Norbert Fink berichtet von der Viennale 2000

Heuer hatte ich erstmals Gelegenheit, die Viennale in Wien zu besuchen. Dank Internet-Online-Reservierung ergatterte ich auch noch für drei Filmveranstaltungen Karten:.

SUMMER OF SAM, USA 1999 - 142 Min.
Spike Lee ist längst nicht mehr so "independent", wie er gerne dargestellt wird. Sein neuester Film erschien bei Touchstone Pictures, einem der großen Mayors und kommt, wie fast alles aus den USA, auch bald in unsere Kinos. Von diesem Aspekt her wäre es unnötig gewesen, den Film bei einem Festival zu präsentieren, geht man doch auf Festivals um das zu sehen, was im normalen Kino sonst nicht läuft.

Ein Serienmörder schießt in NY nachts Liebespärchen in Autos ab und killt auf kurze Distanz junge, gesundaussehende Frauen mit dunklen Haaren. Die Mafia macht sich nun Sorgen um ihr Image, nachdem die Polizei im Dunklen tappt und die Presse den Massenmörder in diesem heißen Sommer "Sam" nannte. Die Mafia geht ihren Geschäften nach, aber derart sinnlose Morde macht sie nicht. Also beschließen die Mafiosi bei italienischen Canneloni und Rotwein in ihrem Revier nach dem Täter Ausschau zu halten. Alle möglichen werden verdächtigt, vom Pfarrer bis zu den Schwulen; ein unklares Phantombild läßt sie dann glauben ein harmloser, aber auffällig frisierter und gekleideter Punk müsse der psychopathische Täter sein; sie lynchen ihn, während woanders der Richtige der Polizei zufällig ins Netz geht. Ein klassisches Thema der Vorurteile....
Viel Gewalt ist im Spiel und die Sprache besteht hauptsächlich aus Kombinationen um "to fuck", etwa "Fuck that fucking fuck!" . Schräge Typen, bunte Vögel und die Klischees vom Mafiosi in der Pizzeria, etwas Sex (natürlich züchtig amerikanisch und mal homo und hetero) sind die ziemlich konventionellen Zutaten. Witzig wird es allemal, wenn die rassigen schwarzhaarigen Mafiosibräute sich aus Angst zu blonden Barbiepuppen umfärben lassen und erschütternd, wenn ein Mann seinen besten Freund des Massenmordes für fähig hält und ihn den Schlächtern ausliefert. Spike Lee als schlanker Schwarzer setzt natürlich als Massenmörder einen dicken Weissen ein; naja, auch nicht sehr originell. Die gut zwei Stunden amerikanisches Kino vergehen mit viel Dialogen, aber relativ unterhaltsam.
*(*) 1 1/2 FKC-Sterne, annehmbar

Drei frühe Kurzfilme von Parviz Kimiavi

Nouvelle Vague Iranienne. Kimiavi studierte in den 70er Jahren in Frankreich Filmregie und in seine Heimat Iran zurückgekehrt, drehte er seinen ersten Film als Probearbeit für das Iranische TV an einem Tag; aufgrund dieser Arbeit sei dann offenbar sein Gehalt eingestuft worden, sehr niedrig, wie er ironisch bemerkte, aber man habe ihm eine Chance gegeben. Er handelt von archäologischen Ausgrabungen.

Der zweite Film zeigt "verbotene Aufnahmen" einer islamischen Pilgerstätte, besonders pikant war es, Frauen beim Gebet zu zeigen. Gold, Prunk, Luster und Spiegel kontrastieren völlig mit den z. T. verlumpten, armen Gläubigen, die um den besten Platz am Heiligtum kämpfen, der Reichtum der Staatsreligion vs. die Armut des Volkes...
Letztlich gab es unter dem Titel "P wie Pelikan" eine schöne kleine Geschichte um einen Eremiten, der in einer Ruine lebt und von den Kindern der nahegelegenen Stadt verspottet wird, sich aber durch belehrende Worte zu Wehr setzt. Seit 40 Jahren hat er sein Loch nicht verlassen, ein Junge, der ihn schätzt führt ihn mit einer Kutsche hinaus zu einem wunderschönen Park, in dessen Teich ein großer Pelikan schwimmt. Er steigt zu ihm hinein...
Mit dieser Parabel gelang ihm der Durchbruch.
Historisch interessant **

NOWHERE TO HIDE - Injong sajong polkot opta
Lee Myung-se -Korea 1999-108 Min.
Ähnlich wie "sexy beast" in San Sebastian, überraschte dieser Film rein durch seine innovative Machart, wie sie mit der heutigen Digitaltechnik möglich geworden ist. Die Story selbst ist banal. Polizisten bzw. Detektive jagen Mörder aus dem Drogengeschäft, einige Puppen sind dazwischen. Eine kontrastreiche Musikdramaturgie von den Bee Gees "Holy Day" bis Rodrigo, von Techno bis AsianEthno. Zeitlupe und - raffer, Einfrieren, solarisierte Stills, knallige Farben bei allen Wetterlagen lassen fast vergessen, daß es sehr brutal zugeht und sich Gut und Böse ständig blau schlagen; die Polizei scheint bei den Verhören von Menschenrechten auch noch nichts gehört zu haben und foltert, was das Opfer gerade noch erträgt. Nach fast 2 Stunden wird der Täter gefaßt, der den Mord an der "Stiege der 40 Stufen" verübte; ein bißchen Kitano fast, läßt der turbulente Streifen aber immer wieder auch Zeit zum Durchatmen und Entspannen, und dann hauen sie sich wieder mehrfach tot, um wieder aufzustehen und sich weiter zu prügeln. Sowas ist natürlich mehr Action-Satire als Reality.

Regiemäßig wirklich neuartig, oder "das Genre auf den Kopf gestellt", wie der "Falter" dazu meinte. Kein Sex, aber umsomehr inszenierte und zelebrierte Gewalt, bis hin zur Persiflage.

*** sehenswert, aber nur unterhaltend ohne Anspruch auf Tiefgang.


Norbert Fink