Fimkritken 2014 des Vorsitzenden des FKC Dornbirn

wenn nicht anders angegeben ist Dr. Norbert Fink der Autor

Kritiken von Walter Gasperi finden sich hier (Kultur-Online - auf Filmriss weiter klicken) oder bei Kulturzeitschrift.

bestmöglich: *****, **** = herausragend, ***= sehenswert, ** diskutabel, * mangelhaft, # langweilig, ## = 2 Schlafkissen für besonders langweilige Filme

Hinweis - hier kritisiere ich im allgemeinen aktuelle Filme, die ich irgendwo auf der Welt sehe, in der Regel nicht jene, die wir ins FKC- Programm aufnehmen oder selbst schon gezeigt haben.

Beachte auch unzählige weitere Kritiken in den Festivalberichten

Akte Grüninger - die Geschichte eines Grenzgängers 12 Years A Slave Das Radikal Böse
Nymphomaniac 1 Nymphomaniac 2 Super-Hypochonder
Und morgen Mittag bin ich tot Planet der Affen - Revolution Diplomatie
Interstellar Macondo  
     
     

Macondo


Österreich 2014, 90 Min, Regie: Sudabeh Mortezai
Macondo liegt in Simmering am Rande von Wien und dort leben vor allem Immigranten.
Ramasan ist ein 11jg Junge und fühlt sich fast schon als Mann, denn er muss auf seine jüngeren Schwestern aufpassen und irgendwie auch auf seine Mutter, die noch nicht so gut deutsch spricht wie er und für die er bei Behördengängen dolmetschen muss.
Sie kommen aus Tschetschenien und ihr Vater ist im Kampf gegen die Russen gefallen. Als sich Isa
als angeblicher Mitkämpfer des Vaters vorstellt und so Kontakt zur Familie aufnimmt, gerät seine Machorolle in Gefahr. Zwar erweist sich Isa als geschickter Handwerker und kann kaputte Geräte reparieren, doch er ist suspekt. Ramasan reagiert eifersüchtig und beginnt Ladendiebstähle und Einbrüche im benachbarten Baggerpark zu machen. Als er erwischt wird, belastet er Isa schwer. Die österr. Behörden und Hausmeister werden als freundlich und verständnisvoll dargestellt.
*** Sensible Mileaustudie aus dem Blickwinkel eines 11jg. tschetschenischen Burschen in Wien, allerdings viel zu brav. 

Interstellar

USA, GB 2014, Imax /4K, 169 Min - Regie: Christopher Nolan, Musik: Hans Zimmer
Wer Science-Fiction mag, wird an diesem Film nicht vorbei kommen. Er wurde auf 35 und Imax-65mm gedreht und nun in Imax-Kinos bzw. in einigen ausgesuchten Sälen auch in 4k angeboten. Somit wird eine Bildqualität erreicht, die an das gute alte Königsformat 70mm heranreicht, der Ton ist freilich im  Imax-Verfahren unvergleichlich besser geworden. Oft wird der Film mit 2001 - A Space Odysse verglichen.
Die Erde ist in einem erbärmlichen Zustand und es ist den Menschen bewusst, dass bald ihr Ende naht, da Nahrung und Sauerstoff ausgehen. Nur noch Mais lässt sich anbauen, schwere Sandstürme infolge der Erosion machen das Atmen unerträglich.
Der frühere Astronaut Cooper bewirtschaftet nun eine Mais-Farm und er ist ein liebevoller Familienvater. Seine 10 jg. Tochter Murphy glaubt, dass es in ihrem Zimmer geistert, doch bald werden die Phänomene im Bücherregal entweder als Morsezeichen oder binärer Code entschlüsselt. Einmal werden die Koordinaten eines geheimen Nasa-Raumforschungszentrums angegeben, ein anderes Mal das Wort "Stay". Cooper fährt mit seiner Tochter zu der streng geheimen Nasa-Station und dort eingefangen.
Cooper wird dort von Prof. Brand überredet, wieder ein Raumschiff zu fliegen, um die Menschheit zu retten. Plan A wäre die noch lebenden Menschen auf einen anderen Planeten zu übersiedeln, Plan B Eizellen mitzunehmen und von Neuem zu beginnen. Über ein "Wurmloch" und im Sog vom schwarzen Löchern geht es in neue Welten. Zuvor wurden einige Astronauten vorgeschickt, zu denen nur noch rudimentärer Kontakt besteht. Cooper macht die Mission trotz dem Protest seiner geliebten Tochter, die ja das "Stay" (Bleib) entschlüsselt hat. Mit Amelia, einer weissen Astronautin, einem schwarzen Kollegen und zwei intelligenten Robotern geht es mit dem Raumschiff Endurance nun in andere Welten, teils verbringen sie die jahrelange Zeit im Kälteschlaf und wegen der Überlichtgeschwindigkeit gibt es interessante Zeitparadoxien. Die erste Hoffnung eines Planeten mit Wasser und Atmsophäre entpuppt sich als Flopp, da Riesenwellen ihn unbewohnbar machen. Auf einem zweitem Planeten finden sie eine amerikanische Station und einen einzigen, sich im Kälteschlaf befindlichen Astronauten namens Mann, der sich erst über das lebensrettende Auftrauen freut, sich dann aber als übler Bösewicht entpuppt. Er hat falsche Daten an die Erde geschickt, nur um sein eigenes Leben zu retten, versucht Cooper zu ermorden und mit seiner Landefähre an das Raumschiff anzudocken, wobei es schwer beschädigt wird. Cooper und Amelia gelingt es aber mit ihrem Shuttle unzudocken und zum Planeten Edmunds vorzustossen. Dort gerät Cooper in ein sogenanntes Tesserakt (4-dimensionaler Würfel) wo er sich auf der Zeitachse zurück bewegen kann und sich selbst zuhause beobachten kann. Die Anfangs beschriebenen Phänomene seiner Tochter hat er also selbst - aus der Zukunft - geschrieben. Irgendwie düster ist die Erkenntnis, dass es so einen idealen neuen Planeten im All nicht gibt und auch keine außerirdischen Helfer - die Erde also  gut auf sich aufpassen soll. Allerdings wäre es kein amerikanischer  Film, gäbe es nicht doch ein Happyend auf einer Raumstation, 80 Jahre später.

Optisch und akustisch ist der Film mitreissend - die fast hypnotisierende Musik von Hans Zimmer tut ihren Teil dazu - und die Kameraführung und special effects sind
gigantisch. Trotz fast 3 Stunden ist er durchgehend spannend. Dennoch spiegelt der Film implizit den Führungsanspruch der USA nicht nur auf der Erde, sondern im gesamten Universum wieder, bis auf wenige Ausnahmen sind die meisten Protagonisten Weisse, Latinos gibt es gar keine. Glauben anfangs doch alle daran auf intelligente andere Wesen im All zu treffen und meinen, das Wurmloch in der Nähe des Saturn sei ihnen von jenen gelegt worden um die Menschheit zu retten, treffen sie jedoch keine - sondern nur auf von Menschenhand geschaffenes, wozu auch die Beherrschung der Gravitation und Zeitsprünge gehören.
Interessant ist auch, dass auf der Endurance die Menschen nie essen, trinken, schlafen oder gar sexuelle Bedürfnisse haben, was sie irgendwie zu Geistwesen macht.

***1/2 - physikalische Theorien von Einstein, der Quantenphysik, über Wurmlöcher und Zeitreisen (Moebius-Schleife) bilden die interessante Grundlage zu diesem SF-Filmspektakel, das an klassische 70mm-Filme anknüpft aber typisch amerikanische Weltbeherrschunseinstellungen propagiert.



Diplomatie

F, D 2014 - 84 Min - Regie: Volker Schlöndorff
mit André Dussolier und Niels Arestrup in den Hauptrollen

Es ist immer eine Herausforderung, einen Film über eine historische Tatsache zu machen, die man kennt. Im August 1944 befahl Hitler, als die Aliierten auf Paris vorrückten,
die einst von ihm bewunderte Hauptstadt in Schutt und Asche zu legen. Doch der Stadtkommandant General Dietrich von Choltitz, an sich ein sehr gehorsamer Soldat der auch in Judenvernichtungen involviert war, verweigerte diesmal in letzter Sekunde den Befehl zur Zerstörung der Kunstdenkmäler und gilt seither als "Retter von Paris".

Der Film lehnt nicht nur an historische Tatsachen an, sondern basiert auf einem Theaterstück. Er ist somit weitgehend ein Dialog zwischen zwei Männern:
dem deutschen General von Choltitz und dem schwedischen Konsul Raoul Nordling. Nordling hatte in der Tat als Vermittler zwischen der Resistance und Choltitz gedient.

Über eine geheime Hintertreppe mit Einweg-Spiegeln beobachtet Nordling, wie Choltitz mit Experten bis ins Detail die Spregnung von Brücken, der Oper, von Kirchen etc. plant. Dies würde eine Überschwemmung und Flutwelle herbeiführen, die Paris unter enormen Verlusten der Zivilbevölkerung zerstören sollte. Wie ein Geist taucht er in seinem Hotzelzimmer auf und will ihn davon abbringen, verspricht ihm freies Geleit seiner Familie in die Schweiz. Choltitz verschanzt sich hinter dem Sippenhaftung-Erlaß Hitlers,
der besagt, dass seine Frau und vier Kinder von der Gestapo ermordert werden, sollte er einen Befehl des Führers nicht bedingungslos ausführen.

Damit der Film aber zum Film wird, hat Schlöndorff nicht nur einige hiostorische Aufnahmen hinzugefügt, sondern auch eine kleine Action-Handlung eingebaut.
Der Sprengtrupp, der unter dem Parlament die Zünder scharf machen soll, möge vor der Zündung jedoch noch den endgültigen Befehl abwarten - doch das Telefon geht nicht und die Funkverbindung nur von den Dächern aus. Ein französischer Experte im Team verhindert durch einen Schuss dabei in letzter Sekunde noch, dass der Sprengtrupp trotz abgeblasenem Befehl sein Werk vollendet.

Die Kraft des Wortes, oder wie im Titel betont, der Diplomatie, in schwierigsten Zeiten wird hier gepriesen und hat somit gerade jetzt wieder seine Aktualität.
***1/2  trotz Wortlastigkeit wird der Film nie langweilig und umspannt einen Bogen von Menschlichkeit, Schutz von Kulturgütern, Gehorsam und Gewissen bis zu den künftigen  Beziehungen der Völker nach einem Krieg.


Planet der Affen - Revolution

USA 2014, 130 Min, Regie: Matt Reeves, auch in 3D
Die österreichischen Qualitätszeitungen bedachten diesen Film teils mit der höchsten Sternchenanzahl, Grund genug ihn mal anzusehen.
Die Menschheit hat sich weitgehend selbst ausgerottet, ein in Labors gezüchteter "Affen-Grippevirus" hat die Menschen fast zur Gänze ausgelöscht - treffend symbolisiert durch die ausgehenden Lichter auf einem Satellitenbild. Den letzten Menschen, die noch in den Ruinen von San Franzisco leben, geht aber nun endgültig der Treibstoff und der Strom aus. Sie möchten deshalb ein Wasserkraftwerk wieder in Gang setzen, doch dieses liegt im Gebiet der Affen, die inzwischen intelligent geworden sind, teils schon sprechen können, sich zumindest in einer Art Gebärdensprache mitteilen. Bei der Begegnung kommt es zu einem Konflikt, ein Mensch verletzt den Sohn des an sich sehr pazifistischen Affenführers Cäsar, was Scharfmacher auf Seiten der Affen zum Anlass für einen Krieg ausnutzen wollen. Cäsar hingegen, der von den Menschen sprechen gelernt hat, will es den Menschen erlauben, das Kraftwerk wieder zu reparieren, damit sie wieder Elektrizität und somit Licht haben. Die Bedingung ist freilich, unbewaffnet zu sein. Ein Mensch hält sich leider nicht an diese Abmachungen und der Konflikt eskaliert. Auf Seite der Menschen werden die Waffenarsenale geprüft, doch gelingt es einigen Affen, einige Waffen zu erbeuten. Der Grundsatz der Affen "Affen töten Affen nicht!" wird bald verletzt, als Koba, der aggressive Kriegshetzer unter den Affen die Macht ergreift und nicht nur die Menschen, sondern auch zu Cäsar loyale Affen einsperren lässt. Was nun folgt ist technisch hervorragend umgesetzte Action des Krieges zwischen Affen und Menschen.
Um was es aber geht, ist zu zeigen, dass es Gut und Böse auf beiden Seiten gibt und dass Affe und Mensch einsehen, dass sie viel gemeinsam haben, von Zärtlichkeiten austauschen bis zum Abschlachten. Die pazifistische Botschaft lautet, verhandelt doch, das ist besser als Krieg führen und beide Seiten können davon profitieren, während im Krieg alle nur verlieren.
*** 1/2 eher aus der Sicht intelligenter Affen betrachtet der Film eine Gruppe Menschen, die eine Viruseoidemie überlebt haben und dringend zum Überleben elektrischen Strom brauchen.  


UND MORGEN MITTAG BIN ICH TOT

Regie: Frederik Steiner
Buch:
Barbara te Kock
Deutschland, Schweiz 2013, 103 Min, Scope.

Das Thema der Sterbehilfe ist bei uns durch die Debatte um die Euthanasie im Dritten Reich, sowie um finanzielle Begehrlichkeiten der Erben belastet. In Zeiten, in denen das Verbot der Sterbehilfe in die Verfassung aufgenommen werden soll, ist deshalb ein positiver Beitrag wichtig.
Ich schrieb nach der europ. Erstaufführung in Saarbrücken:
Ein Film, der sogar hartgesottene Männer zum Weinen brachte, war dem Thema Sterbehilfe gewidmet und wurde konsequent durchgezogen. Die hübsche und lebensfrohe 22jg. Lea leidet im Endstadium an Mukoviszidose, kann selbst mit Sauerstoff nur noch schwer atmen, bekommt immer wieder Panikattacken. Auch ihr Bruder ist trotz einer Lungentransplantation daran gestorben. Sie will sich selbstbestimmt die Freiheit nehmen, ein paar Wochen früher zu sterben, bevor sie unweigerlich qualvoll erstickt. Dazu reist sie in die Schweiz, um sich mit Sterbebegleitung von der Welt zu verabschieden. An ihrem Geburtstag soll es soweit sein. Sie inszeniert ihr letztes Abendmahl mit ihrer Mutter, Großmutter und Schwester, isst dabei ihr geliebtes Wiener Schnitzel, macht ihren letzten Ausflug und sogar ihre letzte Liebesnacht mit einem Chirurgen. Diese alle wollen sie in letzter Minute davon abbringen ihr Leben zu beenden. Dramaturgisch spannend wird es, als sich noch in letzter Minute eine kleine verrückte Liebelei anbahnt, oder wenn sie im Zimmer der Sterbehospiz doch nicht sterben will, sondern in der grünen Natur.

Der zwar etwas konventionell gemachte Film mit einer leider an die „Love Story“ erinnernden süßlichen Filmmusik (als mein einziger Kritikpunkt) ist sorgsam recherchiert und hat durchaus heitere Pointen, die von Betroffenen ausdrücklich gewünscht wurden.

„Ein bewegendes, mutiges und in seiner Ruhe so kraftvolles Plädoyer für die Freiheit des Einzelnen, über das eigene Leben zu entscheiden. Bis zuletzt.“ (fbw)
***** ein extrem emotionalisierender Film, der auch manche hartgesottene Männer zum Weinen bringt.

Super-Hypochonder
F 2014, 122 min, Regie: Dany Boon.
Es geht um Romain Faubert, 39, ledig, Photograph für ärztliche Magazine, er hat ständig Angst vor Keimen, kann sich deshalb nicht küssen lassen, hat deshalb auch Angst vor den harmlosesten Hunden und vor Spannteppichen. Bei der Silvesterparty seines geduldigen Hausarztes schlägt er wild um sich, als das übliche mitternächtliche Bussi-Bussi beginnt. Nach dem Motto "Liebe heilt alle Wunden" versucht der Arzt ihn zu verkuppeln, was aber kläglich scheitert. Erst als er es mit einer "Schocktherapie" versucht und ihn mit zur Flüchtlingsbetreuung nimmt kommt die Wende. Dort verliebt er sich in die Betreuerin Anna, die Schwester des Arztes, die ihn für einen von ihr verehrten Revolutionär und Helden hält. Was als reines Geblödel beginnt, nimmt jedoch im Laufe der Zeit deutlich an Fahrt auf und die Befreiungsaktion des falschen Abgeschobenen ist herrliches Kintopp und das Happy-End gehört auch zu Filmen dieser Kategorie. 
** zumindest in der zweiten Hälfte kann man bei diesem Film herzhaft lachen (tut auch mal gut!)


Nymphomaniac Teil 2

Lars von Trier, DK, B, D, UK 2013, 124 Min. Mit Stellan Skarsgård und Charlotte Gainsbourg
Der zweite Teil umfasst die Kapitel 6 - 8 (die Ost- und Westkirche [The silent duck], der Spiegel und die Pistole). Wieder erzählt Joe Seligman ihre Geschichte. Da sie beim Sex nichts mehr empfindet und "taub" am Geschlecht ist, greift sie zu drastischeren Methoden, läßt sich auspeitschen. Dafür verläßt sie Weinachten Mann und Kind, sie verdient ihr Geld zum Schluß mit illegalen "Schuldeneintreibungen" und schreckt dabei vor nichts zurück. Der asexuelle Seligmann agiert wie ein Psychoanalytiker hat zu allem weise Zitate aus der Literatur bereit, das Erzählen der Lebensgeschichte befreit sie irgendwie. Das Ende ist sehr überraschend.  Der zweite Teil ist deutlich härter als der erste und wirkt weniger gesprächslastig.
***1/2  die Studie über die Nymphomanin Joe wird krasser und härter und nimmt ein unerwartetes Ende, irgendwie ist die Geschichte jedoch schlüssig.

Nymphomaniac Teil 1

Lars von Trier, DK, B, D, UK 2013, 117 Min (gekürzte Fassung). Mit Stellan Skarsgård und Charlotte Gainsbourg

Das Gerede um den angeblich pornografischen Film des dänischen Provokateurs ist weit spekulativer als der Film selbst. Er beginnt mit einer Schwarzblende, man hört nur leise einige Geräusche. Wir sehen dann Joe, eine zusammengeschlagene Frau auf der Straße liegen, der ältere Junggeselle Seligmann hilft ihr, will Rettung und Polizei rufen, doch sie will das nicht. Er nimmt sie mit nach Hause und sie erzählt ihre Geschichte. Sie sei ein schlechter Mensch, weil nymphomanisch. Nun wird in acht Kapiteln (5 im ersten Teil) , begonnen von der Geburt, über die sehr lieblose Defloration bis zum 50. Lebensjahr ihre Leidensgeschichte erzählt, wobei Seligmann alle nur erdenklichen Assoziationen knüpft, vom Fliegenfischen bis zur Geografie. Sexszenen kommen vor, doch sind sie sehr schnell geschnitten.

Pornografie ist die Darstellung von Sexualorganen in Funktion und Großaufnahme zum Zwecke der Befriedigung des Betrachtenden. Weder ein Aktfoto noch das kurze Filmen eines sexuellen Aktes sind automatisch Pornografie. Der Film eignet sich sicher nicht als Onaniervorlage, ist also eindeutig nicht pornografisch!
Der Film ist ziemlich geschwätzig, es wird viel geredet, manchmal sind die Gedanken blitzartig bildhaft dargestellt. Es wird über das Wesen der Liebe, der Lust und des Verlangens gesprochen, manche philosophischen Betrachtungen erinnern an die 68er-Revolution („wer zweimal mit der Gleichen pennt, gehört schon zum Establishment!“) und es wird scharf zwischen Sex und Liebe unterschieden.
*** interessante Studie über das Leiden einer Nymphomanin, typischer Stil von Lars von Trier mit vielen Assoziationen.


Das radikal Böse
Stefan Rudowitzky, D, A 2013, 96 Min.
Der Dokumentarfilm mit nachgespielten, nachgesprochenen und nachkolorierten Szenen versucht mit Mitteln der klassischen amerikanischen Sozialpsychologie nachzuvollziehen, warum es so leicht möglich war, dass normale Wehrmachtssoldaten jüdische Menschen, darunter auch Kinder und Frauen von Angesicht zu Angesicht erschossen haben. Nun, einigen wurde dabei schlecht, doch alle meinten für das Wohl des Deutschen Volkes etwas Gutes zu tun. Effizienter war dann schließlich die industrielle Massenvernichtung in den KZ.
Etwas Bedenken habe ich, dass dabei ausgerechnet Amerikaner ihren Kommentar dazu abgeben müssen, waren doch viele Verbrechen der letzten Jahrzehnte (Pinochet, Guantanamo etc.) von ihnen ausgegangen. Auch das Stilmittel, Szenen nachzustellen bzw. Docs zu faken bzw. Nazi-Wochenschauen einzufärben, dienen nicht dazu die Glaubwürdigkeit zu erhöhen, obwohl ja niemand an den Tatsachen zwiefeln wird. So wird der Film eher zu einer Vorlesung in Sozialpsychologie: das Milgram- Experiment, Standford-Prison Experiment,   das Asch´se Konformitätsexperiment usw. werden zur Erklärung herbeigezogen, ja wird den Nazis die Intelligenz unterstellt, die Ergebnisse dieser Experimente (die erst später gemacht wurden) klug für sich ausgenutzt zu haben.  
Dass dann im Nürnberger Prozess die Amerikaner ihre Urteile kaum vollstreckten (viele zum Tode verurteilen Naziverbrecher kamen nach einigen Jahren frei) wird allerdings auch gezeigt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Das_radikal_B%C3%B6se_%28Film%29

 
*** Harter Film über die Massenerschiessungen von Juden im Osten, der mit viel Sozialpsychologie zu erklären versucht, wie leicht es war, diese schmutzige Arbeiten "freiwillig" von normalen Soldaten ausführen zu lassen.


12 Years A Slave
USA, GB 1013; 134 Min. Regie: Steve McQueen, Buch:John Ridley; Musik: Hans Zimmer
Im Jahr 1841 lebt der Geigenspieler Solomon Northup als ein freier Afro-Amerikaner, Ehemann und Vater von zwei Kindern in  der Nähe von New York. Als seine Frau und die Kinder für ein paar Wochen zu einem Job fahren, nimmt auch er bei einer Art Zirkus einen lukrativen Auftag an, wacht jedoch eines Morgens verkatert und in Ketten auf, wird in die Südstaaten verschleppt und als Sklave verkauft. Er muss verleugnen Lesen und Schreiben zu können, sein Geigenspiel wird aber teilweise doch geschätzt, vor allem von seinem ersten Besitzer Ford, der ihn Platt nennt, aber seine Intelligenz schätzt. Wegen Konflikten mit seinem eifersüchtigen Aufseher wird er an den wesentlich brutaleren Epps verkauft, auf dessen Baumwollplantage die Peitsche regiert.  Die tüchtige Skalvin Patsey, die Epps auch begehrt, ist aber dessen Frau ein Dorn im Auge und wird deshalb grausam ausgepeitscht. Platt muss viele Qualen und Demütigungen auf sich nehmen. Hoffnungen keimen auf, als ein Sklavengegner aus Kanada auftaucht...
Für einen US-Film gibt es viele langsame Einstellungen, wunderschöne Naturaufnahmen kontrastieren mit der grausamen Handlung. Genauso wichtig wie bei uns die Gräuel der Nazizeit nie vergessen werden dürfen, muss auch in den USA das dunkle Kapitel der Sklaverei endlich aufgearbeitet werden.

**** Zwar erzählt der Film nichts wirklich Neues, dennoch ist die wahre Geschichte überfällig für eine Verfilmung gewesen. Ganz fantastisch auch die Filmmusik von Hans Zimmer. 


Akte Grüninger - die Geschichte eines Grenzgängers
CH, F 2014, 90 Min, schwyzerdt. OmU. , Dolby 5.1.

Regie: Alain Gsponer (SRF/SSR/Arte)
Bereits 1997 drehte Richard Dindo über den St. Galler Polizeipräsidenten einen Dokumentarfilm, der damals auch bei uns gezeigt wurde.
Paul Grüninger sah bereits 1938, welches Schicksal die Juden im Deutschen Reich, zu dem nun auch Österreich als "Ostmark" gehörte, erleiden mussten und wusste von der Existenz des KZ Dachau.
Er half in Zusammenarbeit mit der israelitischen Gemeinde in der Schweiz den Juden, sorgte für Unterkünfte in einer leer stehenden Fabrik oder Familien. Auch der Schweizer Konsul in Bregenz stellte großzügig Visas aus. Dies war jedoch dem offiziellen Bern ein Dorn im Auge. Mit 19.August 1938 machte die Schweiz die Grenze dicht und erklärte, dass ein religiöses Bekenntnis kein Grund für politisches Asyl sei. Dennoch riss der Flüchtlingsstrom nicht ab und Bern suchte nach den Schuldigen. Der illegale Grenzübertritt fand dabei am Alten Rhein zwischen Hohenems und Dipoldsau statt. Zuerst wurden zwei kleine Polizisten verhaftet, am Schluss auch Polizeipräsident Grüninger. Ihm wurde Urkundenfälschung vorgeworfen, weil er Asylanträge vordatiert hatte. Soweit die historischen Fakten.
Der Film beginnt mit der Bahnfahrt nach Hohenems (leider völlig falsch gedreht, es handelt sich um knallrote Schmalspur-Wagen der Zillertalbahn mit Schmalspur-Dampflokomotive mit Bosna-Kupplung, bereits 1927 wurde die Bahnstrecke bis Bregenz mit Normalspur elektrifiziert!). Die aus Wien flüchtenden Juden treffen den Schweizer Konsul, der ihnen zwar keine Visas mehr ausstellen kann, aber den Fluchtweg in die Schweiz zeigt.
Größtes Manko des gut gemeinten Filmes ist jedoch, dass Gsponer eine frei erfundene Figur einsetzt, den Ermittler Frei. Dieser sorgt im Film für Spannung und macht eine beachtliche Wandlung vom "Kettenhund Berns" zum mitfühlenden Helfer mit. Der Film zeigt Grüninger als braven Privatmann mit Frau und Tochter und als Retter der Juden, der als FDP-Mitglied bei den Schweizer Solzialdemorkaten, die ebenfalls eine humane Flüchtlingspoloitik vertraten, sich schwer tut die Stimmung im Parlament zu beeinflussen. Auch in der Schweiz gab es Antisemitismus und man befürchtete, diese nehme deutsche Ausmaße an, wenn noch mehr Juden herein kommen würden. Auch hofften die Schweizer, die Flüchtlinge würden bald weiter reisen, was aber nur selten der Fall war.Auch lässt sogar der Abspann offen, wieviele der nach Verhaftung Grüningers aufgelisteten Juden in den sicheren Tod ins Deutsche Reich zurückgeschickt wurden bzw. doch in der Schweiz bleiben durften.

 
*** Der Spielfilm über den St. Galler Polizeikommandanten Grüninger, der  bis zu 3000 aus dem damals zum Deutschen Reich gehörenden Vorarlberg in die Schweiz flüchtenden Juden das Leben rettete, baut seine Dramaturgie über eine frei erfundene Figur eines Ermittlers auf und läßt dadurch den eigentlichen Helden etwas blass erscheinen.


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