Bericht vom 53. Int. Filmfestival in Locarno
August 2000
von Urs Vokinger
Redaktion und Webdesign: Norbert Fink


Wie seit Jahrzehnten, besuchte auch dieses Jahr der FKC das Festival in Locarno.
Leider konnte Obmann Norbert nicht mit, weil sein altes Haus gerade saniert wird und jene Dame, die sonst immer gerne mitging, sagte kurzfristig ab. Also mußte Urs alleine die schwere Last der FKC-Sternchenvergabe tragen.

Zwar wurde ihm bei der Ankunft nicht der rote Teppich ausgerollt, aber es schien, als ob der abtretende Marco Müller ein ernstes Wort mit dem Wettergott gesprochen habe. Denn nach einer längeren Schlechtwetterperiode im Tessin war es während der Anwesenheit des FKCs warm und sonnig, so daß die geplanten Filme auf der Piazza Grande ohne Probleme gesichtet werden konnten.

Wie man es schon durch die Presse und den FKC-Newsletter erfahren konnte, lag dieses Festival im Zeichen der Trauer: Giuseppe Buffi, der erstmals als Präsident dieser Ausgabe des Festivals hätte walten sollen, ist wenige Tage vor dem Festival bei einem Autounfall am 20. Juli ums Leben gekommen. Als Zeichen der Trauer wurde auf das Mitternachtsessen (Cena di Mezzanotte) und auf eine Abschlussfeier verzichtet.

Marco Müller kündigte es am letzten Tag des Festivals offiziell an: Er wird als Direktor des Festivals zurücktreten um seine Zeit mehr als Filmregisseur und -produzent widmen zu können. Während acht Jahren hatte er das Festival geleitet. Aus der Sicht des FKCs (Urs), hatte er wohl Neues gebracht, aber dabei keine Risikofreudigkeit gezeigt und sich eher den Wünschen des Massenpublikums ausgerichtet, vor allem was die großen Filme (auf der Piazza Grande) betrifft. Es braucht schon einen gewaltigen cineastischen Tiefflug um große US-Kommerzfilme, wie z.B. MiB (Man in Black, so geschehen vor etwa zwei Jahren) oder dieses Jahr X-Man, als Eröffnungsfilm zu zeigen.
Wir vom FKC trauerten immer der "guten alten Zeit" von David Streiff nach, vor allem, weil er immer wieder Filme aus Lateinamerika nach Locarno brachte; nun müssen wir bis nach San Sebastian, Huelva oder gar Havanna reisen, um solche zu sehen.
Es bleibt zu hoffen, daß der zukünftige Direktor in diesem Punkt etwas mehr Feingefühl zeigen und sich weniger den Wünschen der US-Majors beugen wird. Trotzdem wünscht der FKC Marco Müller alles Gute und viel Erfolg für seine Pläne.

Zum erstenmal in der ganzen Festivalgeschichte wurde ein Video Kino eingerichtet: das Video Sony in Muralto, einen Katzensprung von der Piazza Grande entfernt (ca. 1km). Ich habe in diesem Kino zwei Video gesehen und war über die Bild- und Tonqualität überrascht. Es ist klar, dass die Bildqualität (immer noch) schlechter als die eines klassischen Filmes ist, aber verglichen mit VHS im Heimgebrauch ist sie doch um einige Größenordnungen besser.



"Baise—moi" ("Fick mich") war der skandalumwitterte Film dieses Festivals. Der Film wurde auf Grund einer Einsprache einer rechtsextremen Familienvereinigung in Frankreich als Pornofilm eingestuft und kann daher in diesem Land nur in den einschlägigen schmuddeligen Kinos gesehen werden; natürlich Zutritt ab 18 Jahren. Der Film wurde von der Französin Virgine Despentes gedreht, die 1994 den Roman mit gleichem Titel veröffentlicht hat. Ihre Filmassistentin (Raffaela Anderson) und die beiden Hauptdarstellerinnen (Karen Bach und Karen Lancaume) können auf eine mehrjährige Erfahrung im Drehen und Inszenieren von Pornofilmen zurückblicken. Laut Raffaela Anderson in der von ihr gegebenen Pressekonferenz regt der Film zur Masturbation an ("J'aimerais savoir combien d'entre vous ont pu se masturber après l'avoir vu.." Aus der Zeitung Le Temps, Samstag 5. August). Worum geht es in diesem Film (ich habe ihn noch nicht gesehen): Um Sex und Gewalt: zwei Frauen rächen sich mit brutaler Gewalt an den an ihnen begangenen brutalen Gewalttaten der Männer. Laut den gelesenen Filmkritiken (Le Temps, Samstag 5. August, St. Galler Tagblatt Samstag 5. August) ist der Film eher schlecht: Tagblatt: "Pornografie oder nicht? Die Frage scheint müßig zu sein angesichts der flachen Figurenzeichnung und der Banalität von Handlung und Inszenierung. Motivation und Ziel bleiben der Autorin unklar, zumindest soweit, wie die Bilder sprechen oder nicht. Bei der Wahl dieses Wettbewerbbeitrages muss Festivaldirektor Marco Müller auf beiden Augen blind gewesen sein." Le Temps: "Malheureusement pour 'Baise-moi', la conférence de presse caricaturale et la projection mollement accueillie auront servi a dégonfler le soufflé" (Leider die karikaturhafte Pressekonferenz und die eher zurückhaltende Reaktion des Publikums (schlechter Applaus nach der Aufführung) haben dem Film den Wind aus den Segeln genommen.). Es ist zu sagen, daß der Film im vollen FEVI (größter Kinosaal während des Festivals mit 3000 Plätze) gezeigt wurde. Vor Beginn der Vorführung mußte das Kino wegen einer Bombendrohung geräumt werden.


Ich habe mir auch einige Kurzfilme im Rahmen des Wettbewerbes Léopards de Demain (Leoparden von Morgen) angesehen. Zwei von ihnen habe ich unten beschrieben. Es ist immer interessant zu sehen, wie risikofreudig (no Risk no Fun) und unverbraucht die jungen Regisseure sind. Sie haben sich nicht an internationale Standards zu richten, was sich in einer gewissen Frische in den gewählten Themen und ihrer Inszenierung ausdrückt.


Daß der FKC im Trend der guten Filme liegt und sich mit einer gewissen Professionalität ausweisen kann hat sich auch in Locarno erwiesen. Der Film "Summertime", den wir an der Auswahlschau der Solothurner Filmtage im Kino Madlen in Heerbrugg gezeigt haben, war auch bei den "Leoparden von Morgen" und wurde mit großem Applaus von den Zuschauern gewürdigt.
Der spezielle Filmzyklus, der jedes Jahr das Festival begleitet, wurde der ehemaligen UdSSR gewidmet. Unter dem Titel 'Une autre histoire du cinéma soviétique' (eine andere Geschichte des russischen Kinos) wurden mehr als 50 Filme gezeigt.

Der chinesische Film 'Baba', wurde von der Jury des 53. Festival zum besten Film gewählt. Leider habe ich den Film nicht gesehen und im Katalog ist keine Beschreibung zu finden. Nur so viel: Baba ist schon 1998 fertiggestellt worden. Die chinesischer Regierung verbot aber seine Aufführung in den Kinos.


Und nun zu einigen Filmbeschreibungen: (Bewertung von Urs)

Time with Nyenne; Oliver Beguin; GB/CH, Kurzfilm
(gezeigt in der Reihe "Leoparden von Morgen")

Olivier Beguin zeigt in seinem Kurzfilm eine zweigeteilte Gesellschaft: die Kranken, die draußen und die Gesunden, die drinnen bleiben müssen. Das Mädchen Nyenne ist eine, die draußen bleiben muß. Ihr Freund hat eine Bekanntschaft, jemand der drinnen bleiben muß, der ihn aber für die Mahlzeiten hereinläßt. Dieser Bekannte lädt Nyenne durch ihren Freund zu den Mahlzeiten. Während den Mahlzeiten und einer Party, die vom Bekannten veranstaltet wird, erfährt Nyenne mehr als ihr Freund weiß. Die Wahrheit scheint schrecklich zu sein, so daß Nyenne ihren Freund, zu seinem Schutz, zum Aufbrechen ihrer Beziehung zwingt. Sie jagt ihn fort. Auch der Zuschauer erfährt die Wahrheit nicht.

Olivier Beguin ist Schweizer. Obwohl er in England diplomiert hatte, und der Film an der Südküste Englands gedreht wurde, drücken die Schweizer Filmkennzeichen durch: lange statische Aufnahmen, Dialog auf ein Minimum beschränkt und eine sich langsam entwickelnde Geschichte.



Siete Cafés por Semana (Sieben Kaffees jede Woche) Juana Macìas Alba, Spanien, Kurzfilm
(gezeigt in der Reihe "Leoparden von Morgen")
Was soll man da tun, wenn man drei Jahre mit seiner Freundin verbracht hat, und dann den innigsten Wunsch hegt, es mal mit ihrer Schwester zu treiben? Was meint die Studienkollegin dazu, der man diesen Wunsch während eines Kaffees anvertraut? Was wird sie ihrer Freundin, während eines anderen Kaffees, über diesen Fall weitererzählen? "Gespräche während eines Kaffees" so könnte der Titel auch ins Deutsche übersetzt werden. In sieben kleine Episoden sprechen Studentinnen und Studenten und andere junge Leute über ihre Erfahrungen, Wünsche und Sehnsüchte in der Liebe. Und man kommt zum Schluß, daß in der Liebe eigentlich einiges schief gehen kann, daß es aber entschuldbar ist. Selbst dann, wenn die beste Freundin einer Studentin sich nach einem unzweideutigen Kuß als Lesbe entpuppt.


Muo Oi (Die Jahreszeit der Guaven) Nhat Ninh, Dang, Vietnam, Spielfilm
Die fünfzigjährige Geschichte einer akademischen Familie in Hanoi, Vietnam. Der fünfzigjährige Sohn Hoa fiel in seiner Kindheit vom Guavenbaum im Familiengarten. Durch den Sturz zog er sich Hirnverletzungen zu, die ihm das Erinnern an Ereignisse nach dem Sturz unmöglich machen. So gleicht auch sein Verhalten eher dem eines Kindes als eines Erwachsenen. Er realisiert nicht, daß der Vater das Familienhaus während der kommunistischen Kulturrevolution an die Regierung abtreten mußte. Daher schleicht er sich, wenn die Guaven reifen in den ehemaligen Familiengarten und pflückt sich dort einige Früchte, bis ihn eines Tages, im fünfzigsten Lebensjahr, die Tochter des neuen Hausbesitzers ertappt. Nachdem die Tochter die Umstände des Eindringlings von Huas Schwester erfahren hat, bietet sie ihm eine Unterkunft in Haus an. Ihr Vater allerdings, ein hoher Funktionär, ist dagegen und läßt Hua in eine psychiatrische Klinik einliefern. Nachdem er von einer verabreichten Spritze wieder aufwacht, sind auch seine Erinnerungen aus der Kindheit verloren gegangen.

Der Film dauerte eine Stunde und vierzig Minuten und wurde auf der Piazza Grande gezeigt. Mir schien diese Zeit in den unbequemen Stühlen unendlich lang. Der Film hat kein Leben, die Figuren keine Aussagekraft. Eine gewisse Ruhe ist im Film zu spüren, aber im Vergleich zu den japanischen Filmen, fehlt diesem asiatischen Film eine Unterschwelligkeit. *** Drei FKC–Sternchen (max. 5).



Bronx—Barbès Elian de Latour, Frankreich, Spielfilm
Bronx—Barbès ist die Ghetto—Geschichte von zwei Freunden in Afrika auf der Suche nach sich selbst. Nach einem Mord suchen sie Schutz in einer Gang. Der Ältere, Toussain, integriert sich in die Gang, der Jüngere, Nixon, rebelliert gegen die Regeln. Er will selbst in der Gang schnell vorwärts kommen. Er versucht eigene kriminelle Dinge zu drehen, die alle erfolglos enden. Er wird von der Polizei gefaßt und eingesperrt. Dank der Hilfe seiner Freunde wird er aus dem Gefängnis entlassen. Toussaint und Nixon müssen aber die Gang verlassen.

Ich konnte mich für den Film nicht begeistern. Die Geschichte schien mir etwas zu flau und einfach: Raufereien, endlose Streitgespräche und vor allem eine unglaubwürdige Vergewaltigungsszene: die Vergewaltigte war am folgenden Tag frisch und munter und verliebte sich in einen der Übeltäter. Ich hatte auch Mühe den Inhalt der Geschichte zu folgen. Die Schauspieler gaben aber ihr bestes, es schien als ob sie ihre eigene Lebensgeschichte erzählten. ***
Der Film erhielt eine "besondere Erwähnung" der Int. Jury



Ça ira mieux demain, Jeanne Labrune, Frankreich, Spielfilm
Ein origineller Film, der die alltäglichen Probleme und Problemen zwischenmenschlicher Beziehungen in einer Großstadt wie Paris überspitzt darstellt. Da ist die etwas naive, einfache und junge Elisabeth mit ihrer charakterstarken und intellektuellen Freundin Maria. Da ist die lebenserfahrene Vollblutfrau Sophie, die mit einem Psychologen verheiratet ist.

Sophie und Elisabeth lernen sich in einem Bastelgeschäft kenne. Elisabeth kauft einige Quadratmeter Plastik um damit die geerbten Möbelstücke im Keller vor dem Verfaulen zu schützen. Leider trifft sie in diesem Geschäft einen Bekannten, der ihr von ihrem Vorhaben abrät, denn das Holz brauche Luft zum Atmen und gebe Feuchtigkeit ab. Daher, in Plastik eingewickelte Möbelstücke führten zum Totalverlust. Der Verkäufer rät Elisabeth den Plastik an eine andere anwesende Käuferin, Sophie, zu verkaufen, da er den Kauf nicht mehr rückgängig machen könne. Elisabeth und Sophie lernen sich dabei kennen. Durch Elisabeth erfährt Sophie, daß man Möbelstücke nicht in Plastik einwickeln darf, was Sophie zum Ausrasten bringt, denn bei ihr zu Hause im Keller liegen seit einigen Jahren in Plastik eingewickelte Möbel. Gott sei Dank ist der beste Freund ihres Mannes Möbeldesigner. Sophie verspricht Elisabeth beim Freund ihres Mannes Ratschläge über Möbellagerung einzuholen und sie darüber zu informieren. Sie tauschen sich die Telephonnummern aus. Eine enge Freundschaft entwickelt sich zwischen ihnen während des Films, nicht ohne Einwände ihres Mannes, der sehr rasch der unangenehmen Neigungen Elisabeths bewußt wird......
Der Film besteht eigentlich aus vielen kleinen und 'banalen' Episoden, die originell und schrill in einem sehr schnellen Rhythmus gezeigt werden. Der Film wirkt daher sehr lebhaft und kurzweilig. Es ist kein Film der großen Tiefe, aber ein Film mit sehr großem Unterhaltungswert. ****



No Quarto da Vanda, (Im Zimmer von Vanda) Pedro Costa, Portugal, Dokumentarfilm
Vanda ist die tragisch-realistische Hauptfigur dieses Films. Sie wohnt im drogenverseuchten Stadtviertel Fontainhas in Lissabon, und ihr Leben ist ohne Hoffnung: arbeitslos und komplett von der Droge abhängig, verbringt sie mit ihrer Schwester die meiste Zeit in ihrem Schlafzimmer. Am Morgen wacht sie auf und kotzt sich durch (man kann es nicht anders umschreiben) bis die ersten 'Sniffs' der Droge ihre Wirkung zeigen. Auch ihren Freunden geht es nicht besser, und da die Regierung sich zum "Sanieren" des Viertels beschlossen hat, steht der armseligen Behausungen dieses Viertels in jedem Moment den Abbruch vor.

Die Personen, die im Film auftauchen, sind reelle Bewohner dieses Stadtviertels, die von ihrem Leben vor laufender Kamera erzählen. Auf eine eindrückliche Weise dokumentiert der Film, in welcher Hoffnungslosigkeit sie leben, und daß es eigentlich für sie kein Entrinnen gibt. Es ist schade, daß der Film nur mit einer kleinen Digitalkamera gedreht wurde (schlechte Farbentiefe). Die Begründung, daß die Personen sich freier fühlen, da sie eine kleine Kamera eher ignorieren als ein Arsenal von Scheinwerfern und einer großen Kamera ist wohl berechtigt. Gut, daß darauf geachtet wurde die Kamera stabil zu führen um ein Verwackeln der Aufnahmen zu verhindern. Die zweieinhalb Stunden Filmdauer wirken weniger ermüdend. Trotzdem, hätte eine kurze Pause während der Aufführung gut getan. ****
Der Film erhielt eine "besondere Erwähnung" der Int. Jury für die Suche nach der Erweiterung der filmischen Ausdrucksmöglichkeiten.



Komiker, Markus Imboden, Schweiz, Spielfilm
Der Komiker Roni wird von seinem Partner gefeuert. Beim klassischen Zaubertrick, bei dem eine Person zersägt und wieder zusammengesetzt wird, zeigt sich Roni als ungeeignet. Da er kein Einkommen mehr hat, läßt er sich heimlich bei seiner Mutter im Altersheim beherbergen. Doch eines Tages entdeckt der Heimleiter den heimlichen Gast Er hat Verständnis für seine Situation und bietet ihm eine Stelle als Pfleger an. Da er an das Talent Ronis als Komiker glaubt, stellt er ihm Raum und Zeit zum Einstudieren neuer Nummern zu Verfügung und unterstützt ihn finanziell bei seinen Auftritten.

Die Bewohner des Altersheim sind alles andere als alltäglich: unter anderem ein Börsenmakler, der unaufhörlich über Internet mit Aktien handelt, der ehemaliger Kabarettist Max, der, trotz Rauchverbot, sich auf dem Zimmer immer einen Joint gönnt und Bissinger, der einfache Schweizerbürger. Ronis Mutter stirbt im Bett von Max. Laut Meinung Bissingers 'hat er sie zu Tode gevögelt', womit er mit dieser Aussage seine Eifersucht auf Max gestanden hat. Für Max hat das Leben ein ungnädiges Ende. Beim Rauchen eines Joints setzt er sein Zimmer in Brand. Ein Rettungsversuch endet tödlich. Im Rausch springt er neben das Sprungtuch, welches die Feuerwehr für ihn aufhält.

Das Gebäude soll nun an eine Gesellschaft verkauft werden, die auf diesem Grundstück eine Garage errichten möchte. Die Bewohner im Altersheim sind empört und bitten den Börsenmakler um Hilfe. Der schafft es, übers Internet, die Aktienmehrheit der Immobiliengesellschaft zu erwerben und kann dadurch den Verkauf des Gebäudes verhindern.

Ein witziger Film von Markus Imboden. Aber wie bei manchen Schweizerfilmen (z.B. Beresina), muß man Schweizer sein oder die Gepflogenheiten des Landes gut kennen um die Feinheiten zu verstehen. Es ist daher kaum zu glauben, dass dieser Film, obwohl in der Schweiz sehr erfolgreich, im Ausland Anklang finden wird. ****



Manila Romuald Karmakar, Deutschland
Eine Gruppe Deutscher bleibt im Flughafen Manila hängen. Im Frachtraum ihres Flugzeuges wurde eine Ratte gefunden. Bis zu weiteren Abklärung allfälliger Schäden - verursacht durch das Nagetier - bleibt das Flugzeug am Boden.

Die Gruppe verbringt ihre Wartezeit in der Wartehalle und in einem Restaurant bei einem Abendessen gestiftet von der Fluggesellschaft.
Die Wartezeit ist die Zeit des sich Kennenlernens. Gesprochen wird, es ist klar, über Frauen, über Liebe, Sex und Frust. Der Mann eines akademischen Ehepaares aus der ehemaligen DDR lernt eine anders Seite des Lebens kennen. Er wird von Walter, der mit einer viel jüngeren und auch hübschen Philippina wegen eines Todesfalles nach Deutschland fliegt, in die nächsten Ferien eingeladen; alles inklusive selbstverständlich, dazu gehört auch eine Philippina die unwiderstehlich ist und Sex und Liebe nicht durcheinander bringt. Seine Frau spürt, daß in ihrem Leben wahrscheinlich eine andere Zeit anbrechen wird, und daß sie gegen die jungen Frauen aus den Philippinen keine Chance hat.
Ich ging mit gemischten Gefühlen in diesen Film, muß aber sagen sehr angenehm überrascht gewesen zu sein. Der Regisseur hat einen eindrücklichen und teils humorvollen Film über den 'normalen' deutschen Tourist und den sogenannten "deutschen Sextourist" gedreht. Aufgrund dessen, was ich von Kollegen erfahren habe, die mit einer Philippina verheiratet sind, scheint der Film sehr ehrlich zu sein: es wird nichts verschönert oder verschlechtert und die Dinge werden beim Namen genannt.

Ein guter Film, der eigentlich nur in drei Räumen spielt (Wartehalle, Restaurant und Toilette des Flughafens). ****.
Dieser Streifen hat auch der Int. Jury gefallen zu haben, er erhielt den Silbernen Leopard.


Die Preise 2000: 
(Quelle: www.pardo.ch)

INTERNATIONALER WETTBEWERB
Die internationale Jury des 53. Internationalen Filmfestivals von Locarno verlieh folgende Preise:

GOLDENER LEOPARD, Grosser Preis des Festivals und Grosser Preis der Stadt Locarno (40'000 Fr., aufgeteilt auf Regisseur und Produzent) für den besten Wettbewerbsfilm:
BABA von Wang Shuo (Chine)

SILBERNER LEOPARD, Zweiter Preis der Stadt Locarno , (20'000 Fr. aufgeteilt auf Regisseur und Produzent) für einen Film des Wettbewerbs "Neuer Film":
XILU XIANG (LITTLE CHEUNG) von Fruit Chan (Hong Kong)

SILBERNER LEOPARD, Zweiter Preis der Stadt Locarno, (20'000 Fr., aufgeteilt auf Regisseur und Produzent) für einen Film des Wettbewerbs "Junger Film"
MANILA von Romuald Karmakar (Deutschland)

BRONZENER LEOPARD verliehen an SABINE TIMOTEO, Schauspielerin des Films L´AMOUR, L´ARGENT, L´AMOUR von Philip Gröning (Deutschland)

BRONZENER LEOPARD verliehen an das ganze Ensemble des Films
DER ÜBERFALL von Florian Flicker (Österreich)



SPEZIALPREIS DER JURY (gestiftet von Crossair) im Wert von 10'000 Fr. (aufgeteilt auf Regisseur und Produzent) für den Film, der den Gedanken der Verständigung zwischen den Völkern und den Kulturen am stärksten zum Ausdruck bringt, verliehen an GOSTANZA DA LIBBIANO von Paolo Benvenuti (Italien)

BESONDERE ERWÄHNUNGEN DER JURY FÜR
BRONX-BARBES von Eliane de Latour (Frankreich). Für die Fähigkeit die Lebenswut einer jungen Generation darzustellen, auf einer ihr feindlich gesinnten Welt.

NO QUARTO DA VANDA von Pedro Costa (Portugal). Für die Suche nach der Erweiterung der filmischen Ausdrucksmöglichkeiten.


weitere Preise in anderen Katagorien - siehe offiz. Webseite des Festivals von Locarno

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