterhaltsamen Dokumentarfilm.

Die 1994 im südfranzösischen Ardèche-Tal entdeckten Chauvet-Höhlen sind eine wissenschaftliche Sensation. Rund 400 Wandbilder, bis zu 32.000 Jahre alt, verstecken sich in dem 400 Meter langen Höhlensystem und sind so empfindlich, dass der Zugang stark reglementiert wird. Ein Felseinsturz hat den Eingang zu den Höhlen vor mehr als 20.000 Jahren versiegelt und das Wunder der Konservierung möglich gemacht. Die Höhlenmalereien und -zeichnungen in der Ardèche-Provinz gelten als die bisher frühesten Funde von vorzeitlicher Kunst und werden seit der Entdeckung unter Verschluss gehalten. Nur eine Handvoll Menschen durfte die Artefakte bisher mit eigenen Augen sehen, weil sie extrem empfindlich sind. Schon die kleinste Veränderung der Luftfeuchtigkeit durch menschlichen Atem kann verheerende Folgen für die prähistorischen Kunstwerke haben und sie zerstören. Neben einem Team aus Wissenschaftlern durfte Herzog unter strengsten Auflagen für kurze Zeit im Frühjahr 2010 in den Chauvet-Höhlen drehen. Niemand hätte wohl vor CAVE OF FORGOTTEN DREAMS Werner Herzog mit einem 3D-Film in Verbindung gebracht, aber für diesen ganz speziellen Drehort gab es, wie Herzog betont, keine andere Wahl als dieses Format. Zugleich verkündete er, dass CAVE OF FORGOTTEN DREAMS sein erster und letzter 3D-Film sein werde. (Leokino.at)


ATMEN

Österreich 2011; Regie & Buch: Karl Markovics, 93 Min
Der in überbreitem Cinemascope gedrehte Film zeigt den verschlossenen Jugend - Häftling Roman Kogler. Er wurde als Kind von seiner Mutter fast erstickt, als er zuviel schrie, wiederbelebt und der Jugendfürsorge übergeben. Mit 14 wurde er selbst zum Mörder.
Er bekommt Freigang und soll sich einen Job suchen, sein Bewährungshelfer ist nicht wirklich schlecht, aber auch nicht sehr sensibel und hilfreich. Ebenso sind seine Wärter im Knast weder Sadisten, noch Engel.
Nur die städtische Bestattung gibt ihm eine Chance, da heißt es Stiegen rauf- und runter Särge und Leichen transportieren, Leichen waschen und anziehen, zum Krematorium oder Friedhof bringen.
Doch ganz langsam beginnt Roman sich mit seinem Leben auseinanderzusetzen und die Herausforderungen anzunehmen, der Kontakt zur leiblichen Mutter fällt schwer und sie ist auch eine schwierige Person, ein freundliches Lächeln einer Ausländerin im Zug gibt ihm einen Funken Hoffnung. Ausgerechnet der Job mit dem Tod führt ihn ins reale Leben zurück.
Am Schluss Hoffnung – die Anhörung mit dem Richter verläuft positiv und ihm Job hat er sich eingearbeitet.
Bildsprache und Inhalt passen kongenial zusammen. Die Musik kündigt die Stimmung an.

**** Herausragender „Problemfilm“ im Stile der „Berliner Schule“, langsam, präzise, wortkarg, herausragende Kamera.


Whores´ Glory
Michael Glawogger, A/D 2011

Nach dem Spezialpreis der Jury in Venedig wurde dieser Film mit Lob überhäuft.
In einer Trilogie zeigt Glawogger das Leben von Prostituierten in drei Ländern: Thailand, Bangladesh und Mexiko. In den ersten beiden gab es einen Zensor, der aufpasste, dass wir nicht zuviel sehen, erfahren wir im Abspann, da sind die Latinos weniger prüde gewesen und darum ist die dritte Episode eindeutig die schärfste.
Der „Fish Tank“ in Bangkok: die Mädchen beten zu ihren Göttern, und bitten um viele Freier. Sie sind von allen die am meisten zu Passivität verurteilten, haben hübsch aufgemacht mit einer Nummer hinter einer Glasscheibe zu sitzen und drauf zu warten, ausgesucht zu werden, dabei pfuscht ein Butler ins Werk, der den Kunden Empfehlungen erteilt. Nach der Arbeit gehen sie in Diskos und zahlen ihrerseits für Tänzer, und ereifern sich vorzustellen, wie schlimm es mit „Alten“ über 40 sein müsse, eine absurde Situation. Sie zahlen und werden für menschliche Bedürfnisse bezahlt. Sexarbeit ist für sie eine ziemlich normale Sache und Sextouristen nur ein kleiner Teil der Kundschaft.
Wenig einladend für uns hingegen ist das Ambiente in Faridpur, Bangladesh, junge Frauen werden an „die Stadt der Freude“ verkauft, wo sich 600 bis 800 Prostituierte mit ihrem Kindern und ihren „Müttern“ (Zuhälterinnen) in einem großen, schäbigen Haus aufhalten. Sie sind mehr oder weniger begabt im Werben um Freier, mal traurig und mal fröhlich. Hart geht es zu, wenn eine nicht einmal ihre Miete erwirtschaftet oder an den psychischen Problemen zerbricht. Alle Kundenwünsche erfüllen sie nicht, denn der Islam verbietet z.B. den Oralverkehr.
Ganz anders in Reynosa an der Grenze zu Texas in Mexiko, hier wird so ziemlich alles angeboten. Echte Machos sind die Kunden der Chicas der „zona de tolerancia“, manche haben Christus auf die Brust tätowiert, was sie nicht davor abschreckt, regelmäßig die Zone zu besuchen und dabei noch abfällig über die „Schlampen“ zu sprechen. Auch die arbeitenden Frauen sind abergläubisch und haben eine eigenartige Frömmigkeit. Hier gibt’s knallharte Tipps und einige heiße Szenen zu sehen, hier wird das Konzept gebrochen, nur die Frauen oder die Freier erzählen zu lassen, hier sieht man sogar einen Akt, der jedoch exakt nach Zeitablauf beendet wird, auch wenn der Macho noch nicht gekommen ist, aber auch nicht mehr Geld hatte um weiter zu machen.
Auch hier gibt es wieder widersprüchliche Aussagen, von solchen denen es selber Spaß macht, bis zur bitteren Rückschau einer ins Alter gekommenen, die niemand mehr will.

Verstört hat mich weniger der dokumentarisch exakte Blick in das Milieu, als das schrille Sounddesign, wo unnötigerweise die Stille der Nacht mit schräger Popmusik zugepflastert wurde. (ein Der Film geht mit Sicherheit klar an die Grenzen dessen, was auch bei uns gesagt und gezeigt werden darf (ich bin gespannt, ob ihn die Koproduzentem ORF/ZDF/arte wirklich in der Kinofassung zeigen können)
Trotz allem wirkte der noch auf echten Film aufgenommene Dokumentarfilm weniger bildgewaltig, als z.B. sein Meisterwerk „Workingman´s Death“, mag aber auf Unbedarfte eine schockierende Wirkung ausüben, da weder moralisiert noch mit pädagogischem Zeigefinger auf Huren oder Freier gezeigt wird. Das älteste Gewerbe der Welt wirft auch einen Blick auf die Geschlechterbeziehungen in der jeweiligen Gesellschaft.
*** sehenswert, sicher ein sehr erstaunlicher Einblick in das Leben der Prostituierten.
 


Planet der Affen - Prevolution
Rupert Wyatt, USA 2011

Es handelt sich hier keineswegs um eine Remake der alten „Planet der Affen“ Serie, wo die Menschen von Affen in Käfigen oder Zoos gehalten werden und nur ein Forscherpärchen deren Intelligenz entdeckt.
Es geht hier um Versuche mit Medikamenten, die Alzheimer bzw. den altersbedingten Hirnabbau stoppen sollten, das Medikament zeigt bei Primaten eine rasche Wirkung und die Intelligenz der Affen steigt rasant an, doch eines Tages werden die Tiere sehr aggressiv und müssen getötet werden. Cäsar, ein junggeborenes Schimpansenbaby wird aber gerettet und von Will nach Hause genommen, es hat den Impfstoff von der Mutter übertragen bekommen und ist ebenfalls übermäßig intelligent. Indes appliziert Will verbotenerweise seinem eigenen, an Alzheimer erkrankten Vater, den Impfstoff und der wird sofort wieder geistig fit wie noch nie (was wohl sehr unglaubwürdig ist bzw. von magischem Glauben an die Pharmaindustrie zeugt) doch ist die Wirkung nicht dauerhaft. Als sich der Vater mit seinem Nachbar streitet, weil er mehrere Autos demolierte, greift Cäsar aggressiv ein und wird in ein Tierheim gebracht, wo er schlecht behandelt. Inzwischen experimentiert man mit einem neuen Wirkstoff, der aber bei Menschen und Primaten ganz unterschiedliche Nebenerscheinungen aufweist. Cäsar rebelliert und führt einen Affenaufstand an, stiehlt den neuen Wirkstoff und gibt ihn seinen Leidensgenossen, damit sie kluger werden. der die eingesperrten Tiere in die freie Natur zurück bringen soll, gegen die fliehenden Tiere wird eine ganze Armee eingesetzt, auf der Golden Gate Bridge kommt es zum Kampf.
Die Menschen, die mit dem neuen Wirkstoff in Kontakt gekommen sterben an einer Tröpfcheninfektion, ein Pilot trägt das tödliche Virus in die Welt.
Vielleicht sterben so die Menschen aus und intelligente Affen übernehmen die Macht?

Tricktechnisch – „Performance Capture Verfahren" ist der Film sicher ein Meilenstein und auch inhaltlich kein simples Remake, langweilig ist er auch nie, doch ist auch er ein typischer Hollywood-Film mit seiner versteckten Ideologie und den üblichen Gewaltszenen. Andererseits warnt er doch vor leichtfertigem Glauben an die leichte Manipulierbarkeit der Gene und beinhaltet einige kluge Querverweise. ***
 


Almanya - Willkommen in Deutschland
http://www.almanya-film.de/
Yasemin Samdereli, D 2011, 97 Min.
Dass ausgerechnet die Geschichte des 1.000.001 "Gastarbeiters"
 in der BRD Anlass zu einem fröhlichen, friedlichen und integrationsförderndem Feel-Good-Movie wurde, ist erfreulich. Die in Deutschland geborene, türkischstämmige Regisseurin drehte bisher Kurz- und Fernsehfilme und überrascht mit einer fast fellinesken Bildsprache. Jedenfalls sind die optischen Einfälle mindestens so lustig wie die sprachlichen. Besonders schön sind auch die religiösen Anspielungen: den Türken ist unverständlich, dass man einen Gekreuzigten anbeten und dann noch sein Fleisch essen und Blut trinken soll, andererseits hat es auch Allah sehr schwer: er soll die diametral entgegen gesetzten Bitten von Mann und Frau erfüllen....  
In rasanten Rückblenden wird die Geschichte einer anatolischen Einwandererfamilie erzählt, wäre Opa Hüseyin  nicht so höflich gewesen und hätte einen drängenden Landsmann vorgelassen, wäre er der gefeierte und von den Medien bejubelte ein Millionste Gastarbeiter in der BRD geworden. Nun ist die Familie integriert und bekommt deutsche Pässe, für den 6 jg. Sohn Cenk Yilmaz eine schwierige Situation, denn er weiß nicht mehr ob er in deutschen oder türkischen Mannschaft der Schule spielen soll. Oma hat Albträume ob der deutschen "Leitkultur", muss sie nun wirklich einmal die Woche Schweinsbraten essen, einem Trachtenverein beitreten und am Sonntag den Tatort ansehen? Und Opa hat eine Riesenüberraschung für die Großfamilie parat: er lädt alle in die Türkei ein, wo er ein Haus gekauft habe, das man gemeinsam "nur" renovieren müsse, um ein Sommerferienhaus zu haben.
Seine 22-jährige Cousine Canan ist von einem Engländer schwanger und traut es nicht zu sagen - doch Opa merkt es. Doch auf dem Weg dahin im Kleinbus stirbt Opa, und das Haus steht eigentlich nicht mehr, besser gesagt nur noch eine Mauer. Sein in Deutschland arbeitsloser Sohn Muhamed beschließt in der Türkei zu bleiben, um das Haus wieder aufzubauen. Der Rest der Familie kehrt nach Deutschland zurück. Der kleine Cenk hält vor Bundeskanzlerin Angela Merkel die Rede, die Hüseyin vorbereitet hatte. Und Oma war auch nicht so heilig gewesen wie sie gegenüber ihrer Enkelin tat, sie "musste" ihren Hüseyin heiraten...

***Alle realen Konflikte, die es zwischen den Türken und den Deutschen gibt, werden sorgfältig ausgeklammert, aber beide Seiten bekommen ihr Fett ab, eine Komödie voller Herzenswärme, eine wirklich köstliche Unterhaltung!


Poll
Chris Kraus, D 2011, 129 Min.

POLL wurde beim Deutschen Filmpreis 2011 mit vier Lolas ausgezeichnet und damit zum meistprämierten Film, wenn man den Inhalt auf der Homepage liest müsste man meinen einen sensationellen Film zu sehen zu bekommen, doch leider - vieles ist nur angedeutet, wird nicht klar ausgeführt, es bleibt ein schwülstiges Melodram mit weniger Message. Die sehr aufgeweckte Oda von Siering ist die Tochter eines etwas verschrobenen Arztes, der sich als Genie in Sachen menschliches Gehirn wähnt,
Präparate sammelt und bei jeder Gelegenheit Gehirne seziert. Er hat seinen Lehrstuhl in Wien verloren und wird von seinen Kollegen ausgelacht. (Was er eigentlich für eine Theorie hatte, bleibt wie so vieles ausgespart), wir befinden uns in der kleinen Ortschaft Poll in Baltikum (auch das wird geografisch nicht näher erläutert), wo einige deutsch sprechen, obwohl es zum Russischen Zarenreich gehört, wir schreiben das Jahr 1914.  Als Oda zufällig einen von zaristischen Truppen schwer verwundeten estnischen Anarchisten "Schnaps" in einem verlassenen Nebengebäude findet, gibt sie sich als 20 jg Krankenschwester aus und hilft ihm, die Nahrungsmittel klaut sie oder zweigt sie von ihrem Munde ab, die Medizinischen Mittel findet sie im Labor des Vaters. Es gelingt ihr, ihn gesundzupflegen und eigentlich möchte sie mit ihm in die aufkeimende Revolution ziehen, doch am Schluss geht alles schief  und endet tragisch.

Zwar schön fotografiert - ein Kolonialstilhaus am Meer wurde eigens für den Film errichtet - und mit mehreren, sonst vom "Tatort" bekannten Schauspielern prominent besetzt, überzeugt die Umsetzung nicht, der alte Dr. Sierig glaubt nicht, dass sich jemand verändern kann, wenn sein Gehirn mal so ist, doch die Geschichte wird ihn eines Besseren belehren, wir erfahren nichts von den Ideologien der damaligen Zeit, sehen nur schön gekleidete Soldaten und Zivilisten, die üppig tafeln. Anfangs ist der Film recht sperrig, erst gegen Schluss wird er spannend.  **


The King´s Speech
Tom Hooper, GB 2010, 118 Min.
Der mit Vorschusslorbeeren auf den Oscar® von der Kritik hochgelobte Film sollte man sich unbedingt in der englischen OF oder OmU ansehen, denn manche Ausdrücke aus der Sprachtherapie, wie auch viele Schimpfwörter lassen sich kaum richtig übersetzen.

Als König Georg V, proforma-Herrscher über das riesige British Empire, stirbt, folgt ihm erstmal der erstgeborene Sohn nach.  Doch der neue König Edward VIII hat Weibergeschichten, er möchte eine bereits zweimal geschiedene bürgerliche Amerikanerin heiraten, was natürlich nicht geht, ist er doch auch Oberhaupt der anglikanischen Kirche. Er dankt ab und  übergibt die Thronfolge an seinen Bruder Albert (König Georg VI), der introvertiert ist und stottert. Der Film beginnt mit der Abschlussveranstaltung der British Empire Exhibition von 1925, bei der Albert, als Herzog von York, erstmals eine vom Hörfunk übertragene Ansprache halten soll. Alberts Nervosität und sein Stottern machen die Ansprache zu einem Fiasko. Interessant ist dabei die Darstellung des Echos aus dem Raum, eine Tatsache, die die meisten Menschen zum Stottern bringt. Seine Frau Elizabeth sucht deshalb verzweifelt nach einem Therapeuten für ihren Mann und stößt auf den Australier Lionel Logue, der recht unkonventionelle Methoden anwendet. So lässt er ihn etwas laut vorlesen, während er ihm Kopfhörer mit lauter Musik aufsetzt - und siehe da, er stottert so nicht mehr. Doch besteht seine Therapie auch darin, die Ursachen aus der Kindheit zu erforschen, was sich seine Hochheit natürlich zuerst verbittet. Immerhin, er war Linkshänder und wurde zum rechts Schreiben gezwungen, musste seine X-Beine qualvoll schienen lassen und wurde als Kind viel gehänselt. Die "therapeutische Beziehung"  durchlebt extreme Höhen und Tiefen. Als er am 12.5.1937 zum König gekrönt werden soll, muss er sich auf die Thronrede vorbereiten, was mit Lionels Hilfe gut geht. Dabei wird "aufgedeckt", dass Lionel kein Doktor, sondern ein Laie ist, sich aber im 1. Weltkrieg um die "Kriegszitterer" verdient gemacht hat. Ganz besonders kritisch  wird es für den neuen König, als er die Kriegserklärung an Hitler-Deutschland verkünden muss, die über das neue Medium Rundfunk in die ganze Welt übertragen wird, umfasst diese doch mehrere Seiten. Wieder hilft ihm Lionel und alles geht gut, er spricht langsam und mit Pausen - was auch dem einfachen Volk entgegen kommt (was Kreisky auch wusste).
Die beiden Männer bleiben ihr Leben lang Freunde und auch Lionels Wunsch geadelt zu werden, geht (im Nachspann) in Erfüllung. Lionel verlangte von ihm, mit ihm auf Augenhöhe zu sein und dass sie sich  mit den Vornamen ansprechen, was natürlich anfangs große Widerstände bei Albert und seiner  Frau provozierte. Etwas Pfiff erhält der Film durch die wiederholte Aufforderung zu schimpfen und Vulgärausdrücke als Akt der Befreiung auszustoßen. Andererseits ist der Film recht konventionell und etwas kammerspielartig.
Ganz besonders bemerkenswert ist auch der Soundtrack des Filmes  von Alexandre Desplat mit klassischer Musik.
*** 1/2 Sehr einfühlsame, an historischen Tatsache orientierte Geschichte über den englischen König Georg VI, der spätestens bei der Kriegserklärung an Hitler sein Stottern besiegen musste.


Mein bester Feind
Österreich, Luxemburg 2010, Regie; Wolfgang Murnberger, mit Moritz Bleibtreu u.a.
Im Österreich der 30er Jahre waren Viktor, Sohn eines reichen jüdischen Galeristen und Rudi, Sohn der Putzfrau von Viktors Eltern, Freunde. Als aber die Nazis in Österreich einmarschieren, sieht Rudi die Chance im neuen Regime Karriere zu machen, während Viktors Familie zunächst enteignet und dann deportiert wird. Als aber 1943 bei einem Staatsbesuch dem Duce eine Zeichnung Michelangelos, die im Besitz der jüdischen Familie war und nun auffindbar ist, übergeben werden soll, wird Rudi beauftragt Viktor aus dem KZ zu holen um ihn zur Herausgabe der Zeichnung zu zwingen. Doch das Flugzeug stürzt ab, nur Rudi und Viktor überleben und der KZ-Häftling Viktor tauscht mit dem SS-Offizier Rudi die Rolle.

Wo Tarantino eine wilde Farce entwickelte, versucht Murnberger in bravem Realismus zu inszenieren. Das ist zwar durchaus solide erzählt, verharmlost aber in gerade in seiner biederen Machart die Nazigräuel, will Murnberger doch tatsächlich den Eindruck vermitteln, dass der Rollentausch so problemlos funktioniert.
*Daraus ergibt sich die verheerende Gleichung: KZ-Häftling sieht man seine Haft nicht an und ist gleich genährt wie ein deutscher Offizier. (Walter Gasperi von der  Berlinale)


Black Brown White
Spanien/Marokko/Österreich 2010; Regie: Erwin Wagenhofer, Cinemascope, 107 min, deutsch-spanische OmU.
Erwin Wagenhöfer, dessen preisgekrönte Dokumentarfilme "we feed the world" und "
lets make money" uns noch wohltuend in Erinnerung sind, versucht hier in seinem ersten Spielfilm, einem Road-Movie teils dieselben Fakten in einer teilweise spannenden, teilweise aber konstruierten unglücklichen Liebesgeschichte unterzubringen. Der Fernfahrer Don Pedro, Partner von "Just in Time", karrt ukrainische Knoblauch nach Marokko, wo sie gereinigt und zu Zöpfen geflochten werden und als "spanisches Produkt" gekennzeichnet und nach Österreich zurück gebracht werden. Doch die Scania-Trucks mit Wiener Nummer haben auch eine geheime Kammer, um Flüchtlinge zu verstecken.  Mit seinem ukrainischen Kollegen Jimmy wechseln sie die Hänger, um die Polizei zu verwirren, denn der eine bleibt scheinbar im Schengen-Raum. Diesmal nimmt er auch die junge Afrikanerin Jackie mit ihrem Kind mit, die sich weigert, hinten im Versteck mitzufahren und lieber, wenn immer möglich, in der klimatisierten Fahrerkabine sitzt, was ein stark erhöhtes Risiko (und für den Zuschauer erhöhte Spannung) bedeutet. Der sehr schön fotografierte Cinemascope-Film kippt spätestens ab dem Zeitpunkt um, wo sie in einer von Millionen leer stehenden Wohnungen in Spanien (warum erklärt lets make money)  ein komisches Liebespaar werden und ihnen die ganze Fracht Tomaten gestohlen wird, als er sie aus dem Versteck holen muss. Auch die seltsamen Begegnungen mit einem "Ärzte-ohne-Grenzen"-Arzt im Mercedes-Rettungsauto wirken sehr konstruiert (Deus-ex-Machina), der Schluss mit österreichischen Polizisten in Spanien erst recht.  Die Glaubwürdigkeit des gutgemeinten Ansatzes, die "Festung Europa" vs. das Elend in Nordafrika aufzuzeigen, leidet darunter sehr. Auch wenn einzelne Szenen durch Tatsachen belegt sein mögen, ist es diese Aneinanderreihung, die so nicht stimmig ist.
**1/2  Handwerklich sehr gut gemacht, wirkt das Flüchtlings-Roadmovie ziemlich konstruiert. Zwar hat Wagenhöfer recht, wenn er sagt, "das globalisierte System, das solche Zustände produziert, sei kriminell", weiß wohl aber auch keinen Ausweg.


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