Bericht vom 12. Intern. Filmfestival Innsbruck
18.-22.6.2003

Ein weiterer Bericht von Frau Mag. Irmgard Spiegel-Stefani, die in der Publikumsjury war, ist *hier.
 
Übersicht von  Dr. Norbert Fink

Wettbewerb Sonstige Retrospektive Jean Rouch
Pickpocket 11´09"01 Le reve plus fort que la mort
Araïs al Teïn A Peck on the cheek
Ninguna Parte Intervention divine
Nishad* Te Quedarás
Láutre monde* Engel
Angel on the right* A festa de Margarette
Ticket to Jerusalem


So dürftig wie das Buffet auch die Filme ?
(zur Lösung)

1. Tag, Mittwoch Abend
Die feierliche Eröffnungszeremonie, wieder von Michael Bilic vom Salzburger "das Kino" moderiert, wirkte lockerer, da nicht ein Langfilm, sondern mehrere Kurzfilme, die symptomatisch für das Festival sein sollten, zwischen den Eröffnungsworten angeboten wurden.

Es begann mit einer Episode aus dem "11.09.01" (11 Regisseure haben zu diesem Thema 11 Kurzfilme von 11 Minuten erstellt, darunter Ken Loach, der eine Verbindung zum 11.9.73, dem Putsch Salvador Allendes, herstellte) .
Der Beitrag aus Burkina Faso war witzig: Jugendliche glauben Osama Bin Laden entdeckt zu haben und rechnen sich aus, was sie mit der von den USA ausgeschriebenen Summe von 25 Mio$ alles machen könnten.

Aus Kuba stammte "La Maldita Circunstancia", so sich ein Mann plötzlich in einer überschwemmten Wohnung wieder findet, absurderweise ist nur er betroffen und niemand kann ihm helfen, nur eine Notschlafstelle wird ihm angeboten...
Dem folgte aus dem Iran "The Cherries which were canned", eine Frau, dessen Mann im iranisch-irakischen Krieg gefallen ist, sucht nach einem Foto, auf dem sie gemeinsam abgebildet sind. Als ein neues Bild von sich machen lässt, ist beim Entwickeln ihr Mann darauf... Handwerklich ein guter Film, was man von den meisten anderen des Festivals nicht sagen kann, schlechte "Amateurvideoqualität" überwog!

Aus Indien kam "Small word & big person", in welchem der Kameramann der Filme des legendären Aravindan (1935-1992) eine persönliche Sicht des Meisters anbietet. Da jener bei uns unbekannt ist, erschien der Film unverständlich, was durch den fehlerhaften Ton noch verstärkt wurde.
Letztlich hab es noch den "Horse´s Healer" aus Usbekistan, ein als Stummfilm konzipiertes 20 min Werk über einen alten Pferdeheiler, der tatsächlich einem todkranken Schimmel helfen kann und ihn in die Freiheit einer Wildpferdeherde entlassen kann. Leider war der Film mit einer süßlichen Musik zugepflastert und auch der Einsatz der Farbfilter zu plakativ. Letztes Jahr gewann ja ein Film aus Usbekistan, "Fellini", mit einer Geschichte aus der Gegend des nun ausgetrockneten Ural-Sees den ersten Preis.

Anschließend wurden die akkreditierten Gäste in das Nobelhotel THE PENZ eingeladen, welches sie auch ziemlich hungrig wieder verließen, von der Pracht und Vielfalt der einstigen Buffets konnte man nur noch träumen - ob es mit den Filmen auch so sein wird, da ja diesmal nur noch sehr wenige und sehr belanglose Filme aus dem einst doch manchmal revolutionär gesinnten Lateinamerika hier zu sehen sind ?


Empfang beim frz. Kulturinstitut in Innsbruck
(1. und 2. Bild oben)
Vorarlberger Filmfans beim Festivalplausch (oben rechts), Festivalleiter Helmut Groschup mit einem Gast aus Indien.(unten mitte)

2. Tag, Donnerstag

Bollywood ante portas !

Zwei von Sri Lanka "angereicherte" Bollywood-Produktionen standen auf meinem heutigen Programm.
"Pickpocket" von Linton Semage, Sri Lanka 2002 war in mono und im TV-Format, aber immerhin auf 35 mm; und verzichtete auf unnötige Dialoge; besonders unnötig scheinen ja Gespräche zwischen Eheleuten zu sein, denn die beiden hatten sich nichts mehr zu sagen; er lebte vom Taschendiebstahl und bringt Elend über Unschuldige, sie ist hochschwanger; eines Tages findet er ihn der Brieftasche eines Bestohlenen das Bild seiner Frau; er sucht den Fotographen, der dieses Foto gemacht hat und bringt ihn um - er war der Bruder seiner Frau ...
Der langsame Film ist weitgehend unverständlich und entspricht genau dem Schreckbild mancher vor einem "Cineasten"-Film...
anfangs bin ich eingeschlafen,...## 2 Schlafkissen für Langeweile
Für Freunde rätselhafter Bilder und wortloser Beziehungen..

"A Peck on the cheek" von Mani Ratnam (IND/SRIL 2002)
war da völlig anders - Cinemascope, rasante Bilder, Rückblenden, und DTS-Sound. Es beginnt mit einem Flüchtlingsdrama, Tamilen werden aus Südindien nach Sri Lanka getrieben, eine Frau gebiert in einem Lager des Roten Kreuzes ein Mädchen, es wird ihr genommen und zur Adoption frei gegeben; die Mutter landet in Sri Lanka und wird Guerillera der Tamil Tigers.

Indra ist erfolgreicher Schriftsteller und hat eine Bollywood - Bilderbuchfamilie, er hat einst die kleine Amudha adoptiert und eigens dazu heiraten "müssen", zwei leibliche Kinder folgten. Als Amudha zu ihrem 9. Geburtstag eröffnet wird, sie sei nicht die leibliche Tochter, sondern ein Adoptivkind, bricht die Krise aus.
Fortan versucht die Kleine zu flüchten und die wahre Mutter zu suchen; als die Eltern ihrem Ansinnen nachgeben und mit ihr nach Sri Lanka fliegen, geraten sie dort in die Kriegswirren. Nun fliegen die Soldaten wirbelnd durch die Luft, werden Flüchtlingskonvois bombardiert (aber unsere Helden entkommen mit dem Taxi) und es kommt zu einem unsäglich kitschigen Happyend. Immerhin gelang es dem Regisseur, in Sri Lanka sowohl die Sympathien der Tamilen als auch der offiziellen Armee zu erlangen; er brauchte Beide, um den Film zu verwirklichen.

Nicht nur, dass manche Szenen in anderen Teilen der Welt Lachsalven auslösen würde (etwa wenn frisch verheiratete voll bekleidet ins Bett gehen und Frauen mit langem Sari baden) , auch die bollywood typischen Tanzeinlagen sind mehr als gewöhnungsbedürftig, zwar sind die Damen alle durchaus märchenhaft schön, doch weder die Musik ist so zündend wie z.B. jene Lateinamerikas, noch die Hüftschwünge so sexy wie z.B. im Sambadrom von Rio. Klar, es gilt das Schamgefühl fremder Kulturen zu respektieren; auch werden die Bollywood Filme für den prüden islamischen Markt gemacht.

Ich bringe diese etwas "globalen" Vergleiche nun bewusst, war früher doch das IFFI ein (Lateinamerika-)Festival und hat durch die Erweiterung auf angeblich alle "unterrepräsentierte" Filmländer m.E. nicht an Qualität gewonnen; außerdem ist Indien ja der größte Filmproduzent der Welt (zumindest in Titeln und Filmmetern) und es scheint ja seine Gründe zu haben, warum der indische Film bei uns nicht ganz so bekannt ist. Nun, gemeinsam mit jenem Land, das wähnt, das größte des Films zu sein, scheint bei beiden nicht die Qualität, sondern die Macht des Marktes und der Glamour der lokalen Stars einiges beizutragen.
Neben diesem Trigon-Film (!!!) sind bereits "Lagaan" und "Sometimes Happy, Sometimes Sad" bereits überraschend erfolgreich auf dem österr. Filmmarkt. Hoffentlich ist das eine Modeerscheinung, die bald wieder vorbei geht. Übrigens, normale indische Filme dauern 4-5 Stunden, ein Dreistünder ist also in Bollywood ein "Kurzfilm", allein schon diese Konfektionsgröße macht es schwer, sich auf unserem Markt einzunischen.

** Handwerklich gut gemacht und optisch opulentes, hemmungslos kitschiges Melodram mit einigen pädagogischen Ansätzen (es gibt Untergrund-Kriege, weil die Waffenhändler aus der 1.Welt daran gut verdienen...) , mehr Märchen als Realität.

Neben diesen Filmen waren auch "Lagaan" und "Sometimes Happy, Sometimes Sad" auf dem Programm; Filme für die man nicht ein Festival zu gehen braucht, da sie schon im Verleih sind und in den "ausgewählten Theatern" zu sehen sind.


Intervention Divine
(F, MA, D 2002) Elia Suleiman.
Die in Jerusalem bzw.in den besetzten Palistänsergebieten (Ramallah) spielende Geschichte ist durchaus innovativ und zeigt den Kleinkrieg zwischen den Nachbarn, die sich gegenseitig den Müll abladen, sich die Zufahrtswege verparken bzw. zerstören; aber es geht immer wieder um kleine surrealistische Bilder, die anarchistische Gedanken wahr werden lassen - ein Mann wirft einen Marillenkern aus dem Auto und bringt den israelischen Panzer zur Explosion, ein Luftballon mit dem Konterfei von Arafat passiert den Checkpoint, Schwerkranke stehen auf der Intensivstation selber auf, um - wie die Ärzte und Schwestern -eine Rauchpause einzulegen, und letztlich trotzt der Gedanke auf Freiheit Palästinas sogar den Soldaten auf einem Schießplatz, die auf Abbilder palästin. Frauen knallen - als eine solche wirklich auftaucht, ist sie unbesiegbar...
*** Einigermassen innovatives Stimmungsbild eine palästinensischen Liebespaares in Jerusalem, einerseits recht keusch und züchtig, andererseits mit surrealen Bildeinfällen


3. Tag, Freitag
Ninguna Parte, Luis Sepúlveda, I/AR/E 2002


Endlich gab einen politischen Film aus Lateinamerika, wenn auch von der italienischen RAI produziert. Gedreht wurde er im Norden Argentiniens (bei Salta), gemeint ist die Zeit der chilenischen oder argentinischen Militärdiktatur mit ihren tausendfachen Menschenrechtsverletzungen.

Fünf Männer, ein homosexueller Koch, ein Student, ein Lektor, ein ehem. Eisenbahner und ein Friseur werden von den Militärs verhaftet und mit einem Sonderzug in eine Wüste in den tiefsten Anden, nach "Nirgendwo" gebracht, die Militärlastwagen ziehen wieder ab und einige lokale Bewacher haben sich um die Gefangenen zu kümmern. Was dramatisch beginnt, kippt nun in einen Stil über, der an Begninis "La vida e bella" erinnert. Mit Witz und Intelligenz gelingt es den vier übrig gebliebenen (einer wurde bei einem Fluchtversuch erschossen) die dümmlichen Militärs zu unterhalten; Star ist dabei der Koch, der aus den genau gleich schäbigen Ingredienzien statt eines ungeniessbaren Breis, eine französisch benannte Delikatesse herzaubert und sie auch noch elegant serviert. Er bringt dem Militärkoch die haute cousine bei und schmeichelt ihm ständig. Indes bleiben zu Hause Versuche, über die Justiz oder Kirche etwas über die Verschwundenen zu erfahren, erfolglos; hingegen gelingt es den regionalen Guerilleros, den Ort der Gefangenen ausfindig zu machen und ihre Befreiung vorzubereiten; die gelingt wiederum über ein alkoholisches Festmahl, wo mit angeblich aus Kartoffeln selbst gebranntem Wodka die ganze Wachmannschaft narkotisiert wird.
Bekannte Stars wie Harvey Keitel, Angela Molina, Jorge Perugorria spielen mit; der Streifen ist recht unterhaltsam und manchmal spannend; er hinterläßt jedoch einen zwiespältigen Eindruck und regt zu einer kontroversen Diskussion an: verharmlost der Film nicht den Schecken der faschistischen Diktaturen ? Kann man wirklich mit Witz, erotischen Lagerfeuergeschichten und etwas Schnaps dem Schecken entkommen ? Werden da nicht die wahren Opfer verhöhnt ?
Oder ist es eine beissende Satire auf die Dummheit der Militärs, der Hoffnung macht ?

*** sehenswert, aber zwiespältig

Nun wären zwei weitere Filme auf dem Programm gestanden, wenn ich nicht gebeten worden wäre, auch am Rahmenprogramm teilzunehmen. Cine Tirol führte uns die Bergwelt ob des Seefelder Plateaus, mit einem vom Traktor gezogenen Züglein fuhren wir die Begwege hinauf auf eine Hütte, wo wir mit Wahnsinns-Portionen Schnitzel und Kaiserschmarren verwöhnt wurden. Danke nochmals!

So blieb dann etwas Zeit auch einen Film der Retrospektive anzusehen, die Jean Rouch gewidmet war, bei dem o.a. Ausflug erwies er sich als geselliger alter Mann, der sogar die Internationale anstimmte, alle sangen mit, nur der kubanische Vertreter nicht (!)...

La rêve plus fort que la mort
war ein schwer verständliches ethnographisches Werk aus Niger, nicht nur, dass die westliche und afrikanische Kultur zusammenprallen, auch die alten Griechen und ihr klassisches Theater wurde integriert...  Jedenfalls gut fotografiert ! Ich kenne mich da zu wenig aus, um einen Kommentar abgeben zu können.

Den Abschluss bildeten nun zwei kubanische Kurzfilme (mit westlicher Hilfe gedreht), Te Quederás zeigte das Leben in Havanna, die Macht der Liftfrau, das Schlangestehen und die Informationen über Radio Reloj, wo jede Minute die Zeit angesagt und Nachrichten verlesen werden.

Der in deutsch gedrehte Film "Engel" zeigte eine schöne Frau und ihre mysteriösen Beziehungen, sie verführt einen Jungen und stürzt mit ihm in den Tod...


A festa de Margarette, Renato Falco, BRAS/USA 2002
war von der Idee her vielversprechend: ein Stummfilm in schwarzweiss, nicht einmal mit Zwischentiteln, aber mit zeitgen. brasilianischer Musik im dolby Sound untermalt. Eine riesige Familie lebt in einer Hütte abseits der Stadt. Als der Ernährer seinen Job in der "Autofabrik" verliert, bekommt er eine riesige Abfertigung, die er gleich in schicke Kleider, Taxifahrten und teuren Restaurants umsetzt; auch ein Fest für alle zu Hause ist natürlich geplant, trotz des plötzlichen und scheinbar nicht versiegenden Reichtums wird er unmissverständlich mit den Problemen des Landes konfrontiert, von Strassenkindern bis zu korrupten Polizisten....
*** sehenswert und witzig, leider wird der Film gegen Ende eher wirr als analytisch

Kurzum ein netter Tag, aber ohne wirklichen sensationellen filmischen Höhepunkt...


4. Tag - Samstag
L´Afrance (Alain Gomis, F 2001)
Der handwerklich miserable Streifen (der gute Mann soll Licht messen und scharf stellen lernen!) und teils mit Amateurvideo gedrehte Film behandelte das Thema, dass trotz aller Vorsätze viele Studenten aus Afrika nach dem Studium in Europa nicht mehr nach Hause zurück kehren wollen; wenn sie es in den Ferien versuchen, fühlen sie sich schon als fremde Ausländer im eigenen Land, der Luxus des Westens geht in ab, das Essen im Busch schmeckt ihnen nicht mehr etc. und oft haben sie auch eine Freundin im Westen, obwohl zu Hause eine junge Frau hoffnungsvoll auf den Jungakademiker wartet; außerdem würde das Land dringend intellektuellen Nachwuchs benötigen..

El Hadj studiert in Paris und wird, obwohl seine Aufenthaltsbewilligung erst vor 6 Tagen abgelaufen ist, recht unsanft verhaftet und interniert. Er kommt zwar vorübergehend wieder frei und überlegt auch eine Heirat mit einer Französin als einzige Rettung aus dem Dilemma; um zu illegalen Papieren zu kommen, arbeitet er auf dem Bau, eine Arbeit die er nicht gewöhnt ist; doch die Konflikte eskalieren eher.

Leider kann man den Film auch als Beweis dafür herholen, am besten keine Ausländer mehr herein zu lassen, da es sich ja alle nur hier bequem machen werden und nie mehr zurückkehren wollen..

0 Punkte, da die +2 Punkte für das Thema durch die -2 Punkte für handwerklichen Dilletantismus aufgewogen wurden.



Araïs Al-Teïin (Poupées d´argile)
Nouri Bouizid, Tunesien, F, MA 2002

Der einzige wirklich gute Film und mit Abstand der beste, den ich gesehen hatte, war dieser tunesische Film über Kindersklaven, ein Thema, das ja auch bei uns durch "die Schwabenkinder" wieder ins Bewußtsein gerückt ist.

Omrane kommt mit einem ärmlichen Gefährt in die Dörfer und "kauft" den Eltern die Kinder ab; diese vertrauen ihnen, die bestmögliche Arbeit zu finden und bald von den Kindern finanzielle Unterstützung gegen ihre Armut zu bekommen. Nur eine Mutter klagt an, von ihrer Tochter nie mehr etwas gehört zu haben... Er führt die Mädchen, zum Teil noch verspielte Kinder, nach Tunis, wo sie in reichen Familien als "Mädchen für alles" eingesetzt werden.
Die kleine Feddha flüchtet von ihrem Arbeitsplatz und stößt auf die schöne Rebeh, in die Omrane verliebt ist. Doch dieser sperrt sie in der völlig verdreckten Wohnung ein, während er sich allabendlich besäuft. Feddha und Rebeh versuchen mehrfach zu flüchten bzw. andere Arbeit zu suchen, z.T. im Rotlichtmileau..., und immer wieder kreuzen sich ihre Wege.

 Der auf echtem 35mm Film gedrehte und meisterhaft fotografierte Film war der einzige,
dem ich nun **** verleihe! Botschaft, Aussage und Umsetzung werden kongenial erzählt... (PS.: auch alle Jurys waren dieser Meinung!) s.Preise.


11´09"01 - September 11
11 RegisseurInnen aus 11 Ländern hatten de Aufgabe, einen Film von 11 Minuten, 11 Sekunden und 1 Kader zu drehen, das Thema im weitesten Sinne war der 11.11.01 der Tag des Angriffes auf die Twin Towers in NY. Der Film wurde 2002 in Venedig vorgestellt und kontroversiell diskutiert.

In der Tat sind die einzelnen Beiträge höchst unterschiedlich; mir gefiel jener von Claude Lelouch aus Frankreich am besten, wo eine gerhörlose Frau böses ahnt und das Ende ihrer Liebesaffäre zu einem Gehörlosenguide befürchtet; sie merkt nicht, was passiert, doch er kehrt staubbedeckt zurück - als Überlebender.
Der wichtigste Beitrag war sicher jener von Ken Loach, der daran erinnert, dass ebenfalls an einem 11.9. im Auftrag des CIA der demokratisch gewählte Präsident Chiles, Salvador Allende geputscht wurde und mind. 17.000 Menschen in Chile gefoltert und ermordet wurden, überhaupt sind seit dem 2 Weltkrieg bereits 4 Mio. aufgrund der Politik der USA ums Leben gekommen:Vietnam, Osttimor, Chile, Salvador, Kongo usw.
Sehr experimentell (weitgehend Schwarzfilm mit Tonkollage) war der Beitrag Mexikos, und originell auch jener von Idrissa Ouedaogo aus Burkina Faso, der schon zu Eröffnung gezeigt wurde.

*** In der Summe recht interessant und vielseitig, teilweise auch US-kritisch.


Am heutigen Tag der Sonnwende - die Berge rund um Innsbruck waren von Sonnwendfeuern erleuchtet, gab es eine Filmparty am Baggersee, die sehr unterhaltsam war.


5. Tag, Sonntag Morgen:

Ticket to Jerusalem

Rashid Masharawi, Palästina 2002
Der in arte schon gezeigte (!) Film war der einzige, dem man verzeihen konnte, dass er mit einer kleinen handlichen Videokamera gedreht wurde und somit nur von begrenzter Filmqualität war, immerhin der Ton war digital.

Jaber betreibt in den von Israel besetzten Gebieten ein Wanderkino. In einem schon betagten Jeep transportiert er den schweren 35mm Projektor von Ort zu Ort, um Groß und Klein mit den Filmen zu erfreuen, immer wieder neue Sperren und Checkpoints der Israelis machen jede Aufführung zum Lotteriespiel, und wenn das alles klappte, gibt es auch Strom oder werden die Gäste aus Angst vor Bombenangriffen in die Bunker getrieben ? Er läßt sich von einer Lehrerin überreden, auch in Jerusalem eine Aufführung zu machen, was ein äußerst riskantes Unterfangen wird, weil die jüdischen Siedler immer aggressiver jeden Platz und jedes Haus beanspruchen.
Pannen an Auto und Projektor tun noch das ihre dazu, doch Jaber läßt sich nicht abbringen.

Ein wunderbarer Film über einen Idealisten für den Film, der sehr viele Informationen und spontane Bilder über das Leben in den Palästinenserlagern vermittelt.
*** tolles Thema und informativer Background, aber nur in Videoqualität


Nach diesem Film entschloss ich mich zur Heimreise, um so mehr ich einen Mitfahrer gefunden habe....


und so urteilten die Jurys:
 

Samstags hat sich die Jury (Andrea Maria Dusl – A, Karl Saurer – CH, Idrissou Mora Kpai – BENIN, Eduardo del Llano Rodriguez - KUBA, Paulo Roberto de Carvalho – BRA) nach ausgiebig-kritischem Film-Marathon, für den Gewinner des Internationalen Wettbewerbes – und damit des Filmpreises des Landes Tirol (5.000 Euro) - entschieden, und zwar für
 
ARAÏS AL-TEÏN
("Poupées d’Argile/Puppen aus Ton", Regie: Nouri Bouzid, Tunesien/Frankreich/Marokko 2002).
 

Die Begründung des Jurypräsidenten Karl Saurer:
"Nouri Bouzids berührendes Porträt vom Leben dreier Verlorener überzeugt dramaturgisch und emotional. Die Authentizität der Charaktere, der souveräne Umgang mit Licht und Farbe, die einfühlsame Regie und vor allem das großartige Spiel der drei Hauptdarsteller zeichnen ein universelles Bild vom Großstadt-Alltag im Maghreb."
 

Eine besondere Erwähnung der Jury fand zudem FARISHTAY KIFTI ROST ("Angel on the Right", Regie: Djamshed Usmonov, Frankreich/Italien/Schweiz/Tadschikistan 2002).
 

Mit den Worten der Jury: "Mit erzählerischer Wucht, cinematographisch konzise und eindrucksvoll inszenierte Djamshed Usmonov eine Geschichte aus seinem tadschikischen Heimatdorf. Die differenzierte Zeichnung komplexer Charaktere wird von einem hervorragenden Ensemble an Schauspielern und Laiendarstellern präzise und nuanciert umgesetzt."
 

ARAÏS AL-TEÏN wusste zu überzeugen – auch die Publikumsjury (Preis des Stadtmagistrats Innsbruck mit 1.000 Euro) favorisierte den Film, vor L’AUTRE MONDE (2.) und ANGEL ON THE RIGHT (3.).
 

... alle für einen!

Ebenso intensiv beschäftigte sich die Schülerjury mit dem Filmangebot – mit folgendem Ergebnis:
Der ausgelobte Preis des Französischen Kulturinstituts Innsbruck anlässlich des 12. Internationalen Filmfestivals in Innsbruck erging an - - - ARAÏS AL-TEÏN.
Die Begründung der Schülerjury für den Preis der Frankophonie lautet:
Der Film schildert in realistischen Bildern nordafrikanischen Alltag. In der Hoffnung, ihren Kindern in der Stadt ein besseres Leben zu ermöglichen, werden Mädchen durch "Onkel" Oumane als Haushaltshilfen nach Tunis vermittelt. So kommt auch die etwa sechs Jahre alte Fedah in die Hauptstadt Tunesiens. Ihr Leidensweg, von der Trennung von ihrer Familie bis hin zum Verlust ihrer Kindheit und Vergangenheit, steht stellvertretend für die Schicksale vieler Kinder und Jugendlicher, die vom Land in die Stadt geschickt werden. Die einzige Verbindung Fedahs zu ihrem Dorf und ihrer Familie ist ein Stück Lehm. In eindrucksvollen Bildern gelingt es dem Regisseur die Verzweiflung, die Einsamkeit und die Sehnsucht darzustellen; bspw. wenn Fedah in einsamen Stunden aus Ton Puppen modelliert und sie wieder zerstört.
Resümee der Schülerjury:
Die tiefsinnige Filmrealität zeigt die innere Zerrissenheit mancher Protagonisten: Gefangen in Liebe, die sie sich nicht eingestehen wollen, und zwischen Arbeit und Menschlichkeit. Aber trotz aller Härte bemerkt man doch die Heimatverbundenheit des Regisseurs, welcher in seinem Werk Fragen stellt, aber keine Antworten gibt. Er zeichnet ein realistisches Leben, ohne es zu beschönigen.
 

Festivalleiter Helmut Groschup zeigt sich über den Erfolg von ARAÏS AL-TEÏN begeistert: "Man stelle sich diesen Film als ,LA STRADA´ in Tunesien vor – junge tunesische Schauspieler auf den Spuren von Anthony Quinn/Zampano." Begeistert ist er auch über das Publikum: Das Innsbrucker LeoKino scheint aus allen Nähten zu platzen, ist "zu klein" – mit einem neuen Zuschauerrekord ist zu rechnen!
 

 
Innsbruck, 21.6.03

somit waren sich sowohl die professionelle Jury als auch die Publikumsjury mit mir einig - ARAÏS AL-TEÏN ist der beste Film des Festivals !
 

Auflösung
Leider war das Omen wahr - seit vielen Jahren gehe ich nun schon auf das Innsbrucker Festival und lobte es stets als eines der Besten - doch diesmal war das Niveau der Filme so schlecht wie noch nie - nur ein wirklich hervorrragender Film ! Natürlich müssen wir allen danken, die überhaupt noch einen Empfang finanzieren, aber lieber ein wenig schickes Lokal, dafür etwas mehr zum Essen... (und meine Kritik am Buffet war ja nur ironisch gemeint, schließlich hat Helmut immer was Feines zum Essen organisiert ...).
Und ganz wenig aus Lateinamerika, bzw. das nicht einmal brandneu.. dafür Bollywood ! Wer ausgezogen ist wie ich, um den Kitsch aus Hollywood zu bekämpfen, der ist verstört - der Bollywood ist Hollywood zum Quadrat, noch kitschiger, noch prüder, noch kommerzieller !


Norbert Fink

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