Filmkritiken des FKC 2009
wenn nicht anders angegeben ist Dr. Norbert Fink
der Autor
WG = Prof. Walter Gasperi
Urs = Dr. Urs Vokinger
Weitere
Kritiken von Walter Gasperi finden sich
auch hier. (Kultur-Online
- auf
Filmriss weiter klicken)
bestmöglich: *****, ## = Schlafkissen für besonders langweilige Filme
Hinweis - hier kritisiere ich im allgemeinen aktuelle Filme, die ich irgendwo
auf der Welt sehe, in der Regel nicht jene, die wir sicher ins Programm
aufnehmen oder selbst gezeigt haben.
Spezials - 70 mm Filme im Leokino
Avatar - Aufbruch nach Pandora (in 3D)
James Cameron, USA 2009, digital-3D
Der Film ist vor allem wegen seiner bahnbrechenden Technik - der erste richtige
Langspielfilm in 3D und einer der teuersten Filme der Welt überhaupt -
sehenswert und diesbezüglich wirklich sensationell gut gemacht. Es ist dies
praktisch ein Meilenstein der Filmgeschichte, wie einst der Übergang vom Stumm-
zum Tonfilm, vom Schwarzweiss-zum Farbfilm, von 35mm auf 70 mm, vom
Mono-Lichtton zum Digitalen Stereo-Mehrkanalton.
Der Inhalt ist sehr einfach, die Menschheit ist mit ihren Ressourcen am Ende und beginnt den Planeten Pandora auszubeuten, wo menschenähnliche Lebewesen (Na´vi) grüner Hautfarbe und mit einem langen Schwanz wohnen, die in Eintracht mit der Natur leben und auf Drachen fliegen können. Auch ist ihr Urwald durch ein neuronales Netzwerk vernetzt und speichert Erfahrungen.
Der Avatar ist ein Wesen, bei dem ein Mensch
durch einer "Beamermaschine" in den Körper dieser Wesen schlüpft. Der Held
des Films, ein gelähmter Ledernacke - Söldner, macht diese Prozedur mit, er soll
sie dazu bewegen auszukundschaften, ihr Vertrauen zu gewinnen, um sie dann
umzusiedeln, doch immer mehr nimmt er ihre Interessen wahr, angetrieben durch
die Liebe zu einem Navimädchen.
Es kommt dann zum Krieg, in dem er und einige wenige Abtrünnige des Konzerns die
Fronten wechseln.
Einerseits typische amerikanische Stereotypen (von der Filmmusik bis zu
religiösen Anspielungen), andererseits in einer sagenhaften technischen
Perfektion und ästhetischen Kreativität gemacht. Erstmals bekommt man bei 3D
nicht sofort Kopfweh und die Effekte sind nur manchmal des Effektes willen. Dass
die amerikanische Armee als eine mehrheitlich brutale Bande dargestellt wird,
die auch noch nach der Erde die letzte Hoffnung zerstört, ist für mich recht
sympathisch und irgendwie selbstkritisch. Trotz seiner Länge von 165 Min wird
der Film nie langweilig, man ist zum Greifen nah in einer anderer Welt.
**** Vor allem vom Technischen her ein Meilenstein
der Filmgeschichte und ein besonders fantasievoll animierter 3D-Film für die
ganze Familie. Unbedingt in 3d-tauglichen Kinos anschauen!
P.S. auch die Fernsehindustrie arbeitet daran, das 3d-Verfahren in die Wohnungen
zu bringen, mit 200Hz-Technologie und Shutterbrillen dürfte es in ein paar
Jahren so weit sein. Im Kino erhalten wir Polarisationsbrillen, um die beiden 90
Grad polarisierten Bildkanäle für jedes Auge getrennt zu erhalten.
Die Bucht (The Cove)
von Louie Psihoyos, Doc , USA, 92 Min.
In den 60er Jahren war Ric O‘Barry der Trainer von „Flipper“. Jenem Delfin, der
den Anfang eines Milliardengeschäftes mit Delfinen markierte. Heute kämpft er
leidenschaftlich gegen die Delfin-Industrie und macht die wirtschaftlichen und
politischen Interessen öffentlich, die hinter dem Geschäft mit den Meeressäugern
stehen. In der japanischen Küstenstadt Taji werden jährlich 20.000e Delfine
gefangen, die schönsten werden an Aquarien verkauft, der Rest blutig
abgeschlachtet und verspeist. Dabei überscheitet das Fleisch der Delfine krass
jeden Grenzwert für Quecksilber.
Auch die unsägliche Rolle Japans in der Internationalen Walfischkommission wird
aufgedeckt - sie würden am liebsten die Wale und Delfine (beides verwandte
Säugetiere) unbeschränkt fischen dürfen, um sie zu verspeisen. Ric O´Barry wird
es nicht leicht gemacht, er wird in Japan ständig überwacht und muss
Geheimdiensttricks anwenden, um zu den Bildern dieses Films zu kommen.
Die deutsche Synchronisierung war schrecklich.
***Ansonsten ein gut gemachter, spannender und
informativer Doc!
Antichrist
Lars von Trier, D, DK 2009, 109 Minuten
Der Titel des Films leitet sich von der Idee ab, nicht
Gott, sondern der Satan, habe die Natur geschaffen. Deshalb sei sie, und auch
der Mensch, insbesondere die Frau, so böse und gewalttätig.
Ein akademisches Paar beim Sex - ihr Kind schaut den Schneeflocken am Fenster zu
und stürzt hinaus, stirbt. Ihre Trauer hat psychotisches Ausmaß, sie liegt in
der Klinik, doch er, selbst Psychotherapeut, will - entgegen der
Grundregel niemals nahe stehende Personen zu therapieren - mit ihr auf einer
Hütte im Wald das Problem bewältigen. Dabei kommt es zur Apokalypse: was sich
die beiden antun, überschreitet die bisherigen Schmerzschwellen des Kinos.
In Prolog, 4 Kapitel und Epilog aufgegliedert, schauspielerisch und
handwerklich bestens gemacht, beginnt der Film relativ geschwätzig und mit den
bekannten Standardtechniken der Psychotherapie, bis es in wahrstem Sinne bis auf
die Knochen geht...
** Ein sehr schwieriger und radikaler Film, der
für mich weder glaubhaft noch nachvollziehbar war und recht psychotischen
Gedanken entspringt. Sicherlich lässt er auch andere Interpretationen zu, ja
provoziert sie - einfach Horror? Tief religiös??
A 2009, Werner Boote, ca. 100 Min.
Es beginnt mit bunten Bildern, wie sie wir noch kaum in
dieser Intensität gesehen haben (sogar auf analogem Film). Werner Boote, dessen
Opa ein früher Plastik-Pionier war und ihn als Kind mit den schönsten und
buntesten Plastiksachen verwöhnte, zeigt die Langzeit-Gefahren von "Plastik"
auf. Was ist eigentlich Plastik? Kein Händler und Verkäufer weiß, was wirklich
in den Produkten steckt, die Herstellerfirmen hüten die Mixtur als Geheimnis.
Das ist das erste Problem. Die Verfallszeit beträgt 300-500 Jahre, es werden
Nano-Partikel freigesetzt, dabei sind die Weichmacher und Bisphenol-A, ein dem
Sexualhormon Estrogen verwandter Stoff die größten Risiken. Schon ist 6 x mehr
Plastik im Meer als Plankton, Fische fressen die kleinen zersetzten Plastikteile
und verenden - oder haben schwere Hormonveränderungen, wie bisexuell gewordene
Fische. Aktuellen amerikanischen Untersuchungen zufolge
könnte auch die zivilisatorische Fettleibigkeit darin eine der Ursachen haben.
Durch die Störung des Hormonsystems wird eine Zunahme an Prostata- und
Brustkrebsfällen festgestellt. Möglicherweise ist auch die Unfruchtbarkeit
vieler Paare dadurch verursacht. Besonders gefährlich dürften heiße Getränke aus
Plastikbechern sein, doch auch die Wasserflaschen sind vielleicht gar nicht so
harmlos. 60 Mio. Tonnen produziert allein Europa, und das sind nur 20% der
Weltproduktion jährlich. Boote ließ sich selber testen - er hatte bereits
deutlich erhöhte Bispehnol-A Werte im Blut und 40% seiner Spermien waren
inaktiv.
Erste Tests an unfruchtbaren Paaren zeigen deren erhöhte Plastik-Exposition auf.
In letzter Zeit sollen mehrere Mineralwasserhersteller
fieberhaft an der Rezeptur ihrer Flaschen etwas geändert haben - wieviel Gift
kommt durch die Verpackung in die Lebensmittel? Wenn wir Plastik reinigen, löst
sich dann Gift?
*** gut gemachter Doc über eine bisher nur
als Müllproblem wahrgenommenes Phänomen, dass den Planeten in den nächsten 100
Jahren in die Knie zwingt?
Nina Kusturica; A 2009 – 94 Min. mehrsprachige OmU.
Der Titel leitet sich aus der griechischen Asylantenkarte ab, die "alien card" heißt, entsprechend nennt Nina Kusturica die minderjährigen Asylwerber in Österreich. Die Teenager Juma und Hishame versuchen unter lebensgefährlichen Umständen, versteckt im Fahrgestell eines LKW nach Europa zu flüchten, wo sie zu den Gejagten der Grenzbehörden werden. Ahmed, Nura, Achmad und Asha haben es gerade über die Grenzzäune geschafft. Sie sind allein und unter größter Gefahr aus den Krisenregionen der Welt nach Europa geflüchtet – in der Hoffnung auf ein richtiges Leben. Der handwerklich sauber gemachte klassische Dokumentarfilm zeigt auch die Situationen in Griechenland und den spanischen Enklaven Ceuta und Melilla, wo sie besonders schlecht behandelt werden. Ihr Alter wird ärztlich eingeschätzt und falls dies alter unter 18 gilt, bekommen von der Jugendfürsorge spezielle Betreuung.
Wir sehen sie in Traiskirchen, Wiener WG und Frauenhäusern.
Andererseits erfahren wir nichts
wirklich Neues und auch keine einzige AsylwerberIn kann wohl klar eine
persönliche Lebensbedrohung im Herkunftsland glaubhaft machen, was
Grundbedingung für einen positiven Asylbescheid ist. Erläutert wird auch der §8
wonach sie nur solange in Österreich bleiben dürfen, bis sich die Lage im
Herkunftsland nicht bessert. Darauf können einige hoffen. Die dargestellten
Personen sind alle brav und mustergültig, auch die Betreuer bemühen sich sehr.
Böse ist nur das "Gesetz".
***Zur Diskussion des in Österreich extrem langen
Asylverfahrens und der sehr schwierigen Situation dieser bedauernswerten
Menschen, die leben und lieben können wollen wie wir, ist er aber hervorragend
geeignet.
Frankreich / Spanien / USA 2008. Regie Steven Soderbergh; 134 Minuten (spanische, in wenigen Interviews auch englische) OmU
Der zweite Teil des Films überzeugt vor allem durch die präzise Chronologie des Scheiterns. In Bolivien ist alles anders: die Kämpfer fallen ab, sogar die KP verweigert die Unterstützung, statt aus dem Urwald in die Städte einzufallen, müssen die Guerilleros sich immer mehr im Dschungel verstecken, und, was am schlimmsten ist, sie werden als Ausländer diffamiert, nicht als Befreier wahrgenommen. Dabei glaubte Che aufgrund der Tatsache der vielen Kindersklaven in den Minen und der vorhanden Streikbereitschaft der Bergarbeiter gute Karten und die Bevölkerung hinter sich zu haben.
Nur
verschlüsselt wird gezeigt, dass der Befehl zu seiner Ermordung aus den USA
gekommen ist und völlig verschwiegen wird die gut verbürgte Geschichte von
seinem "letzten Abendmahl ", das ihm die Lehrerin von La Higuera zubereitet
haben soll. Alles in allem wirkt der zweite Teil ruhiger, teils politischer,
aber auch trauriger. Konsequenterweise wird auch hier am Schluss auf die
berühmte Aufbahrungsszene verzichtet, deren Bilder vom toten Che an Christus
erinnerten und wesentlich zur Mystifizierung von Che beitrugen. Auch diesmal
überzeugen wieder die schauspielerischen Leistungen von Benicio del Toro.
*** ½ . Auch das Scheitern von Che
Guevara in Bolivien und seine Hinrichtung wird aus einer ungewohnten Perspektive
gezeigt - empfehlenswert.
Das
weiße Band – eine deutsche Kindergeschichte
Michael Haneke; A, D, F 2009, Schwarzweiß, 145 Minuten
Der neue, mit der Goldenen Palme von Cannes ausgezeichnete Haneke-Film ist das
Gegenteil eines feel-good movies. Auch straft er alle Lügen, die behaupten die
Jugend hätte früher eine so schöne Jugend auf dem Lande gehabt.
Der Landarzt stürzt beim Ausritt über ein heimtückisch gespanntes Seil und
bricht sich das Schlüsselbein, eine Arbeiterin kommt in der Sägerei des Gutshof
des Herrn Barons zu Tode, Kinder werden gequält und eine Scheune angezündet.
Während seine Arbeiter ein Erntedankfest feiern, wird ihm ein Kohlfeld
abgemäht.
Die Täter werden nie ermittelt, und anscheinend haben auch viele Dorfbewohner
kein gesteigertes Interesse an Aufklärung.
Als vom Baron doch professionelle Hilfe in Form von Kommissaren gerufen wird, um
die ständig dumpfere Stimmung im Dorf durch Enttarnung der Täter zu beenden,
kommt doch keine klare Lösung zu Stande.
Der Zuschauer wird grübelnd entlassen, wer es wohl gewesen sein mag bzw. ob
jemand, Kinder dazu angestiftet hat. Letztes vermuten sowohl die Kommissare
aufgrund der Aussage eines Mädchens, die behauptet zwei Wahrträume gehabt zu
haben; sie muss wohl vor der Tat etwas von der Planung mitbekommen haben.
Besonders negativ geschildert ist der protestantische Pfarrer, der mit nicht
mehr zu überbietenden Zynismus seine eigene Familie und das Dorf terrorisiert,
Rutenschläge und ans Bett-Binden (um den Jungen vom Onanieren abzuhalten) sind
da an der Tagesordnung und das „weiße Band“ solle sie daran erinnern, immer ein
gottgefälliges Leben zu führen.
Doch auch das erste Opfer, der Landarzt ist kein unbeschriebenes Blatt, erstmals
beschimpft er seine Sprechstundenhilfe, mit der er auch schläft, sie nach einem
ekligen Akt auf das Übelste, er vergreift sich auch an seiner eigenen Tochter.
Erzählt wird die Geschichte des Dorfes aus der Sicht des gut 30jg. Dorflehrers,
dessen Stimme aus dem Off auch weitere Kommentare abgibt. Er ist in die 17 jg.
Eva verliebt und soll auf Geheiss deren Vaters noch ein Jahr mit der Hochzeit
warten.
Sie spielt am Vorabend des 1. Weltkrieges, also 1914 und von der Kriegserklärung
Österreichs an Serbien erwarten sie sich Alle große Veränderungen.
**** beklemmend realistische und bis ins
kleinste Detail ausgefeilte Darstellung struktureller Gewalt am Beispiel eines
klerikalfaschistischen Pfarrers, der seine schwarze Pädagogik anwendet.
Zerrissene Umarmungen – Los Abrazos Rotos
Pedro Almodovar, Spanien 2009. 128 Min.,
Cinemascope
Sehr verschachtelt und in viele, in sich fast
geschlossene Rückblenden aufgeteilt, zeigt der Film die tragische
Liebesgeschichte zwischen dem Regisseur Mateo, der bei einem Casting auf die
schöne Lena trifft, sich gleich in sie verliebt und sie natürlich als
Hauptdarstellerin für den Film „Frauen und Koffer“ nimmt. Doch die Schöne ist
ausgerechnet mit jenem alten, reichen Mann, Ernesto, liiert, der als Produzent
diesen Film finanziert. Er lässt seine Geliebte rund um die Uhr von seinem Sohn
mit einer Videokamera überwachen, angeblich um das „Making of“ daraus zu machen,
eine Frau, die von den Lippen lesen kann, entschlüsselt ihm dabei auch stumme
Szenen und bringt ihm einige unangenehme Wahrheiten zu Tage. Als sie ihn
verlassen will, stürzt er sie eine Treppe hinunter und verletzt sie schwer. Die
beiden Liebenden verstecken sich daraufhin in Lanzarote, werden dort aber
aufgespürt und bekommen die Rache des Alten zu spüren, Mateo verliert dabei das
Augenlicht….
Der neue Film von Pedro Almodovar – wieder mit Penélope Cruz und sogar Angela
Molina und einigen weiteren bekannt schrillen Gesichtern aus seinen früheren
Filmen - ist äußerst kurzweilig und feinste Unterhaltung. Es geht eigentlich um
Eifersucht, Verrat und Rache,
also um sehr niedrige menschliche Instinkte. Natürlich gibt es im Filme viele
Schwule und über die Heteros macht er sich eher lustig (z.B. die tollen
Sexberichte der Frau Sozialstadträtin oder als Lena nach dem Sex mit Ernesto
kotzt), er ist in die Almodovar-typischen schrillen Farben getaucht, aber sehr
kunstvoll fotografiert und inszeniert.
Es ist ein Film-im-Film, eine Tragödie, eine Komödie und ein spannender Thriller
zugleich und irgendwie gibt es auch selbstkritische Rückblenden auf die „Frauen
am Rande des Nervenzusammenbruchs“, Almodovars erstem erfolgreichen Film.
Menschen mit Behinderung und andere Randgruppen werden hervorgehoben, „Normale“
gibt es kaum, doch die Details sind sauber recherchiert (z.B. die
PC-Sprachausgabe für Blinde).
**** der neue Almodovar
enttäuscht nicht, ist spannender, aber auch etwas gefälliger als seine
Vorgängerfilme.
http://www.zerrisseneumarmungen.de
La teta
asustada (Milch des Leids)
Der diesjährige Goldene Bär von Berlin ging heuer an Peru.
Claudia Llosa, die uns 2006 mit "madeinusa" erfreute, verlangt mit diesem
spröden, depressiven Film einiges von den Zuschauern ab, widersetzt sich somit
tapfer dem Mainstream. Magaly Solier Romero spielt die Hauptrolle.
In der ersten Szene sehen wir eine alte Frau bei einem Klagelied, sie besingt
ihr Leiden während der Zeit der Diktatur, dem Kampf gegen den Terrorismus des
Sendero Luminoso, als sie schwanger mit Fausta, gefoltert und vergewaltigt
wurde. Kurz darauf stirbt sie. Fausta leidet an einem psychischen Trauma, ist
depressiv und antriebslos, während ihre Freundinnen und Cousinen heiraten (mit
einem Pomp, der dem Vater der Braut den letzten Groschen kostet) und fällt
Fausta immer wieder nasenblutend in Ohnmacht. Ein Arzt stellt fest, dass sie
dünne Kapillare habe - und eine auskeimende Kartoffel in der Vagina. Diese
sollte sie vor Vergewaltigungen schützen... Nach dem Tod ihrer Mutter nimmt sie
ihr Onkel auf, der jedoch finanziell ob der Hochzeit seiner Tochter am Ruin ist,
sie haben kein Geld, um die verstorbene Mutter würdevoll zu beerdigen. Fausta
erhält einen Job als Hausmädchen bei einer reichen Pianistin, die ebenfalls auf
ihre Klagelieder aufmerksam wird. Der Gärtner dieses Hauses befreit sie langsam
vom schlimmsten Aberglauben, dass sie krank sei, weil die Muttermilch in derer
Brust bei der Vergewaltigung verdorben wurde und so das Gift auf sie übertragen
worden sei.
*** in düsteren Farben zeigt der Film ein
rückständiges, von Aberglauben geprägtes Peru der indigenen Bevölkerung am Rande
Limas. Das Gegenteil eines "feel-good-movies", langsam und bedächtig
fotografiert, ein eindringlicher Film.
The
Limits of Control
Jim Jarmusch, USA/Japan 2009, mit Isaach de Bakolé in der Hauptrolle
Der Film beginnt in der Business Class Lounge des Pariser Flughafens. Der
geheimnisvolle Fremde, „Lone Man“, ein drahtiger schwarzer Mann, der keine
Emotionen zeigt und auch kein unnötiges Wort spricht, bekommt von seinen
Auftraggebern blumige Anweisungen. Mit der „Air Lumiére“ (nur einer von
vielen Anspielungen auf die Filmgeschichte!) reist er nach Madrid und von
dort weiter in die andalusische Provinz. Er erhält dabei immer karge Hinweise,
was er weiter machen soll. Das Codewort ist „¿Usted
no habla español, verdad? –No". Diese sind in einem Stück Papier in einer
Zigarettenschachtel enthalten, die er gegen eine andersfarbige austauscht. Und
er erhält auch Hinweise, wer der Überbringer der nächsten Botschaft sein wird,
sowie die Schlüssel für die nächste Wohnung. Er bestellt immer zwei Espresso in
zwei Tassen als sein Erkennungszeichen, dann liest er die Botschaft (Zahlen und
Ziffern in 3 Zeilen), isst dann das Papier auf und spült es mit dem Mocca
hinunter. Dieser „Running Gag“ zieht sich bis zum Ende durch.
Ähnlich wie „Warten auf Godot“, das existentialistische Paradestück, geschieht
nicht viel.
Wir sehen jedoch sehr schön komponierte kunstvolle Bilder und allein
Bildgestaltung und Musik sind ein Kunstgenuss.
Am Ende gerät „Lone Man“ zum Ziel. In einem Hochsicherheitsbau soll er wohl
jemanden töten. Wie er da hineinkommen sei? (Das wäre wohl bei einem
„abhängigen“ US-Major-Film die Hauphandlung gewesen) Lone Man erwidert auf
diese Frage „mit der Kraft der Imagination“.
Jim Jarmusch, inzwischen schon etablierter und weltweit bekannter Vertreter des
„unabhängigen“ US-amerikanischen Autorenfilms macht hier einen Film, der dem
Zuschauer freien Lauf bei der Interpretation lässt, der aber im Gegensatz etwa
zu „Down by Law“ auch nicht witzig ist. Allerdings wird der Zuschauer mit
einigen Prisen Erotik wach gehalten, einige der weiblichen Boten entblößen sich
vor ihm, vergebens.
*** sehenswert schon wegen der
Bildgestaltung und den versteckten Hinweisen auf die Filmgeschichte.
Frankreich / Spanien / USA 2008. Regie Steven Soderbergh 134 Minuten (spanische, in wenigen Interviews auch englische) OmU
Kann ein „Yankee“ wie Soderbergh
die kubanische Revolution wirklich verstehen?
Um diese Frage zu klären fuhr ich am letzten Wochenende nach Innsbruck ins
Leokino, wo bereits der erste Teil der fast fünfstündigen Geschichte über die
linke Ikone Erneste „Ché“ Guevara zu sehen war. Der Film setzt allerdings vom
Zuseher Basiskenntnisse über Kubanische Revolution voraus. (Sturm der
Moncada-Kaserne (26.Juli 53) durch die Bewegung M-26 -7 unter Fidel), Überfahrt
aus Mexiko mit der „Granma“25.11.56, Aufbau der Truppe in der Sierra Maestra,
Flucht des verhassten Diktators Fulgencio Batista in der Silvesternacht 1958/59
und Sieg der Revolutionäre Fidel und Raul Castro, Camilo Cienfugeos, Ché u.a am
1.1.59)
Es beginnt 1956 in einer Wohnung in Mexiko. Der „Argentinier“ ( span. Kosename =Ché)
und Arzt Ernesto Guevara wartet mit einer illustren Tafelrunde auf einen
gewissen Herrn Fidel Castro Ruiz, der etwas verspätet in weißem Hemd und
Krawatte erscheint. Sie heben den Plan aus, die brutale Diktatur des Fulgencio
Batista zu stürzen, der selbst durch einen Putsch 1952 mit Hilfe der USA an die
Macht gekommen ist und dessen Beamten besonders korrupt waren. Es ist dies der
erste Kontakt der jungen Männer Fidel und Che und die beiden heißblütigen
Akademiker tasten sich ideologisch noch ab, halten beide einander für etwas
verrückt, nachts auf dem Balkon beschließen sie den Angriff zu wagen. Später
wird Che, der in Mexiko Frau und Kinder hatte, Fidel die Erlaubnis abringen, im
Falle des Erfolges der kubanischen Revolution, diese in die Welt, zumindest nach
Südamerika tragen zu dürfen.
In vielen schwarzweißen Vorblenden im Stile gefakter Docus, wird immer wieder das geglückte Ereignis vorweggenommen, Auftritte Che´s vor der UN in New York und im US-Fernsehen gezeigt und die Zeit bis zur missglückten Invasion der USA in der Schweinebucht bis zur Kuba-Krise im Herbst 1962 und der Rolle Ches als Wirtschaftsminister, eingeblendet.
Leider reduziert der Film Che und
auch Fidel auf ihre Rollen als geniale Feldherrn und Militärstrategen, zeigt die
eiserne Selbstdisziplin des asthmakranken Arztes und seine hohen
Moralvorstellungen vor allem im Umgang mit den Bauern in der Sierra Maestra.
Dies macht es auch manchmal nötig, eigene Mitstreiter zu exekutieren.
Dabei ist der Film in Details verliebt, zeigt aber nicht warum die Revolution in
Kuba nötig und erfolgreich war. Wir hören kein „Radio Rebelde“, von dem aus Che
aus der Sierra Maestra die Bevölkerung motivierte und auch wird verschwiegen,
dass Fidel damals nicht der kommunistischen Partei, sondern der „orthodoxen“
Partei angehörte. Mehrmals ist aber von Geldspenden der Kommunisten für die
Revolutionäre die Rede. (Erst nach der Schweinebucht –Invasion der USA und der
daraufhin angebotenen „Brüderlichen Hilfe der UdSSR“ änderte sich diese in eine
kommunistische Revolution).
Positiv sind die schauspielerischen Leistungen Benicio del Toros hervorzuheben,
auch ist die Gestik Fidels gut eingespielt, ebenso fand ich die Filmmusik gut
(zwischen Cuban und New Classics einzuordnen), die konsequenterweise auf die
typische Guantanamera-Folklore oder die World Music Charts aus Kuba verzichtet.
So haben wir einerseits eine gute und
detailliert recherchierte Story, andererseits manchmal eine typisch
amerikanische Knallerei vor uns.
Die Schlussszene ist sehr schön: als die siegreichen Revolutionstruppen in
Richtung Havanna ziehen, fährt ein roter Kabrio den Militärsjeeps vor. Che lässt
ihn anhalten und sieht einige seiner Leute in dem Wagen. Auf die Frage, wo sie
den US-Schlitten herhätten, meinten sie „dem Feind abgenommen“, doch Che
befiehlt ihnen zurückzufahren und das Auto den Besitzern zurückzugeben, die
Revolution habe es nicht nötig, Autos zu stehlen und ein Revolutionär komme im
Militärjeep oder zu Fuß daher!
Also zurück zur Frage, ob ein Yankee
wie Soderbergh die Revolution verstehen kann. Nicht ganz. Der Film hinterlässt
einen etwas zwiespältigen Eindruck, da er die bedeutendste Polit-Ikone des 20.
Jahrhunderts völlig unpolitisch darstellt, andererseits war damals in der Tat
die kubanische Revolution noch keine kommunistische und Fidel ursprünglich sogar
dagegen. Che hingegen war immer einer revolutionären, wenn auch nicht
stalinistischen Ideologie verbunden und deren Märtyrer (über sein Scheitern in
Bolivien handelt der zweite Teil).
Trotzdem ein im allgemeinen sehenswerter
Film, der Che aus einer von uns aus eher ungewohnten Perspektive zeigt ***1/2
John Rabe
Florian Gallenberger, D, F, VR China 2009, Cinemascope,
130 Min
Die Geschichte war sicher lange Zeit nicht opportun: einen guten Nazi, der
Hunderttausenden unter der Hakenkreuzfahne Schutz bietet? Doch die unglaubliche
Geschichte ist wahr: als Nanking die Hauptstadt Chinas war, griffen 1937 die
Japaner mit äußerster Brutalität China an, sie ermordeten die Kriegsgefangenen
und köpften um die Wette.
John Rabe lebte seit 27 Jahren in China und hat dort die Siemens Niederlassung
geleitet und ein Kraftwerk betrieben, er war zwar bei der NSDAP und schmückte
das Siemens-Werk mit den Hakenkreuzfahnen, doch er hatte jedenfalls das Herz am
rechten Fleck. Er soll eigentlich zurück nach Berlin und dort befördert
werden - in Wahrheit will man das Chinesische Werk "abwickeln" und schließen, zu
diesem Zweck erscheint auch sein Nachfolger Fließ - ein echter Nazi. Doch
während der Verabschiedung Rabes fallen schon die ersten Bomben, Rabe öffnet
die Werkstore und bietet der Zivilbevölkerung Schutz - unter einer großen
Hakenkreuzfahne, die die verbündeten Japaner doch nicht angreifen. Die Ausländer
in Nanking entschließen sich eine Schutzzone zu bilden. Rabes Frau flieht
auf einem US-Schiff, welches von den Japanern bombardiert wird, Rabe muss
annehmen seine Frau sei tot. Mit seiner Ortskenntnis, seinem Organisationstalent
und auch seinem eigenen Geld beschafft er Lebensmittel und Medikamente, um die
200.000 Zivilisten zu schützen. Besonders naiv wird Rabe, als er seinem
verehrten Führer Hitler ein Telegramm schickt, er möge auf die befreundeten
Japaner einwirken, sich zu mäßigen. Der deutsche Botschafter Dr. Rosen (wegen
jüdischer Abstammung hierher abkommandiert), Valerie Dupres, Leiterin des Girls
College und der englische Arzt Dr. Wilson leiten diese Schutzzone und müssen
sich zusammenraufen. Es kommt dabei immer wieder zu brutalen Übergriffen der
Japaner, z.T. auch weil Kriegsgefangene und Soldaten versteckt wurden, was gegen
die Regeln der Schutzzone verstößt.
Als kurz nach Weihnachten 1937 die internationalen Diplomaten wieder nach
Nanking zurückkehren, kommt es fast zur Erstürmung der Schutzzone durch die
Japaner. Doch Rabe gelingt es Zeit zu gewinnen, förmlich in letzter Sekunde
kündigen die Sirenen die Ankunft der internationalen Presse und Botschafter an -
den Japanern bleibt nichts anderes übrig als die Schutzzone zu belassen und als
ihr humanitäres Werk anzupreisen, Rabe wird ausgewiesen - und trifft dabei
seine Frau wieder.
Der Film und das was wir im Nachspann lesen wäre einen zweiten Teil wert: was Rabe dann widerfuhr, war
schrecklich: die Gestapo verhaftete ihn in Deutschland (aufgrund des
Briefes an Hitler) wegen Kollaboration
mit den Chinesen; er durfte nur noch für Siemens kleine Übersetzungsarbeiten
machen, die Alliierten verweigerten ihm die Entnazifizierung, wodurch der schwer
zuckerkranke Mann den Krieg in Berlin kaum überlebte - seine Beweisfilme und
Fotos über die Massaker wurden vernichtet, sein Tagebuch, auf dem der Film
basiert, tauchte erst 60 Jahre später auf. Er starb völlig verarmt 1950. Wohl zu
Recht wird er als "der gute Deutsche von Nanking" oder "Schindler Chinas"
bezeichnet.
**** Etwas melodramatisch, aber immer
spannend und glaubhaft.
http://de.wikipedia.org/wiki/John_Rabe
Der Knochenmann
Spielfilm, A 2008, 121 min. Regie: Wolfgang Murnberger , Buch: Josef
Hader, Wolfgang Murnberger, Wolf Haas
http://www.derknochenmann.at/
Jetzt ist schon wieder was passiert. Ein Mann namens Horvath ist verschwunden.
Unwillig begibt sich der lakonische Privatdetektiv Brenner auf die Suche nach
dem Vermissten. Die Spur führt in die Provinz, genauer gesagt zum „Löschenkohl“,
einer gigantischen Backhendlstation, wo wöchentlich tausende Hühner bis auf die
Knochen abgenagt werden. Welche Gefahren sich dort verbergen, bemerkt Brenner
beinahe zu spät – die junge Wirtin hat ihm so sehr den Kopf verdreht, dass er am
Ende froh sein muss, diesen noch am Hals zu haben.
Brenner soll für eine Autoleasingfirma Autos zurückholen, deren Leasingraten
nicht bezahlt wurden. Das ist harter Job.In der hintersten Steiermark findet er
vor einem Gasthaus den gesuchten gelben VW Beetle, doch sein Besitzer Horvath
ist verschwunden.
Er verliebt sich in die Kellnerin, doch hinter der Fassade des biederen
Backhendelparadieses ist ganz schön was los: der Wirt wird von der Ostmafia mit
einem Video aus einem Bordell erpresst, sein Sohn, Mann der Kellnerin rast mit
einem Porsche durch das Dorf und hat andere Pläne. Brenner quartiert sich ein
und hört Geräusche einer Knochenmühle, die fein faschierten Speisereste werden
den Henderl in der Geflügelfarm wieder verfüttert.
Der Sohn verbündet sich mit dem Mafiosi gegen den Vater, der eine Prostituierte
aus Bratislava befreit hat. Es kommt nun zur Auseinandersetzung im
Schlachtkeller, wo es am Rande eines Maskenballes zu mehreren Morden kommt.
Brenner und sein Chef, der inzwischen die Identität des Horvath aufgeklärt hat,
kehren nach Wien zurück, der eine körperlich leicht angeschlagen –mit dem
abgetrennten Finger im Kühlsackerl – der andere psychisch – seine Schöne der
Nacht war ein Transsexueller.
**** tiefmakabrer Einblick in die dunklen Keller der
österreichischen Seele – passend zum Urteil an Fritzl in Form eines Thrillers.
Josef Hader brilliert auch in diesem Film als kleiner Verlierer, der gerade noch
davonkommt.
Slumdog Millionaire
USA/GB, Regie: Danny Boyles, Cinemascope
Kontrovers diskutiert wird dieser Film, die Betroffenen zeigten sich über den
diskriminierenden Titel wenig erfreut. Der Weiße blickt mit neokolonialem Blick
in homöopathischen Dosen in das Elend der Slums.
Der größte Kinohit dieser Woche in Österreich wurde
bekannt, nachdem er acht Oscars ®
gewann, auch die Geschichte ist weitgehend bekannt: ein Junge aus den Slums
gewinnt die indische Variante der Millionenschau. Nach dem ersten Teil wird er
gleich vom zynischen Moderator der Polizei übergeben, trotz falschen Hinweisen
habe er immer die richtige Antwort gefunden. Er wird von der Polizei gefoltert
und untersucht, doch sie findet nichts und kommt selbst zur Erkenntnis, dass er
die Antworten wusste, weil zufällig jede Frage einen Bezug zu seinem Leben
hatte. Ein Happyend allein ist zu wenig, auch seine alte Jugendliebe, ins
Bordell gesteckt und von einem anderen Millionär wie eine Sklavin gehalten, kann
er nach dem Erfolg in der Millionenshow für sich gewinnen.
In das goldene Gegenlicht der untergehenden Sonne getaucht, verfremdet wie ein
Videoclip und in drei Ebenen (Kindheit-Vergangenheit; Polizeiverhör, Kandidat
bei der Show) mit Rückblenden aufgeteilt, zeigt der Film, ähnlich wie der
brasilianische „Cidade de Deus/City of God“ optisch verfremdet das harte Leben
der Kinder in den Slums – sie werden geblendet und verstümmelt, damit sie mehr
erbetteln und von den Bandenchefs wie Sklaven gehandelt und behandelt. Auf den
Dächern der Eisenbahnzüge fahren sie und erbetteln, ergaunern oder klauen, was
sie zu Leben brauchen. Ihre Leistungen als Schauspieler sind aber beachtlich.
**1/2 Der hektische Schnitt und diese Verfremdung
machen den Film für den normalen Zuseher erträglicher, aber nicht glaubwürdiger.
Was übrig bleibt ist ein nettes Märchen, das mitten in Mumbai spielt. (PS: wer
in voller Wucht in die Favela blicken will, möge sich „Garapa“ ansehen –
siehe mein Bericht Festival Fribourg)
The International
USA,D, GB 2998, Regie: Tom Twyker
Tom Tykwer ("Lola rennt", "Das Parfum - Die Geschichte eines Mörders") kritisierte
den letzten und in teilweise in Vorarlberg gedrehten James-Bond Film als sinnlos
aggressiv. Er legt nun einen Thriller vor, der ebenfalls etwas an die James Bond
Filme erinnert: weltumspannende Handlung, gedreht an attraktiven Schauplätzen,
noch mehr als dem o.a. Bond-Film fehlen ihm aber der Witz und der Schuss Erotik,
den die alten JB-Filme so beliebt machen.
Der übereifrige Interpol-Polizist Louis Salinger, an sich nicht mit
Vollzugsgewalt ausgestattet und die New Yorker Staatsanwältin Elaneor Whitman
ermitteln gegen eine luxemburgische Bank IBBC, die Waffenkäufe finanziert und
Putschisten unterstützt, ja sogar selbst Lenkwaffensysteme in großem Stil
einkaufen will. Es beginnt mit einem gut getarnten Mord am Berliner Hauptbahnhof
und endet mit einem Showdown im Guggenheim Museum in NY, wobei dieses völlig
kaputt geschossen wird. Salinger und Whitman sind dem sehr professionell
agierenden Auftragsmörder auf der Spur, der im Auftrag der IBBC alle Hindernisse
beseitigt, doch selbstverständlich schlägt auch die Gegenseite zu. Am Schluss
bleibt ein philosophierender Ex-DDR-General, der die Fährte nach Istanbul führt
und es zur Begegnung mit einem IBBC-Vorstand kommt, doch auch der erweist sich
als austauschbar.
Zwar spannend und handwerklich sehr gut gemacht (Teile wurden sogar in 70mm
gedreht) erweist sich der Film als enttäuschend konventionell: Töterei im
Minutentakt. Dass das böse Handeln einer Bank im Zeichen der derzeitigen
Weltwirtschaftskrise, bei dem viele Menschen Geld oder gar Job verlieren, beim
Zuschauer gut ankommt ist klar, dennoch ist die Glaubwürdigkeit der
Abknallereien kaum höher als bei James Bond, nur das dieser nie behauptete, es
sei die reale Welt.
** spannende, aber blutige Unterhaltung.
Vicky, Cristina, Barcelona
USA/ Spanien 2008, Regie. Woody Allen
Woody Allen schickt zwei sehr attraktive, reiche US-Touristinnen, echte
Stadtneurotikerinnen, ins good old Europe, nach Barcelona. Vicky ist verlobt und
wird bald heiraten, sie betont in typisch puritanischem Gestus keinerlei
Sexaffären mit den spanischen Machos zu wollen; Cristina, eine blonde Sexbombe
,sucht solche jedoch. Schon am ersten Abend - da trinken sie noch mehr Wasser
als Wein - werden sie von dem Kunstmaler Juan Antonio angesprochen und zu einer
Flugreise nach Oviedo samt Wein und Sex eingeladen. Vicky sagt entrüstet
ab, doch Cristina sagt gleich zu. Dennoch ist es Vicky, die als erste von ihm
flach gelegt wird, da Cristina´s Magengeschwür das europäische Essen noch nicht
ganz gewohnt ist. Trotzdem wird Cristina bei ihm einziehen. Allerdings gibt es
da noch eine Dritte im Bunde - Maria Elena, seine Ex, von der er immer spricht
und die ihn im Affekt ermorden wollte. Sie ist von Anfang an geistig gegenwärtig
und taucht nach einem Selbstmordversuch leibhaftig auf, von Juan Antonio wieder
ins einst eheliche Haus geholt und nun ins Gästezimmer verbannt. Dennoch, zu
dritt geht es gut, ja sogar besser als je zuvor, und jede(r) treibts mit jedem!
Doch Vicky, deren Verlobter auch aufgetaucht ist und sie vorzeitig in
Barcelona statt in NY geheiratet hat, träumt noch von der Liebesnacht mit Juan
Antonio. Nur knapp entkommt sie einem Pistolenattentat von Maria Elena....
Herausragende spanische Schauspieler wie Javier Bardem und Penelope Cruz, aber
auch Rebecca Hall und Scarlett Johansson und eine Kamera, die Europa in warmen
Goldtönen und in Werbefilmästhetik
darstellt, garniert mit traditionellen spanischen Gitarrenklängen machen den
Film recht vergnüglich. Woody Allen lässt natürlich die Damen sehr viel
schwätzen und legt sogar noch einen Off-Kommentar wie bei einer blindengerechten
Fassung darüber, er macht sich über die puritanische amerikanische Sexmoral
lustig, lässt seine Stadtneurotikerinnen in Europa die Sünde in allen Facetten
genießen und zeichnet ein völlig verzerrtes Europabild, in dem alle scheinbar
nur vom Malen, Dichten und Musizieren in Saus und Braus leben und täglich in
Gourmettempeln speisen und Unmengen Wein trinken....
*** 1/2 Woody Allen überspitzt die Klischees von
den US-Touristen und der klassischen europäischen Kultur köstlich, in dem er
seine Protagonistinnen ungeahnten Dreiecks-Sexaffären aussetzt.
Willkommen bei den
Sch´tis [Bienvenue chez les Ch'tis]
Frankreich 2008, Regie: Dany Boon, 106 Min.
Der äußerst erfolgreiche Film (20,7 Mio Besucher in Frankreich) ist sehr
lustig, die deutsche Synchronisierung hat versucht einen Dialekt zu erfinden,
bei dem das s zum sch wird und der etwas an unseren oder den schwäbischen
Dialekt erinnert. mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Wahrscheinlich hat die
OmU-Fassung einen ganz anderen Reiz! Dort geht es um den existierenden Picard -
Dialekt der Region Nord-Pas-de-Calais.
Gelacht habe ich viel, besonders tiefschürfend ist der Film dennoch nicht;
vielleicht hat er im frz. Original einen anderen Reiz, schon der Anfang ist
krachledern: der Postamtsleiter Philippe will sich von der Provence an einen
noch schöneren Ort an der Cote d´Azur versetzten lassen, stellt aber fest, dass
Behinderte bevorzugt werden , also gibt er in einem Versetzungsantrag an,
Rollstuhlfahrer zu sein. Als dies kontrolliert will, muss er seinen Rollstuhl
erst mal auspacken und als alles gut gelaufen zu sein scheint, steht er auf und
bedankt sich..... das hat natürlich eine Strafversetzung in die tiefste Provinz,
zu den Sch´tis eben, zur Folge. Schrecklich kalt soll es da oben im Norden sein,
mit dem Schlitten habe man die Post ausgetragen und die Menschen dort seien sehr
beschränkt. Er fährt so langsam auf der Autobahn dorthin, dass die Polizei ihn
wegen Langsamfahren auf der Autobahn strafen will, als er dem Polizisten
erklärt, wohin er versetzt würde, hat er Mitleid mit ihn und meint er sei damit
genug bestraft. Dort angekommen, ist es aber etwas anders als er es sich
vorgestellt hat. Zwar hat er mit dem eigenartigen Dialekt schon anfangs
seine Schwierigkeiten, aber sonst scheinen alle das Herz am rechten Fleck zu
haben, wenngleich manche mit dem Alkohol so ihre Probleme haben. Der Frau muss
er natürlich die schrecklichsten Geschichten erfinden und als sie wirklich
einmal kommt, muss alles inszeniert werden... Die etwas angespannte Beziehung
blüht jedoch durch die 1000km-Distanz wieder auf. Der jugendfreie Film endet in
einem doppelten Happy-End.
** unbeschwerte Unterhaltung
Operation Walküre - der Fall Stauffenberg
USA/D 2008, Regie: Bryan Singer, 120 Min.
Es ist zugegeben schwierig einen Film über eine Geschichte zu machen, dessen Ausgang jeder kennt. Dazu kommt eine fast hysterische Presse zugunsten von Tom Cruise, dessen Mitgliedschaft in einer bedenklichen Sekte mehr Aufmerksamkeit erregte als die Filmarbeit selber. Immerhin wurde ein Teil an Originalschauplätzen bzw. zumindest in Europa gedreht - die Wolfsschanze liegt heute in den Mazuren in Polen.
Regisseur Bryan Singer, bisher von Comichelden wie
Superman bekannt, gelang es durchaus, ständig Spannung zu halten. Eine gewisse
Überästhetisierung der Nazisymbole erscheint mir freilich schon bedenklich, etwa
wenn der General des Ersatzheeres in einem mit Hakenkreuz geschmückten Swimming
Pool eintaucht oder auch die Gebäude der Nazis, etwa der Flughafen Tempelhof
extrem schön dargestellt sind, ja selbst wenn die Menschen vor Bombenangriffen
in die Bunker fliehen, sind sie chic und modisch gekleidet. Das ist halt
Hollywood: es zeigt einerseits nur das Leben der Reichen und Schönen und eines
Helden.
Nun, Stauffenberg handelte nicht völlig allein, vielleicht, suggeriert der Film,
wäre die Aktion geglückt, hätte General Friedrich Olbricht nach dem missglückten
Attentat auf Hitler am 20.Juli 1944 sofort - und nicht erst zwei Stunden später
- die "Operation Walküre" ausgerufen.
Diese war das Codewort für den Einsatz des Ersatzheeres im Falle eines
Aufstandes und sollte auch die SS entmachten. Vielleicht hätte man dann einen
"normalen Putsch" machen können.
Die ersten Szenen zeigen Stauffenberg in Afrika in
einer hoffnungslosen Situation, verwundet überlebt er einen Luftangriff, er will
weitere sinnlose Opfer an Soldaten und Zivilbevölkerung vermeiden. Er stößt in
der deutschen Heimat auf hohe Militärs, die den Widerstand planen, teils aber
auch aus Opportunismus für die Zeit nach dem Krieg.
Allerdings gibt ihm der Film keinerlei politische oder weltanschauliche
Ausprägung; keine grundsätzliche Kritik an der Ideologie des
Nationalsozialismus, keinerlei Utopie von einer auch irgendwie gearteten
Alternative. Nur Hitler und Goebbels sollen weg, dann wird alles gut und man
kann mit den Alliierten über eine Frieden besser verhandeln, solange Berlin
nicht völlig zerstört ist.
Einzig die Vernichtung der Juden soll aufhören und die KZ befreit werden. Diese
Sätze kommen vor, scheinen aber eher zur Beruhigung der jüdischen US-Konsumenten
eingebaut worden zu sein., denn aus Überzeugung, denn klar wurde nie, ob sie
wirklich eine andere Staatsform als die Diktatur wollten.
*** Da sich der Film sehr genau an die Fakten
hält, ist er durchaus sehenswert und auf jedenfalls besser als befürchtet!
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