Bericht vom
11. Internationalen Filmfestival
Innsbruck
29.5.-2. 6.02
von Dr. Norbert Fink
Wettbewerbsfilme | Andere |
Bruder Seidenstrasse (Kirgisien/Kasachstan) | Escape to paradise (CH) |
Fellini (Usbekistan) Gewinner | What time is it there? (Taiwan) |
Perfume de violetas (Mexico) | Platform (China) |
Sie-Je Metamorphosis (China) | Annas Sommer (D) |
Un dia de suerte (Argentinien) | Amigomio (D, AR) |
Die Ballade von Narayama (Jap 1982) | |
Preis des frz. Kulturinstitutes | Domesticas (Brasil) |
Adanggaman (Elfenbeinküste) | Das ist alles (A) |
Das Windpferd (Marokko) | Czesc Tereska (Polen) |
Fatma (Tunesien) | Sex aus Mitleid (Mexiko) |
Erstmals
kein kubanischer Langfilm auf dem Festival
War früher Innsbruck doch das Schaufenster von Fidel Castros
Zuckerinsel in Europa, gab es heuer nur einen kleinen Kurzfilm. Kuba wollte
seine heurige Produktion unbedingt in Cannes vermarkten.
Gastrede von Michael Bilic, "das Kino" Salzburg
Der Eröffnungsabend begann etwas verspätet und der Geschäftsführer des Salzburger Programmkinos "Das Kino", Michael Bilic moderierte. Er betonte die Bedeutung der Filme fernab vom Mainstream für die Kultur. Die meisten Filme hatten übrigens engl. Untertitel zum Original und stellten doch einen gewissen Anspruch an das Publikum!
Es begann mit einem innovativen Kurzfilm aus Mexiko:
Hasta los huesos (bis auf die
Knochen)
Der Animationsfilm zeigt das Leben nach dem Tode, ein Mann wird begraben und
findet sich, während sein Körper sich zunehmend auf die Knochen reduziert, in
einer illustren Runde wieder, in der es weder an Alkohol, Musik noch Frauen
fehlt...
**** für eine wirklich originelle Idee
Der Hauptfilm des Abends galt ebenfalls Mexiko und wurde so in alter Innsbrucker Tradition, dem lateinamerikanischen Film gewidmet.
Perfume de Violetas - Nadie te
oye
(das Veilchen-Parfüm oder: Niemand hört dich)
Mexico 2000, Maryse Sistach, 90 Min.
Die 15.jg. Yessica ist keine Heilige, vielmehr eine schwererziehbare aus den
Slums und deshalb auch leichter Opfer von Aggression als die wohlbehüteten
Chicas der Mittelschicht.
Sie kommt auf eine neue Schule in Mexico DF und stellt sich kaugummikauend so
vor, dass sie dem Direktor eine geknallt habe und deshalb von der anderen
Schule geflogen sei.
Gleich legt sie sich schon mit Buben an und kämpft mit ihnen.
Sie freundet sich mit Miriam an, deren Mutter in einem Schuhgeschäft arbeitet.
Beide haben gemeinsam ohne Vater aufzuwachsen. Ausgelassene Spiele in der
Badewanne, Schminkorgien, laute Punkmusik, Rauchen, Schmusereien mit Jungen.
Doch Miriams Mutter ist gegen diese Freundschaft. Eines Tages wird Yessica
aufgelauert, in einen Bus gezerrt und vergewaltigt. Doch sie schweigt. Als sie
daraufhin beim Gymnastikunterricht Blutflecken auf der Hose bekommt, muss sie
zur Strafe x-mal "alle 28 Tage muss ich auf meine Menstruation achten"
schreiben. Sie reagiert mit Diebstählen und selbst Miriams Mutter klaut sie
Geld aus der Schmuckdose, Miriam muss auch einen Ladendiebstahl von Yessica
ausbaden...
Yessica traut sich nicht mehr nach Hause, schläft auf der Straße und verdreckt.
Als sie nochmals vergewaltigt wird und nun die LehrerInnen endlich mitbekommen,
was passiert ist, kommt es zum tragischen Ende. Als Miriam ihr die Freundschaft
aufkündigen will, kommt es zu einer Rauferei, Miriam fällt auf eine Kante und
stirbt. Yessica nimmt Miriams Hausschlüssel und begibt sich in Miriams Wohnung.
Als die Mutter von der Arbeit kommt, ist die Haustüre offen ....
Goya für den besten ausl. Spanischsprachigen Film 2001, Silberne Koralle,
Havanna 2001,
Spezialpreis Karlsbad u.a.
Der recht spannende und gut gespielte Film erschien mir zwar nicht sehr innovativ, störend wirkten sehr abrupte Tonschnitte, er differenzierte aber recht schön das Leben der unterschiedlichen sozialen Klassen und zeigte deutlich, dass gerade die Armen aus den "Favelas" eher Opfer der Gewalt werden, aber auch eher dazu neigen, selber die Grenzen der gesellschaftlichen Konventionen und Legalität zu überschreiten. Jedenfalls ein sehr eindrücklicher Auftakt zum Festival, es gab ja auch schon seichteres zu Eröffnung.
***1/2 tragische Geschichte um sexuelle Gewalt und
deren Folgen auf die Beziehung zweier Schulmädchen in Mexico. Ges. in OF / engl UT
Etwas unkoordiniert verlief dann der Wechsel vom Leokino in das
"Treibhaus", wo ein Empfang stattfand, dort traf man viele alte
Bekannte und konnte neue Kontakte knüpfen.
Untergebracht wurden wir auch dieses Jahr wieder strengst katholisch, nach dem
"Haus der Begegnung", das gerade renoviert wird und dem
"Caniseanum" war es nun das Haus Marillac der barmherzigen
Schwestern, die uns preiswert beherbergten.
2.Tag:
Nazim Abbasov, Usbekistan 2000 (mono-analog, Normalformat), 93 Min.
Schon am Tage zuvor machte ich Bekanntschaft mit dem sympathischen
Regisseur, der umgerechnet 3 € im Monat für diesen Film staatlichen
"Gehalt" erhielt. Die Idee war alt, die Realisierung dauerte ein
Jahr. Es geht um die unerschütterliche Liebe zum Kino in einem Land, das einst
eine blühende (staatliche) Filmindustrie hatte.
Schauerlich-schöne Filmkulisse bietet der inzwischen fast gänzlich
ausgetrockenete Uralsee (eine enorme Umweltkatastrophe, "das wäre so,
wie wenn bei euch die Berge plötzlich nicht mehr da wären!") wo dahinrostende
Schiffe mit den Namen der ehemal. Sowjetrepubliken im Sand "miteinander
reden", wenn der Wind durch die klappernden Luken pfeift.
Auch die Geschichte ist wahr: ein Filmvorführer, selber Filmfanatiker und deshalb "Fellini" genannt,, klaute die schönsten Ausschnitte der Filme durch Herausschneiden und verteidigt sein Kino und seine Idee, mal selber einen Film zu drehen, bis zum Tage als es abbrennt. Im Moment des feurigen Untergangs führt er einer Filmcrew eben diese Filmschnippsel, die Meilensteine der Filmgeschichte, vor. Die Schwierigkeiten, die es beim Filmemachen in einem so armen Land wie Usbekistan gibt einerseits, das theatralische Talent - auch der Laienschauspieler - andererseits werden in teilweise wirklich fellinesken oder surrealen Einstellungen gekonnt eingefangen. Manche Längen und technische Unzulänglichkeiten hat der Streifen freilich schon und manchmal erscheint uns das ganze etwas zu theatralisch.
**1/2 sehenswert für die liebevolle
Improvisationskunst, 4-sprach.OF / engl.Ut
Der
sympathische Regisseur war der GEWINNER DES JURYPREISES
NarayamaBushiko - Die Ballade von Narayama
Japan 1982, Shohei Inamura, neue Kopie bei Trigon, 130 Min
1983 erhielt dieser Film die Golde Palme. Das eindringlich intensive Epos
mit Szenen ritueller Sexualität und indirektem Töten alter Menschen war vor 20
Jahr dem Publikum wohl nicht zumutbar und erscheint erst jetzt beim
Trigon-Verleih in der Schweiz.
Ein verarmtes Bergdorf in Nordjapan, weil es nicht für alle zu Essen gibt,
werden die Alten, wenn sie 70 sind auf den Berg Nara getragen und ihrem
Schicksal überlassen, oder wollen sie sich diesem nicht fügen, in eine Schlucht
gestürzt. Raben warten auf neue Opfer in der von Skeletten übersähten
Berglandschaft. Heiraten werden engagiert und auch die einzelnen Stämme leben
nicht sehr friedlich, als einer dem anderen Kartoffeln stiehlt, werden sie
nachts überfallen und lebendig in ein vorbereites Grab geworfen. Einmal ist
davon sogar die schwangere Braut eines eigenen Familienmitglieds betroffen. Die
69 Orin, eine noch rüstige Frau, schlägt sich selbst die Zähne ein, um ihren
Gang zum Berg der Götter zum vorgesehenen Zeitpunkt zu rechtfertigen. Weiterer
Handlungsstrang ist einer ihrer Söhne, ein "Stinkender Mann", der als
einziger wegen seines üblen Geruchs keine Frau bekommt (nicht einmal jene, die
nach dem Willen des sterbenden alten Vaters einmal mit allen Männern schlafen
soll, um einen Fluch, der über dem Dorf liegt, auzulösen) , zur Not schaut er
onanierend den anderen zu oder betreibt Sodomie. Letztlich opfert sich aber
eine Alte, die nichts mehr riecht, für ihn...
Die an sich sehr brutale Handlung ist in perfekte Bilder einer archaisch schönen Berglandschaft eingewoben, das japanische Original läßt die verbalen Auseinandersetzungen noch kampfartiger erscheinen. Manche sexuellen Szenen werden auch stellvertretend von Tieren ausgeführt.
**** ein wiederentdecktes Meisterwerk in
perfekter Kopie, 1982 noch ein Skandal.
Elfenbeinküste 2000, Roger Gnoan M´Bala, Dolby SR, 90 Min.
Es ist dies der erste schwarzafrikanische Film über die Kollaboration eines
schwarzen Königs mit den europäischen Sklavenhändlern. A. schickt Kampfamazonen
in die Dörfer, steckt sie in Brand und fängt die Opfer als Sklaven ein, die
stärksten werden nach Europa oder Amerika verkauft, die anderen an nationale Käufer.
Zu Beginn steht ein junger Mann, der nach dem Willen seines Vaters eine andere
heiraten soll, nicht jene die er liebt. Als er abends zurückgkehrt ist das Dorf
niedergebrannt, sein Vater ermordet und seine Mutter versklavt. Er bietet dem
Tyrannen A. sein Leben an, wenn dafür seine Mutter freigelassen wird. Doch A.
läßt sich darauf nicht ein und behält ihn. Als er sogar Getreue gefangen nehmen
läßt erbarmt sich eine Kampfamazone seiner uner befreit ihn, doch das
idyllische Glück währt nicht lange, sie wird erschossen und er erneut
versklavt.
Der Nachspann lehrt uns, dass sogar A. im Rausche gefangen genommen wurde und als Koch nach Übersee verkauft wurde, wo er dann an TBC starb.
Zwar konventionell gemacht, aber recht spannend und so klar noch nie gezeigt. Und: auch Frauen können zu gefährlichen Tötungsmaschinen abgerichtet werden.
***1/2 für mutige und spannende
Geschichtsaufarbeitung
in der Schaufenster zur Diagonale gab es den österr. Dokumentarfilm
Das ist alles
Tizza Covi & Rainer Frimmel,
A 2001, 98 Min.
Im Stile Seidls (starre Kamera, lange Einstellungen), jedoch nicht so distanzlos, wird ein kleines Dorf bei Kaliningrad gezeigt: Jasnaja Poljana im ehem. Ostpreussen. Die Menschen, die dort Wohnen entflohen den ethnischen Konflikten in der zerfallenden UdSSR - Negronij-Karabach, Armenien, Azherbeidjan oder Sibirien. Zwar handwerklich sehr ordentlich, aber vielfach zu lang. Etwas mehr Schere hätte dem Film nur genutzt und wiederholende Szenen mit denselben Menschen (etwa dem singenden und akkordeonspielenden Paar) bringen nicht mehr sehr viel neue Information.
Nur * für gute Tontechnik
3. Tag:
AMIGOMÍO
BRD/Argentinien 1994, Dolby SR, Jeanine Meerapfel & Alcides
Chiesa, 114 Min.
Auch dieser schon betagte Film des Saarländ. Rundfunks war eine große positive
Überraschung.
Videla-Diktatur in Argentinien, politische Gegner werden nachts abgeholt und verschwinden (s.Garage Olympo). Carlos und sein 8jg Sohn Amigomio schaffen gerade noch die Flucht, nachdem bereits seine getrennt lebende Frau und andere Freunde "verschwunden" sind. Carlos hat in Quitos (Ecuador) eine Stelle bei einer deutschen Firma in Aussicht und fährt mit Bahn und Bus die lange Strecke. Erstes Problem ist, dass Amigomio im Pass der Mutter eingetragen war und er so sich gefälschte Dokumente besorgen muß. In Bolivien wird er verhaftet und der Kindesentführung bezichtigt, weil sie sich einander nicht ähneln würden, nur reichliche Bestechung hilft. Dann wird ihr Bus von Guerilleros überfallen und da er nichts hat, schließt er sich ihnen an, die Flucht vor Videla kaufen sie ihm ab und bringen ihn über die Grenze nach Ecuador. Der berufliche und private Neuanfang gelingt Carlos, doch Amigomio hat Heimweh...
Wäre da nicht die über die drei Länder gestülpte süßliche Einheitsmusik, wäre der Film als perfekt zu bezeichnen: spannend, politisch relevant, gut gespielt, guter Rhythmus und eine ganze Menge auch touristisch-kulinarischer Bilder (etwa Potosi in Bolivien, Fahrt mit der Andenbahn nach Quitos...)
**** fast perfektes Roadmovie um einen
politischen Flüchtling mit Sohn von Argentinien nach Ecuador.
Zhantai (Platform)
Jia Zhang-ke, China 2000, 155 min
Dass nicht jeder Trigon Film automatisch gut sein muss bewies dieser viel zu lang geratene Streifen. Zwar wird die Trostlosigkeit und Konformität des Lebens im China von 1979, 3 Jahre nach dem Tode des Großen Vorsitzenden Mao schön eingefangen, das ist aber auch schon alles. Jugendliche hören in "Feindsendern" aus Taiwan westliche Popmusik und die beiden Angehörigen der Kukturbriganden tragen Glockenhosen, in denen kein Arbeiter arbeiten könnte.Elektrischer Strom kommt ins Dorf und im Kino werden auch ausländische Filme gezeigt.
Die ersten Einbrüche der Konsum- und Spaßgesellschaft in China war keine ideologisch motivierte Konterrevolution, sondern ein banales Nachmachen westlicher Einflüsse.
Gesehen aus der Sicht von Jugendlichen und ihrem Liebesschmerz wird die
Geschichte nur noch banaler.
Die beiden Sterne für die stimmige Fotografie
werden von 2 Ruhekissen für einschläfernde Dialoge wieder wettgemacht. 0
Punkte, mit über 2 1/2 Stunden viel zu lang(weilig).
Un dia de suerte
Sandra Gugliotta, Argentinien
2002, SR Stereo, 94 Min.
Argentinien ist bankrott, die Bankguthaben können nicht ausbezahlt werden, das Geld wird entwertet. Italienische Einwanderer, die einst aus dem armen Sizilien ins reiche Argentinien auswanderten wollen wieder zurück. Es sind aber nicht sie selbst, sondern ihre Enkeln, die zu Tausenden nach Italien oder Spanien zurück wollen. Die 25 jg Elsa schlägt sich mit mehr oder weniger krummen Gelegenheitsjobs durch, ein sizilian. Liebhaber, mit dem sie nur eine Nacht verbringt, ist der Anlaß. Sie fliegt nach Rom und sucht vergeblich diesen Mann...
Die desolate Stimmung in Argentinien wird gut eingefangen, auch der feministische Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit von allen und jedem....
** für gute Darstellung eines aktuellen Problems lobende Erwähnung der Jury
Domesticas, o filme (Hausangestellte)
Fernando Meirelles & Nando
Olival, Brasil 2001, dolby digital
Der Geheimtipp von Helmut Groschup für mich war dieser Film, den wir sicher in kürze zeigen werden. Auch dies ein neuer Trigon-Film.
Die modernen SklavInnen von heute sind die Hausangestellten in Brasilien. Meist sind es die weiblichen "Putzfrauen", aber es gibt auch männliche Vertreter der Spezies: Autoputzer, Hausmeister, Wachpersonal.
Sie sind manchmal die Manager des ganzen Haushalts, kaufen ein, kochen, putzen, waschen, bügeln, aber sie leben auch, sind verheiratet, verwitwet oder single, sind dick oder dünn, schön oder weniger....
Das an sich traurige Thema wird mit echt brasilianischem Schwung und Witz rasant erzählt. Eine besonders Hübsche macht einen Abendkurs für Fotomodell, ihr erster "Auftraggeber" ist aber ein ganz normaler Freier, der nur Sex will. Da er ihr aber letztlich enorme 200$ bezahlte, war es nur halb so schlimm..., eine andere heiratet, aber der Bräutigam bleibt im Lift stecken; das brasilianische Leben, Überfälle auf den Bus, Spiritismus, Horoskope und viel Körperlichkeit.
**** heiter-rasante und innovative "Studie" über die Hausangestellten in Rio und Sao Paulo (War nicht im Wettbewerb)
Se Jie (Metamorphose)
Zhong Qiang, China 2001, 82 Min,
SR
Ein soeben geschiedener Taxifahrer pendelt zwischen zwei geheimnisvollen, schönen Nachbarinnen. Affären, Mordverdacht, Polizei. Im Taxi und im Wohnblock spielt sich das moderne Leben in einer schicken neureichen chinesischen Großstadt ab. Stilistisch sehr innovativ und fast ohne Dialoge, wird die auf Banalitäten reduzierte Kommunikation moderner Stadtmenschen thematisiert. Das völlig entideologisierte China!
**1/2 sehenswert, vor allem wegen der Kamera
4. Tag:
Altyn Kyrghol (Bruder Seidenstrasse)
Marat Sarulu, Kirgisien/Kasachstan 2001, sw, 80 min, mono
Ein poetischer Film im Stile der alten Sowjetischen Filme: SW, Normalformat, mono.
Kinder spielen an der Eisenbahnlinie, ein Vogel als Symbol des Paradieses,
im Zug: eine Frau klagt ihren Mann des Alkoholismus und der Wertlosigkeit an,
Mutter-Tochterkonflikt, eine alternde Nutte, Gauner, die einen Maler aus dem
fahrenden Zug werfen. Leider fehlt dem Film der nötige Witz, der durchaus in
der Situationskomik vorhanden gewesen wäre.
**1/2 sehenswert, vor allem wegen der
klassischen schwarzweiß-Fotographie
Aoud Rih (Le Chaval de vent, das Windpferd)
Daoud Aoulad Syad, Marokko/F 2001, 86 Min, Trigon /Cinematograph
Extrem langsamer, existentialistisch angehauchter Film um Taher, einen alten
Hufschmied auf der Suche nach seiner Vergangenheit. Er trifft auf Driss, einen
jungen Mann, welcher seine sterbende Mutter sucht, von der er seit 30 Jahren
nichts mehr gehört hat. Am Ende bewahrt der Alte den Jungen vor dem Selbstmord.
Wortlastiger Film mit schönen, sehr langsamen Einstellungen
** sehenswert für Philosophen und Schwermütige.
What time is it there ?
(Wie spät ist es
dort?)
Tsai Ming-liang, Taiwan, F 2001, 116 min, Trigon /Cinematograph
Im Prinzip eine gute Idee und ohne unnötige Worte, rein Bildsprachlich umgesetzt. Ein Uhrenverkäufer stellt in Taiwan alle Uhren auf die Zeit in Paris um, er träumt von einer Kundin, die gerade in Paris ist. Sein Vater starb soeben, nachdem er die Uhren verstellt hat, glaubt seine Mutter, dies sei ein Zeichen des Verstorbenen aus dem Jenseits und begeht immer verrücktere Dinge. Sie onaniert vor dem Bild des Verblichenen, während ihr Sohn im Auto schläft und von einer Straßendirne ausgeraubt wird. Auch der Touristin in Paris wird bei einem Nickerchen der Koffer gestohlen. Interessante Studie der unterschiedlichen Kulturen.
** 1/2 innovativ und bildsprachlich erzählt.
"Filmnacht
Rebellische Frauen":
Czesc Teresa (Hi,
Teresa)
Robert Glinski, Polen 2000, sw, 86 min.
In düsterem SW zeigt der Film das Leben einer Familie in einem poln.
Plattenbau. Der Vater säuft, in der Schule und überall wird geklaut. Tereska,
noch brav im Kirchenchor den Herrn huldigend, ist sexuell noch nicht so weit
wie ihre Gleichaltrigen. Sie geht auf eine Modeschule und kommt dort in
schlechte Einflüsse ihrer Mitschülerinnen. Sie lernt das Leben kennen: Klauen,
Rauchen, Saufen, Sex. Doch ihre sex. Neigungen sind sadistisch: sie dämpft auf
den Beinen eines Querschnittsgelähmten Zigaretten aus und schlägt diesen mit
einer Stange, dafür kauft das Opfer sich einen Kuß von ihr. Nachdem sie recht
unsanft das erste Mal hinter sich bringt (fast wie vergewaltigt) erzählt sie
dem Tetraplegiker, wie schön das war, und während er sich an der erfundenen
Erzählung aufgeilt, schlägt sie ihn tot.
Spannende, düstere und deprimierende Sozialstudie,
die Ermordung eines Schwerbehinderten durch eine Frau, sowie weitere kriminelle
Akte erschienen mir aber zuviel des Guten und nicht dadurch entschuldigt, dass
die Täterin aus der untersten Arbeiterklasse kommt.
Sexo
por compasion (Sex aus
Mitleid)
Laura Maña, E/Mex 2000, digital, sw/f 107 min.
Ein farbloses Dorf in Mexiko. Dolores, eine lebensfrohe 50jg wird von ihrem
Macho verlassen, weil sie so penetrant großzügig ist. Sie will endlich sündigen
und frägt den Pfarrer, was denn wirklich eine Sünde sei, doch der kann oder
will es ihr auch nicht so recht sagen. Also schläft sie mit dem Erstbesten, der
sie darum bittet und rettet ihn so vor dem Selbstmord; also das war keine
Sünde, sondern eine gute Tat. Und es gibt viele Männer, inklusive des Pfarrers,
die sich retten lassen wollen. Sie wird zu Heiligen. Das Dorf erwacht aus der
Lethargie und Depression und blüht in jeder Hinsicht auf. Nur die echten Huren
führen sich im Geschäft gestört, doch auch mit diesen arrangiert sich
"Lolita", indem sie es nicht mehr umsonst, sondern für eine Spende
für die Kirche macht. Als Manolo zurückkehrt und hört, seine Frau hätte
gesündigt, ist er erfreut, doch als er von der Art der Sünde hört, doch
eifersüchtig. Die Frauen wollen nun, dass er dasselbe tut, doch Manolo ist bald
erschöpft und sieht, welche Heldenleistung seine Frau vollbrachte. Indes will
der Pfarrer sich selber kreuzigen...
Heitere, aber ziemlich leicht und bieder verfilmte Geschichte um ein Dorf in
Mexico. Eine verlassene Frau schläft aus Mitleid mit vielen Männern, woraufhin
sich das Dorfleben äußerst positiv entwickelt.
*** köstliche Idee, aber zu konventionell
umgesetzt.
Letzter Tag:
Khaled Ghorbal, Tunesien 2001, 124 min. dts stereo, Trigon /Cinematograph
Fatma wird kurz vor der Matura in ihrem eigenen Haus vom Cousin vergewaltigt,
schweigt darüber und wird zunehmend sonderbar. Mit Tüchern bindet sie ihre
Brüste flach, um die Männer nicht zu reizen. Sie will gegen den Willen des
Vaters unbedingt in Tunis studieren, bricht jedoch nach 3 Jahren das Studium ab
und läßt sich als Lehrerin in einem verlassenen Dorf nieder. Dort verliebt sie
sich in einen jungen Arzt, der die Kinder impft, da er "anders" als
die anderen zu sein scheint, heiratet sie ihn. Bei einem Chirurgen läßt sie
sich das Hymen wieder flicken, sie will nach traditioneller Moral als Jungfrau
in die Ehe gehen. Ihr Mann macht Karriere und baut ein wunderschönes Haus. Bei
der Eröffnungsfeier ist auch jener Chirurg eingeladen, der ihr einst diese Gefälligkeit
erwies und Fatma ist wieder deprimiert und nervös. Als sie ihrem Mann das
Geheimnis offenbart, läßt er sich von ihr scheiden, da sie ihn vor der Ehe
belogen habe.
Über 2 Stunden dauert die Erzählung dieses Frauenschicksals, wie es in
dieser krassen Form heute noch wohl nur in einem islamischen Land geschehen
kann. In sehr langsamen Einstellungen, sehr konventioneller Erzählform und
wunderschönen Bildern wird das Leben in der Familie geschildert.
Dabei wird der Film nie langweilig, die Lehren daraus gelten aber nur für den
streng islamischen Kulturkreis.
*** Als psychologische Studie der Folgen einer
Vergewaltigung im islamischen Kulturkreis sehenswert.
Escape to paradise
Nino Jacusso, CH 2001, 90 min, Cinemascope-FAZ, Digital
Der von Ivo Kummer von den Solothurner Filmtagen produziete Film beleuchtet
die Asylpolitik der Schweiz. Nur 10% bekommen einen positiven Bescheid und
dürfen bleiben, der Rest wird ausgeschafft. Eine kurdische Familie, deren Vater
von den Türken gefoltert wurde, trifft im Asylantenheim ein, sie verkaufen den
letzten Schmuck um sich gefälschte Dokumente über die Haft und Folterung zu
beschaffen, denn die Behörde will Beweise sehen, ein paar Folterspuren sind
zuwenig. Letztlich ist dann aber doch die Wahrheit glaubhafter als die
erfundene und schwer auswendig zu lernende Geschichte. Manche der Abgewiesenen
versuchen unterzutauchen oder gar sich das Leben zu nehmen...
*** aktuelle Geschichte, spannend und bildhaft
verfilmt
Annas Sommer
Jeanine Meerapfel, D, GR,E 2001, 107 min, Dolby SR
Nachdem mir ihr Film "Amigomio" sehr gut gefiel, besuchte ich diesen
nach der Preisverleihung gezeigte Film in Österreich-Premiere statt eines
anderen eigentlich ausgesuchten.
Eine hervorragende Angela Molina in der Hauptrolle, fantastische Kamera- und
Farbkompositionen und auch eine ansprechende Musik, sind das eine; mindestens 5
Sprachen (katalan, spanisch, griechisch, deutsch, englisch), ständig wechselnde
Orte und Zeitebenen das verwirrende Andere an dieser nicht nacherzählbaren,
fast banalen Familiengeschichte um Tod und Leben. Annas Mann, Max stirbt; rasch
nimmt sie sich einen neuen, viel jüngeren Lover in ihrem herrlichen alten Haus
auf einer griechischen Insel, sie weiß nicht recht, ob sie das Anwesen
verkaufen soll oder nicht, wühlt in der Familiengeschichte, als Jüdin wurde
ihre Großmutter nach Theresienstadt verschleppt, manche Szenen spielen in
Davos, Berlin, London, Griechenland ....
Ein manchmal sentimentaler Film mit weiblicher Logik, aufgeheitert durch
Kochrezepte und Liebesszenen.
**1/2 für Kamera und Musik, kaum für die Story.
Gewinner der Jugendjury: Little Senegal
Publikumspreis:
Sia-La Reve du Python
Verabschiedet hat sich Verena Teissl vom Festivalteam, alle bedauerten ihren
Entschluss
Das 12. Internationale Film Festival Innsbruck findet
von 18. bis 22. Juni 2003
statt.