Von den 39. Solothurner Filmtagen berichten
für den FKC Walter und
Urs

 



  



1. Walter Gasperi
 

Der Schweizer Film auf Erfolgskurs

 

Nicht die Spielfilme, die sich am Publikumsgeschmack orientierten, sondern eindringliche Dokumentarfilme über Patienten einer psychiatrischen Klinik und übers Sterben waren in diesem Jahr die Höhepunkte der Leistungsschau des Schweizer Filmschaffens.

 

Um 1,3%  auf rund 4,7% konnte der Schweizer Film 2003 seinen Marktanteil steigern. Zu verdanken war dies der harmlosen Militärkomödie "Achtung fertig, Charlie!", die sich mit über einer halben Million Besuchern zum erfolgreichsten Schweizer Film seit mehr als 25 Jahren ("Die Schweizermacher") entwickelte.

Unübersehbar war auch die Filmbegeisterung im winterlichen Solothurn: Überfüllt waren nicht nur die zahlreichen Lokale der schmucken Altstadt, sondern auch die Kinosäle. Wer Einlass finden und sich nicht mit einem Stehplatz zufrieden geben wollte, musste auch bei den nachmittäglichen Vorstellungen teilweise schon eine halbe Stunde vor Filmbeginn anstehen. - Trotz weniger Vorführungen als im vergangenen Jahr konnten so doch wiederum innerhalb von fünf Tagen 40.000 Eintritte gezählt werden.
 

Mit gezieltem Blick aufs Publikum scheinen aber auch die Spielfilme inszeniert zu werden. Keinen Freiraum lässt die perfekte Dramaturgie dem Zuschauer in Christoph Schaubs "Sternenberg". Von einem Höhepunkt zum nächsten springt dieses Feelgood-Movie über den alten Franz (Mathias Gnädiger), der nach jahrzehntelanger Abwesenheit in sein Heimatdorf zurückkehrt und sich für die Erhaltung der von seiner ihm unbekannten Tochter geleiteten Volksschule einsetzt. Lokalkolorit, Dialoge und Figurenzeichnung stimmen zwar, machen "Sternenberg" in ihrem allzu kalkulierten Einsatz aber auch zum stromlinienförmigen Unterhaltungsprodukt ohne Eigenheiten.
 

Noch publikumsorientierter hat Manuel Flurin Hendry sein Debüt "Strähl" angelegt. Mit einer sehr beweglichen Handkamera und überbelichteten Bildern, denen die Farben förmlich ausgetrieben sind, will Hendry den Zuschauer in die Welt des tablettenabhängigen Zürcher Drogenfahnders Herbert Strähl hineinziehen. Selbst zum Trip wird dieser Film dabei phasenweise, scheitert aber letztlich an zahlreichen unglaubwürdigen Handlungswendungen und Rhythmusbrüchen.
 

Geradezu ein Gegenpol dazu bildet Jean Francois Amiguets "Au sud des nuages". Wunderbar lakonisch und durchzogen von leisem Humor erzählt der Westschweizer von fünf Walliser Jägern, die zu einer Eisenbahnreise nach China aufbrechen. - Auf Dramatisierung wird verzichtet, doch dieser ruhige Fluss der Bilder, bei dem die äußere Bewegung mit einer inneren korrespondiert, und die genaue Beobachtung der leicht skurrilen Figuren zieht den Zuschauer ohne ihn je zu vereinnahmen mit zunehmender Dauer in den Bann.
 

Über eine scharfe Beobachtungsgabe verfügen auch die Schweizer Dokumentarfilmer. Mit viel Einfühlungsvermögen porträtiert Alfredo Knuchel in "Halleluja! - der Herr ist verrückt" sechs Patienten der psychiatrischen Klinik Waldau bei Bern und ihre künstlerische Tätigkeit. Meisterhaft werden die Aussagen der Künstler mit Informationen über die Geschichte der Anstalt, Texten Friedrich Glausers, Robert Walsers und Adolf Wölflis, die zu den Patienten der Waldau gehörten, und Momenten der Ruhe verwoben. Ärzte kommen nicht zu Wort, dafür der Schlosser, der das Psychiatriemuseum verwaltet, und der Malermeister, der die Patienten unterstützt. Bewundernswert ist Knuchels Arbeit aber vor allem in ihrer Zurückhaltung, in der immer richtigen Balance zwischen Nähe und Distanz, durch die jeder Anflug von Voyeurismus vermieden wird, gleichzeitig aber vielschichtige Einblicke in und Mitgefühl für die schwierige Situation der Porträtierten ermöglicht werden .
 

Ebenso wenig voyeuristisch, aber bohrend und unerbittlich ist der Blick Jürg Neuenschwanders in "Früher oder später". Akribisch und mit größter Konsequenz zeigt er das Sterben, weicht mit keinem Bild und keinem Ton vom Thema ab. Sterbende wie ein krebskranker Jugendlicher, ein von der Chemotherapie gezeichneter junger Mann und ein im Spital dahinsiechender Greis kommen ebenso zu Wort, wie deren Angehörige und ein junges Paar, das sein Baby verloren hat. Dazwischen geben stille Bilder von Totengräbern bei der Arbeit, von der Fabrikation und vom Verbrennen eines Sargs oder von Leichenfeiern in Tibet Raum zur Reflexion. - Neuenschwander kommentiert nicht, er zeigt nur, doch der langsame Erzählrhythmus und der insistierende Blick lösen unweigerlich nicht nur Betroffenheit, sondern auch Fragen nach der einzigen absoluten Gewissheit unserer Existenz aus. 


2. Urs Vokinger 


 

Einen grossen Ansturm verzeichneten die diesjährigen Filmtage in Solothurn. Der Filmsaal im Landhaus,


als auch der in der Reithalle, war schon unter der Woche teils komplett belegt. Waren früher die Tage Dienstag, Mittwoch und Donnerstag eher die etwas ruhigeren gewesen, bei denen auch bei sehr guten Filmen noch kurz vor der Aufführung einen Platz zu haben möglich war, so war dieses Jahr ein Schlangestehen eine halbe Stunde vor Beginn sehr ratsam.

Auffällig war auch, dass das Publikum weniger anspruchsvoll und kritischer war; Filme deren Geschichte eher aus Kioskromanen stammen und kitschig verfilmt wurden, schienen ein Teil des Publikums mitzureissen. Fragen wie z. B. ‚Liebt sie ihn nun’ oder ‚Hat er sie nun geliebt?’ schienen vielen Zuschauern in den überfüllten Filmsälen Landhaus und Reithalle eher zu beschäftigen, als die verschieden Ebenen und Tiefen des Films auszuloten.  Dass man während der Aufführung seine Meinung dauernd halblaut mitteilen musste, war dieses Jahr fast eine Selbstverständlichkeit. Es fehlen noch das Rascheln der Gummibärchen‑Plastiktüten und die Gerüche von Popkorn, Pommes frites und den verschiedenen Tippings der Kalorienbomben in den Filmvorführungen, dann werden die Solothurner Filmtage ein Event für alle menschlichen Sinne sein! Ein Dankeschön an die grossen Kinotempels, die diese Plauder‑Ess‑Kino‑Konsum‑Kultur grossgezogen haben.

 

Werden die Solothurner Filmtage zur visuellen Solothurner Konsumtage, allein um den Sponsoren einen gefallen zu tun? Ein Verdacht dazu könnte der Fragebogen sein, der vor jeder Vorstellung auf jedem Sessel auflag, mit der Bitte, ihn auszufüllen um damit weitere Sponsoren  für die Filmtage zu finden.

 

Mir schien, dass die 39. Filmtage eine grosse Auswahl an interessanten Filmen bot. Spielfilme, als auch Dokumentarfilme, schienen dieses Jahr mit grösserem Aufwand und Sorgfalt gedreht worden sein. Dass ein Dokumentarfilm ebenso unterhaltsam und originell wie ein Spielfilm sein kann, hat der Film 'Si no hay una solición' blendend gezeigt. Der Schweizer Dokumentarfilm scheint sich weiter zu entwickeln  und seine eigene Art zu finden, die wahrscheinlich zwischen einem guten Spielfilm und dem belehrenden BBC Dokumentarfilm zu liegen kommt. Sicher wird er auch eine grössere Beliebtheit beim Kinogänger finden.

Was besonders Freude macht ist, dass die jüngere Generation von Regisseuren/Innen (z.B. Anna Luif) von Täter-Mann-und-Opfer-Frau-Cliché in Beziehungsfilmen weggekommen ist. Diese neue Generation wurde wahrscheinlich vom Emanzipations-Rummel in den 70 und 80 Jahren, der teils auch berechtigt war, nicht  erfasst oder hat die Gleichberechtigung als schon gegeben erlebt. So sind (vor allem im Film von Anna Luif deutlich zu sehen) beide Geschlechter im Fremdgehen gleich aktive involviert. Was sehr gut von Anan Luif beobachtet wurde ist, dass die Kinder gegen das Fremdgehen der Eltern revoltieren. Die Kinder, die in ihrem jungen Alter mit der Illusion der ewigen (Eltern-)Liebe leben, verstehen noch nicht, dass hier auf Erden alles ein Ende hat. Erstaunlich ist auch die pubertierende Nadia, die in Luifs Film ihr Opfer Mike mit verbal-sexueller Aggressivität umwirbt. Der Film richtet ihr Tun nicht. Es ist einfach die rebellierende aktive Nadia, und basta! Wäre der Film vor fünfzehn Jahren gedreht worden, wären die Charaktere von Mike und Nadia sicher vertauscht gewesen mit typischem Unterton von Opfer Nadia und 'böse Täter' Mike. 

 

Nach diesen teils bösen Bemerkungen die Liste der  Preisträger der 39. Filmtage Solothurns:

 

(Von links nach rechts)
Jean-Stéphane Bron, Bester Dokumentarfilm für 'Mais im Bundeshuus'
Corinna Glaus, Jury Preis für die Rollenbesetzung in 'Achtung, fertig, Charlie!'
Gilles Tschudi, Beste Nebenrolle in 'Mein Name ist Bach'
Dominique de Rivaz, Bester Spielfilm für 'Mein Name ist Bach'
Frédéric Mermoud, Bester Kurzfilm für 'L'escalier'

Bettina Stucky, Beste Hauptrolle in 'Meier Marilyn' (nicht auf Foto)


 

Kurzfilme

 

Bis ans andere Ende der Welt, Risa Madoerin, Dokumentarfilm

Ein interessanter Film einer jungen (wahrscheinlich) schweizerischen Koreanerin. Auf der Suche nach der Vergangenheit ihrer Mutter trifft sie ihren biologischen Vater. Ihre koreanische Mutter verliebte sich in den siebziger Jahren in einen japanischen Musiker und Familienvater namens Akio.  Zu dieser Zeit war eine solche Beziehung aus geschichtlichen Gründen in Korea als sehr schlecht angesehen. Als sie ihm dann statt einem Sohn eine ausseneheliche Tochter gebar, verliess er sie, obwohl er ihr versprochen hatte, ihr bis ans andere Ende der Welt zu folgen. Auf der Suche nach einem Vater für ihr Kind, verheiratete sich die Mutter mit einem Schweizer und lebt seitdem mit der Tochter in der Schweiz.

Der Film bietet inhaltlich sehr viel: Da ist einmal die Geschichte selbst, dann die verschiedenen Kulturen der Länder Korea, Japan und Schweiz, da ist Akio der Japaner, der die Vergangenheit aus seiner Sicht erzählt und natürlich auch die Mutter mit ihrer Version der Ereignisse. Akio und Mutter beteuern, dass sie sich zu jener Zeit sehr liebten (Akio scheint in dieser Beziehung nicht sehr glaubwürdig.). Die Verletzung und Wut der Regisseurin über das Verhalten in der Vergangenheit von Akio sickern im Film durch. Erwähnenswert ist auch der unzimperliche Umgang  zwischen Akio und der Filmregisseurin.

Kurzum ein toller Film ****


  

Green Oaks, Ruxandra Zenide, Spielfilm

 

Der junge Georg und das kleine Mädchen Gabi sind Geschwistern und leben einem Kinderheim in Rumänien. Georg kümmert sich herzlich um Gabi. Eines Tages taucht ein Ehepaar aus Genf auf, die Gabi zur Adoption abholen möchte. Die Leitung im Kinderheim ist zuerst dagegen, weil es aus ihrer Sicht ethisch nicht vertretbar ist, die Geschwister zu trennen. Doch das Ehepaar pocht auf ihr Recht zur Adoption. Sie argumentieren, dass sie Gabi ein besseres Leben bieten können. Eine Adoption eines anderen Kindes schlagen sie ab, da der ganze Papierkrieg mit der rumänischen Behörde nochmals zwei Jahre dauern würde. Doch zuletzt stimmt die ganze Heimleitung der Adoption zu, selbst Georg, nachdem die Lehrerin des Heims über die aussichtslose Situation im Heim gesprochen hat.

Hervorragend nach meiner Ansicht gelang es der Regisseurin eine Geschichte auf das Zelluloid zu bringen ohne selbst ein Urteil abzugeben. Der Zuschauer wird zum Nachdenken angeregt: Was ist jetzt humaner: Gabi bei ihrem Bruder zu lassen oder ihr die Möglichkeit einer besseren Zukunft zu geben? (Wohlverstanden, die Fahrt nach Westeuropa bietet nur die Möglichkeit aber nicht die Sicherheit einer bessern Zukunft.)  Hervorragend ist auch die Inszenierung der ärmlichen Situation im Kinderheim. ****  

 


Rosa, la nuit (Rosa, die Nacht), Nicolas Cornut

Rosa ist die Frau eines Nacht-Taxifahrers in Paris. Beide waren passionierte Tangotänzer. In ihren schlaflosen Nächten ruft die Rosa ihren Mann dauernd an. Aus den teils unbeantworteten Anrufe glaubt sie zu erkennen, dass ihr Mann sie betrügt. In Wirklichkeit geht ihr Mann seiner Arbeit nach und ist es einfach leidig, alle ihre Anrufe zu beantworten. Die Situation spitz sich zu, als er mit einer Gruppe von vier nervigen Nachtschwärmerinnen (eine davon ist ein als Frau verkleideter Mann) in Paris herumfahren muss. Er führt sie in ein Tangolokal, wo er ihnen den Tango beibringen soll. Hier kommt es zu einem kurzen Wiedersehen mit seiner Frau, die ihm nachspioniert. Gekränkt, dass, aus ihrer Sicht, ihr Mann mit den jungen Damen in den Ausgang geht, kehrt sie nach Hause zurück und entflammt ihre Tanzkostüme.

Der Film ist unterhaltend und zeigt die Situation eines alten und teils gelangweilten Paares. Während sie schlaflos im Bett liegt, versucht ihr Mann, während der monotonen Arbeit als Taxifahrer, etwas Farbe in seine Tätigkeit zu bringen. **

 


  

Langfilme

 

Little Girl Blue, Anna Luif, Spielfilm

Der FKC zeigte vor zwei Jahren in der Auswahlschau den Kurzfilm Summertime von Anna Luif. Schon in diesem Film zeigte sie ihr Können, im Besonderen den Umgang mit Teenagern. Es scheint, als ob ihr neuer Film an ihren Kurzfilm anknüpft. Er handelt wieder von Liebe der Jungen und Alten (oder Eltern) und dieses Mal auch über Sex. Auch die Kameraführung und Szenen gleichen ihrem Kurzfilm, und falls sie diesen Stil in Zukunft weiterführen sollte, kann ich es nicht verklemmen von einem Luif'schen Stil zu sprechen, der für mich neu ist.

Die junge und etwas verträumt schüchterne Teenagerin Sandra verliebt sich in Mike. Was Sandra weiss aber Mike nicht ist, dass Sandras Vater ein Verhältnis mit Mikes Mutter hat. Sandra versucht mit allen Mitteln Mike über die heimliche Beziehung ihrer Eltern in Unwissenheit zu lassen, aus Angst, dass sie Mikes mögliche Liebe verlieren könnte. Als alles aufliegt, stellt Sandra Mike vor die Wahl, entweder gesteht er ihr endlich seine Liebe oder lässt sie fallen.

In diesem Film gibt es eigentlich zwei Polpaare. Die Erwachsenliebe, die weisst, dass nichts im Diesseits ewig dauern kann und die adoleszente Liebe, die an diese Ewigkeit glaubt. Die Kinder können es nicht verstehen, dass ihre Eltern fremd gehen, jemand anders Lieben können. Das andere Polpaar wird von den Adoleszenten gespielt. Da ist Sandra, die 'Heilige' und 'Unbefleckte', die an eine Beziehung auf allen Ebenen glaubt, und ihre Kolleginnen, für die die Liebe aus Bett und Orgasmen bestehen. So sind auch die Gespräche der Kolleginnen geprägt, bei denen  sogar unser geschätzter Obmann Norbert erröten würde.

Ein sehr guter Schweizerfilm, der auch im Ausland erfolgreich sein könnte, da er von einer eher globalen Beziehungsproblematik spielt. Bravo Anna! ****

  


Sternenberg, Christoph Schaub, Spielfilm (Shollywood)

Für gute Kritiken und Kreatives in bezug auf den Film ist ja der FKC (und sei es nur im Rheintal) bekannt. Nach Hollywood und Bollywood, kreiert einmal der FKC selbst eine Bezeichnung für den Schweizer Unterhaltungsfilm, den die ganze Familie bei einem offenen Kaminfeuer an einem stürmisch winterkalten Abend sich ansehen kann, ohne anschliessend aufgewühlt ins Bett gehen zu müssen. Es sind Filme, bei denen ein Schweizer sich irgendwie im ‚getrauten Daheim’ fühlt und die im Ausland keinen Anklang finden werden, ausser für diejenigen ausländischen Zuschauer, die unser hiesiges Werken und Sein kennen (Da möchte ich den Vorarlberg klar einbeziehen.). Für diese Art von Film kreieren wir vom FKC den Namen Shollywood, zusammengesetzt aus den Substantiven S(chweiz) und Hollywood, wobei das Präfix Sholly nach dem französischen Joli (schön) ausgesprochen werden soll. 

Sternenberg ist ein 500-seelen Dorf irgendwo im Zürcher Oberland. Aufgrund der kleinen Zahl von Kindern, droht die Schliessung der Schule und für die gebürtige Lehrerin Eva, das Aus und den Rausschmiss aus einer heilen Welt. Eva, die ihre Mutter bis zum Tode  pflegte, ist ein uneheliches Kind. Ihr Zeuger Hans (gespielt von Mathias Gnädinger) hatte sich damals aus dem Staub gemacht. Die Mutter wollte in Sternenberg bleiben, Hans wollte die Welt kennenlernen und weit fort vom Elternhaus sein.

Just im Augenblick, wo Pläne für die Schulschliessung geschmiedet werden, taucht Hans wieder in Sternenberg auf. Er ist alt, hat Herzbeschwerden und hegt wahrscheinlich den heimlichen Wunsch seine Tochter vor seinem Tod doch noch kennen zu lernen. Die angedrohte Schulschliessung berührt ihm sehr, und mit viel Bauernschläue gelingt es ihm, die Schliessung zu verhindern (Er schreibt sich als achter Schüler in dieser Primarschule ein, und somit wird das Kriterium der Minimalschülerzahl erfüllt.). Der Eva gesteht er nachher die Vaterschaft; sie ist natürlich darüber entrüstet. Doch kurz vor Hans Tod verzeiht Eva sein verhalten in der Vergangenheit. Auch Evas Liebe zum indischen Arzt vom lokalen Spital fruchtet. Sie gehen zusammen auf eine einjährige Reise.

Ein guter Shollywood-Film. ***

    


Edi, Piotr Trzaskalski, Polen, Spielfilm

Edi und Jurek sind zwei obdachlose Alteisensammler einer Stadt in Polen führen ein eher desolates Leben. Jurek ist dem Alkohol verfallen und Edi den Büchern, die er auf seinen Sammlertouren ebenfalls auf seinen Schubkarren packt. Edi ist gebildet. So muss er die Princess, die Tochter eines Alkoholmafia-Chefs, auf die Maturität vorbereiten. Princess ist im wilden Alter und zieht es vor, die Liebe mit ihrem Freund auszuleben als sich von Edi aus Romeo und Julia vorlesen zu lassen. Als sie von ihrem Freund schwanger wird, schiebt sie die Vaterschaft Edie zu. Der brutale Vater Princess' kastriert Edi; das frisch geborene Kind wird an Edi abgeliefert mit der Aufforderung die Stadt sofort zu verlassen. Mit seinem Freund Jurek flüchtet er aufs Land zu seinem Bruder, der mit seiner Frau einen kleinen Bauernhof bewirtschaftet. Edi und Jurek können bleiben, falls das kinderlose Ehepaar das Kind in die Obhut nehmen darf. Inzwischen hat Princess nach einem Selbstmordversuch ihrem Vater ihren Freund als realen Zeuger genannt. Da der Freund immer noch Princess zu lieben scheint (was ihm wahrscheinlich von der Kastration gerettet hat), entscheidet sich der Vater seiner Tochter das Kind wieder zurück zu holen. Das Kind wird während der Tauffeier Edi entzogen.

Edi ist eine aussergewöhnliche Persönlichkeit. Auf alle Ungerechtigkeiten und Brutalitäten, die ihn widererfahren und die sein Leben unerträglich machen, reagiert er emotionslos und mit stoischer Ruhe. Die Umsetzung der Erzählung in die Bildsprache ist vollends gelungen und ermöglicht dem Zuschauer auch emotional das mitzuerleben, was auf der Leinwand gezeigt wird.  Ein Film der in Erinnerung bleibt! ****

 


 

Wenn der Richtige kommt, Oliver Paulus, Spielfilm

Paula arbeitet am Abend als Raumpflegerin in einem Unternehmen. Sie lebt in einer eigenen Welt und träumt vom richtigen Mann, den sie natürlich auf den ersten Blick zu erkennen glaubt. Eines Abends lernt sie Mustafa kennen, ein Türke, der als Wachmann arbeitet. Die überaus grosse Freundlichkeit von Mustafa, berührt sie sehr, so dass sie glaubt, in ihm den richtigen Mann gefunden zu haben. Mustafa möchte eigentlich nichts von ihr, ausser mit ihr in der langweiligen Arbeitszeit zwischendurch mal zu plaudern. Eines Abends muss Paula erfahren, dass ein Student für seine Arbeit eingesetzt wurde. Mustafa bleibt verschwunden. Die Suche beginnt. Zuerst fragt Paula bei Mustafas Vater nach. Von ihm muss sie erfahren, dass er Mustafa zurück in die Türkei geschickt hatte, und dass dies für alle besser sei. Paula lässt nicht nach. Nach einem längeren Hin und Her erfährt sie, dass Mustafa nun in Adana lebt. Paula entschliesst sich nach Türkei zu fliegen und Mustafa zu suchen. Mit einigem Aufwand in der Millionenstadt Adana mit vielen Mustafas mit gleichem Familiennamen, findet sie ihn auch, muss aber erfahren, dass er verheiratet ist.

Ein Film mit einer linearen Geschichte und Dogma ähnlich gedreht. Dem Film fehlt es an einem Tiefgang, einer Auseinandersetzung über die Freundlichkeiten oder über den Umgang zwischen  den Menschen nördlich der Alpen und im Mittelmeerraum. Was einem beim Zusehen des Films bei der Stange hält, ist die so umständliche und anstrengende Paula. **, #

 


 

Dokumentarfilme

 

De vuelta al sur (Zurück in den Süden), Camilo Cienfuegos, Dokumentarfilm

 

Miguel Angel Cienfuegos (Vater des Filmregisseurs) leitet das Theater Paravento in Locarno. Beim Pinochets Militärputsch in den siebziger Jahren in Chile flüchtete Miguel Angelo mit seiner Familie in die Schweiz. Nach dreissig Jahren geht er mit zwei weiteren exliierten Theatergruppen auf eine Tournee in Chile. Die Tournee führt durch den eher ärmlichen Teil des Landes. In jedem Ort der Aufführung werden sie von der Behörde herzlichst empfangen; sie haben Freude, dass eine Gruppe aus weiter Ferne bei ihnen etwas aufführt. In den Gesprächen mit den lokalen Leuten lernt Miguel Angel die Realität des Landes kennen, die weit von seinen utopischen und nostalgischen Erinnerungen aus den siebziger Jahren liegt, und die er nur schwer und schmerzvoll akzeptiert kann.

Der Film präsentiert Chile als ein Land auf dem Weg zur Demokratie und Versöhnung. Ungerechtigkeiten, wie der Film es an der Aberkennung der Existenz der Mapuchu Indianer und deren Kultur zeigt, sind immer noch keine Seltenheiten in diesem Land. Vereinigungen kämpfen um ihre  Angehörigen, die während der Diktatur Pinochets verschwunden sind und verlangen Gerechtigkeit. Die hohe Arbeitslosigkeit, die in gewissen Regionen durch die Schliessung der Kohlenminen entstanden sind, bilden auch einen Teil dieses Films.  Interessant sind auch die Leute, die in diesem Film zu Wort kommen: Bürgermeister/Innen der Dörfer und Städte (inklusive Santiago de Chile) der Aufführungen, sowie ein Professor für Soziologie und die Ministerin des Militärdepartements.
Gute Recherchenarbeit und ein guter Dokumentarfilm, der Chile im Aufbruch zum Besseren zeigt. ***

 


Cuando no hay solución ... (Wenn es keine Lösung gibt, ....), Eva Schär, Matthias Stickel, Dokumentarfilm

„Cuando no hay solución, hay que inventar otra!“, (Wenn es keine Lösung gibt, muss man eine andere (er-)finden) so die Aussage des Generalissimo Fildel Castro in einer Rede. Der Dokumentarfilm zeigt das aktuelle Leben in Kuba, wie die Bewohner auf dieser Insel mit den alltäglichen Problemen umgehen müssen. Der Film präsentiert durchwegs fröhliche Leute, die gerne was tun würden, um auch am westlichen Konsumwut teilhaben zu können, wenn die (politische) Situation des Landes dies erlauben würden. Mit Improvisation und Geduld (d.h. Zeit) können doch Teile ihrer Träume verwirklicht werden. Sei es, in dem sie sich in einen Ausländer 'verlieben', sei es durch Betreiben einer kleinen Pension, oder sei es durch den Verkauf eigener landwirtschaftlichen Produkte. Dass die Kubaner den Humor trotz der misslichen Lage noch nicht verloren haben, zeigt der Film eindrücklich. Auf Fragen, was ihr grösster Traum des Lebens sei, zeigen sie sich nicht sehr verschieden von uns: ein eigenes Haus (im Eigenbau!), Kinder, Frau, Gesundheit und dergleichen.

Den Autoren ist dieser Film geglückt. Er ist sehr unterhaltsam, spontan, humorvoll und gewährt dem Zuschauer einen Einblick in den kubanischen Alltag, dem Jetzt. Weit ab von jedem klassischem Dokumentarmief und unterhaltsamer als jeder Kommerzfilm. Da mag Wohl auch der fröhliche (Über-)Lebenswille der Kubaner beigetragen haben. 
Bravo! **** 

 

 

 




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