ich sah:
Las aventuras de dios (Subiela / AR)
Tônica Dominante (Lina Chamie / BR)
PALO Y HUESO (Sarquís AR 1968)
Os Cafajestes (Ruy Guerra, BR 1961)
Telegram (Slamet Rahardjo Djarot, Indonesien)
Djomeh (Hassan Yektapanah,Iran)
Sonntag, 11.3.01, 18 Uhr. Die Caritas gibt
einen Empfang im Festivalzelt. Ein surreales Bild: zwei Musiker spielen
das kubanische Lied vom "Commandante Ché Guevara" und vier Nonnen
schunkeln mit. Ob die Gottesanbeterinnen revolutionär geworden sind
oder Ché schon ein Heiliger ist? [so einen Film gab es vor ein
paar Jahren!]. Niemand erwartet, dass die Caritas aus Spendengeldern
Kaviar und Sekt auftischt, und so war es denn auch, aber zum Anstossen
gab es durchaus was. Relativ wenig Besucher, eine kleine, geschmackvolle
Fotoausstellung zur Flüchtlingshilfe.
19.30:
LAS AVENTURAS
DE DIOS (Die Abenteuer Gottes)
von Eliseo Subiela, Argentina 2000, dolby digital, FAZ 35mm.
Eine Dosis Buñuel. Don Luis wäre am 22.2.2001 übrigens
101 Jahre alt geworden. Die Schweizer Filmzeitung FILM verglich diesen
Film mit den Meisterwerken Buñuels, was ist daran wahr?
Die Ingredienzien sind wahrlich die der Surrealisten, doch schockt
dies heute nicht mehr: es beginnt im Vorspann mit einem Zitat von Breton
(dem Begründer des surrealistischen Manifests), manches erinnert in
der Tat an den "Würgeengel" (el angel exterminador), wo eine Gruppen
Menschen in einem Raum gefangen sind, ihn wähnen nicht verlassen zu
können.
Doch Subiela verläßt immer wieder den weit größeren
Raum eines Grand-Hotels am Strand, in dem sich die Koffer türmen und
alle auf die Abreise warten, er fährt sein Liebespaar mit einem 50er
Jahre-Ami-Cabriolet durch die Landschaft, die Damen zieht es an den Strand,
wo es alles Mögliche anschwemmt.
Den Protagonisten zum Beispiel, er bezieht in dem von Dünen fast
zugedeckten Hotelpalast ein Zimmer, während alle anderen auf die Abreise
warten.
In seinem Sack seine Mutter, die er immer wieder kannibalistisch verspeist,
was ihm schwer im Magen liegt, am Schluß verbrennt er sie am Strand
und weint.
Ganz zu Beginn eine wirklich surreale Szene: Ein Toter ist aufgebahrt,
drei Menschen halten Totenwache. Da beginnt ein Mann und eine Frau sich
zu lieben, der Tote fängt darauf an, sich zu masturbieren....
oder ein Mann zu einem Bischof: "ich sterbe aus Langeweile". Der Bischof
erwidert: "dann masturbieren Sie, das hilft, ich weiss wovon ich rede":
Religiöse Symbolik immer wieder, ja sogar als Leitthema des Films:
Ist unser Leben ein von einem anderen Wesen, gar Gott, erträumtes?
Sind wir die Schauspieler eines Träumenden? Ändert sich unser
Leben, wenn wir den, der uns erträumt aufwecken (oder gar erschießen,
was der Held des Filmes 20 x folgenlos macht) ?
Auch Christus kommt vor, im Casino des Hotels verkündet er, woran
die Anwesenden sterben werden, Milchkaffee schlürfend vollbringt er
kleine Wunder...
Anspielungen an die frühen Filme Subielas, etwa der magische Spiegel,
der Erinnerungen aus einem (anderen?) Leben zeigt...
Doch der Film ist zu philosophisch, um den unbürgerlichen Maximen
des Surrealismus zu entsprechen. Ein paar Nonsens-Dialoge, eine nackte
Frau und eine verspeiste Mutter schockieren heute niemanden mehr.
Die Musik von Beethoven und Mozart wird leider zu oft wiederholt eingesetzt.
Überraschend aber, wie gut der Videotransfer schon ist und THX-zertifizierter
Digitalton ist für einen Low-Budget-Film aus einem verarmten Land
ebenfalls eine kleine Sensation.
Der neue Trigon Film ist schön anzusehen, eine kleine Hommage
an die Surrealisten auf jeden Fall, aber doch viel zu brav, um deren revolutionäre
Größe zu erreichen.
Aber wer glaubt denn noch an so ein Wunder?
***(+1/2*) originell., durchaus mutig, so
etwas auf den Markt zu bringen, aber etwas zu brav
Nach dem Film gab es das richtige "Apero", wie die Schweizer zu sagen pflegen. Die Catering-Mannschaft mußte entnervt alles freigeben, denn gierige Finger und durstige Kehlen konnten nicht abwarten, bis ein höheres Wesen den Startschuss gab. Da gab es dann schon Kaviar- und Shrimps Kanapees und sogar Austern....und eine richtige Schlacht ums kalte Buffet...
und natürlich galt wieder: ja nicht deutsch
reden*, also schlängelte ich mich spanisch konversierend durch die
Reihen und fand durchaus einige GesprächspartnerInnen.
(*Als ich letztes Jahr den Fauxpas beging,
auf deutsch nach einer Klassik-CD zu fragen schaute man mich entgeistert
kann: wie kann denn ein deutschsprechender Barbar, wohl ein glatzköpfiger
Neonazi, so ein Kulturgut verlangen ? Seither stottere ich lieber meine
20 Vokabeln französisch ab oder spreche beharrlich portugiesisch oder
spanisch, was ich einigermaßen beherrsche... )
Montag,12.3.01
Die beiden Kassen im Rex öffnen bereits
um 9 Uhr. Um 10.30 ist bereits eine lange Warteschlange, die meisten besorgen
sich gleich für die nächsten drei Tage eine Menge Karten. Schon
sind die ersten Filme ausverkauft oder es werden Zusatzvorstellungen nötig,
etwa für "Las Aventuras de Dios".
Vielfältiges Programm:
Wieder gibt es den Wettbewerb,
wobei auffällt, das Asien stark vertreten ist. Aber auch aus Kuba
kommt ein neues Werk von Daniel Díaz Torres:"Hacerse es sueco"(Bezüglich
des Schweden), Brasilien ist mit "Quase nada" vetreten.
Außer Konkurrenz gibt es eine Menge "longs
métrages" Spielfilme, etwa "de ida y vuelta" aus Mexiko, den schon
beschriebenen neuen Subiela aus Argentinien, die Liebesgeschichte der Feministin
"Manuela Sáenz" aus Venezuela, der atemberaubende Klassik-Musikfilm
"Tônica Dominante" aus Brasilien.
Begrenzt das Angebot an Kurzfilmen und an Dokumentarfilmen.
Höhepunkt sind sicher wieder eine Retrospektiven.
Die Serie "Lateinamerikanische Filme des Aufbruchs"
bieten das Beste der letzten Jahrzehnte, etwa "Barravento" von Glauber
Rocha, LosOlvidados von Buñuel, Os Cafajestes von Ruy Guerra, Brasilein
1962, womit das "Novo Cinema Brasiliero" begann.
Eine Reihe "der neue afrikanische Film" rundet
das Vielfältige Angebot an.
Trigon kündigt einen Spielfilm über
Lumumba (von Belgien ermorderter erster freier Präsident Kongos) an,
gemacht von Raul Peck, dem Filmemacher und Kulturminister Haitis, der vor
Jahren
in Innsbruck anwesend war und "L homme sur le quais" präsentierte.
Der
Film ist aber auf dem Festival nicht vertreten.
Tônica
Dominante (Dominante Tonart)
Lina Chamie, BR 2000, dolby digital
Brasilien ist anders als man denkt. Wenn von einem Musikfilm aus Brasilien
gesprochen wird, wer erwartet da das edelste, das schönste, das vollkommenste,
was die Musikgeschichte hervorgebracht hat: die klassische Musik ?
Musik u.a.von Cesar Franck, Erik Satie und zur Krönung die "Unvollendete"
von Schubert...
Mit wenig Worten ist das Wesentliche gesagt, mit viel Musik und traumhaft
schönen Bildern aus Jugendstil-Musikpalästen, den fotogenen Dünen
an den Traumstränden Brasiliens und einigen Schwenks über die
Megacity von Sao Paulo im Abendrot wird es emotional vermittelt. Dennoch
herrscht Spannung: erst ein bewaffneter Überfall auf die Musikschule;
dann Spannung in den Beziehungen: ein junger Klarinettist wirft ein Auge
auf eine aufstrebende Violinistin; als er ihrer strengen Lehrerin am Klavier
das Notenheft umblättern soll und sich beim Recital-Abend vor Publikum
verblättert, ist die Katastrophe passiert.
Aber auch er wird besser und revanchiert sich im Orchester durch seinen
Part in Schuberts 8.
Leitmotiv ist die griechische Sage des Phonion (?), die erzählt,
wie durch das Flötenspiel Berge schmolzen, visualsiert durch das Wandern
der riesigen Sandünen.
Aufgebaut ist der Film in drei Sätzen, welche drei Tage im Leben
des jungen Klarinettisten widerspiegeln, der erste Tag, die Einsamkeit;
der Zweite, der Albtraum und der Dritte, das Wiedererlangen des Seelenfriedens.
Einer der wunderbarsten Klassik-Filme, die ich je gesehen habe!
Es ist erstaunlich und erfreulich, dass der Film hier in Fribourg gespielt
wurde; hat er doch nichts mit dem Klischee der Länder des Südens
als verarmte und verelendete Sozialmisere zu tun, allerdings muss er für
einen armen Arbeiter im Nordosten oder im Sertao wohl eine völlig
unbekannte Welt inmitten seines Landes darstellen, die er kaum zu hören
und noch weniger zu sehen bekommt. Aber auch das ist Brasilien, die Kunstmetropole
Sao Paulo.
***** beschaulich, erbauend, bildend, entspannend
Nach soviel Erbaulichem vertrug ich durchaus etwas härtere Kost und besuchte zwei Filme aus der Serie "Lateinamerika im Aufbruch", die als Meilensteile bezeichnet werden.
*** auch heute noch ein Genuß zum sehen, auch wenn die Kopie einige Schrammen aufweist und der Ton brummt.. vor allem die Zeit, als die riesengroßen Autos noch mehr als genug Platz auf den Straßen und zum Parken hatten, ist unglaublich anzusehen....
Di 13.3.01.
Die Zeit reicht gerade noch für einen neuen
iranischen Film und den einzigen Wettbewerbseitrag, den ich sehen kann:
Djomeh ist ein junger Afghane, der im tiefsten Inneren des Iran in einem
milchproduzierenden Hof arbeitet, im Gegenstz zu seinem Vetter Habib versucht
er sich zu integrieren und verliebt sich in Setareh, der Tochter des kleinen
Krämerladens.
"Wenn man im Bett darauf wartet, einzuschlafen, ist dies ein Moment
absoluter Einsamkeit", wird er im Festivalkatalog zitiert.
Für einen iranischen Film fast schon "Action" - der Streifen ist
kurzweilig und zeigt genau das Leben auf dem Land um im Dorf.
Die Kinder sind frech, werfen mit Steinen oder blenden mit Spiegeln,
klauen dem Ausländer das Fahrrad. Djomeh verliebt sich in die einzige
Frau, die er zu sehen bekommt, die Tochter des Krämers. Er kauft bei
ihr mehr ein, als er sich eigentlich leisten kann, nur um sie länger
sehen zu können oder ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Auf den Fahrten
ins Dorf, die er mit seinem verständnisvollen Chef macht, finden lange,
manchmal auch witzige Dialoge statt. Durch das Fenster zieht die Landschaft
vorbei.
Djomeh will eine Frau, und das heisst im Islam natürlich heiraten.
Bei ihm zuhause in Afghanistan muss man mit 20 verheiratet sein, sonst
gibt es üble Gerüchte. Er bittet seinen Chef, der über 40
und selber noch Junggeselle ist, wenigstens zu fragen. Doch die Folgen
sind fatal...
Wieder wird glasklar ein einzinger Gedanke vertreten und vollkommen
linear eine einzige kleine Geschichte erzählt, die Bilder sind dokumentarisch
genau.
*** stilistisch präzise, aber etwas banal