Filmfestival Fribourg 2002
Bericht von Dr. Urs Vokinger


offizielle Seite des Festivals frib.jpg (4025 Byte)

letztjähriger Bericht

Das 16. internationale Filmfestival in Fribourg, an der Sprachgrenze zwischen der französisch und der deutsch sprechenden Schweiz, fand dieses Jahr vom 10. bis 17. März statt. Da die Hotels in dieser Stadt unverschämt teuer sind (keine Zimmer in der Preiskategorie von 50Fr und 100Fr.), entschloss ich mich kurzerhand ein Zimmer (60Fr. pro Nacht) in der Jugendherberge zu beziehen. Die Jugendherberge ist in einem renovierten Spital, Schätzungsweise aus dem 19. Jahrhundert, eingerichtet. Ein interessanter Bau und für nur zwei Nächte (ich blieb die Tage vom 11. bis 13. März), war dies die optimale Lösung.

Das internationale Filmfestival in Fribourg ist wahrscheinlich eines der interessantesten und faszinierendsten Filmfestivals wenn man von 'Glanz und Glamour' der Grossfestivalen absieht. Ich glaube kaum, dass ein anders Festival diese Vielfalt an Filmen bieten kann wie das Festival von Fribourg. Mehr als achtzig Filme standen zur Auswahl aus den Länder Japan, Kolumbien, Brasilien, China, Iran, Marokko, Südkorea, Albanien, Senegal um nur einige von ihnen zu nennen. Das Filmfestival in Fribourg kann als ein froh-farbiges filmisches Echo der (finanziell) benachteiligten Länder und Sozialschichten und als eine Antwort auf kommerzielle Filmproduktionen verstanden werden: wer kein Geld, der hat gute Einfälle oder 'arm an Geld dafür reich an Ideen'. Der Einbezug der sozial benachteiligten Gruppen ist neu in diesem Jahr. Früher waren nur Filme aus Drittweltländer , d.h. aus der südlichen Hemisphäre der Welt, zugelassen. Aufgrund der fortschreitenden Globalisierung und der Immigrationen ist der Süden heute auch im Norden. Daher waren dieses Jahr auch Filme aus den Industrieländer zu sehen, die ähnliche Themen des Südens behandelten.

Dank zwei zusätzlichen Vorführungen am Abend konnte dieses Jahr die Zuschauerzahl (25'000) um zehn Prozent erhöht werden.


Und nun zu den Gewinnern des Festivals. Das Festival kennt etwa acht verschiedene Preise, von denen ich hier zwei erwähnen möchte. Für die, die mehr über die Preisverleihung erfahren möchten hier die Web-Seite des Festivals: www.fiff.ch.

Den grosse Preis des Festivals (Le Regard d'or) erhielt:

Nakta(dul) (Kamel(e)); Park Kiyong; Corée du Sud

Ein Paar fährt im Auto für ein Wochenende ans Meer. Sie reden wenig. Beide sind anderweitig verheiratet und treffen sich zum ersten Mal. Er hatte ihr ein Wochenende auf einer Insel versprochen, aber sie werden sich mit einem beliebten Badeort begnügen müssen, den sie in ihrer Jugend oft besuchten. So werden sie nach und nach von Erinnerungen an eine banale Vergangenheit eingeholt (Filmkatalog Festival International de Fribourg 2002).

und den Publikumspreise (d.h. Publikumlieblinge) erhielt:

NDYESAAN; Mansour Sory Wade; Senegal

Das Fischerdorf liegt seit einer Ewigkeit in einem seltsamen Nebel. Weder Opfer noch Gebete beenden diesen Fluch. Mbanick, der Sohn des sterbenden Marabuts, wagt es, die Geister herauszufordern und gibt dem Dorf die Sonne zurück. Mbanick kann darauf Maxoy seine Liebe gestehen. Sein bester Freund und Rivale, Yatma, ist rasend vor Schmerz und geht bis zum Mord. Für ihn beginnt ein anderer Fluch (Filmkatalog Festival International de Fribourg 2002).


Und zuletzt meine Kritiken der gesehenen Filme:

Ge Ge; Yan Yan Mak; Hong Kong 2001; Langspielfilm

Ein junger Hong Kong Chinese auf der Suche seines vermissten Bruders. Sein letztes Lebenszeichen ist eine Postkarte aus einer Provinzstadt in der Nähe zur tibetischen Grenze. Die Postkarte hatte der Hong Kong Chinese vor drei Jahren erhalten. Sie zeigt seinen Bruder zusammen mit einer Frau und einem Mann. Der Film zeigt die Reise des Hong Kong Chinesen im Zug in die Provinzstadt und die Suche des Bruders. Er findet in dieser ärmlichen Stadt die auf der Postkarte porträtierten unbekannten Personen: Die Frau war die Verlobte des Bruders und der Mann sein bester Freund. Der Bruder aber ist tot.

Ein sehr schöner und ruhiger Film. Die schönen Landschaftsaufnahmen und die Darstellern, die mit großer Sensibilität und Natürlichkeit ihre Rolle spielen, stehen im Kontrast zur trostlosen Provinzstadt. ****

(H)historias Cotidianas (Alltagsgeschichten); Andres Habegger; Argentinien 2000; Dokumentarfilm

Sechs erwachsene Kinder (drei Töchter und drei Söhne) erzählen von ihren Erinnerung an das Verschwinden ihrer Eltern oder eines Elternteils und über ihr Leben während der Militärdiktatur Argentiniens. Sie erzählen von Kummer über ihrer vermissten Eltern und über ihre Ängste vom Militärregimes. Nicht der Hass gegen das Militärregime, sondern die Trauer über ihre verschwundenen Eltern steht im Vordergrund. 

Dies verleiht dem Film eine besondere Objektivität. ***

  

Gaichu (Schädliches Insekt); Akihiko Shiota; Japan 2001; Langspielfilm

Ein Film der von Bilder lebt! Die Mutter der zwölfjährigen Sachiko wird von ihrem Mann verlassen. Ohne einen Mann ist die labile Mutter nicht fähig der Tochter Zuneigung, Wärme und ein schützendes Zuhause zu bieten. Sachiko reisst aus, und für sie beginnt eine Reise durch das Leben der Erwachsenen bei der die Realitäten auf sie reinprasselt: Armut, Gewalt, Totschlag, sexuelle Ausbeutung ... Am Anfang ist sie nur eine passive Zuschauerin dieser traurigen Realitäten, doch am Ende, als ihr Vater durch eine unverschuldete Verspätung das Treffen mit ihr verpasst, scheint sie die Hoffung auf ein geborgenes Leben ganz aufgegeben zu haben: sie verschwindet mit einem Mann der für 'spezielle Leistung' das Sackgeld für ein selbständiges Leben bietet.

Akihiko Shiota ist Professor an einer Universität Japans und dreht nebenbei auch Filme. In gewohnter japanischer Manier ist auch sein Film Gaichu: wenig Dialoge, lange Einstellungen, Darstellung der Gewalt durch eine ruhige Bildsprache und nicht durch eine detaillierte Illustration der Gewalt selbst. ***

 

Tirana, viti zero (Tirana, Jahr Null); Fatmir Koçi; Albanien, Frankreich, Belgien, 2001; Langspielfilm

Tirana am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts. Der 23 jährige Niku, dessen Unternehmen aus einem abbruchreifen Lastwagen besteht, der ihm sein arbeitsunfähigen Vater gegeben hat, ist in die schöne Klara verliebt. Klara ist es aber satt in Albanien zu leben und hofft auf eine Arbeit als Modell im Ausland. Klara möchte von der Realität Albaniens fliehen. Niku hingegen möchte bleiben und gegen die Aussichtslosigkeit kämpfen. Die verträumte Klara und der realistische Niku, der übrigens schon in Italien war und wieder nach Tirana zurückkehrte, stellen die beiden Pole der heutigen Jugend Albaniens dar: emigrieren und irgendwo eine entwürdigende Arbeit annehmen (z.B. Prostitution) oder bleiben und um das Überleben zu kämpfen. Der Film ist ein Querschnitt durch das soziale Gefüge (Fatmir Koçi) und zeigt Albaniens Infrastruktur, die entweder am Zerfallen ist oder unter dem Dreck und Müll begraben wird. 

Trotz dieser Aussichtslosigkeit fehlt es an diesem Film nicht an humorvollen Szenen. ****

 

Aoud Rhi (das Windpferd); Daoud Aoulad-Syad; Marokko 2001; Langspielfilm

Zwei Marokkaner, der alte Tahar und der junge Driss sind auf der Suche nach sich selbst und der ihrer Vergangenheit. Driss möchte seine Mutter besuchen, die ihn in seiner Kindheit verlassen hat. Tahar möchte das Grab seiner zweiten Frau besuchen wo er, einem Traum folgend, sterben möchte. Gemeinsam fahren sie mit einem Motorrad mit Seitenwagen (das Windpferd) durch Marokko um an ihre Orte zu gelangen. Dabei bleibt es nicht nur bei einer Reise durch Marokko, sondern auch innere Reise der beiden Protagonisten wo Fragen über Tod und Leben gestellt werden. Das Ende ist für Driss tragische, die gefundene Frau in einem Irrenhaus ist nicht seine Mutter; sie bleibt wahrscheinlich für ewig unauffindbar.

Ein philosophischer Film, der mit schönen Landschaftsbilder vom touristisch unbekannten Marokko begleitet wird. Die beiden marokkanischen Hauptdarsteller spielen ihre Rollen eindrücklich. ****

Se Jie (Verwandlung); Zhong Qiang; China 2001; Langspielfilm

Eine moderne Liebesgeschichte: Ein soeben geschiedener Taxi-Chauffeur verliebt sich in eine schöne (und teure) Frau eines Geschäftsmannes im benachbarten Wohnblock. Zur gleichen Zeit zieht auf der gleichen Etage des Taxi-Chauffeurs eine junge Chinesin ein, die ihr Leben in der Nacht verdient. Da sie kein Telefon in der Wohnung besitzt, benützt sie das Telefon des Taxi-Chauffeurs. Während ihrer anrufen stiehlt sie Geld aus der Schublade des Taxi-Chauffeurs. Das Geld hat der Taxi-Chauffeur bei einem Autounfall des Mannes der hübschen Chinesin im benachbarten Wohnblock entwendet . Er ertappt die diebische Frau auf frischer Tat. Sie ist ohne Aufforderung sogleich bereit, den Diebstahl mit einem Liebesdienst zu begleichen. Auch fühlt sich die andere Chinesin, die hübsche im anderen Wohnblock, allein und verlassen, da ihr Mann nach dem Autounfall für längere Zeit im Komma liegt. Sie hofft auf die 'Dienste' des Taxi-Chauffeurs (Sie ruft ihn an und beklagt sich über ihre Einsamkeit). Am Ende fliegt alles auf: die Polizei kommt dahinter, dass der Taxi-Chauffeur das Geld entwendet hat, dass die Chinesin auf der gleichen Etage die nötige Aufenthaltspapier nicht besitzt, und dass bei der hübschen Chinesin auch nicht alles so klar ist. Doch die Frage für den Zuschauer bleibt am Ende: hat der Taxi-Chaffeur nun den aus dem Spital entlassenen und invaliden Mann der hübschen Chinesin über den Balkon gestossen oder nicht? Selbst die immer auf dem Laufenden und sich einmischenden Zeitungsverkäuferin des Quartiers kann der Polizei nicht weiter helfen.

Dies ist Zhong Qiang Erstlingswerk. Er ist ein erfolgreicher Kunstmaler in China. Dies ist auch aus verschiedenen sehr schönen Einstellungen des Films ersichtlich, die teilweise wie Gemälde wirken. Hingegen finde ich den Inhalt des Films etwas langweilig. Es werden wohl chinesische Weihssagungen zitiert, aber ich hatte das Gefühl, dass sie dann nicht in Bild und Handlung umgesetzt worden sind. Trotz einigen Anspielungen war der Film auch nicht erotisch. 

Kamera ****, Inhalt **.

Ben Khong Chong (Das Ufer der Frauen ohne Männer); Luu Trong Ninh; Vietnam 2000; Langspielfilm

Die Folgen des Krieges: in einem Dorf in Vietnam suchen Kriegswitwen und jüngere Frauen verzweifelt nach einen Mann. Van, der aus dem Krieg zurückkehrt, wird zwischen zwei Frauen hin- und hergerissen. Er kann aber den Krieg nicht vergessen und erhängt sich am Ende des Films.

Wie in zwei anderen Filmen aus Vietnam, die ich an anderen Festivals gesehen habe, war auch dieser sehr sehr langsam in der Entwicklung der Geschichte. Der Film strahlt auch eine gewisse Unschuld aus, die einem schon Angst macht: die gezeigten Handlungen und die gespielten Personencharakteren sind sehr weit von der (westlichen ) Realität entfernt ist. Beim Hinausgehen des Kinos fragte ich mich, ob die im Film gespielten Charakteren es überhaupt schaffen könnten, sich im westlichen Ellbogen-Kapitalismus zu integrieren. Ich glaube, der (Kultur-) Schock würde zu gross sein. Die beiden Welten, d.h. vietnamesischer Filmwelt und der reale Westen, liegen zu weit auseinander.
Keine Bewertung, da zu fremd. 


zu sehen gab es auch einige schon in Huelva gezeigten Filme, etwa UNA CASA CON VISTO AL MAR (Blick aufs Meer) (Venzezuela), der auch hier wieder den Publikumspreis gewann!
Kritik von Nobi s.dort


BILANZ - MEDIENMITTEILUNG
16. Freiburger Internationales Filmfestival


Der Grosse Preis des 16. Freiburger Internationalen Filmfestivals "le Regard d'or" geht an den südkoreanischen Film "Nakta(dul)" (Kamel(e)) von Park Kiyong. Dem Film sei es gelungen, die Leere des heutigen Lebens auf
schlichte Weise zu zeigen, begründet die internationale Jury unter dem Präsidium von Yasmina Kassari ihren Entscheid. "Le Regard d'or" ist mit 30'000 Franken dotiert. Eine besondere Würdigung erteilt die Internationale
Jury dem Film "Kotsom" des südkoreanischen Regisseurs Song Il-gon. Nakta(dul) erhält zudem den Preis für das Drehbuch, gestiftet von SSA-Suissimage.

Die Organisatoren des 16. Freiburger Internationalen Filmfestivals sind sehr zufrieden mit dem Verlauf des Festivals. Das Festival verzeichnet einen Zuschaueranstieg von über 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Schätzungsweise 25'000 Zuschauer haben die Vorstellungen besucht.

Der Publikumspreis geht an den senegalesischen Film "Ndeyssaan" und an den Film "Una casa con vista al mar" aus Venezuela.

Knapp 400 akkreditierte Gäste aus dem In- und Ausland - Filmschaffende, Schauspieler, Medien-Vertreter, Produzenten, Delegierte von internationalen Festivals, Filmverleiher - waren anwesend. Zahlreiche Diplomaten aus Europa und Uebersee haben Freiburg mit ihrem Besuch beehrt.

Das Zelt war auch dieses Jahr das Herz des Festivals, wo sich Regisseure, Zuschauer und Journalisten getroffen haben. "Das Freiburger Internationale Filmfestival ist ein Festival des Dialogs. Ich kam mit unglaublich vielen engagierten Menschen ins Gespräch. Das habe ich noch nie an einem Festival erlebt", erklärte Jörg Gfrörer, Regisseur von "Günther Wallraff: ganz unten".

Die Vorführungen waren von Beginn an gut besetzt. Zum ersten Mal waren mehrere Vorstellungen in Düdingen und Bulle ausverkauft. Insgesamt 100 Filme wurden gezeigt. Die Extra-Vorführungen für Journalisten und Fachleute
wurden sehr geschätzt. Die Erhöhung der Anzahl Vorstellungen hat es zudem erlaubt, dem Publikum besser gerecht zu werden.Auf grosses Echo sind wie jedes Jahr die Spezialvorführungen für Jugendliche gestossen.

Das Panorama: "Der Süden: Gebrauchsanleitung" und die Dokumentarfilme, welche um den Preis der politischen Presse konkurrierten, haben mehrfach für ausverkaufte Säle gesorgt, weshalb Zusatzvorstellungen organisiert wurden. Die engagierten Diskussionen im Anschluss an die Filmvorführungen haben
gezeigt, dass die Themen den Nerv der Zeit getroffen haben.
Die Retrospektive: "Schwarzamerika: Bilder zu befreien" hat einen Diskurs ausgelöst, der weitergeführt werden muss. Die Suche nach einem würdigen Bild, nach der gestohlenen Identität dauert an, denn der angerichtete
Schaden ist gross und die Verletzungen sind tief.
Vier Filme werden in den kommenden Monaten im Rahmen des Circuit "Filme des Südens" in 13 Westschweizer Städten gezeigt. Auf dem Programm stehen die Filme Ndeysaan (Mansour Sora Wade, Senegal), Aoud Rih (Daoud Aloud Syad, Marokko), Una casa con vista al mar (Alberto Arvelo, Venezuela) und Kotsom
(Song Il-gon, Südkorea). Sie sind beim Publikum besonders gut angekommen.

Erste Daten: Genf (-24. März); Neuenburg und La Chaux-de-Fonds (20.-26.März); Lausanne (10.-16. April); Biel (18.-29. April); Sion (1.-7. Mai); Bex (8. Mai.-9. Juni); Aubonne (8. Mai-4. Juni); Moutier (15. Mai-6. Juli);
Aigle (11.-18. Juni); und Vevey (5. Juni-2. Juli). Danach werden die Filme auch in der Deutschschweiz und im Tessin gezeigt.

Das Festival wird von Bundes-, Kantons- und Gemeindebehörden unterstützt. Es dankt seinen offiziellen Partnern: Der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), dem Bundesamt für Kultur und der Loterie romande. Ein besonderer Dank gilt denjenigen, die dieses Fest ermöglicht haben, insbesondere den vielen jungen freiwilligen Helfern.
Das 17. Freiburger Internationale Filmfestival Freiburg findet vom 16. bis 23. März 2003 statt.
(offiz. Pressemitteillung des FIFF)


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