Solothurner Filmtage 2003, Darstellung einer Endzeit

von Dr. Urs Vokinger
 


aus der Eröffnungsrede von Ivo Kummer
Filmbeschreibungen von Urs
Filmbeschreibungen von Norbert
Überblick

Der Obmann des FKC, Norbert Fink blieb heuer dem Festival fern, denn er war verärgert darüber, dass im der Einladung beiliegenden Folder das Filmformat resp. ob Video oder Film, nicht ersichtlich war. Er schaut sich als vielgestresster Mann nur echte Kinofilme an. Urs und Pauline gingen aber hin - wegen Überfüllung der Säle am Wochenende unter der Woche - und Urs berichtet:


Überblick

Das diesjährige Solothurner Filmfestival war von einer noch nie da gewesenen Endzeitstimmung geprägt. Tod, Flüchtlingsdramen, Krieg und Ausweglosigkeit schienen am diesjährigen Festival die Filmregisseuren zu beschäftigen, nach einer Welle über Themen der Homosexualität zu Beginn der neunziger Jahren und zu den gestörten heterosexuellen Beziehung ab Mitte derselben Dekade. Welchen Themenkreis wird wohl uns das Festival in den nächsten Jahren bescheren?

Endzeitstimmung auch beim Schweizer Spielfilm, und dies nicht nur bei den gewählten Themen: Es waren nur sehr wenige Spielfilme am Festival aufgeführt worden. Der Löwenanteil der gezeigten 260 Filme gehörte den Dokumentarfilmen. Obwohl einige Spielfilme den Standard erreichten, fehlte es bei den gesehenen Filme an Originalität, Spontaneität und guter Improvisation, was den Schweizer Spielfilmen auszeichnet, und für den Unwissenden der schweizerischen Eigenheiten, diese Filme etwas schwer zugänglich macht. Der Schweizerfilm scheint sich zu 'europäisieren', multikulti is out! Eine Ausnahme gab es doch: 'Ernstfall in Havanna', ein typischer, unterhaltsamer Schweizerfilm, der wahrscheinlich auch vom FKC gezeigt wird.

Endzeit auch für die klassische Filmaufzeichnung, dem Nassverfahren, wo das Zelluloid und die Chemie dem Film das Leben einhauchen. Der Trend in den letzten Jahren zeigt klar, die Zukunft gehört dem Videofilm (oder kurz Video), der die technische Produktionskosten des Films (belichten, entwickeln, schneiden, einbinden von Spezialeffekte) eindeutig reduziert. Dass die technische Qualität des Videos sich fortlaufend weiterentwickelt, konnte ich bei diesem Festival feststellen. Es wird immer schwieriger zwischen konventioneller Filmaufzeichnung und Video zu unterscheiden. Die Folgen des Siegeszug des Videos scheinen sich bemerkbar zu machen und war mir beim diesjährige Festival vor allem aufgefallen. Die artistische Qualität der Filme sinkt. Um Kosten zu sparen, musste früher, so meine Vermutung, das Drehen eines Filmes sehr gut vorbereitet werden. Mit der Videotechnik ist diese Einschränkung nicht mehr gegeben. So entstehen Filme, die besser nicht gemacht worden oder die nicht entstanden wären, hätte man sich vorher genauer mit der Materie auseinandergesetzt; oder es entstehen Filme von langer Spieldauer, die man eventuelle bei geschickter Vorbereitung auf eine verträgliche Spieldauer reduzieren hätte können. Aus 'wahllosen' Aufzeichnungen einen guten Film zu produzieren ist schwierig, aber billig, das hat das diesjährige Festival in der besonders grossen Menge an Filmen und dem mir scheinbaren niedrigem Niveau gezeigt. Aus gut vorbereiteten Aufzeichnungen einen guten Film zu produzieren ist auch schwierig und kostet viel; das haben die früheren Festivals gezeigt, wo die Menge der vorgestellten Filme kleiner war und das Niveau höher. Trotzdem möchte ich den gegenwärtigen Trend nicht verdammen. Es gibt Regisseure, die wissen damit umzugehen, wie z.B. Peter Mettler mit seinem 'Gambling, Gods and LSD'; andere eher nicht, wie der prämierte Spielfilm 'On dirait le Sud' von Vincent Plusss. Vielleicht brauchen die Filmschaffenden mehr Zeit um mit den verlockenden Möglichkeiten der neuen Technik umgehen zu lernen.

Endzeitstimmung auch bei der Jury, betrachtet man ihr prämierter Spielfilm 'On dirait le Sud', der von einem geschiedenen Vater handelt, der sich mit Frau und Kinder versöhnen will. Ein Videofilm von 63 Minuten à la Dogma, nur dass man nach einem Viertel der Filmlänge immer noch nicht weiss, was der Film eigentlich will, und den Wunsch verspürt, den Kinosaal zu verlassen. Vielleicht wollte die Jury mit ihrer Wahl ein progressives Zeichen setzten. Oder war die Auswahl der Spielfilme so schlecht, dass sie einzig diesen Film prämieren konnte, eine Verlegenheits-Prämierung? Dann wäre es doch besser gewesen, dem Publikum anzukündigen, dass die Jury aufgrund der eher niedrigen Qualität, keinen Spielfilm prämieren will.

 

Hier  die Prämierungen:

Bester Spielfilm:

'On dirait le sud' von Vincent Pluss

Bester Dokumentarfilm, ebenfalls mit fünfzigtausend Franken dotiert, ging an «

'Hirtenreise ins dritte Jahrtausend' von Erich Langjahr

Bester Kurzfilm:

'Swapped' von Pierre Monnard

Darstellerpreise:

Mona Fueter für ihre Rolle im Film 'Füür oder Flamme'

Mathias Gnädinger für seine Rolle im Film 'Big Deal'

 


Kritiken von Urs: 
 

Arbres, Dokumentarfilm Sophie Bruneau -Roudil, Marc-Atoine Roudli, Film

Eine Reise durch die Welt der Bäume. Ein wunderschöner Film, der die verrücktesten Baumarten der Welt vorstellt und über ihre unglaublichen Geschichten berichtet: Bäume die im Jahr einige Metern wandern, Bäume die einen Umfang von 36 Metern erreichen, oder Bäume die seit Jahrtausend in einer Art von Agonie leben. Der Film ist sehr eindrücklich, die Aufnahmen sind zauberhaft schön. Bravo ****

 

Wolkenbauer, Dokumentarfilm, Jolanda Pinel, Video

Noch zwei Monate bis zur Eröffnung der Exp 02 (Schweizerische Landesaustellung 2002). Die Wolke in Yverdon, eine betretbare Plattform, auf der mit einer Wasseranlage künstlich eine Wolke erzeugt werden soll, steht kurz vor ihrem ersten Test. Niemand weiss, ob die Anlage funktioniert und die gewünschte Wolke entsteht. Niemand hat etwas ähnliches vorher gewagt. Die Bauleute sind nervös, die Zeit drängt. Die ersten Versuche sind erfolgreich, aber die Rohre der Wasserzuführung bersten unerwartet aus unbekannten Gründen. Doch endlich eine Woche vor Eröffnung scheint doch alles zu funktionieren. Die Leute atmen auf.

Der Film wirkt ehrlich und direkt und zeigt eine gewisse Spannung. ***

 

Continental Tanger, Dokumentarfilm, Daniel Calderon, Video

Tanger, die Stadt im Norden Marokkos, die Grenzstadt zwischen dem 'armen' Süden (Afrika) und dem reichen Norden (Europa). Tanger war einmal die Kulturstadt der Welt, das Exil der Künstler und Begegnungsrot. Künstler wie Orson Welles, The Rolling Stones, Bertolucci und trafen sich in Tanger. Das Hotel Continental in der Stadt war das erste und wohl das luxuriöseste Hotel Afrikas zu dieser Zeit. Der Film zeigt eigentlich eine Reise in die Vergangenheit, versucht das Ambiente von damals auf die Leinwand zu bringen. Einwohner oder sesshaft gewordene Ausländer erzählen ihre Erlebnisse aus dieser blühenden Epoche und scheinen sich die Gegenwart, teilweise zu verleugnen. Ein interessanter Dokumentarfilm, wäre da nicht die banalen Kommentare des Sprechers. Die interviewten Personen sagen nämlich schon alles! ***

 

La Suisse et la Guerre d' Espagne 1936-1939, Dokumentarfilm, Daniel Künzi, Video

800 Schweizer nahmen während des Bürgerkrieges in Spanien in der internationalen Brigade teil. Nach ihrer Rückkehr wurden sie von der Schweizer Justiz systematisch Verfolgt und bis zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Eine im Jahr 2002 eingeleitete gerichtliche Untersuchung für die Rehabilitierung dieser Brigadisten ist noch zu keinem Entscheid gekommen.

Im Dokumentarfilm erzählen ehemalige Brigadisten von dieser Zeit. Einblendungen in schwarz-weiss Filmen aus der damaligen Wochenschau untermalen die Aussagen der ehemaligen Brigadisten.

Der Dokumentarfilm ist sicher gut recherchiert, es fehlt aber an Elementen, die den Zuschauer packen um am Groll der Brigadisten Teilnehmen zu können. Akademisch OK. **

 

Ich heisse Sabine Spielrein, Dokumentarfilm, Elisabeth Màrton, Film

Sabine Spielrein, eine intelligente, jüdische Russin, wurde mit 19 Jahren von ihrem Vater in die Schweiz zur Behandlung ihrer Hysterie geschickt. C.G. Jung, mit Hilfe von Freud, behandelt sie. Die Behandlung ist erfolgreich, so dass sie in Zürich ein Studium an der medizinische Fakultät beginnen kann. Doch das Studium, mit anschliessender Dissertation, die sie mit Bravour abschliesst, ist für Sabine Spielrein ein sentimentales Drama. Sie hat sich während ihrer Behandlung in C. G. Jung verliebt. Jung, verheiratet und mit Kindern, kann oder darf die Liebe von Sabine nicht erwidern.

Sabine Spielrein kehrt nach Russland zurück, wo sie in den vierziger Jahren von der Deutschen Wehrmacht erschossen wird. Sie geriet in Vergessenheit bis 1974 ihr Briefwechsel zwischen Jung und Freud bei Renovationsarbeiten im Kellergeschoss des Palais Wilson in Genf, gefunden wurde.

Vom Inhalt her ist der Film interessant, in der Verfilmung wirkt er eher etwas steif. Störend ist, dass keine Hintergrundinformationen über den damaligen Stand der Psychologie und den Umgangsformen zwischen den Akademikern gegeben wird. So erscheinen einige Zitate aus den Briefwechsel eher lächerlich (Gelächter im Publikum). **

 

Der Komplex, Dokumentarfilm, Fabienne Boesch, Video

Ein erfrischender Dokumentarfilm über die Siedlung Lochergut in Zürich, die in den sechziger Jahren erbaut wurde. Bewohner werden über ihr Leben und Beziehungen zu den Nachbarn in dieser

Siedlung ausgefragt. Das Lochergut präsentiert sich als anonyme, multikulti Siedlung, wo die Armen in den unteren, der Mittelstand in den mittleren und die Reichen in den obersten Stockwerke wohnen. Kurzweilig und pfiffig. Dokumentationen der Siedlung aus früheren Zeiten geben dem Film den letzten schliff. ****

 

Bilderwelt-Weltbilder, Dokumentarfilm, Franziska Wirz, Otmar Schmid, Video

Ernst Scheidegger, hauptsächlich Fotograf, aber auch Verleger und Cinéast. Der Film zeigt seine Werke. Er selbst erzählt aus seinem Werden, von seinen Freunden und von seiner Beziehung zur Kunst. Ein Film für Insider und für den Interessierten der Fotografie.

Für Insider: ***, für den normalen Kinogänger: *

 

Mémoire de la Frontière, Dokumentarfilm, Claude Torracinta, Bernhard Romy, Video

Thema dieses Dokumentarfilms: Die zurückgewiesenen Juden in der französischen Schweiz währen dem zweiten Weltkrieg. Ein sicher gut recherchierter Film, wo auch ehemalige Zurückgewiesene und Aufgenommene zu Worte kommen. Am eindrücklichsten fand ich die emotionellen Schilderungen der betroffenen Personen. Allerdings fand ich die Filmdauer von zwei Stunden zu lang. Die Schulklasse, die auch im Kinosaal sass, fand den Film sehr langweilig. Der Dokumentarfilm ist akademisch interessant. Für Insider und Interessenten: ***, für den normalen Kinogänger: *

 

La Brûlure du Vent, Silvio Soldini, Spielfilm, Film

Tobias aus Osteuropa lebt seit zehn Jahren in Neuenburg und arbeitet in einer Uhrenfabrik. Sohn einer Dorfprostituierten flüchtete er nach einem Ermordungsversuch an seinem Erzeuger, der Dorflehrer und Vater seiner Schulkameradin, aus dem Elend. In Neuenburg fristet er ein tristes Leben, das von Altansroutine geprägt ist. Einzig, das Schreiben an seinem Tagebuch, das später einmal einen Roman werden soll, lässt ihn aus der eintönigen Gegenwart entfliehen. Er sehnt sich nach einer Frau, die seinem Idealbild oder seiner ehemaligen Schulkameradin entspricht. Durch Zufall trifft er seine ehemalige Schulkameradin Carolina, die eine Anstellung in der gleichen Fabrik während des einjährigen Studiumsaufenthaltes ihres Mannes annimmt. Die Beziehung zwischen Carlonine und ihrem Mann ist kalt und ohne Leidenschaft. Mit seiner Obsession und Hartnäckigkeit gelingt es Tobias Caroline für sich zu gewinnen. Nach Ermordungsversuche an Carlonies Ehemann flüchten beide nach Italien.

Der Film ist professionell gedreht und lässt von der filmischen Qualität keine Wünsche offen. Was mich an diesem Film gestört hat, ist die irreale Geschichte, vor allem das Zusammentreffen von Tobias und Caroline, was von meiner Sicht aus, die Geschichte etwas naiv aussehen lässt. Oder handelt es sich hier um ein Märchen der Gebrüder Grimm? Film ****, Story: **

(Urs) 

( und das hier schrieb Norbert damals in Locarno)
 

Elisabeth Kübler-Ross – dem Tod ins Gesicht gesehen, Stefan Haupt, Dokumentarfilm, Film

Der Dokumentarfilm porträtiert die siebenundsiebzig jährige Frau in ihrem Hause in der Wüste von Arizona. Im Bett liegend, halbseitig gelähmt von einem Hirnschlag, erzählt sie von ihrem Leben und ihrem Kampf für die Enttabuisierung des Themas Tod. Die 1926 in Zürich geboren Frau von Drillingsschwestern studierte in Zürich Medizin und wanderte 1958 mit ihrem amerikanischen Ehemann in die USA aus. Im Spital von New York, wo sie arbeitete, war sie entsetzt, wie Ärzte die sterbenden Patienten behandelten: Sie wurden gemieden, schlecht behandelt und niemand war ehrlich zu ihnen. Elisabeth Kübler-Ross nahm sich Zeit den Sterbenden zuzuhören und mit ihnen über den kommenden Tod zu sprechen. Die Erfahrungen, die sie mit diesen Patienten machte, veröffentlichte sie 1969 im Buch 'Über Tod und Sterben', welches sie weltbekannt machte. Der Film dokumentiert gut den Kampf Elisabeth Küblers, ihre Hartnäckigkeit, und manchmal auch ihre Eigensinnigkeit. Die Kommentare ihrer beiden Geschwistern vertiefen den Einblick in das Leben und Handeln dieser Frau, die, obwohl ihrer Lähmung und dem Warten auf ihren Tod, den Humor noch nicht verloren hat.

Ein interessanter und zugänglicher Film, da der Tod jeden von uns betrifft. Und dass man darüber humorvoll sprechen kann, zeigt der Film auch. ****

Siehe auch: www.elisabethkublerross.com

  

Oltre il Confine, Rolando Colla, Spielfilm, Film

Turin 1993. Die Architektin Agnese und Reuf, ein bosnischer Flüchtling, der sich illegal in Italien aufhält, treffen sich im Kriegsveteranenheim, wo der Vater von Agnese im sterben liegt. Der Kommandanten des Heims lässt Reuf verhaften und sperrt ihn ein. Agnese, die lieber nichts mit dem Flüchtling zu tun haben will, hilft trotzdem Reuf beim Ausbruch vom Gefängnis und bietet ihm in ihrer Wohnung einen Unterschlupf. Agnese lernt Reuf besser kennen, und Reuf bittet sie, seine Tochter aus einem Spital Bosniens nach Italien zu holen. Eine Reise ins kriegserschütterte Land beginnt für Agnese, die sich auf der Suche nach dem Kind an ihre erlebten Ereignisse des zweiten Weltkrieges erinnert. Dank ihrem starken Willen, findet sie das Kind und bringt es nach Italien.

Der Film zeigt erschütternde Bilder aus der Kriegszone und eindrücklich die Hoffnungslosigkeit der Leiterin des Kinderspitals. Ein ehrlicher Film ohne Hollywood-Effekts. ***

 

Gambling, Gods and LSD, Peter Mettler, Dokumentarfilm, Film

Ein Film über Gott und wir Menschen, die eigentlich doch zufrieden sein müssten, auf diesem wunderschönen Planten leben zu dürfen. Beim Besuch von Toronto, Nevada, der Schweiz und Südindien, zeigt Peter Mettler in drei Stunden die Vielfarbigkeit der Kulturen und der Schauplätze. Er zeigt die State of die Art der Menschheit, d.h. den gegenwärtigen Zustand unseres globalen Seins. Ein Film, der durch die Bildern und den Diskussionen zwischen dem Autor und den befragten Personen ruhig fliesst. Einzig was ich vermisst hatte, war die Meinung der Frau über die Erotik-Stimulationsmaschine, in die sie vom Erfinder eingespannt wurde. Stattdessen fragte der Autor des Filmes, was sie am liebsten tue. “Kochen, Pasta kochen!“, war die Antwort.

Ein toller Film, allerdings sollte man sich ihn sehr ausgeruht ansehen. Drei Stunden filmsehen, ohne Pause, kommt einem Marathonlauf gleich. ****

 folgende Filme hat Norbert u.a. in Locarno schon gesehen:
 

Hirtenreise ins dritten Jahrtausend

Erich Langjahr, CH 2002, 124 Min., dolby

Sehr detailgetreuer und herausragend fotografierter (auf echten Film !) Dok über die letzten Wanderhirten in der Schweiz. Diese kommen den Viehbesitzern noch immer billiger als das Heu, das die Tiere sonst im Winter brauchen würden, sie schlafen mit den Tieren unter Planen, mal in Holzcontainern und manchmal wird sogar ein Wohnwagen mit dem Heli eingeflogen...

Das Leben ist einfach und naturverbunden. Leider wurde der ökonomische Aspekt zu sehr ausgespart (auf wie viele Rappen Stundenlohn kommen sie denn?), mehrfach werden auch Geburten bei Schafen und Ziegen beobachtet (was einige Längen provoziert), die Mühen des Melkens und der 17-19 Stundentag, 7 mal die Woche.

Leider nur mäßige Stereoeffekte im Ton.

*** sehr ausführlich und vielleicht schon bald ein historisches Dokument über die Wanderhirten. 
 

Brucio nel vento (Burning in the wind)

Silvio Soldini, I/CH 2002, Cinemascope, 118 Min, digital

Nach dem Roman "Gestern" von Agota Kristof

Ein Film von slawischer Schwermütigkeit, kongenial in der Bildsprache.

Tobias wächst in einem unbedeutenden Dorf in einem osteuropäischen Land (im Film ist es CZ, auch wird tschechisch gesprochen) auf, seine Mutter ist die schönste Frau des Dorfes und lebt als Gelegenheitsprostituierte. Tobias Lehrer ist einer ihrer Stammkunden und in Wahrheit auch der Vater. Eines Tages ersticht er ihn nach dem Liebesakt und flüchtet. Er kommt in ein Waisenhaus und gibt sich einen neuen Namen. Nun arbeitet er in der Uhrenzulieferindustrie bei Neuchatel in der Schweiz als Arbeiter. Aber er schreibt und liest viel. Obwohl er immer wieder die Gelegenheit bekommt, schöne Frauen kennen zu lernen, bricht er immer wieder die Beziehungen ab, denn es könnte die Traumfrau, die er nach einer Schulfreundin Nana nennt, kommen.
Eines Tages taucht diese tatsächlich, ebenfalls als Arbeiterin in der Fabrik, auf. Sie heißt Caroline, ist verheiratet und hat ein Kind. Sie und ihr Mann sind Akademiker und nur vorübergehend, zum Geldverdienen in der Schweiz. Er spioniert ihr nach und hat Anfangs Angst, sie könnte ihn verraten. Da ihr Vater auch der Lehrer ist, ist sie seine Halbschwester.

Immer mehr gibt er seine tiefe Liebe zu erkennen, richtet seine Wohnung neu ein (inkl. Kinderzimmer) und eines Tages erwidert Caroline tatsächlich seine Gefühle. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, ihren Mann zu ermorden. Er lauert diesem auf und sticht ihn nieder, verletzt ihn aber bloß, was er aber anfangs nicht weiß. Nach der Tat flüchten sie in ein anderes Land und beginnen von neu die Sprache zu erlernen.

** 1/2 etwas zu lang geraten und fast die Anamnese eines Neurotikers, dennoch gut in Cinemascope-Bilder umgesetzt.
 


 An den Leser meiner Berichte: Mein Deutsch ist eher schlecht als recht. Ich weiss, und es wurde mir dies seit meinem jüngsten Lebensjahr immer wieder vorgeworfen. Ich gebe mir Mühe, es während meines Älterwerdens immer, wenigstens ein Bisschen, zu verbessern. Seit aber unserer letzten GV, wo sich ein Streit über meine Schreibfähigkeit entbrannte, angefacht von einer sicher gebildeten und dem Vorstand aussenstehenden Person, bin ich zur Überzeugung gekommen, dass ich lieber sozialfähig bin und schlecht schreibe, als berechnend kalt und die deutsche Sprache perfekt beherrsche; ...denn in den Fehlern steckt die Menschlichkeit und menschlich möchte ich bleiben. Und ein Danke an den Vorstand, der mich bei den unfreundlichen Attacken dieser Person verteidigte.

 


Eröffnung der 38. Solothurner Filmtage

aus der Ansprache von Ivo Kummer, Direktor der Solothurner Filmtage

 

 

Wir wissen: Die Schweiz ist keine Kulturnation – wie zum Beispiel Frankreich. Wir wissen aber auch, dass "die" Schweiz kein virtuelles Versuchslabor ist. Eine Gesellschaft, die sich verändern und entwickeln will, ist auf Filme angewiesen. Unsere Filme halten uns den Spiegel unserer Befindlichkeit vor! für die Politikerinnen und Politiker die beste Gelegenheit, sich selber ein Bild zu machen über das, was sie vertreten. Sie erhalten durch die Filme wichtige Informationen und Erkenntnisse, die in diesem Wahljahr von Interesse sein müssten.

 

Und trotzdem – wenn ich sage, der Schweizer Film hüstelt, dann meine ich Folgendes:

 

-          Der Dokumentarfilm erlebt zur Zeit erfreuliche Erfolge. Wir können stolz sein, dass in unserem Land nicht nur die Produktion gross ist, sondern auch ein grosses Publikum sich dafür interessiert. Und trotzdem stellen wir besorgt fest, dass sich in diesem Genre eine gefährliche Nivellierung in Richtung einer Fernsehästhetik und Fernsehdramaturgie breit macht. Sie kennen diese Fernsehbeiträge: Während schlauen 50 Minuten dienen Bilder als Beweismaterial um darzulegen, warum die Meinung des Fernsehschaffenden realistisch und richtig ist. Um die Bilder vor einem allfälligen Widerspruch oder Einspruch zu schützen, wird während 47 Minuten auch noch auf Sie eingeredet. Diese Art von Film gehört an den richtigen Platz und sollte vollumfänglich von jenen bezahlt werden, die sie für ihr Programm brauchen.

 

-          Spielfilme sind kostenintensiver als Dokfilme. Unsere Spielfilmproduktion liegt in den Händen des Auslandes. Der Ruf nach fiktionalen Schweizer Filmstoffen ist hörbar Doch die Frage sei erlaubt, ob sich ausländische Koproduzenten dafür interessieren. Gelingt dies, stehen weitere Fragen an. In Deutschland zum Beispiel der Regionaleffekt. D.h. für einen erhaltenen Euro müssen 1,5 Euro im selben Land ausgegeben werden. Pure Wirtschaftsförderung durch die Kunst – ein Modell – das auch bei uns Schule macht und gegenüber der Politik als Argument dient. Doch: Werden dadurch bessere Filme gemacht?

 

 


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