Bericht vom
25. Festival des Iberoamerikanischen Films in Huelva, Nov. 1999, Spanien.
von Norbert Fink
Internet-Homepage
des Festivals (spanisch)
Vom 20.-27.11. 1999 fand in der andalusischen Stadt Huelva das nach
Havanna bedeutendste Festival des
lateinamerikanischen Filmes statt. Die Stadt Huelva ist berühmt,
weil von hieraus Columbus aufbrach um Amerika zu entdecken. An jenem Punkt
sind deshalb originalgetreue Replikas der drei Schiffe zu finden mit denen
die Entdeckung und Kolonialisierung Amerikas begann.
Die Atmosphäre ist eine typisch südländisch: die Menschen
sind sehr freundlich kommunikativ und verstehen es bis in den Morgen
Feste zu feiern.
Leider sind die Filme für die Erwachsenen erst für den Abend
und die Nacht programmiert, sodaß man kaum mehr als drei Filme pro
Tag sichtigen kann.
Wer sich näher informieren möchte und spanisch kann, möge
sich die Homepage
des Festivals ansehen
Ich sah:
ANGELITO MIO, ( Spanien / Puerto
Rico 1998, Enrique Pineda Barnet) sollte über das Chaos im Himmel
berichten. Gott ist auf die Erde herabgestiegen, um nach den Resten von
Glaube, Hoffnung und Menschlichkeit zu suchen. Auch der Engel "Maria von
den Sternen" stieg herab, weil der Himmel das Paradies nicht mehr sei und
sucht auf der Erde nach ihrem Obersten Herrn, sie gerät dabei
in irdische Abenteuer, landet als Kind in einem Waisenhaus und rettet sich
durch ihren engehlaften Blick und ihre kindliche Naivität: die Idee
wäre akzeptabel, doch der Film war kitschig und schlecht gemacht,
sodaß ich bald den Saal wechselte. Vom Himmel geriet ich in die Hölle
auf Erden:
GARAJE OLIMPO
(Argentinien 1999, 98 Min, Marco
Bechis)
neue Kritik - nochmalige Sichtung in Innsbruck,
Juni 2000
Eine ganz bedeutende Aufarbeitung der Geschichte Argentiniens findet
in diesem beklemmenden Film statt. Es geht um die Todesflüge
des argentinischen Militärs zur Zeit der Diktatur unter General Videla.
Folter, sexueller Mißbrauch und Ermordung von vermeintlichen TerroristenInnen
stehen auf der Tagesordnung. Das Folterzentrum ist als Autogarage getarnt
mitten in Buenos Aires. Einer der "Henker" kennt eine hübsche Gefangene
noch von früher, er ist in sie verliebt und somit in einer verdammt
dummen Situation, eigentlich sollte er sie unter Folter verhören -
er geht mit ihr sogar in die Stadt hinaus, zweimal versucht sie dabei vergeblich
zu fliehen. Als er sie ihn die Zelle zurück bringen will, steht der
Abtransport zu einem der Todesflüge bereit: die Gefangene muß
die Schuhe ausziehen, bekommt eine Spritze verpaßt und wird in ein
Flugzeug verladen, das Kurs auf das offene Meer nimmt. Die Ladeluke wird
sich öffnen und die Gefangenen gefesselt abwerfen....
Auch er wird wegen des Ungehorsams Schwierigkeiten bekommen.
Der Film entstand in Koproduktion mit Italien.
Er gewann zurecht die Hauptpreise des Festivals (Goldene Säule
für den besten Film, Silberner Preis für die Beste Regie, Preis
der Internt. Filmkritik und Preis des RNE -Spanischer Rundfunk / Auslandsdienst)
(Information
in spanisch hier)
MIDNIGHT / MEIANOITE
(Brasilien 1998, 64 Min, Walter
Salles , Daniela Thomas)
Noch vor seienem Erfolgsfilm "Central do Brasil" drehte Walter Salles
diesen fantastischen Film. Er spielt in der Milleniums-Silvesternacht,
also in der unmittelbar bevorstehenden Zukunft. Gefangene in den überfüllten
Gefängnissen von Rio de Janeiro. Ein alter Gefangener hat die Hoffnung,
daß im Jahre 2000 die Gewalt aufhört, nicht aufgegeben. Als
der stirbt und fälschlicherweise behauptet wird, er sei von einem
Wärter ermordet worden, kommt es zum Aufruhr. Ein Gefangener wird
nach einer fingierten Entführung eines Wärters freigelassen ,
um einen leicht verrückten Typen in einer Favela zu ermorden. Eine
Taubstummen- Lehrerin wird plötzlich von ihrem Freund verlassen und
will Selbstmord begehen; in dem Moment, als sie vom obersten Stockwerk
des Hochhauses springen will, hält sie der dorthin geflüchtete
Mörder jedoch davon ab, indem er sie mit einer Pistole bedroht. Ausgerechnet
in diesem Moment gewinnt sie wieder Lebenswillen und schläft in der
Silvesternacht mit diesem Mann. Am Morgen geht sie mit ihm an die Copacabana
und will sich für das neue Jahr 2000 neu taufen, indem sie in den
Fluten des Atlantiks eintaucht; vom Wasser aus sieht sie zu, wie er inzwischen
erschossen wird.
Keine Hoffnung also, daß sich im neuen Jahrtausend etwas bessern
wird. Nur 75 Minuten lang ist der Film, aber extrem kompakt. Es kreuzen
sich die Lebens wegen verschiedener Menschen Brasiliens, keine Sekunde
ist zuviel. Ein pessimistisches, aber perfektes Werk aus dem größten
Land Lateinamerikas. *****.
EL CHACOTERO SENTIMENTAL
(Chile 1999, 87 Min, Cristián Alberto Galaz)
Ein sehr lustiger und innovativer Film kam aus Chile. Er war auch der
offizielle Eröffnungsfilm des Festivals. Auch in Chile gibt es Radiosender,
bei denen die Hörer anrufen können und ihre unglaublichste Liebesgeschichte
erzählen. Drei solcher Geschichten, welche tatsächlich zum Besten
gegeben wurden, werden in diesem Film rasant und freizügig verfilmt.
Die erste Geschichte handelt vom Fremdgehen. Ein Student lernt eine wunderschöne,
verheiratete Frau kennen, bald lädt sie ihn zu sich nach Hause ein
und sie haben Spaß miteinander. Immer riskanter wird es, vom Ehemann
entdeckt zu werden, manchmal heißt es sich unter dem Bett zu verstecken..
Höhepunkt der Peinlichkeit war es, dem Gehörnten zu begegnen,
ja sich sogar anzufreunden und von ihm eingeladen zu werden. In der zweiten
Geschichte ging es um Inzest in einer Familie und Gewalt unter den weiblichen
Geschwistern. Die dritte Episode schließlich könnte in jedem
Siedlungsquartier mit dünnen Wänden stattfinden: man hört
alles durch und jeder weiß, wann wer mit wem Liebe macht. Da
hilft auch eine nächtliche Ausfahrt im Auto nichts - vor allem dann
nicht, wenn man dieses mitten auf dem Fußballplatz parkt und mit
der Geliebten in den Armen bis in den Vormittag verschläft. Eine herzhafte
Komödie über das doch etwas freizügigere Sexualleben der
Lateinamerikaner. ***.
JARA
(Spanien 1999, 95 Min, Manuel
Estudillo)
Die großen Stars des Festivals waren Angela Molina (eine Entdeckung
von Luis Bunuel) und ihre inzwischen 17 jährige Tochter Olivia. Angela
Molina wurde für ihr Gesamtwerk als im Ausland bekannteste Schauspielerin
Spaniens ausgezeichnet.
Beide spielen im Film JARA mit, der entsprechend groß propagiert
wurde. Ausverkauft war deshalb die Premiere.
Erste Szene: ein Hirte in einer einfachen Hütte schenkt seiner
Tochter Jara zum Geburtstag eine Puppe. Kurz darauf kommen Viehdiebe, rauben
die Schafe, erschießen den Vater und zünden die Hütte an.
Jara flüchtet in den Wald und lebt fortan als Höhlenmensch,
bis sie, perfekt aussehend, im zarten Alter von 17 von einem anderen Hirten
entdeckt wird. Als wunderschöne Fee wird sie von diesem wie ein Tier
gefangen, scheint die Sprache zu verstehen spricht aber kein Wort und kratzt
und beißt. Es gelingt ihr die Flucht, doch sie beobachtet den
jungen Mann weiterhin interessiert. Die beiden kämpfen weiter um -
und gegen-einander; er sucht sie verzweifelt, ist er doch Besessen von
der Wilden Schönen. Er erzählt seine Entdeckung seinem Lehrer,
der sie aber ebenfalls begehrt. Jara stiehlt eines Tages die lila Toga
der Jungfrau, die bei einer religiösen Prozession zu Berge getragen
wird. Sie wird vom Lehrer verraten und von der Guardia Civil verhaftet.
Ein Dorfchemiker macht dubiose Experimente an ihr, implantiert in ihrem
Geschlecht eine Pflanze, die einen betörenden Duft aussendet.
Der Junge befreit sie mit Gewalt und schlägt den Lehrer zusammen.
Er wird bald gefaßt und kommt in ein Gefängnis. Jara wird an
ein Bordell im angrenzenden Portugal verkauft, wo sie sich nach anfänglichen
Schwierigkeiten zur meistbegehrten Frau des Hauses etabliert. Sie gebiert
dort auch einen Sohn, der noch aus der ersten Liebe zu dem jungen Mann
entstand. Der Junge kann im Bordell aufwachsen. Da ist noch ein angeblich
querschnittsgelähmter Aufpasser, der sich aber in eine andere Dame
verliebt und plötzlich aus dem Rollfstuhl steigt, um sie zu besteigen,
was die Puffmutter in höchste Rage bringt. Jara arbeitet fleißig,
spricht aber mit niemanden.Ein Zöllner will sie sogar heiraten, doch
sie wartet auf den, den sie liebt. Jene Wirtin, die sie an ein Bordell
verkaufte, besorgt sich bei einer Kräuterhexe ein Schlafmittel, betäubt
die Wachmänner des gefangenen Jungen und befreit ihn. Er trifft bei
einem Volksfest wieder auf den Lehrer und alter Haß kommt wieder
auf. Er erzählt ihm, daß Jara in Portugal in einem Bordell
arbeitete. Er flieht über die Grenze und wird dabei angeschossen.
Einige schöne Zirkus-Frau pflegt ihn gesund und fast kommt es zu einer
neuen Romanze mit ihr. Doch er sucht nach Jara und tatsächlich findet
er sie im Bordell, doch hier lauern ihm seine Widersacher auf. Der Lehrer
wartet bereits mit der Guadia Civil auf ihn, um ihn zu fassen und selbst
Jara zu entführen. Jara entdeckt ihn, zeigt ihm seinen Sohn und spricht
erstmals. Unter Feuer gelingt den Dreien die Flucht in den Wald. Happy-End.
Vielleicht etwas zuviel Gewalt und Action, vielleicht etwas zu fabelhaft,
jedoch wunderschön fotografiert. Supersexy die junge Olivia Molina.
Leider ist der Streifen etwas zu hektisch, so daß sich das Auge kaum
am an einem der wunderschönen Bilder laben kann. Kleine Fehler, wie
ein Markenetikett am Höschen der schönen Wilden, führen
zu einigen Abstrichen dieses an sich sehr unterhaltsamen Märchenfilmes
für Erwachsene. ***
Huelva präsentierte nicht nur die laufende Produktion aus den
Ländern Lateinamerikas, sondern auch ausgesuchte Werke aus dem eigenen
Land. Auch Spanien hat eine Quotenregelung, die den Schund aus den USA
auf 50 Prozent begrenzt. Es zeigt sich wieder einmal daß nur eine
solche Quotenregelung eine starke europäische Filmproduktion ermöglicht.
So kommen europäische Filme im europäische Kinos und werden vom
europäischen Publikum auch gerne gesehen. Selbst ein NATO-Kampfpilot
teilte meine Meinung im kulturellen Kampf gegen die USA !
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