Bericht
des FKC Dornbirn von den 42. Solothurner Filmtagen - 22.-28.1. 2007
Solothurn an der Aare am
27.1.2007
Zu diesem bedeutendsten Ereignis der Schweizer Filmszene sind wir zur dritt
angereist und haben weitgehend unterschiedliche Filme gesehen, die in der Summe
jedoch einen guten Querschnitt abgeben.
a) Bericht von Dr. Norbert Fink
b) Bericht von Mag. Walter Gasperi (nur auf
kultur-online)
c) Bericht von Dr. Urs Vokinger
Bei der gemeinsamen Rückfahrt stellten wir einstimmig fest, dass
Bericht von Dr. Norbert
Fink
Donnerstag, 25.1.2007
Mon frère se marie (Mein Bruder heiratet)
Jean Stéphane Bron, CH 2006, 94 Min, 35mm
Preis für den besten Hauptdarsteller an Jean Luc Bideau.
Ein vor Jahren als
vietnamesischer Bootsflüchtling in die Schweiz imigrierter junger Mann heiratet
eine Schweizerin. Dazu will er eine große Hochzeit, wie in Vietnam üblich,
ausrichten. Zu allem Schrecken kommen seine Eltern tatsächlich angereist und die
an sich schon schwer zerstrittene Pflegefamilie muss eitel Eintracht zeigen, die
inzwischen geschiedenen Eltern sogar wieder im selben Bett schlafen. Bei den
Vorbereitungen geht alles schief und im Suff der Hochzeitsfeier brechen die
alten Konflikte auf.
*** Warmherzige, antirassistische und multikulturelle Slapstick Familienkomödie.
Das kurze Leben des José
Antonio Guiterrez
Heidi Specogna, 35mm, 90 Min engl/span/dt OmU.
Preis für den besten Dokumentarfilm (zu recht!).
Der erste US-Soldat, der im Irak-Krieg fiel, war ein „green card soldier“, ein Latino aus Guatemala, und er fiel „under friendy fire“. Alles, was die US-Kriegspropaganda dazu verbreitete war falsch, nicht einmal sein Geburtdatum stimmte.
Der Film zeigt seine
Kindheit als cleverer Strassenjunge in Guatemala City, sein Leben im Heim, die
Flucht via Mexiko auf Güterwagen nach Tijuana, die illegale Einreise in die USA,
seine Jugend unter Obhut von mehreren Pflegefamilien und Sozialprogrammen. Für
diese will er sich bedanken, indem er sich von den Marines rekrutieren lässt..
Die Staatsbürgerschaft wurde ihm aber erst posthum verliehen; immerhin erhielt
seine Schwester zum Begräbnis das begehrte US-Visum.
Die USA, die 32 Jahre lang den Bürgerkrieg in Guatemala förderten und am Genozid
an der indigenen Bevölkerung aktiv beteiligt waren, sind trotzdem das Land der
Täume für viele Mittelamerikaner.
**** herausragender
Dokumentarfilm über den ersten gefallenen US-Soldaten des 2. Irak-Krieges, er
stammte aus Guatemala und fiel durch eine Kugel von seinen Kameraden.
http://www.antonio-derfilm.de/
Someone beside you.
Edgar Hagen Doc, 98 Min.
An Hand von sich immer wieder verlierenden Krankheitsgeschichten von an schizophrenen Psychosen erkrankten Menschen in den USA versucht der Autor pathetisch die Ursachen der Psychosen in Störungen der „Spirituellen Ebene“ zu finden. Aus einer sektiererischen Position heraus möchte er diese armen Kranken mit religiösen Ansätzen „heilen“. Dieser ärgerliche und unwissenschaftliche Blödsinn finde ich fatal. Religion ist oft ein Problem, nicht die Lösung bei Psychosen. Zwar sind einige dabei einige Halbwahrheiten und Einblicke in das Leben der Schizophrenen interessant, doch die Ideologie des Films ist inakzeptabel. (--)
Im Landhaus ausgebuht wurde
„Coupe Court“ eine Gewaltorgie aus der frankophonen Schweiz.
Urs wird dazu mehr berichten.
Das wahre Leben
Alain Gsponer, D 2006, 103
Min, 35mm
Vater Roland ist Risk-Manager eines Großkonzerns, ihm stellen sich in einer
schicken Wohngegend seine neue Nachbarn vor, ein Messerfabrikant mit einer
drogenabhängigen, suizidgefährdeten 18jg Tochter, die es auf Linus, den jüngeren
Sohn von Roland abgesehen hat, der scheint ein stilles Wasser zu sein, doch der
Schein trügt, denn er bastelt in seinem Chemie-Labor fernsteuerbare Bomben und
sprengt damit kitschige Statuen in der Umgebung. Umgekehrt will Mutter Sybille
ihre Bilder in ihrer Galerie ausstellen.
Als Roland überraschend arbeitslos wird und endlich zu Hause ist, bricht das
Chaos aus. Er will das Haus renovieren, besseren Kontakt zu seinen Kindern
pflegen und merkt bald, dass seine Frau fremd geht.
Als sich zwischen Linus und der Nachbarstochter eine zarte Bande knüpft, kommt
noch mehr Dynamik ins Spiel, zuviel vielleicht, denn es fliegt am Ende das ganze
Haus in die Luft….
*** Drastische Familientragödie, aber origineller Genremix, enorme Explosion
(nicht nur) der Familienzwiste am Ende.
Freitag 27.1.2007
Fräulein Binder
Caroline Sipos (Filmhochschulen-Reihe), 26 Min, Video
Dokumentarfilm über eine
Inhaberin eines Blumengeschäfts. Aus Liebeskummer begann die verwöhnte
Brgerstochter zu arbeiten. Sonst wäre sie wohl „faul oder eine Hure geworden“,
meinte sie und weiter: „hätte ich geheiratet, wäre mein Mann sicher ein Säufer
geworden“ .Heile Salassie und Yves Saint Laurent (der sie einmal zu sich nach
Paris einlud) zählten zu ihren schillerndsten Kunden. Schließlich gelang es ihr
auch einen Sandler, der oft vor ihrem Geschäft auf der Strasse schlief etwas zu
sozialisieren, in der er für sie Farn aus dem Wald holte, doch als sie einmal
gemeinsam frühstücken wollten, verstarb er friedlich.
** netter Doc ohne besonderes soziale Schärfe, handwerklich ordentlich.
Mahlzeit
Lynn Gerlach, erhielt eine Auszeichnung für den besten
Kurzfilm.
Filmhochschulen-Reihe, 3 Min, Animation
Nette Plastilin-Animation, „zum Fressen gern“ haben sich die beiden…
***
Rebellen von gestern (Filmhochschulen-Filme)
Marcello Pirone zeigt einst provozierende Punkmusiker, die heute gut etabliert sind und als Entertainer bei Betriebsfeiern und Hochzeiten auftreten müssen, um weiter als Musiker leben zu können.
**
Das Fräulein
Preis für das
beste Drehbuch
Andrea
Staka, 81 Min, 35mm
Ruza, Ana und Mila sind 3
Frauen aus dem ehemaligen Yugoslawien. Ruza besitzt ein Bahnhofsrestaurant in
Zürich, ist vergrämt und denkt nur ans Geld, kein Lächeln geht über ihre Lippen.
Als Ana, eine an Leukämie schwer erkrankte 22 Jahre junge Obdachlose auftaucht,
ändert sich das etwas. Mila will eigentlich nicht zurück in das „Traumhaus“ in
Bosnien, für das ihr Mann jeden Franken braucht. Als Ruza Geburtstag hat, machen
die Angestellten für sie eine Party, was sie anfangs überhaupt nicht will, doch
letztlich taut sie dabei doch auf und macht sogar Sex mit einem alten
Stammkunden. Zwischen Ana und Ruza entsteht eine Freundschaft. Ausgerechnet die
schwer kranke Ana, die vielleicht vor Ruza sterben wird, vermag ihr so etwas wie
Lebensfreude beizubringen.
**** Zwar ein typischer Frauenfilm, in dem Männer nur am Rande vorkommen und
auch dann noch suspekt bleiben, wenn sie eigentlich sehr nett mit den Frauen
umgehen, trotzdem fasziniert die Charakterisierung der drei unterschiedlichen
Frauen aus dem ehemaligen Yugoslawien. Er wurde zu recht für das beste Drehbuch
ausgezeichnet.
http://www.dasfraulein.ch/stage/langswitch.php
Rajas Reise
Karl Saurer, 80
Min, Beta SP
Die Reise eines indischen Elefanten aus Kerala nach Genua, von dort zu Fuß über die Alpen nach Innsbruck und dann von Hall auf einem Floss nach Wien im Jahre 1552 wird minutiös nachgezeichnet und mit dem Ghandi-Aktivisten P.V. Rajagopal nochmals vollzogen . Viele Wandgemälde und Skulpturen zeugen noch von der abenteuerlichen Reise, so manches Gasthaus heißt noch heute „zum Elefanten“. In Wien angekommen, soll Raja ein Kind, dass ihm im Getümmel vor die Füße fiel, zart mit seinem Rüssel aufgehoben und seinen Eltern übergeben haben, seither glaubte man am Hofe an die Weisheit dieser sanften Tiere. Wohl mangels artgerechter Pflege verstarb er 2 Jahre später.
Wunderschön fotografierter Doc, der uns von Lissabon (Vasco da Gama, portugies.
Kolonien in Indien) bis Indien führt. Kritisch bemerkte ein deutscher Journalist
dazu, dies sei „Schulfunk“ fürs Bildungsbürgertum, wenn ein Inder von einem
Wissenschafter zum anderen gereicht werden und wiederholt als Szenen aus Indien
das Waschen von Elefanten gezeigt würden.
*** Wie dem auch sei: jetzt weiß ich, warum in Brixen oder Innsbruck oft
Darstellungen von Elefanten zu sehen sind und dass es unmoralisch ist, Elefanten
zu Schauzwecken aus ihrer Herde zu entfernen.
An die Grenze
Urs Egger, 105
Min. Beta SP
Für das ZDF war diese
Weltpremiere noch eine letzte Chance, einen Verleih für die Kinoauswertung zu
bekommen. Er erhielt nach „Vitus“ den zweiten Rang in der Publikumsbewertung.
Spannende Geschichte von Alexander, eines jungen DDR Bürgers, dessen Vater großer und hochdekorierter Chemiker ist und eigentlich mit seinen Beziehungen verhindern will, dass er vor dem Studium zum Heer eingezogen wird, doch er will keine Privilegien und überhaupt lieber Fotograf werden als in Vaters Fußstapfen Chemie zu studieren. Das Promibübchen hat es freilich unter den Soldaten nicht leicht. Er verliebt sich in eine junge Bäuerin, die direkt an der Grenze zur BRD ihre Felder für eine LPG bestellt, und während die Soldaten und ihre Vorgesetzten Fußball schauen und Bier trinken, entfernt er sich von der Truppe um mit ihr beisammen zu sein. Er macht verbotene Fotos von einer Sprengminen an der Grenze, die ihr Bruder an die Vertretung der BRD schickt. Kommt man dahinter, ist Gefängnis sicher. Nun muss ihr Bruder flüchten und er soll dabei helfen, das wird brenzlig...
**** Erfreulicherweise hält sich der Film mit plumper antikommunistischer Propaganda zurück; es ist mehr eine Coming-of-Age Geschichte und was da in der DDR-Armee passierte, könnte genauso in der Bundeswehr auch passiert sein.
Samstag, 27.1.2007
Federer et Moi
Robin Harsch
Kurzfilm., 25 Min, Video
***Spaßiger Vergleich zwischen der Kunst, eine Frau zu erobern und eine
Tennis-WM zu gewinnen.
La Mémoire des
autres
Pilar Anguita-Mac Kay, 35mm, 90
Min, frz OF englUT
Die Story an sich wäre recht interessant:
während die Mutter im Sterben liegt, treffen sich ihre Kinder in ihrem Haus. Sie
machen sich gegenseitig Vorwürfe über den Tod ihres Vaters bei einem
Bahnübergang in der Nähe des Hauses, jede(r) hat ein Motiv und eine dunkle
Erinnerung.
Erst als sich alles aufgeklärt hat, können sie sich entspannt von der Mutter
verabschieden und sie in Ruhe sterben.
Leider passagenweise etwas zäh und von konfusen Rückblenden durchzogen.
** Sehenswert
Wälder der
Hoffnung –Kenia
Cristina Karrer, 43 Min, Beta SP
Der schon vor einiger Zeit auf Arte gesendete Beitrag über eine Frauengruppe in
Kenya, die eine Baumschule betreiben und so zur Aufforstung von Wüsten
beitragen, sollte ein positiver Beitrag zum Thema Klimawandel und Baumsterben
sein.
Vietnam Transgen
Thomas Isler, 33 Min, Video
Ein Wissenschafter von der ETH Zürich bereist
Vietnam, um sich zu erkundigen wie das Wissen dort über gentechnische veränderte
Pflanzen ist, er ist erschrocken über das Unwissen auch unter der studierenden
Jugend. In Vietnam wird unkontrolliert BT-Baumwolle und gentechnisch veränderter
Reis angebaut, was neben der Abhängigkeit der Bauern von diesen patentrechtlich
geschützten Pflanzen auch schwere Probleme durch diese transgenen Pollen auf
andere Pflanzen verursachen kann.
*** recht informativer Doc, der durch abenteuerliche Mopedfahrten durch
Ho-Chi-Minh-Stadt lebendig bleibt.
Ein Vertreter der Solothurner Filmtage, Erich Langjahr und FKC-Obmann Fink vor dem Film
Das Erbe der Bergler
Erich Langjahr, echtes 35mm, 97
Min.
Nun schon zum vierten Male befasst sich Erich Langjahr mit den Traditionen der
Bauern in der Schweiz. Wir sehen zuerst in präzisen Einstellungen die
Herstellung der Holzschuhe mit schweren Eisen, damit man beim Heuen an steilen
Bergwiesen Halt findet. Dann erfolgt der mühsame Aufstieg, das Auslosen der zu
mähenden Parzellen um 7 Uhr am 1. August, die mühsame Arbeit des Mähens, des
Tragens des Heues auf dem Rücken bis zur Materialseilbahn,
das Einschichten des Heues in einem Lagerschuppen. Von dort wird im Winter mit
speziellen Schlitten das Heu hinunter geführt ins Tal zu den Tieren, eine sehr
anstrengende und gefährliche Arbeit. Wir sehen auch kurz die Herstellung der
traditionellen Heuschlitten. Der Abschluss des Tages am 1. August mündet in der
Schweiz natürlich in ein zünftiges Fest.
****Der sorgfältig und detailfreudig fotografierte Film wurde relativ langsam
geschnitten und bietet ein rundes Bild vom Heuen an steilen Berghängen.
Mörderische
Erpressung
Markus Imboden, D 2006, 89 Min. (Beta SP)
Der von Arte und ZDF produzierte Krimi ist im Prinzip ein normaler Krimi mit einer Leiche und ermittelnden PolizistInnen, doch er hat ganz spezielle Qualitäten und eine überraschendes Ende.
Es geht um die Gemeinde Sieksdorf bei Hamburg,
die praktisch von der Backwarenfabrik Jansen lebt. Der Besitzer dieser Fabrik
ist ein Patriarch, der alles im Griff hat, auch die Polizeistation.
Zu dieser gesellt sich Frau Eva Mann dazu, die frisch von der Polizeischule
kommt. Als sie Jansen einen Strafzettel wegen Falschparkens verpasst, wird sie
vom Dorfkommissar Klaus Burck zurechtgewiesen. Die beschauliche Ruhe in dem Dorf
wird jäh gestört, als die Leiche von Nina auftaucht. Sie wird im Wasser
gefunden, doch ist sie nicht ertrunken, sondern muss schon vorher gestorben
sein. Auch fand man Sperma von drei Männern in ihr, jedoch kein Anzeichen von
Gewalt. Von allen Männern (außer Pastor und dem Polizisten Klaus!) wird ein
Abstrich zwecks DNA Analyse gemacht, bei den beiden Söhnen von Jansen ist die
Probe positiv. Sie geben auch zu, mit Nina, die als Tänzerin in der Disco
gearbeitet hat, gegen Bezahlung intim gewesen zu sein, streiten aber den Mord
vehement ab.
Allerdings möge das man nicht an die große Glocke hängen, denn einer der Söhne
möchte die Tochter eines anderen großen Bäckers heiraten, was durch Publikwerden
vereitelt werden könnte.
Wer war der dritte? Eva schickt auch einen abgelutschten Kaugummi von Klaus ins
Labor und wird fündig. Doch Klaus war insgeheim ihr Freund und sie keine Hure.
Je weiter die beiden Polisten gegen die Jansen-Söhne ermitteln, desto mehr übt
Jansen seine Macht aus: Klaus wird aus seiner Wohnung gekündigt und die
Polizeistation wird geschlossen, es droht die Stilllegung der Fabrik und arge
Arbeitslosigkeit, unter diesem Druck verschwört sich das ganze Dorf gegen ihn…
**** Spannender Krimi mit unkonventionellem Ende und herausragender Schilderung
der sozialen Strukturen eines Dorfes, dass von einem einzigen Fabrikanten
abhängt.
Medienmitteilungen der
Solothurner Filmtage:
Mit 45’000 Eintritten in insgesamt 226 Filmvorstellungen und Podiumsdiskussionen
sind die 42. Solothurner Filmtage mit grossem Erfolg zu Ende gegangen. Den neu
geschaffenen Prix du Public erhielt „Vitus“ von Fredi M. Murer, der am Mittwoch
bereits den Schweizer Filmpreis 2007 entgegennehmen konnte.
Bericht von Urs Bericht von Walter auf Kultur Online