Filmkritiken des FKC 2008
wenn nicht anders angegeben ist Dr. Norbert Fink
(NF) der Autor
WG = Prof. Walter Gasperi
Urs = Dr. Urs Vokinger
Weitere
Kritiken von Walter Gasperi finden sich
auch hier. (Kultur-Online
- auf
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max: *****, ## = Schlafkissen für besonders langweilige Filme
Ein
Quantum Trost - A Quantum of Solace
GB 2008, 106 Min.
Marc Forster drehte bekanntlich einige Szenen in Vorarlberg, wodurch die ersten
paar Tage und bei der Premiere die Kinos endlich wieder einmal voll waren.
Allerdings ist die Euphorie für diesen neuen James Bond – Film nun schon
deutlich abgekühlt, so war ich am 26.11. nur zu dritt im Kino.
Dies ist auch gar nicht verwunderlich, verabschiedet sich nun James Bond von all
seinen guten Eigenschaften, er trinkt keine Martinis mehr, sondern ein
Gin-Gemisch, und das Schlimmste von allem, es fehlt ihm jeder Witz und jede
Ironie, ja selbst die Lust auf schöne Frauen scheinen ihm weitgehend abhanden
gekommen zu sein. Er ist inzwischen so ungehobelt und rau, dass seine
Abschlachtungen sogar „M“ zu viel werden und der Geheimdienst ihrer Majestät den
Agenten 007 entlassen will.
Da wird in extrem hektischen Schnitten und banalen Dialogen erstmals knallharte
Action vorgeführt, handwerklich natürlich gut gemacht und vor schönen
Landschaften (Gardasee, Siena, Bregenz- Tosca auf der Seebühne, Bolivien – in
Wahrheit wurde diese Szenen in der Atacamawüste in Chile gedreht). Erst nach gut
einer Stunde bekommt der Zuschauer mit, dass „Q“ für die Terrororganisation
„Quantum“ steht, die unter dem Deckmäntelchen ökologischer Projekte die
Wasserreserven ganzer Länder unter Kontrolle bekommen will.
Erfreulich wäre der Aspekt, dass Bregenz einen eigenen Flughafen hätte, auch das
Festspielhaus ist gut in Szene gesetzt, dennoch haben mir die Szenen in Bolivien
besser gefallen, denn erst zum Schluss weiß man worum es eigentlich geht.
Wer die alten Bonds liebte, ist
jedenfalls von dieser 22. Folge enttäuscht, dies hier ist mehr Schwarzenegger
als Bond! *
Let´s make money
Erwin Wagenhofer, A 2008, digital, 107
Minuten, OmU
Nach "We feed the world" u.a. Dokumentarfilmen widmet sich hier Wagenhofer dem
Motor des Kapitalismus, dem "freien" Geldverkehr. Er entlarvt das Motto "Lassen
Sie ihr Geld arbeiten!" als blanken Hohn, denn der Profit von höchstens 3% geht
zu Lasten der Ärmsten. So sagt ein ehemaliger Mitarbeiter der Weltbank, die
übrigens nicht der Welt gehört, sondern eine US-Bank mit US-Interessen ist, sie
sei krimineller als die Mafia, nur viel professioneller. Ländern mit viel
Rohstoffen wird ein Kredit aufgezwungen, der nur denen Firmen nützt, die billig
aus diesem Land Rohstoffe importieren wollen. Das Land muss die Zinsen zahlen
und hat so kein Geld für Sozialprogramme, was die Löhne in diesem Land niedrig
hält. Am Beispiel Baumwolle (Burkina Faso) und Indien wird dies gezeigt. "Von
langer Hand geplant" ist der neoliberale Putsch gegen die Demokratien, Auswüchse
wie das Cross-Border-Leasing - Wiener Tramways und ÖBB-Loks gehören irgendeinem
amerikanischen Investor, das meiste Geld erhielt aber eine Bank, welche damit
die Tramways und Loks wieder zurück mietet, und nicht die Öffentliche Hand,
weswegen die Verträge alle streng geheim sind. Und was hat es mit den
Kanalinseln auf sich? Dort gibt es ein absolutes Bankgeheimnis. Wer einen Trust
gründet wird nicht nur steuerlich geschont, er bleibt absolut geheim. Und so
fließen Trilliarden (!) Dollar aus dunklen Kanälen auf die Inseln im Kanal,
zumindest auf dem Papier.
Auch die USA hat viele Schulden und ihr Dollar ist längst nicht mehr durch
Goldreserven gedeckt. In dem die USA aber alle OPEC-Länder zwingen, Öl in $ zu
verrechnen und somit von jedem Tropfen Benzin profitieren, stützt das Schwarze
Gold den US$. Weil Saddam Hussein nicht bestechlich war und Öl in anderen
Währungen verkaufen wollte, musste er beseitigt werden. Auch die spanische
Immobilienblase (3 Millionen leer stehende Wohnungen!) wird beleuchtet und die
enormen Umweltschäden durch Golfplätze aufgezeigt.
*** 1/2 Der handwerklich sehr gut
gemachte Filme kommt ohne schulmeisterlichen Kommentar aus dem Off aus und lässt
Spitzenkräfte aus dem Finanzdienstleistungssektor offen unbequeme
Wahrheiten sagen (Investieren Sie, wenn das Blut auf der Straße liegt!),
ästhetische Einstellungen machen ihn auch zu einem optischen Genuss.)
Leider sagt er nicht wirklich, wie man aus dieser Fehlentwicklung wieder
herauskommt. Jedenfalls spüren wir sie jetzt alle, den Gewinn hatten wenige
Manager und zahlen darf doch der Steuerzahler, d.h. praktisch nur noch der
Lohnabhängige, den Firmen haben ihren Sitz längst in den Steueroasen.
Elegy oder die Kunst zu lieben
USA 2008, 108 Min, englische OmU. Regie: Isabel Coixet, Buch:Nicholas Meyer, nach dem Roman von Philip Roth.
Die spanische Schönheit
Penélope Cruz und der glatzköpfige Ben Kingsley spielen neben dem „Easy Rider“
Altstar Dennis Hopper in dem Film der spanischen Regisseurin Isabel Coixet („La
vida secreta de las palabras“) in den Hauptrollen. Es geht um das Bedürfnis des
alternden Literaturprofessors David Kepesh nach Sex mit wesentlich jüngeren
Frauen – seinen Studentinnen. Nachdem „sexuelle Belästigung“ an der Uni
inzwischen verboten ist, veranstaltet David private Partys mit seinen
StudentInnen, um an „Frischfleisch“ zu kommen. So auch um die schöne kubanische
Immigrantin Consuela zu erobern. Doch entpuppt sich diese als intellektuell und
emotional gleichwertige Partnerin, nicht nur als Häschen für eine Nacht und
Consuela ist ebenfalls an ihm sehr interessiert.
Alle seine alten Freunde raten ihm ab, eine Beziehung mit einem
Altersunterschied von 35 Jahren einzugehen, doch anstelle aufzuhören
intensiviert sich die Beziehung.
Doch in einer Hinsicht ist David feige und inkonsequent – er vermeidet jeden
Kontakt zu ihrer Familie, was sie als Kubanerin, für die die Familie etwas sehr
Wichtiges ist, sehr schmerzt. Er drückt sich um Weihnachten, Thanksgiving und –
trotz Zusage – auch um die Feier ihrer Sponsion. Dies kränkt Consuela so sehr,
dass sie die Beziehung beendet. („Warum tust mir das an?“)
David ist nun depressiv und am Boden zerstört. Zwar hat er einen Sohn, der
Mediziner ist und zu dem er auch eher ein gespanntes Verhältnis hat und eine
alte Freundin, eine Geschäftsfrau, mit der er sich fallweise zum Sex trifft und
versucht diese Kontakte zu verbessern.
Nach mehreren Jahren, an einem Silvesterabend, die ganze Stadt ist am Feiern,
ruft Consuela wieder an und will ihn treffen. Sie hat eine schwere Erkrankung,
die drohende Operation wird sie entstellen, und sie fühlt sich nun älter wie
er….
Der als machistisch verschrieene Roman „Das sterbende Tier“ von Philip Roth wurde von der spanischen Regisseurin Coixet sensibel umgesetzt, allerdings sehr entschärft und auch die „Sexszenen“ entsprechen eher den prüden amerikanischen Moralvorstellungen denn europäischen Sehgewohnheiten.
Der Film erzählt vollkommen
linear (damit das amerikanische Publikum folgen kann) die Geschichte des
Liebespaares. Erfreulicherweise macht er sich nicht lustig über diese Beziehung
mit großem Altersunterschied (Er 62, Sie 24), zeigt sie als prinzipiell machbar
und ohne das Vorurteil, „er zahlt sie eben“, und hält eine überraschende Liebe
im Prinzip in jedem Alter möglich.
** ½ Langweilig ist der Film nie, allerdings
richtig sensationell (angeblich wirklich großes Kino) auch nicht, wie die
meisten halbwegs diskutablen US-Filme wird er von der Kritik ziemlich
überbewertet.
Saint Jacques - Pilgern auf Französisch (Saint
Jacques... La mecque)
Coline Serrau, Frankreich 2005, 107 Min.
Die herzerfrischende, aber trotzdem tiefsinnige und intelligente Komödie um 9
Personen, die aus den unterschiedlichsten Motiven den Jakobsweg von Frankreich
bis in spanische Santiago de Compostela abmarschieren. Von einer echt
spirituellen Pilgerreise kann man allerdings kaum sprechen, denn die 3
Hauptprotagonisten Clara, Claude und Pierre mögen sich gar nicht, obwohl sie
Geschwister sind und nur unter dem Zwang, ansonsten die Erbschaft ihrer Mutter
nicht antreten zu können, die Strapazen auf sich nehmen. Sie ist Lehrerin, der
eine tablettensüchtiger Unternehmer, der andere ein arbeitsscheuer Alkoholiker,
und glauben tun sie alle nichts. Dazu kommen zwei junge Männer arabischer
Herkunft die nach "Santiago da Mekka" wollen, und von denen einer Analphabet
ist, sowie 2 junge Frauen, welche die Reise zur Matura geschenkt bekommen haben.
Auch der geübte Reiseleiter hat seine Probleme zuhause, sein Kind ist krank und
die Frau geht fremd. Sie müssen sich zusammenraufen, in sehr bescheidenen
Herbergen übernachten und vor allem jeden Tag rund 7 Stunden bergauf und bergab
"wandern". Die einen haben viel zu viel Gepäck mit und entsorgen das Unnötige
bald, einer hat gar nichts mit und kommt auch durch, die solidarische Kraft der
Gruppe hilft allen auch in Momenten des absoluten Tiefs sich wieder
aufzurichten.
***1/2
Durchaus in Kleinen Dosen kirchen- und gesellschaftskritisch, besticht der Film
durch gute Kamera (vor allem die bildsprachlichen Traumsequenzen erinnern an den
frühen Woody Allen) und eine sehr breit gestreute Musikuntermalung (von
Sakralmusik bis Swingjazz) . Klar, das alles gut ausgeht und so zu einem der
sommerlichen Feelgood-Filmhits wurde.
Cassandras Traum
Woody Allen, GB 2008, 108 Min.
Woody Allen´s dritter Film der "englischen Epoche" soll ein Krimi sein, der
Intellektuelle mit geistreichen Zitaten versorgt..Fast schon kitschig schön sind
die Bilder aus Good Old Europe, schön die Frauen im Film und auch ziemlich chick
die Männer.
Terry und Ian aus der Arbeiterklasse kaufen in der ersten Szene billig eine
Yacht, die sie "Cassandras Dream" taufen. Name und Filmsemantik deuten darauf
hin, dass es hier auf der Yacht auch zum bitteren Ende kommen wird. Terry ist
Automechaniker und dem Glücksspiel verfallen, was eine zeitlang gut
geht, doch in bösen Schulden endet. Ian hilft seinem Vater im Restaurant.
Ian, der sich in eine schöne Schauspielerin verliebt, die sich mit Sexszenen
über Wasser hält, mimt den Hotelinvestor, während Terry mit seiner hausbackenen
Freundin immer mehr dem Alkohol verfällt. Beide Frauen werden mit teuren
Geschenken bei Laune gehalten. Ihr Vater schuftet sich in einem Restaurant
ab, das auch nicht abwirft, was er erträumet.
Der "reiche Onkel aus Amerika", der angeblich florierende Geschäfte mit der
Schönheitschirurgie in China macht, könnte das regeln und die finanziellen
Sorgen beenden. Als dieser tatsächlich auftaucht und mit ihnen reden will, dreht
sich das Blatt: er will von ihnen, dass sie seinen Widersacher ermorden, das
gelingt zwar besser als man nach den tolpatschigen ersten Anläufen vermuten
kann, doch sie geraten in einen Strudel, der sie nach unten zieht...
Woody Allen wird nun plötzlich zum Moralisten, der es dick aufträgt, "Schuld und
Sühne" predigt, die Existenz des Gewissens im Kapitalismus verteidigt.
Im ersten Teil geschwätzig wie alle jüngeren Allen-Filme wird der Film
allerdings gegen Ende spannend und endet altmodisch wie eine griechische
Tragödie.
Ewan McGregor und Colin Farrell spielen sehr gut, und in ihrer Mimik liegt eine
letzte Prise Humor aus den alten Tagen, als Allen noch köstliche und bildwitzige
Komödien schrieb ("Was Sie immer über Sex wissen wollten...." ist und bleibt
für mich sein bestes Werk!) .
Erwähnenswert ist auch die Musik von Philipp Glass,
der sich an klassischen Klängen übt.
***
sehenswert - aber: Woody soll besser den kriegsgeilen Yankees Moral
predigen als der britischen Arbeiterklasse!
Jodeln in Indien
Robert Pollak, Video, ca 110 Min.
Gaul als Volksmusikant in Lederhosen? Gaul als Jodler? Was man sich auf dem
Spielboden kaum vorstellen kann, macht eine Reise nach Indien möglich.
Die Städte Dornbirn und Bhubaneswar sind
Ausgangs- und Zielpunkt der musikalischen Kulturreise. Der indische Immigrant
Kamalakanta Mohanty und das eigens zusammengestellte Musikensemble "Austrian
Alpine Music Quartet" stehen im Zentrum des Films. Evelyn Fink-Mennel (voc, vl,
jew’s harp), Ulrich Gabriel (voc, clar in c), Philipp Lingg (voc, acc) und Hans
Rinner (voc, devil-violin) haben ihr bizarres Klang-Konglomerat aus sakraler
Musik, volkstümlicher Tanzmusik, Jodlern und experimenteller Musik auch auf CD
gebannt (die gibts mit der Eintrittskarte dazu).
Die vier MusikerInnen, Evelyn samt Mann und Kinder und der Wirt des Indischen
Restaurants im Haslach bei Dornbirn, reisen also mit Auto und Bahn durch Indien,
lernen mit den Fingern zu essen, das Chaos auf den Strassen kennen und werden
mit allen akademischen Titeln einer indischen Elite vorgestellt, die
respektvoll, manchmal ratlos und verwundert, manchmal amüsiert und begeistert
dem für sie exotischen Klängen lauschen. Pollak hat das Material sehr ausgewogen
geschnitten, persönlicher Reisebericht (einmal musste man 15km außerhalb die
Stadt, um ein Bier zu bekommen) und die eigenwilligen Musikbeiträge halten sich
harmonisch die Waage. Positiv ist auf jeden Fall die respektvolle und offene
Haltung dem Gastland Indien gegenüber (ganz im Gegensatz zum
US-amerikanischen Machwerk
Darjeeling Express, siehe unten) und die
Bereitschaft, einen Gegenbesuch abzustatten. Was bei uns - vor allem in
esoterischen Kreisen und im Ambiente von Entspannungsübungen - als Indische
Musik vermarktet wird, ist ja auch nicht das, was in Indien aus dem Autoradio
trällert!
Das Angebot von Indischen Buffet (hier habe ich nur etwas Lamm, die feinen
Indischen Brote Naan und Roti vermisst und es war natürlich für Vbg. Gaumen
abgemildert), Musik-CD (die kann man ausländischen Touristen zur
Untermalung ihrer Bilder und Videos aus Vorarlberg mitgeben) und der Ansicht
des Videos mittels Beamer garantiert einen durchaus unterhaltsamen Abend.
Jedenfalls mehr als ein rein privates Reisevideo, durchaus ein originelles
Beispiel für interkulturellen Austausch, auch wenn Gaul sich dort in Indien mit
ganz anderer Musik präsentiert als in seinem Heimatland.
***
sehenswert
Brügge sehen ..und sterben ?
B/GB 2008, Martin McDonagh
Man nehme die märchenhafte mittelalterliche Kulisse von Brügge in Belgien, eine
Prise englischen Humors und drei Profikiller mit klassischer Standesehre. Das
ist das Grundrezept der meisterhaften Kriminalkomödie „Brügge sehen ...und
sterben ? Dazu kommt noch ein Schuss „Film im Film“ mit fellinesken Typen.
Ken, ein gebildeter dicker Schwuler, und Ray, ein magerer heterosexueller
Kulturbanause, beide von Beruf Profikiller, werden von ihrem Boss Harry in
Dublin nach Brügge beordert, dort sollen sie die Stadt anschauen und weitere
Befehle abwarten. Sie wissen warum sie sich hier verstecken sollen, was sie
falsch gemacht haben.
Erstmals sind sie entsetzt, dass sie ein Doppelzimmer in einem kleinen
Privathotel zusammen bewohnen müssen, und es scheint die Langeweile zu drohen.
Während Ken in dem kulturellen Ambiente förmlich aufblüht und zum Humanisten
wird, stänkert Ken Yankee-Touristen an und legt sich mit einem zwergwüchsigen
Schauspieler an, der gerade einen Film dort dreht. Mehr noch: er verliebt sich
in die schöne Chloe, welche die Filmcrew mit Drogen versorgt. Doch als ihr
vermeintlicher Freund auftaucht und ihn beim Sex stört, blendet er ihn. Und
Brügge bezeichnet er übrigens als Scheißkaff.
Eines Tages zur Weihnachtszeit befielt Harry, dass Ken seinen Freund Ray umlegen
soll, weil er irrtümlich bei einem Auftragsmord auch ein unschuldiges Kind
getötet habe. Die Ehre des Jobs würde es gebieten, dann selbst Hand an sich zu
legen. Das will Harry eigentlich auch, aber aus anderen Motiven. Als Ken sieht,
wie sie sich Harry gerade die Pistole an die Schläfe ansetzt, bringt er es nicht
fertig, ihn wie befohlen abzuknallen. Er setzt ihn in einen Zug und empfiehlt
ihm zu verschwinden; doch die Polizei holt ihn wieder heraus…
Von so viel Unmännlichkeit entsetzt, reist also der finstere Gangsterboss Harry
selber nach Brügge, um die Weicheier zu bestrafen. Doch auch er erschießt dabei
ein Unschuldigen…
*** ½ Die
meisterhaft fotografierte, spannende und geistreiche Kriminalkomödie ist eine
positive Überraschung im Programm eines Kinocenters und dürfte in der OmU, die
wahrscheinlich noch mehr Wortwitz haben dürfte, durchaus auch von Filmclubs
gezeigt werden.
Darjeeling Express (The Darjeeling Limited)
Wes Anderson, USA 2007, 91 Min.
Eine herbe Enttäuschung war für mich als Eisenbahn - Fan dieses amerikanische
Geblödel, das mir nicht einen einzigen Lacher entlocken konnte. Es beginnt mit
einem Vorfilm, einer Hotelszene, wo im Hotel plötzlich die Ex auftaucht und sie
dann wieder Sex machen (aber so detailliert sieht man das nicht).
Drei Brüder, die ein Jahr lang nicht mehr miteinander gesprochen haben,
entschließen sich bei einer "spirituellen" Reise durch Indien sich wieder näher
zu kommen. Diese findet aber im 1.Klasse Abteil eines Luxuszuges statt. Eine
Reihe Dummheiten machen die Jungs (eine Giftschlange mit an Bord nehmen, ständig
indische rezeptfreie Medikamente schlucken, Pfeffersprayattacken, Sex mit
der Zugbegleiterin) und sie kommen immer viel zu spät zum Bahnhof; der Gag auf
den abfahrenden Zug gerade noch aufspringen zu können, wiederholen sie
mindestens vier Mal und auch die Musik aus den 60er Jahren wiederholt sich
ständig.
Blöde Situationen, wie der "Zug hat sich verfahren" , werden nicht weiter
erklärt. Der Film informiert nicht im geringsten über das indische
Eisenbahnwesen noch zeigt er viel von Indien, umso mehr aber von einer
neurotischen amerikanischen Familie.
# schwer
enttäuschender Film (vielleicht wäre er in OmU für Anglisten etwas besser, in
der DF zumindest ist er nur blöd!)
No Country for Old Men
Ethan und Joel Coen, USA 2007, 122 Min,
Cinemascope
Der Film, der 4 Oscars ® einsahnte wollte ich
natürlich mir auch ansehen, auch wenn er aus den USA kommt.
Es beginnt mit grandiosen - Postenkarten - Cinemascope - Bildern aus einer
Gegend in den USA zur Grenze nach Mexiko. Sheriff Thomas Bell (Tommy Lee Jones)
siniert über die zunehmende Gewalt in der Gesellschaft. Der Bösewicht des Films,
Chigurh (Javier Bardem), wird verhaftet. Es gelingt aber den ihn inhaftierenden
Sheriff mit den Handschellen zu erwürgen und los zu kommen. Mit einem
Druckluft-Schlachtbolzengerät ermordet er einen ahnungslosen Autofahrer.
Der eigentliche Protagonist des Films, Moss, findet auf der Jagd eine Menge
Leichen vor. Ein Mann lebt noch und bittet kraftlos um Wasser, doch er hat
keines. Nach einiger Zeit kehrt er zu diesem Ort des Schreckens zurück um ihm
Wasser zu bringen, doch er ist schon tot. Aber er findet eine Tasche voller
Geld. 2 Mio. $, die er mitnimmt. Sein Auto wird gleich zerschossen und ihm ein
Hund nachgehetzt. Es gelingt ihm die Flucht. Er ahnt nicht, dass sich im Geld
ein Peilsender befindet, und er dadurch in arge Schwierigkeiten gerät. Kein
geringerer als Chigurh ist ihm auf den Fersen, doch er verteidigt sich tapfer,
heißt seine Frau den Ort zu wechseln.
Als Moss sich verwundet nach Mexiko flüchten kann und den Koffer über der
Grenzbrücke abwirft, kommt ein weiterer Auftragsmörder hinzu, der eigentlich
Chigurh töten soll, aber ebenfalls das Geld will.
Chigurh, inzwischen auch verwundet findet seine Frau im Versteck in El Paso und
bringt sie wahrscheinlich um. Im Auto wird er einen Unfall verwickelt und hat
einen offenen Ellenbeinbruch. Kinder geben ihm ein Hemd, um darin die Hand in
die Schleife zu legen.
Der bis zum 4. Fünftel atemlose Spannung verbreitende Film ist solide gemacht
und gut gespielt. Es geht wie immer um Gut gegen Böse, doch hat der "Gute"
immerhin 2 $ entwendet. Der Sheriff ist ungewohnt passiv, greift kaum ein,
stellt nur fest und ist am Ende gar amtsmüde. Der Böse ist hingegen extrem
brutal und intelligent. Der Schluss freilich ist mehr als eigenartig. Auch der
Spiegel kritisierte „ein sehr irritierendes, weil abruptes Ende“.
***1/2 sehr spannender, und sehr blutiger Neo-Western, gut fotografiert
und mit durchaus auch ruhigen und nachdenklichen Passagen.
Vincent Paronnaud und Marjane Satrapi, Frankreich 2007,
95 Min.
Ein Film der ganz besonderen Art, wie man ihn noch kaum gesehen hat, ist dieser
- meist schwarzweiß gezeichnete - Animationsfilm. Mit dokumentarischer Präzision
werden Fakten aus der Geschichte erklärt, die Unterdrückung unter den Schahs und
danach unter den Mullas erläutert. Persepolis war der Name der altpersischen
Residenzstadt und es erzählt Marjane Satrapi ihre persönliche Geschichte, die in
Paris, Teheran und Wien spielt.
Sie war 8 Jahre alt, als der Schah vertrieben wurde, ein Onkel, der übel
gefoltert wurde kommt frei, doch bald fangen die Verbote wieder an und wieder
werden Menschen willkürlich verhaftet, wenn sie kritische Fragen stellen. Und
dann bricht der Iranisch-Irakische Krieg aus, bei dem der Westen beiden Seiten
Waffen lieferte. Marjane flüchtet nach Wien, wo sie aber auch nicht glücklich
wird, der Liebe Freuden und Leiden setzen ihr mehr zu als der Krieg, sie kehrt
nach Teheran zurück, heiratet und nach der bald darauf folgenden Scheidung
flieht sie wieder nach Paris.
Der Film gewann den Preis der Jury in Cannes 2007.
**** ein
Filmerlebnis der besonderen Art, ein ganz lebendiger Geschichtsunterricht, eine
originelle Art eine Biografie zu erzählen !
Free Rainer - dein Fernseher lügt
Hans Weingartner, D/A 2007, 110 Min
Der neueste Film des in Vorarlberg geborenen Hans Weingartner kommt nicht an die
Spannung und Dichte von "die fetten Tage sind vorbei" oder "Weißes Rauschen"
heran, dennoch sind jene Kritiken überzogen, die ihm vorwarfen mit Trash gegen
Trash zu kämpfen.
Klar ist die Anklage an das Quotendenken im Fernsehen, schön die Utopie einer
Fernsehwelt, wo alle Sender das Niveau von arte oder 3sat erreichen und die
Menschen statt Busen und Ärsche Literatur und Filmkunst wirklich sehen wollen.
Rainer ist ein ganz fieser Privat-Fernsehmacher, cokst und säuft, fährt
superteure Autos zu Schrott und kümmert sich kaum um die Straßenverkehrsordnung.
Sein Sender trieb einen Trainer mit nicht haltbaren Dopingvorwürfen in den
Selbstmord. Seine Enkelin rächt sich durch einen Kamikaze-Autocrash gegen
Rainer.
Im Spital kommen die beiden ehemaligen Gegner sich nicht nur näher, Rainer
(gespielt durch Moritz Bleibtreu) wird geläutert und wird vom Saulus zum Paulus
oder vom Fernsehverdummer zum Weltverbesserer.
Mit den letzten Arbeitslosen (hier werden alle üblen Klischees herangezogen!)
will er die Medienkontrollboxen manipulieren,
die an Hand relativ weniger Haushalte die Quote bestimmen. Es gelingt ihnen, den
Sender des ehemaligen Arbeitgebers an den Rand des Ruins zu treiben und alle
anderen dazu zu bringen, Gutes und Schönes, Fassbinder und Dokumentationen,
Literatur und Kunst zu senden, doch einmal fliegen die Manipulationen auf...
Teil satirisch
überzogen, teils rasant, in manchen Details der Manipulation der Quote aber
überlang.
*** kein Meisterwerk, aber sehenswert.
Die Liebe in den Zeiten der Cholera
Regie: Mike Newell – Buch:
Ronald Harwood ("The Pianist"), USA 2007, 139 Min. gedreht in Kolumbien bei
Cartagena.
Nach dem Roman „El amor en los tiempos del cólera“ des kolumbianischen Literaturnobelpreisträgers Gabriel García Márquez. (1985).
Die Handlung beginnt um das Jahr 1880 in Kolumbien und endet in den 1930er Jahren. Florentino Ariza, ein bettelarmer Telegrammbote, lernt als junger Mann Fermina Daza, Tochter eines reichen Geschäftsmannes, kennen. Er verliebt sich in sie und schwört ihre ewige Treue. Nach dem Ende ihrer platonischen Beziehung wendet sich Daza dem Arzt Juvenal Urbino zu, den sie heiratet und mit dem sie eine Familie gründet. Ariza lässt sich in die tiefste Provinz versetzen, scheut jede echte Beziehung und geht nur flüchtige sexuelle Abenteuer ein. Er arbeitet sodann bei der karibischen Flußschifffahrtsgesellschaft und wird in alten Tagen sogar noch ihr Präsident. Als Urbino achtzigjährig stirbt, macht Ariza der Witwe erneut Avancen und gewinnt sie letztlich für sich. Die Flitterwochen verbringen sie in der Präsidentensuite eines Luxusdampfers, um nicht gestört zu werden, behaupten sie die Cholera an Bord zu haben….
Ariza´s sexuelle Abenteuer – über 600, die er penibel in seinem Tagebuch notiert, stellen den Großteil des Filmes dar, der zwar schön fotografiert ist, aber hektisch von einer Episode zur anderen hetzt, ohne den eigentlichen Reiz des Romans, den „Tropikalismus“ richtig einfangen zu können: so fasziniert im Roman die ständige Gratwanderung zwischen Tod und orgiastischem Liebesglück, und der Berg- und Talfahrt der Gefühle. Auch die Musik ist nicht Fisch und nicht Fleisch, sie enthält sich zwar den Ohrwürmern lateinamerikanischer Folklore, wird aber kaum mehr als Klangteppich. Von den Schauspielern überzeugt vor allem Javier Bardem als Florentino.
** unterhaltsam
mehr über Brasilianisches
Kino, z.T. in Portugiesisch
'Tropa de Elite' (Eliteeinheit)
Jóse Padilha, BR 2007
Ein
großer Erfolg in den brasilianschen Kinos seit dem 12.10.07 ist der
schockierende Film „Eliteeinheit“. Ähnlich wie in „Cidade da Deus“ geht es um
die Favelas von Rio, in denen die Rauschgifthändler ihren Sitz haben. Eine
Spezialtruppe der bras. Polizei, die „Bope“ (Batalhão de Operações Especiais)
ist dagegen angesetzt, sie gilt als weniger korrupt als die normale Polizei und
geht auch gegen korrupte Kollegen vor. Sie setzen Folter ein, um von den
Verdächtigten Geständnisse zu erpressen, manchmal erschießen sie diese danach.
Dieser Umstand wird von weiten Teilen der Mittelschicht Brasiliens als
notwendiges Übel verharmlost.
Schwerpunkt des Filmes ist die Korruption innerhalb der Polizei und
die persönlichen Befindlichkeiten der Polizei: der Job ist schlecht bezahlt.
lebensgefährlich und auch die persönlichen Beziehungen leiden unter dem
schlechten Image, zu foltern und zu morden und die Menschenrechte zu verletzen.
Sie wollen zuhause kein Wort mehr von der Arbeit hören und reagieren äußerst
gereizt. Zuhause sollen sie den fürsorglichen Familienvater und zärtlichen
Ehemann spielen, im Job sind sie im Kriegseinsatz gegen die Drogenmafia. Die
Erzählstimme und so etwas wie der zweite Hauptdarsteller ist ein an seiner
Arbeit zerbrechender Einheitsleiter der BOPE. Sobald er die Uniform auszieht,
beginnt er zu zittern, er hat Alpträume, nimmt Medikamente und ist nach jedem
Einsatz kurz vor dem Durchdrehen. Hart wird es auch, als die Polizei auf
Drogenkonsumenten aus der Mittelschicht stoßen, die sich dort mit Stoff
versorgen wollen. Denn ohne Konsumenten keine Dealer! Zur persönlichen
Katastrophe kann es kommen, wenn ihre Freundinnen, die auch oft in den Favelas
wohnen, von ihren versteckten Ermittlungen erfahren und sich als Spitzel
missbraucht fühlen.
Der Film kommt allerdings zu einem Zeitpunkt, zu
dem es den Brasilianern sichtbar besser geht: deutlich sinkende
Kriminalitätsquoten in Sao Paulo (ich sah dort weniger Sandler, Betrunkene,
Junkies und Bettler als derzeit in Wien !!!) . um 20% mehr Auto-Neuwagenkäufe
als im Vorjahr, boomender Inlandstourismus zeugen davon, dass es Millionen
Brasilianern in den letzten Jahren dank der umsichtigen Sozialpolitik Lulas
gelungen ist, von den Armut in die (untere) Mittelschicht emporzukommen.
Trotzdem: die Geschichte ist wahr, interessanterweise wollte die „normale“
Polizei den Film verbieten, während die Bope selber ihn zutreffend und gut fand
und damit auf mehr Verständnis ihrer Dreckarbeit hofft.
Jedenfalls
kontrastiert das Bild von Brasilien, das dieser Film vermittelt, total mit der
Erfahrung als Tourist (ich war schon 13 mal dort!) , der ein zunehmend sicheres,
sauberes, freundliches und wunderschönes Land vorfindet.
*** sehenswert
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