Am letzten Tag beim Münchner Filmfest 2001


 Link zum Filmfest-München

Gewisse Umstände erlaubten mir nur den Besuch zweier Filme am letzten Tag.
Bei der Fahrt mit der S-Bahn zum Filmzentrum Gasteig trafen wir eine Schauspielerin,  die nach dem besten Film, den sie gesehen habe, spontan mit „die Scheinheiligen“ anwortete.

Es geht dabei um die wahre Geschichte einer Bäuerin, die sich standhaft dagegen wehrt,
dass auf ihrem, nahe der Autobahn gelegenen Grundstück, ein McDonalds-„Restaurant“ gebaut werden soll.

 Die Filme waren auf mehrere Sektionen aufgeteilt.  Berühmt wurde das Münchner Filmfest durch den Schwerpunkt „US-Independents“, inzwischen „Indies“ genannt, doch da liegt ja nicht der Interessensschwerpunkt des FKC.

Die  neue Reihe „Visiones latinoamericanas“ war heuer besonders erfolgreich, allein am Freitag, den 6.7.01 konnten über 1000 BesucherInnen allein in dieser Sektion gezählt werden, der große Erfolg macht es wahrscheinlich, dass es auch nächstes Jahr sie wieder gibt.



Am letzten Tag hatte ich nur die Möglichkeit „La Perdición del hombre“ (der Untergang der Männer) zu sehen. Der Mexikaner Arturo Ripstein, der sich als Schüler des großen Buñuel bezeichnet und schon weit über 30 Filme drehte „filmte“ diesen Streifen mit Digital-Video und kopierte ihn auf 35mm-Schwarzweiß.
La perdición de los hombres son las mujeres...“ (der Untergang der Männer sind die Frauen ...)  heißt eine alte Mariachi-Schnulze.
Erste Szene: (mit wackeliger Handkamera aufgenommen) Es kommt ein Mann mit einer Schubkarre entlang eines von Kakteen gesäumten Weges, zwei Männer lauern ihm auf und schlagen ihn tot, was eine schwere Arbeit ist und sie zum Keuchen bringt. Schließlich wäre es gegen die Menschenwürde gewesen, ihn mit seiner eigenen Hacke umzubringen. Auch der Abtransport der Leiche ist mühsam, in seiner Hütte finden sich nur drei ausgetrocknete Tortillas, nicht einmal Bohnen... Als einzig Wertvolles finden sie weisse Krokodillederschuhe, sie wollen sie ihm zuerst zur Beerdigung anziehen, nehmen sie dann aber doch mit, da sie einem der Mörder passen.

Weitere Szenen, zwei Frauen streiten sich auf dem Obduktionstisch um die Leichen, obwohl beide völlig mittellos sind, losen sie aus, wer ihn begraben und die Kosten für das Leichenfest übernehmen muß, das Los trifft die Ehefrau, nicht die Geliebte.  Ein Gefangener hilft ihnen, die Leiche zu transportieren, an seinen Schuhen erkennen sie, dass es einer der Mörder sein muss. Mit dem Baseballschläger schlagen sie ihn auf die Füße.
Surreale Momente erst jetzt, wieder kommt der Tote ins Bild, wird diesmal von den beiden Frauen als symbolische Engel überfallen, Rückblenden in sein Leben, er als schlechter Baseballspieler, der mit den falschen Stiefeln spielt.
Der makabre schwarze Humor dürfte allerdings nur von jenen voll verstanden worden sein, welche auch Nuancen des mexikanischen Spanisch im Original verstehen konnten, die englischen Untertitel  waren ohne den entsprechenden Wortwitz und das Spanisch schwer verständlich.
Da sich Buñuels Filme immer durch deutliche Bildsprache  ausdrückten, ist es etwas schwer, den Vergleich zum großen Meister zu akzeptieren. Der Film war ziemlich schwere Kost, formal aber durchaus in Art der Buñuel-Filme der mexikanischen Epoche.
Unkonventionell und unkommerziell **

 

Aus der Reihe „World Cinema“ sahen wir den spanischen Beitrag Obra Maestra (Meisterwerk) von David Trueba.
Zwei „Aficionados“ (Begeisterte) des Super-8 Films wollen für ihr Melodram, von dessen genialem Buch und Plot sie völlig überzeugt sind, einen jungen Superstar engagieren. Die kühle Blonde, die ziemlich säuft und kokt, wirft aber ihr Drehbuch ungelesen in den Papierkorb. Es gelingt ihnen zwar bis zu ihrer Garderobe vorzudringen, aber sie will bei so einem „Amateurscheiß“ nicht mitmachen. Da es also mit guten Methoden nicht gelingt, greifen sie zur Gewalt, entführen die junge Frau auf ein Landhaus in den Bergen und zwingen sie, stets in Handschellen,  bei dem Film mitzumachen. Die Dreharbeiten dauern einige Tage, die Presse verdächtigt die Verschwundene schon der Depression oder wähnt sie auf Drogenentzug....
Die beiden Männer, der verrückte „Regisseur“ und sein Schauspieler, von dem sie sagt, sein Gesicht hätte den Ausdruck einer Zwiebel, bemühen sich zwar, das Beste aus der Situation zu machen, aber sie erreichen natürlich nicht mit Gewalt, dass sie Begeisterung für ihr Filmprojekt entwickelt oder gar sich in ihren „Schauspielerkollegen“ verliebt. Jedenfalls bei der fast letzten Szene, wo sie aus dem Rollstuhl aussteigen und nach einem Unfall wieder laufen können soll, rennt sie davon.
Die beiden Männer werden verhaftet, aber wieder freigelassen, immerhin hatte sie ihnen nicht alles angehängt, was frau ihnen anhängen hätte können...
Obra Maestra ist zwerchfellerschütternd lustig, zeigt die Motivation der Amateure und deren  Verachtung durch die Profis...

Ob die TVE-Via digital Produktion je einmal zu uns kommen wird bleibt fraglich.
Ein heiterer Film-im-Film ****


Norbert Fink


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